Keine Gene für den Staatsschutz!
29.05.2002, 18:53, LinksRhein
Repression
| Stuttgart
| RAF
| §129a
| Speichelprobe
Kundgebung in Stuttgart am 8.6. gegen die zwangsweise Abnahme einer Speichelprobe von Heidi R. im Rahmen eines §129a Verfahrens
Sofortige Einstellung des 129a-Ermittlungsverfahrens gegen Heidi R.!
Keine Gene für den Staatsschutz!
Kommt zur Kundgebung!
Am 11. Juni 2002 um 11 Uhr soll Heidi zur "Entnahme von Körperzellen in Gestalt einer Speichelprobe" in die Landespolizeidirektion Stuttgart II in der Hahnemannstraße. Wenn sie dieser Aufforderung nicht “freiwillig” nachkommt, wird der Zugriff auf den genetischen Code der Genossin zwangsweise durchgesetzt.
Gegen diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die mit Beschluss vom 7. Mai 2002 gefällt wurde, wollen wir am 8. Juni mit einer Kundgebung demonstrieren.
Zur Vorgeschichte:
Am 23.12.2001 erhielt Heidi ein mehrseitiges Schreiben von der Bundesanwaltschaft (BAW). Die BAW gab darin ihr Verlangen nach Heidi's genetischem Code bekannt sowie die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens nach § 129a.
Für diesen Zweck wird weit zurück gegriffen: 1987 wurde gegen Heidi und andere GenossInnen aus Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Mitgliedschaft in der RAF geführt, das aber 1993 wegen mangelndem Tatverdacht eingestellt wurde.
Obwohl keinerlei neue Erkenntnisse vorliegen, wird nun, neun Jahre später, dieses Verfahren gegen Heidi wieder aufgenommen und der Vorwurf der Mitgliedschaft in der RAF zudem noch erweitert. Die Tatsache, dass sich alle, die in der RAF organisiert waren, für ein Leben in der Illegalität und für den bewaffneten Kampf entschieden haben, wird ignoriert. Eine zeitlich begrenzte Mitgliedschaft, wie sie Heidi unterstellt wird, gab es nicht. Das haben die GenossInnen aus der RAF in der Vergangenheit wiederholt erklärt. Doch dies hinderte die Staatsbehörden in den 80iger Jahren nicht daran, an ihrem Konstrukt einer “Legalen RAF” und “Temporären Mitgliedschaft” festzuhalten um GenossInnen aus dem antiimperialistischen Widerstand zu kriminalisieren.
Das Vorgehen jetzt, Jahre nach Beendigung dieser Phase, wird mit neuen technischen Möglichkeiten begründet: der DNA-Analyse und einer speziellen Aufbereitungsmethode von abgestorbenem Spurenmaterial seitens des Bundeskriminalamts (BKA). Dementsprechend propagiert das BKA schon seit 2 Jahren die baldige personelle Zuordnung von militanten politischen Aktionen, die bislang nicht aufgeklärt sind. Ungeachtet aller grundsätzlichen Einwände gegen die Einführung des genetischen Fingerabdrucks und aller wissenschaftlichen Zweifel an der kriminaltechnischen Verwertung, forciert das BKA sowohl eine umfassende Ausdehnung der genetischen Datenbank als auch die zielgerichtete Entnahme des genetischen Fingerabdrucks von Menschen aus dem linken Spektrum.
Auf diesem politischen Hintergrund verwundert es nicht, dass alle juristischen Schritte, die Heidi's Anwalt gegen die fragwürdigen Ermittlungen unternommen hat, vom Generalbundesanwalt und vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Auch diesmal hat sich gezeigt, wie rasch die Grenzen juristischer Möglichkeiten erreicht sind.
Weil es sich um eine politische Auseinandersetzung handelt, kann der zwangsweisen DNA-Entnahme und der Weiterführung des Ermittlungsverfahrens auch nur mit politischem Druck entgegengewirkt werden.
Zum politischen Hintergrund
Der Paragraph 129a ist ein politischer Paragraph. Das heisst, die Einleitung eines 129a-Ermittlungsverfahrens unterliegt politisch taktischen und strategischen Überlegungen, die auf den ersten Blick manchmal nur schwer durchschaubar sind.
Die Erfahrung vieler Jahre zeigt, dass schon die Einsetzung eines Ermittlungsverfahrens nach 129a meist wenig mit den formulierten Tatvorwürfen zu tun hat, sondern politischen Erwägungen folgt. Und das gilt nicht weniger für die Prozesse: dem beabsichtigten Verfolgungs- und Verurteilungswillen folgt die juristische Beweisführung. Auch im Fall von Heidi liegt das bisherige Vorgehen von BAW und BGH ganz auf dieser Linie.
Dass gegen Heidi im Jahre 2002 ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird, in dem ihr eine vierwöchige Mitgliedschaft in der RAF 1986 vorgeworfen wird, kann nur politischen Erwägungen geschuldet sein. Und ebenfalls, dass die gleichen Bausteine des alten 129a-Verfahrens, die 1993 zur Einstellung führten, jetzt plötzlich zur Beteiligung an der Aktion der RAF auf den Siemens Manager Beckurts und an der Sprengstoffaktion einer Kämpfenden Einheit auf das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen umgewertet werden. Dies umsomehr, als das ‚Hauptargument‘ der BAW, nämlich dass sich Heidi vier Wochen der permanenten Observation entzogen habe und im antiimperialistischen Widerstand organisiert war, auch vor der Einstellung des Verfahrens 1993 ausgiebig untersucht wurde.
Aber sie wäre nicht die erste, die derlei Fragwürdigkeiten für Jahre in den Knast bringen.
Und sie ist auch nicht die erste aus dem antiimperialistischen und autonomen Widerstand der 80iger Jahre, die zum genetischen Fingerabdruck gezwungen werden soll. Nur ein entschlossenes und solidarisches Nein von Vielen wird zum Sand im Getriebe der Gentechniker beim BKA.
Widerstand gegen imperialistischen Krieg und Völkermord, gegen die hemmungslose Ausbeutung von Mensch und Natur durch multinationale Konzerne war nie und ist auch heute nicht justiziabel. Die Sehnsucht nach einem Leben jenseits kapitalistischer Zwänge, nach einem solidarischen Miteinander unabhängig von Hautfarbe und Geschlecht, die Menschen zum Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse antreibt, kann auch von polizeistaatlichen Drohgebärden nicht erstickt werden.
In diesem Sinne rufen wir zur Solidarität mit Heidi auf.
Keine zwangsweise DNA-Entnahme!
Sofortige Einstellung des 129a-Ermittlungsverfahrens!
Kommt zur Kundgebung! Gebt den Aufruf weiter!
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