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Rede auf der Palästinakundgebung am 9.5.02

14.05.2002, 20:06, Doris Künzel

Nahost | Konstanz | Holocaust | Palästina | Israel

Rede von Doris Künzel auf der Solidaritätskundgebung zu Palestina am 9.5.02 in Konstanz


Stoppt die humanitäre Katastrophe in Palästina

Krieg ist kein Mittel gegen Terror

KRIEG IST TERROR

Frieden und Gerechtigkeit für Palästina- jetzt sofort !

Wir reihen diese Solidaritätskundgebung in Konstanz heute ein, in die weltweite Protest-bewegung gegen die anhaltende, blutige und völkerrechtswidrige Militäraktion Israels in den besetzten Gebieten Palästinas.

Vor knapp 2 Wochen hat die Regierung Sharon dem Palästinenserpräsidenten Arafat und seinem Volk im Namen der Terrorbekämpfung den Krieg erklärt. Mit brutalster Gewalt, mit scharfer Munition, Panzern, Kampfhubschraubern und Raketen werden zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen Kirchen und Moscheen von der 5. stärksten Militärmacht der Welt beschossen. Es wurden Wasser und Strom abgeschaltet, es werden Hilfslieferungen verhindert und der Besuch ausländischer Delegationen bei Arafat verweigert. Mit Gewalt wurden ausländische Journalisten und damit die Pressefreiheit außer Landes gejagt. Journalisten wurden erschossen, ihre Pressebüros zerstört. Es soll keine Zeugen für die blutige Aggression Sharons geben. Die gesamte Zivilbevölkerung wurde in Geiselhaft genommen. Es wird auf alles geschossen was sich bewegt!

Seitdem gibt es mehrere hundert Tote und mehrere tausend Verletzte, deren medizinische Versorgung mit Gewalt von israelischem Militär verhindert wird. In Dschenin gibt es seit einer Woche keinerlei medizinische Versorgung - die Menschen verbluten buchstäblich auf der Straße. Israelische Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass dort bereits Massaker stattgefunden haben. Allein in Nablus starben gestern 50 Menschen und gab es 150 Verletzte.

Die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung wird von Hilfsorganisationen inzwischen mit einer humanitären Katastrophe beschrieben. Das Deutsche Rote Kreuz und das Internationale Rote Kreuz haben Israel am Wochenende scharf kritisiert, Rettungsmaßnahmen massiv zu behindern. Letztes Wochenende wurden 6 Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes von israelischen Panzern zerstört, weit über 100 Mitarbeiter des Palästinensischen Roten Kreuzes wurden in den letzten Monaten verletzt, ebenso ist der Tod von Helfern zu beklagen

Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt und Ärzte ohne Grenzen kritisieren die Bedrohung und Behinderung von Mitarbeitern durch israelisches Militär. Mehr als 2000 Palästinenser wurden inzwischen festgenommen. Israelische Menschenrechtsorganisationen sprechen von Menschenrechtsverletzungen und Folter.

Auf die mehrmaligen Aufforderungen des UNO-Sicherheitsrates zum sofortigen Rückzug des israelischen Militärs und die weltweiten Proteste im Ausland, antwortet Sharon zynisch mit einer Verschärfung seiner Militärangriffe. Er kündigt dabei eine Verlängerung seiner Militäraktion an und begründet diese - die verblutenden Zivilisten verhöhnend - mit der Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung.

Es hat wohl in der jüngeren Geschichte kein Beispiel gegeben, in der sich ein Staat, dem Völkerrecht und den UNO-Beschlüssen gegenüber, so arrogant und ignorant verhalten hat wie Israel, und uns dies seit Jahren, bis heute, vor Augen führt. Wir bedauern zutiefst, dass die Welt bis heute dieser völkerrechtswidrigen, blutigen Militäraktion zugesehen hat und den verbalen Aufforderungen an Israel keine Taten folgen ließ.

Wir fordern deshalb von den EU-Staaten endlich den sofortigen Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel sowie die Einstellung aller Rüstungstransporte und Waffenlieferungen. Wir fordern Sanktionen durch die UNO, wie sie das UN-Recht in solchen extremen Fällen vorsieht und die Entsendung unabhängiger Beobachter, um die Arafat seit langer Zeit gebeten hat und bis heute bittet.

US-Präsident Bush, der sich erst eine Woche nach Beginn der Militäroffensive eingeschaltet hat, fährt mit seinen halbherzigen Appellen und der Verzögerungstaktik seines Außenminister Powell eine Doppelstrategie, die in dieser Situation unverantwortlich ist. Es wird einmal mehr deutlich, dass die USA, wie in den vergangenen 50 Jahren, als sie alle UNO- Resolutionen im Sicherheitsrat gegen Israel blockiert haben, die völkerrechtswidrige Politik Israels unterstützt. Als unabhängige Vermittler und Schiedsrichter kann die USA in diesem Konflikt deshalb nicht akzeptiert werden.

Um die Gewalt im Nahen Osten zu beenden und um einen gerechten Frieden für alle Beteiligten zu erreichen, braucht es das Engagement der ganzen Welt. Die arabischen Länder haben dazu ihre Bereitschaft am 27. März 2002 erklärt und einen neuen Friedensplan mit einem Sicherheitsrecht Israels zugesagt.

Dass Sharon wenige Stunden später seine völkerrechtswidrige Invasion in die autonomen palästinensischen Gebiete begonnen hat, zeigt, wie wenig er am Frieden interessiert ist. Es wird von israelischen Friedenskräften vermutet, dass Sharon, der in der Welt nicht nur als Hardliner bekannt ist, sondern dem auch Kriegsverbrechen bei den Massakern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatilla 1982 zur Last gelegt werden, diese Aktion bereits längst geplant hatte.

Wir sind überzeugt, dass diese blutige, völkerrechtswidrige Militäraktion Ariel Sharons in Zukunft Selbstmordattentate und Gewaltaktionen nicht verhindern wird, sondern bei vielen jungen Menschen in der arabischen Welt den Hass und den Zorn gegenüber dem Staat Israel anwachsen lässt. Dies dürfte auch Sharon selbst wissen. Wir müssen ihm deshalb unterstellen, dass er heute unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung den gesamten Friedensprozess umkehren will, um so einen autonomen Palästinensischen Staat für die Zukunft zu verhindern.

Wir möchten an dieser Stelle auch die Gewalt an allen Zivilisten und die Selbstmordattentate auf palästinensischer Seite verurteilen. Wir wissen aber, dass Terrorismus und Gewalt nur dann eingedämmt werden können, wenn wir uns ihren Ursachen und Wurzeln zuwenden: der Verelendung und der Demütigung von ganzen Völkern.

Die bekannte israelische Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin, Felicia Langer, hat in ihrem Vortrag gestern Abend in Konstanz, ganz klar die israelische Politik für die Entwicklung von Terrorismus in Israel und Palästina in den letzten Jahren verantwortlich gemacht.

Seine Ursachen lägen in der jahrzehntelangen, systematischen Erniedrigung, Demütigung, Entrechtung und Unterdrückung der Palästinenser. Die anhaltenden Menschenrechts-verletzungen, die Politik der Apartheid, die widerrechtliche Besetzung und Enteignung von Land, sowie die widerrechtliche Erbauung von Siedlungen gerade in der Zeit, in der seit 1993 auf die Umsetzung des Friedensvertrages von Oslo gewartet wurde, hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Damit, so sagt Felicia Langer hat der israelische Staat den Weg für den Terrorismus selbst geebnet. Die Selbstmordattentate junger Menschen seien der Ausdruck von Wut und Verzweiflung über diese Entwicklung. Diese jungen Menschen, denen die Tür zu einem lebenswerten Leben von der israelischen Politik verschlossen wurde, sehen nur noch in ihrem Märtyrertod einen Sinn.

Bereits im Februar 1989, lange vor den Selbstmordattentaten, hat die UNO-Menschen-rechtskommission Israel auf seiner 45. Sitzung scharf verurteilt und kritisiert. Ich zitiere:

" Sie (die UNO-Menschenrechtskommission) bekräftigt, dass die Besetzung Palästinas durch Israel eine flagrante Verletzung der Menschenrechte und ein Angriff auf den Frieden und die Sicherheit der Menschheit ist;

Als Deutsche sind wir historisch und aktuell verwickelt in die Geschichte Israels und damit auch in die palästinensische Geschichte. Bei der Gründung des jüdischen Staates Israel 1948, wurden Hunderttausende von Palästinensern von ihrem Grund und Boden und aus ihrer Heimat vertrieben. Hunderte von palästinensischen Dörfern wurden dem Erdboden gleich gemacht und es wurden systematisch ethnische Säuberungen betrieben.
Der palästinensischen Bevölkerung wurde mit der israelischen Staatsbildung 1948 bis heute schweres Unrecht zugefügt. 1948 besetzten die Israelis ca. 78 % Palästinas, den Rest besetzten sie 1967. Seit über 50 Jahren leben mehr als 4 Millionen Palästinenser als Flüchtlinge in der Diaspora und 2,5 Millionen unter israelischer Besatzung, viele von ihnen unter elendsten Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass auch in hierin eine Langzeitkonsequenz der Judenverfolgung in Europa deutlich wird, an der die palästinensische Bevölkerung keine Schuld hat. Die Verbrechen an den Juden in Europa können israelische Verbrechen an den Palästinensern nicht rechtfertigen oder entschuldigen. .

Auch zu dieser Folge müssen wir eine verantwortliche Haltung entwickeln. Unsere eigene Geschichte verpflichtet uns mehr als alle anderen Völker dieser Welt, zu diesem Unrecht Stellung zu beziehen. Zum Unrecht an den Palästinensern zu Schweigen bedeutet einmal mehr, die eigene Geschichte zu verdrängen und uns erneut mitschuldig zu machen. .

Deshalb mischen wir uns ein und fordern nochmals:

Israel muss gezwungen werden, alle UNO-Resolutionen umzusetzen und einen palästinensischen Staat mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem anzuerkennen. Bis dies geschieht, fordern wir:

Sofortiger Rückzug aus den besetzten Gebieten, Internationale Beobachter nach Palästina, Boykott aller israelischen Erzeugnisse, wie früher gegen Südafrika, Abbruch aller diplomatischen Beziehungen, keine Militär- und Wirtschaftshilfe an Israel.

An dieser Stelle möchten wir unseren Dank an alle israelischen Friedens- und Menschen-rechtsaktivisten von Gush Shalom, Peace Now und anderen, für ihren Mut und ihren Kampf um Frieden und Gerechtigkeit in Israel und Palästina aussprechen. Mit einem Zitat von Yishai Rosen Zvi, orthodoxer Sergeant einer Panzereinheit und Mitunterzeichner des Appell von Reserve-Offizieren gegen den Dienst in den besetzten Gebieten möchte ich diese Rede beschließen. Yishai Rosen Zvi sagt:

" Wie sollen wir in einer Armee unseren Dienst leisten, die Häuser zerstört, den Kranken keine medizinische Versorgung zugesteht, die danach strebt, eine ganze Bevölkerung zu demütigen und sie in Hunger und Armut zwingt ?

Wir bedanken uns bei Ihnen für Ihr Kommen und bitten Sie, sich ausführlich über das Schicksal der Palästinenser zu informieren. Dies ist gerade in der heutigen Zeit schwierig da in den Medien darüber nicht berichtet wird.

Doris Künzel Kundgebung auf der Marktstätte, Konstanz,10.04.2002



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