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letzte Änderung: 12/04/02 13:27
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Antimilitarismus
Veranstaltung mit Felicia Langer
12.04.2002, 13:27, Südkurier
Bericht im Südkurier über die Veranstaltung mit Felicia Langer am 9.04.02 im Konstanzer Kulturzentrum. Es kamen 400 Leute.
Anwältin in Büchern und Lesungen
Israelin ergreift Partei für die Palästinenser: Felicia Langer spricht vor 400 Zuhörern
Sie ist empört und entsetzt über die Bilder aus Israel und den besetzten Gebieten. Sie hält Scharon für einen Mörder und Kriegsverbrecher, berichtet von über drei Jahrzehnten Schikane und Folter der israelischen Armee in den besetzen Gebieten. Doch Felicia Langer, Israelin und Jüdin, schämt sich nicht für ihr Volk. "Ich schäme mich nicht, denn ich kämpfe dagegen", sagt die 71-Jährige bei einer Diskussion auf Einladung der Volkshochschule und der Stadtbücherei. "Ich beschuldige die israelische Politik, dass sie den Weg für die Anschläge pflastert und den Boden für Terror bereitet."
Mehr als 20 Jahre hat Langer als bekannteste Anwältin Israels Palästinenser vertreten, den alternativen Nobelpreis und den Bruno-Kreisky-Preis erhalten. Vor zwölf Jahren schloss sie, die einst mit Scharon Jura studierte, ihr Büro in Jerusalem, weil sie sich nur noch als Feigenblatt Israels fühlte. Anwältin Palästinas ist sie geblieben - in Büchern und mit Lesungen. Sie lebt in Tübingen. Als sich ein Frieden abzeichnete in Oslo, kamen zu ihren Vorträgen nur wenige. Nun, da es eine blutige Auseinandersetzung gibt, sind die Säle wieder voll. 400 Zuhörer sind im Kulturzentrum, um sie zu hören.
Krank ist sie, spricht anfangs mit stockender Stimme. "Das ist schwer, über diese Dinge zu sprechen als Israelin und Jüdin und Überlebende vom Holocaust." Wenn ihr einmal ein Name nicht einfällt bei der Schilderung des israelischen Vorgehens gegen die Palästinenser, ruft ihr Mann ein Stichwort hinein. Er hat im Nationalsozialismus fünf Lager überlebt. Nun sagt Langer über die Situation im Nahen Osten: "Wir haben den Palästinensern die Pforte zum Leben geschlossen. Wir müssen Schuld bekennen."
Vergleiche mit dem Holocaust lehnt sie ab, auch weil sich Diskussionen danach nur noch um den Vergleich, nicht mehr um die Taten der israelischen Armee drehten. Diese aber seien Grund für die ausweglose Lage. Zwar verurteilt sie die Anschläge in Israel "aufs Schärfste" und hat nie einen Palästinenser vertreten, der Zivilisten verletzt oder getötet hat, doch Ursache des Terrors ist für sie die menschenrechtswidrige Politik Israels. Als Zuhörer rufen, nicht nur Scharon auch Arafat sei ein Mörder, sagt sie: "Das ist kein Vergleich, weil die Palästinenser unter Besatzung sind."
Frieden für Israel gebe es nur mit zwei Staaten für zwei Völker. Davon ist sie als Mitglied der israelischen Friedensbewegung überzeugt. "Man muss den Leuten eine Perspektive geben." Heute gebe es dagegen Ungerechtigkeit: "Die israelischen Siedlungen blühen und die Palästinenser verdursten." Für eine Legende hält sie, dass der Frieden zuletzt an Arafat gescheitert sei: Der arabische Führer, der Siedlungen akzeptieren und zugleich auf Ost-Jerusalem und das Rückkehrrecht der Flüchtlinge verzichten könne, sei noch nicht geboren. Dies stehe den Palästinensern zu. Was sie nicht sagt, den Konflikt aber so aussichtslos macht: Auch der israelische Politiker, der eben diese Punkte preisgeben könnte, ist wohl noch nicht auf der Welt.
"Das Volk bei uns in Israel muss zur Besinnung kommen", sagt Langer, angesprochen auf die Wahl Scharons. Von Deutschland erwartet sie mehr Kritik. "Man muss die Taten von Israel verurteilen, was Joschka Fischer nicht macht." Dabei sei Deutschland gerade wegen seiner Vergangenheit verpflichtet, "sich einzumischen, wenn Menschenrechte verletzt werden." Einmischen, nicht still sein, als Anwältin Partei ergreifen. Für Langer ist Palästina zum "Lebenskampf für Gerechtigkeit" geworden. Erschöpft ist sie nach zwei Stunden Vortrag und Diskussion - und fühlt sich nach eigenen Worten doch besser als zuvor: "Ich muss etwas tun."
Frank van Bebber