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| letzte Änderung: 22/04/02 23:13 |
Antimilitarismus
Aufruf zur Kundgebung "Für einen souveränen palästinensischen Staat" am Samstag, den 27.04.2002 um 11 Uhr auf dem Marienplatz in Ravensburg
Der Amoklauf der israelischen Armee in den palästinensischen Gebieten muss gestoppt werden. Der UN-Sondergesandte Terje Roed-Larsen zeigte sich nach einem Besuch in Jenin schockiert: Die Zerstörungen seien von einem "Schrecken, der das Verständnis übersteigt". Das Lager sei "völlig zerstört, als ob es von einem Erdbeben erschüttert wurde." Es sei "völlig unannehmbar", dass die israelische Regierung Rettungskräften seit elf Tagen den Zugang verweigere. Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) bezeichnete die Lage in Jenin als "schreckliche humanitäre Katastrophe". Nach ersten Schätzungen gingen die Mitarbeiter vor Ort von 150 bis 200 getöteten Palästinensern aus.
Wir fordern den sofortigen Rückzug der israelischen Armee und das Ende der Besetzung. Wir verurteilen die palästinensischen Selbstmordattentate. Die Wurzel des palästinensischen Aufstandes liegt in der strukturellen Gewalt der israelischen Besatzungspolitik. Millionen von Palästinensern wurden zu Flüchtlingen gemacht, die unter katastrophalen Bedingungen seit Jahrzehnten in Flüchtlingslagern hausen. Jene, die sich nicht verteiben ließen, leben unter dem Stiefel der israelischen Besatzungsmacht. Die seit 1967 von Israel besetzten Gebiete sind - so linke Abgeordnete in der Knesset - "Ghettoland".
Mittlerweile wurden 200.000 israelische Siedler in den besetzten Gebieten angesiedelt. Das ist nicht nur ein klarer Verstoß gegen internationales Völkerrecht, das die Besiedelung und Konfiszierung besetzter Territorien untersagt. Diese Besiedlung zerschneidet auch das soziale Leben: den 200. 000 Siedlern stehen rund 3 Millionen Palästinenser gegenüber. Diese 7 Prozent Siedler verfügen 75 Prozent der knappsten und kostbarsten Ressource in der Region - Wasser.
Die Palästinenser leben auf engstem Raum zusammengepfercht, besonders drastisch im Gaza-Streifen. 7.000 Siedler (=0,7%) verfügen dort über 30 bis 40 Prozent des Territoriums, eine Millionen Palästinenser lebt auf dem Rest. Die israelischen Siedlungen sind so gestaltet, dass die palästinensischen Gebiete kreuz und quer durchschnitten werden. Den Palästinensern bleiben von Militär umzingelte "Bantustans", die für sich nicht lebensfähig sind. Zwei Drittel der Palästinenser leben unter der Armutsgrenze.
Insgesamt kontrollieren die Palästinenser trotz Autonomiestatut nur rund 18 Prozent der besetzten Territorien und auch hier beschränkt sich die Kontrolle auf die "Erdoberfläche", d. h. es gibt kein Verfügungsrecht über die Bodenschätze und den Luftraum. Diese expanisve Siedlungspolitik wird von oben gemacht. 80 % der Siedler sind ökonomische Siedler, d. h. sie gehen in die besetzten Gebiete, weil ihnen dort von der Regierung günstiger Wohnraum geboten wird.
Westliche Großmachtsinteressen im Nahen Osten
So sehr wir die Politik der Regierung Scharon ablehnen, so sehr müssen wir auch sehen, dass die Ursachen des Nahost-Konflikts nicht losgelöst von der europäischen und US-amerikanischen Großmachtspolitik betrachtet werden kann. Es war die Erfahrung mit Holocaust und Vernichtungskrieg des deutschen Nationalsozialismus, die der Idee eines eigenständigen jüdischen Staates zum Durchbruch verholfen haben, um den verfolgten Juden eine sichere Heimstatt zu gewähren. Dieses legitime Interesse an einem eigenen Staat wurde jedoch von den europäischen Kolonialmächten von Anfang an für ihre Interessen instrumentalisiert.
Der Staat Israel wurde zum "Frontstaat" gegen die arabischen Länder hochgerüstet, um die westlichen Wirtschaftsinteressen in einer der rohstoffreichsten Regionen der Welt gewaltsam abzusichern. Britische und französische Truppen lieferten nicht nur Waffen an Israel, sondern griffen 1956 direkt in die Kämpfe ein, als Ägypten den Suez-Kanal verstaatlichten wollte.
Mit dem Niedergang der europäischen Kolonialmächte in der Nachkriegszeit wurde Israel zunehmend zum waffenstarrenden Statthalter der US-Politik zur Sicherung der geostrategischen Kontrolle des Nahen Ostens. Opfer dieser Politik waren und sind sowohl die arabische Bevölkerung, insbesondere die Palästinenser, aber auch die Mehrheit der israelischen Bevölkerung, die die Existenz als Kolonialmacht mit der Militarisierung der israelischen Gesellschaft und der permanenten Gefährdung der eigenen physischen Existenz und der ihres Staates zu bezahlen haben.
Nachdem in den 90er Jahren mit dem Friedensprozess von Oslo zunächst Friedenshoffnungen aufgekommen waren, hat sich die Situation in den letzten Jahren wieder dramatisch verschlechtert. Der unmittelbaren Gründe für das Scheitern der Verhandlungen von Camp David und Taba im Jahr 2000 sind umstritten und reich an gegenseitigen Schuldzuweisungen. Tatsache aber ist, dass der Friedensprozess vor allem an der Enttäuschung der Masse der Palästinenser gescheitert ist, für die sich durch den Friedensprozess nichts an der fortgesetzten strukturellen Gewalt in den besetzten Gebieten und der miserablen sozialen Situation geändert hat.
Gegen Ethnizismus und neue Kolonialpolitik
Wir treten für eine zweistaatliche Lösung ein, und als friedensbewegte Menschen ist unsere Perspektive ebenso multiethnisch wie antikolonialistisch. Wir unterstützen die Forderungen der Palästinenser für das Ende der Besatzung und einen eigenen Staat. Dafür gibt es Verbündete in der israelischen Gesellschaft, selbst innerhalb der Streitkräfte werden Stimmen lauter, die ein Ende der Besatzungspolitik fordern. Wir solidarisieren uns mit jenen Kräften auf beiden Seiten, die die Wurzeln nicht in religiösen und kulturellen Unterschieden, sondern in Armut und Aufrüstung, Unterdrückung und Besetzung sehen. Wir streiten auf der Seite jener, die sich für die friedliche Koexistenz zweier Staaten - Israel und Palästina - einsetzen: als souverän und demokratisch Staaten und nicht als waffenstarrende Statthalter rivalisierender Großmachtinteressen.
Wir fordern daher:
- Rückzug der israelischen Armee gemäß der UNO-Resolution 242 auf das Gebiet vor 1967
- Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates auf dem Gebiet des Westjordanlandes bzw. Gazastreifens mit Ostjerusalem als der Hauptstadt (mit einer gemeinsamen Verwaltung der heiligen Stätten)
- Rückzug der israelischen Siedlungen bzw. Landtausch
-Anerkennung des Unrechts an den palästinensischen Flüchtlingen, Rückkehr bzw. Entschädigung
-Internationale Wirtschaftshilfe für die Errichtung eines palästinensischen Staates und die humane Lösung der Flüchtlingsfrage
-Stopp der Waffenexporte in die Nahost-Region
-Untersuchung aller außergerichtlichen Hinrichtungen von beiden Seiten und dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.
Bisher wird der Aufruf unterstützt von:
Ortsgruppe Ravensburg Amnesty International, Arbeitskreis Asyl Ravensburg, Antifa Ravensburg, Kulturfabrik Ravensburg, Kulturladen Karacho und Frauenverband Courage.