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letzte Änderung: 04/05/02 02:22
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Arbeitskampf
Interview mit BDW - Betriebsrat
08.04.2002, 15:38, junge welt
Interview mit Uwe Acker, Betriebsratsvorsitzender der Badischen Drahtwerke (BDW) in Kehl / Baden-Württemberg
Streik bei Badischen Drahtwerken in Kehl:
Metaller von großer Solidarität überrascht?
jW sprach mit Uwe Acker, Betriebsratsvorsitzender der Badischen Drahtwerke (BDW) in Kehl / Baden-Württemberg
F: Seit dem 25. März wird bei BDW gestreikt. Was sind die Hintergründe?
Unser Arbeitgeber hat zum Ende letzten Jahres den Tarifvertrag gekündigt. Die Eigentümer haben die Firma an ihre Töchter überschrieben und eine neue Firma gegründet, die keinen Tarifvertrag mehr hat. Wir wollen den Tarifvertrag zurückhaben.
F: Was bedeutet das für die Beschäftigten?
Die Kollegen, die dieses Jahr in die neue Firma eingestellt worden sind, bekommen kein Weihnachtsgeld. Wir haben dagegen 60 Prozent tariflich festgeschrieben. Die neuen Kollegen bekommen auch einen niedrigeren Stundenlohn und schlechtere Schichtzuschläge. Bei allem steht jetzt das schöne Wörtchen »freiwillige Leistung«: »freiwillige vermögenswirksame Leistungen«, »freiwilliges Urlaubsgeld« usw. Wir können nicht dulden, daß es Kollegen gibt, die an derselben Maschine stehen, dieselbe Arbeit machen, aber unterschiedlich bezahlt werden.
F: Wie ist die Streikbeteiligung?
Bei der Urabstimmung haben 95,8 Prozent für Streik gestimmt, und die Kollegen, die dafür waren, stehen auch vor dem Tor und streiken dementsprechend mit.
F: Wie wird der Streik geführt?
Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, daß ich solch einen Streik zum ersten Mal mitmache, und mit Sicherheit nicht gern. Das ist hier für jeden das erste Mal. Ich habe vorher nur im Fernsehen gesehen, wie so etwas abgeht. Die Streikleitung kann den Streikenden nur gut zureden. Wir sagen: Ihr dürft keine Gewalt anwenden, ihr müßt die Leute reinlassen. Aber es herrscht schon ein rauhes Klima. Die Kollegen werden mit »Streikbrecher« tituliert. Nach dem Streik wird es schwer werden, die Kollegen, die jetzt den Streikbrecher machen, und die anderen wieder unter einen Hut zu bekommen. Wir streiken für den Erhalt des Tarifvertrages, und davon profitieren auch die Streikbrecher.
F: Am Mittwoch haben 4000 Menschen an einer Solidaritätsdemonstration in Offenburg teilgenommen. Wie ist das zustande gekommen?
Zum einen stand das im Zusammenhang mit den laufenden Tarifverhandlungen der IG Metall. Zum anderen sind noch andere Firmen im Ortenaukreis in Schwierigkeiten. Bei der Firma Marconi in Offenburg sind 490 Arbeitsplätze bedroht. Die Kolleginnen und Kollegen auf der Demonstration haben ihre Solidarität für uns genauso erklärt wie gegenüber den Marconi-Mitarbeitern. Die stehen zu uns.
F: Gibt es Überlegungen, Kollegen aus anderen Betrieben einzubeziehen?
Die Gewerkschaft hat ein Spendenkonto eingerichtet, für das die Kollegen allein aus dem gewerblichen Bereich der benachbarten Firma Bürstner schon über 440 Euro gesammelt haben. Über Ostern wurden unsere Streikposten von Beschäftigten der Firma Bürstner, von Minimal, Edeka und Bäckereien, die uns süße Stückle und Ostereier gebracht haben, unterstützt. Auch aus der Kehler Bevölkerung sind viele gekommen. Ich war, muß ich sagen, recht angenehm überrascht, wie weit die Solidarität doch gehen kann.
F: Gibt es Verbindungen zu den Kollegen auf Betriebsebene oder läuft das alles über die IG Metall?
Wir Betriebsräte kennen uns untereinander. Man kann sagen, es läuft so etwa 50:50, über die Gewerkschaft genauso wie über die Kollegen selber.
F: Wie soll es jetzt weitergehen?
Streikleitung und Gewerkschaft versuchen, mit den Eigentümern einen Kompromiß zu finden. Ich möchte nicht eine Ewigkeit draußen vorm Tor stehen, sondern lieber an der Maschine arbeiten. Am Montag gibt es einen Fackelkorso.
Quelle: junge Welt 8.04.02