Warnstreik in Friedrichshafen
09.04.2002, 22:06, Südkurier
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Friedrichshafen: 700 Beschäftigte von MTU, Zeppelin und GF beteiligen sich an erstem Warnstreik auf Maybachplatz. Metaller drohen mit Streik am 19. April
Mit einem Warnstreik haben gestern etwa 700 Beschäftigte der MTU, Zeppelin Silo- und Apparatebau und Georg Fischer den Druck auf die Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde verstärkt. Sollte kein Kompromiss gelingen, sollen am 19. April alle Häfler Betriebe ganztägig bestreikt werden. Friedrichshafen - Die Töne in der aktuellen Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie werden schriller und lauter. Gestern folgten Gewerkschafterangaben zufolge 700 Beschäftigte einem Aufruf der IG Metall Friedrichshafen und beteiligten sich an einer Kundgebung um 10 Uhr auf dem Maybachplatz. Der erste Warnstreik in Friedrichshafen vor den Werkstoren des MTU-Werks1 bildete den Auftakt für weitere Kundgebungen: Am Nachmittag verließen um 13.30 Uhr Mitarbeiter des MTU-Werks 2 in Manzell ihren Arbeitsplatz. Am heutigen Dienstag und morgen soll es fünf innerbetriebliche Kundgebungen bei der ZF AG und Liebherr Aerospace geben.
Mit scharfen Worten kritisierten Gewerkschaftsvertreter das Angebot der Arbeitgeber nach einer 2-prozentigen Lohn- und Gehaltserhöhung. "Das ist eine Respektlosigkeit", wetterte Gewerkschaftssekretär Enzo Savarino. Die von der IG Metall geforderten Erhöhungen von 6,5 Prozent seien gerechtfertigt angesichts der Reallohnverluste der letzten Jahre, gestiegenen Preisen und gestiegener Produktivität. Es gelte "Ungerechtigkeiten im Tarifgefüge" auszugleichen und die Konjunktur zu stützen. Vor allem aber seien 6,5 Prozent bezahlbar. Savarino: "Wir wollen unseren gerechten Anteil haben." Sollte kein guter Kompromiss zustande kommen, werde sich die Lage weiter verschärfen, so der Gewerkschaftssekretär.
"Wir wollen keinen Streik, auch keine Warnstreiks, aber die Arbeitgeber zwingen uns dazu", geißelte Heinz Brechtel, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der MTU das 2-Prozent-Angebot der Arbeitgeber. Er forderte den "längst überfälligen Einstieg in einen Entgeltrahmentarifvertrag", das heißt gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit, unabhängig davon, ob jemand als Arbeiter oder Angestellter beschäftigt ist. Ein Teil des 6,5-Prozentpaketes seien zur Realisierung dieses "Jahrhundertwerks" eingeplant.
Als Märchen bezeichnete Hans Schmidt, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, das Argument, Lohnerhöhungen vernichteten Arbeitsplätze. Bei "sehr bescheidenen" Lohnsteigerungen in den vergangenen Jahren seien zugleich die Lohnstückkosten und Unternehmenssteuern gesunken und die Zahl der Arbeitsplätze in der metallverarbeitenden Industrie von fünf Millionen in den 90er Jahren auf 3,5 Millionen zurückgegangen. Schmidt: "Wir bleiben dabei: Die Unternehmen können zahlen. Und mehr Arbeitsplätze schaffen wir nicht durch Lohnverzicht, sondern durch Stärkung der Massenkaufkraft und damit der Nachfrage." In der Metallindustrie werde hervorragende Arbeit geleistet. "Wir schaffen wie die Brunnenputzer. Und der Dank sind nicht mal lumpige zwei Prozent!" Komme ein Kompromiss nicht zustande, sollen am Freitag, 19. April, alle Häfler Betriebe der Metall- und Elektroindustrie ganztägig bestreikt werden. "Auch wenn die letzte Urabstimmung in Südwürttemberg 1963 stattgefunden hat, sollten die Unternehmer nicht hoffen, wir seien aus der Übung geraten: Wir bereiten uns darauf vor", so Schmidts Kampfansage.
Südkurier, 9.04.02
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