Vor dem offenen Krieg in Chiapas?
19.05.2002, 14:31, JUZ Between
Dritte Welt
| Bregenz
| Chiapas
| Neoliberalismus
| Aufstandsbekämpfung
Im Rahmen des Infocafes findet am 22. Mai im JUZ Between (Bregenz/Vorarlberg) ein Vortrag über die derzeitige Lage in Mexico statt. (Beginn 20 Uhr)
Um was gehts? Neoliberale Politik trifft auf den Widerstand der indianischen Kleinbauern. Mit phantasievollen Mitteln setzen sich die Dorfgemeinschaften gegen Militär und Großgrundbesitzer zur Wehr, während die mexikanische Regierung nach wie vor an ihrem Konzept der Repression festhält. Raul Gatica ist im "Consejo Indígena Popular" in Oaxaca aktiv, einem Zusammenschluß der fünf größten indigenen Bewegungen in diesem Bundesstaat im Süden Mexicos. Die Männer und Frauen, überwiegend Bauern aus den marginalisiertesten Regionen des Bundesstaates, haben sich in ca. 250 Basisorgani-sationen auf der Dorfebene aus freiem Willen zusammengeschlossen, um gewaltlos für die Demokratisierung und das Ende der Diskriminierung der indianischen Völker in Mexiko zu kämpfen.
Raul berichtet von der Bedrohung durch Paramilitärs und Regierung, aber auch vom phantasievollen Widerstand der Dorfgemeinschaften
Weitere Informationen über Raul, Mexico, die EZLN,... findet ihr auf www.chiapas.at!
-------
Vor dem offenen Krieg in Chiapas?
Aufstandsbekaempfung jetzt ökologisch - im Interesse der Multinationalen
Zugespitzt wie seit Jahren nicht mehr zeigt sich die Situation in den
Aufstandsgebieten in Chiapas. Vor Allem die angekündigte Räumung von 49
Gemeinden in der Selva Lacandona macht einen erneuten Ausbruch des offenen
Krieges wahrscheinlicher denn je. Von dieser Räumung wären über 1500
indigene Familien betroffen, der größte Teil von ihnen ist in der
Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN und dem autonomen Landkreis "Ricardo
Flores Magon" organisiert. Insbesondere die mexikanische Bundesregierung hat
ihren Willen bekraeftigt, die Gemeinden in diesem Gebiet "umzusiedeln". Seit
Jahren ist diese Region mit über 50 Militärstützpunkten und mehr als 30.000
Soldaten hochgradig militarisiert. Im Dezember letzten Jahres meldeten
Sprecher des Landkreises eine erneute Zunahme von Einschüchterungen und
Bedrohungen von Seiten des Militaers. Im März 2002 wurden zusätzlich mehrere
tausend Mitglieder verschiedener Polizeitruppen sowie Fallschirmjäger in die
Region verlegt. Im April stand ihr Einsatz unmittelbar bevor, wurde jedoch
in letzter Minute aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten verschoben. Ein
neuer Zeitpunkt ist nicht bekannt, die Vorbereitungen scheinen allerdings
abgeschlossen zu sein, so daß die Invasion jederzeit stattfinden kann.
Umweltschutz, wirtschaftliche Erschließung oder Aufstandsbekämpfung? In der
offiziellen Darstellung dient die geplante Vertreibung dem Schutz des
Regenwaldes. Tatsächlich sind seit 1978 dort mehrere große Gebiete zu
Schutzzonen erklärt worden, unter anderem dem "Biosphärenreservat Montes
Azules". Die Ausrufung dieser Schutzzonen erfolgte allerdings über die Köpfe
der dort lebenden Indigenas hinweg. Eine Ausnahme bildete nur eine kleine
Gruppe von Indigenas, denen per Präsidialdekret eine Fläche von über 600.000
Hektar zugesprochen wurde, unter gleichzeitiger Unterzeichnung eines
Vertrags über den lukrativen Abbau von Tropenholz durch die Familie des
Präsidenten von Mexiko. Heute dient diese Gruppe, die sich seitdem
"Lacandonen" nennt, als "Vorzeige-Indianer" der Regierung, um die
Vertreibung der Tzeltales, Tzoziles, Choles und Tojolabales zu
rechtfertigen.
Die geplante Invasion ist ein Schritt zur Durchsetzung des Plan
Puebla-Panama (PPP), eines gewaltigen strategischen und ökonomischen
Programms in Zentralamerika, unter Federführung der Weltbank und
ausgerichtet an den wirtschaftlichen und militärischen Interessen der USA.
Es sieht nicht weniger vor, als die komplette Umstrukturierung der Region
von Mexiko bis Panama, ein Plan der in vielen der betroffenen Regionen
bereits auf heftigen Widerspruch der Bevölkerung stößt. Die Zapatistas als
Guerilla und Basisorganisation mit etwa 300.000 Organisierten sind dabei
eines der zur Zeit größten Hindernisse für die Planer aus dem Norden.
Gleichzeitig sind sie es auch, deren Lebensweise und Kultur als Indigenas
und Kleinbauern unweigerlich ausgelöscht würden, wenn dieses Programm
umgesetzt wird.
In den zapatistischen Einflußgebieten im östlichen Chiapas sieht der PPP
unter Anderem vor, Erdöl und Mineralien für die Mikroelektronik auszubeuten,
32 Staudämme zur Gewinnung von Energie und Trinkwasser zu errichten, die
Landwirtschaft auf Exportprodukte (insbesondere Rindfleisch) umzustellen
sowie massiv den Bau von Straßen und Maquiladoras voranzutreiben. Die
Schutzzonen um Montes Azules sollen der Bioprospektion, d.h. der
Patentierung und Ausbeutung der genetischen Vielfalt im Regenwald sowie der
Entwicklung des Ökotourismus dienen.
Die Lobbyorganisation, die die Vertreibungen in der Selva Lacandona
maßgeblich vorantreibt ist "Conservation International". Diese Gruppe gibt
sich als Umweltschutz-NGO aus, ein Blick auf ihre Sponsorenliste zeigt aber
deutlich, daß es hier um mehr geht, als darum, ein Stück Regenwald zu
erhalten. Hier versammeln sich unter aderem die Gentech-Gruppe Pulsar (einer
der größten Multis Mexikos, mit Beteiligungen von Nestlé und Monsanto), Mc
Donalds, die Walt Disney Corp., der Autobauer Ford, der Erdöl- und
Energiekonzern Exxon, und der Mikroelektronik- Gigant Intel, letzterer mit
einer Beteiligung von über 150 Mio. Dollar. In diesem Kreis fehlt eigentlich
nur die Coca Cola Company, die zur Zeit schwer daran arbeitet, die
Wasservorräte Chiapas' unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Zugleich zeigt sich, daß die Strategie der Regierung, die zapatistische
Bewegung kleinzureden und zu ignorieren, durchaus einige Erfolge zeigt.
Ehemals verbündete Organisationen haben sich durch die Politik von
Zuckerbrot und Peitsche von den Zapatistas entfernt und internationale
Gruppierungen wenden ihre Aufmerksamkeit anderen Regionen zu. So liegt es
nahe, dass sich die Zapatistas, nach über acht Jahren des einseitigen
Waffenstillstands, erneut gezwungen sehen können, zu den Waffen zu greifen,
um ihre fundamentalen Rechte zu verteidigen.
Sollte es dazu kommen, wäre
dies ein herber Rückschlag für ihre Politik, in der sie immer die Worte den
Waffen vorgezogen haben. Angesichts der militärischen Übermacht der
mexikanischen Armee würde dies ein gewaltiges Blutvergießen unter den
indigenen Gemeinden bedeuten.
Die rebellischen Gemeinden betonen, daß sie im Widerstand bleiben, und daß
sie die Vertreibungen nicht zulassen werden. Welchen Weg auch immer sie
dafür wählen werden, an ihrer Entschlossenheit kann kein Zweifel herrschen.
Aktuelle Informationen in deutscher Sprache z.B. unter: www.chiapas.ch
In einigen der betroffenen Gemeinden sind neue zivile Friedenscamps
eingerichtet worden. Hierfür werden dringend internationale BeobachterInnen
gesucht. Infos darüber bei CAREA: www.epo.de/carea , Tel:030-42805666
Kommentar