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letzte Änderung: 19/03/02 20:24
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Asyl
Flüchtlingslager Albbruck: SAGA antwortet Landratsamt
19.03.2002, 20:21, Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebung
SAGA hält seine Kritik in vollem Umfang aufrecht und ist bereit, mit dem Landrat dazu eine Diskussion zu führen. Landrat Wütz hatte die Vorwürfe und die Forderungen von SAGA vom 12.03.2002 als unzutreffend und unbegründet bezeichnet.
Freiburg/Waldshut (18-03-02). Das Lager in Albbruck ("Stieg") muss geschlossen werden!
In der Zeitung "Albbote" vom 12.3. wurde über die Kritik von SAGA an dem Flüchtlingslager auf dem Stieg/Albbruck auszugsweise berichtet. Insbesondere wurden folgende gravierende, menschenunwürdige Kritiken zusammengefasst:
Zentral ist die Abschottung des Lagers, die bewusste Distanz zu anderen zivilen Einrichtungen, die erlebte Ohnmacht, die Orientierungslosigkeit, fehlende medizinische Unterstützung, fehlende Bezugspunkte, Landkreis-Beschränkungen und die soziale Deprivation. Alle diese Mängel wurden vielfach thematisiert, die zuständigen Verantwortlichen haben bislang daraus keine Konsequenzen gezogen. Die von der UNO gewährten sozialen, kulturellen und ökonomischen Rechte (vgl. UN-Konvention, der Deutschland beigetreten ist) werden missachtet und - im Wissen um die Folgen dieser Verweigerung von Menschenrechten - bewusst und strategisch angewandt. Man muss sich nicht allein über Australien (Woomera) wundern, auch im Wohlstandsland Deutschland - im Niemandsland wie Albbruck/Stieg - werden Rechtlosigkeit und Unrecht praktisch umgesetzt.
Der für das Lager zuständige Landrat ist auf diese Kritik in seiner Erwiderung nicht eingegangen (vgl. Anhang). Allerdings bestätigt er zahlreiche, bereits vielfach von den HeimbewohnerInnen vorgebrachte Mißstände:
- die soziale Isolation des Lagers (schlechte Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz);
- menschenunwürdige Einkaufssituation (der Verkaufsleiter eines Edeka-Einkaufsmarkts in Albbruck will gegenüber SAGA wegen "Verleumdung und Rufmord" Strafanzeige erstatten; dieser Laden ist in der Stellungnahme von SAGA allerdings gar nicht erwähnt worden, in dem fraglichen Zeitungsartikel des "Albbote" vom 12.3. findet sich auch kein Hinweis auf diesen Laden);
- mangelnde ärztliche Versorgung: das Landratsamt kann auch nicht erklären, wie Ärzte zu der Unterkunft gelangen könnten, wenn akute Erkrankungen vorliegen
- der nächtliche Wachdienst spielt sich manchmal als "ärztl. Assistent" auf;
- wenn die (sanitären) Einrichtungen des Lagers "Stieg" so zufriedenstellend sein sollen (was den Betroffenen nicht bestätigen können), wieso wird dann einem Journalisten des Südkurier die Besichtigung und der Zugang zum Lager verwehrt - vermutlich weil der Eindruck alles andere als korrekt wäre;
- einen Sprachkurs anzubieten, der lediglich einmal wöchentlich stattfindet, kann nicht der Rede wert sein; jede Volkshochschule würde dies (zutreffend) als völlig mangelhaft einstufen;
- der Sozialarbeiter ist überfordert, ein Betreuungsschlüssel von 160 Personen ist selbst in staatlichen Einrichtungen aussergewöhnlich; der frühere Sozialarbeiter und jetzige Heimleiter mag sich Qualitäten erworben haben, die allerdings nicht darin zu sehen sind, dass eine "gute Verständigungsmöglichkeit" gegeben ist; (er spricht französisch und arabisch), von den HeimbewohnerInnen wird er mit Misstrauen betrachtet;
- der Verweis auf die Behandlungszentren in Villingen und Freiburg dürfte vollends daneben liegen, da gerade von dort aus die Schliessung des Heimes (zuletzt mit Schreiben vom 28.2.2002 durch Refugio in Villingen: "Diese Unterkunft sollte zum baldmöglichen Termin geschlossen werden");
- die Verknüpfung zwischen der Selbsttötung der irakischen Frau und den Bränden in den letzten Tagen wird nicht von SAGA hergestellt, sondern vom Landrat (womit er nicht ganz unrecht haben dürfte); diese Selbsttötung einer alten arabischen Frau (!) nicht in den Zusammenhang mit der miserablen Unterbringungssituation zu stellen, entbehrt jedoch jeglicher Kenntnis. Das Landratsamt dürfte mit dieser Auffassung allein stehen.
Das Landratsamt möchte einen "menschenwürdigen Aufenthalt garantieren". Es verfolgt diese Linie konsequent - ausserhalb der normalen Maßstäbe der Menschenwürde. Die vielen Selbstverletzungen, die zahlreichen Transfer-Gesuche, die Abschottung vor der Öffentlichkeit sprechen ein deutliches Zeichen. SAGA hält seine Kritik in vollem Umfang aufrecht. Wir sind gerne bereit, mit dem Landrat dazu eine Diskussion zu führen.
SAGA, Freiburg
Anhang:
Waldshut, 12. März 2002
Forderung nach Schließung der Gemeinschaftsunterkunft Stieg wird zurückgewiesen
Vorwürfe gegen das Landratsamt unbegründet
Gegenüber der Presse legte Landrat Dr. Wütz dar, dass die Forderungen und Vorwürfe des "Südbadischen Aktionsbündnisses gegen Abschiebung" (Saga) vom 12.03.2002 unzutreffend und unbegründet sind. Das Landratsamt als Untere Aufnahmebehörde wird den Stieg weiterhin als Gemeinschaftsunterkunft nutzen. Gleichzeitig verwahrte sich der Landrat gegen eine Verknüpfung zwischen dem Selbstmord einer 74-jährigen Irakerin und den Brandanschlägen in den letzten Tagen. Vom Suizid der 74-jährigen sind wir alle sehr betroffen. Soweit bekannt liegt die Ursache hierfür in sehr persönlichen Gründen, die nicht im Zusammenhang mit dem Standort der Gemeinschaftsunterkunft zu sehen sind. Der Landrat machte jedoch deutlich, dass das Landratsamt nicht bereit ist, Straftaten wie die Brandstiftungen hinzunehmen. Sie werden konsequent zur Anzeige gebracht, um den Strafverfolgungsbehörden die Ahndung zu ermöglichen. Hier besteht ein enger Kontakt zwischen dem Landratsamt und der Polizeidirektion. Zu den Kritikpunkten im Einzelnen legte der Landrat dar:
Die Gemeinschaftsunterkunft Stieg wurde bis vor ca. 4 Jahren als Übergangswohnheim für Aussiedler genutzt und danach in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber umgewidmet. Die Unterkunft ist derzeit mit ca. 160 Personen belegt. In ihr ist ein Sozialarbeiter ständig zur Betreuung der Bewohner anwesend. Hinzukommt, dass der Heimleiter von Beruf ebenfalls Sozialarbeiter ist und mehrere Fremdsprachen spricht, so dass eine gute Verständigungsmöglichkeit gegeben ist.
Dem Landkreis ist bewusst, dass die Asylbewerber besonderer Betreuung bedürfen, deshalb kann der Sozialarbeiter in der Gemeinschaftsunterkunft situationsbezogen auf weitere Beraterinnen und Berater zurückgreifen. Sofern erforderlich, werden die Asylbewerber in die Zentren für Folteropfer in Villingen-Schwenningen bzw. Freiburg gefahren. Die Unterkunft ist an das Netz des öffentlichen Nahverkehrs angeschlossen. Es bestehen mit Ausnahme an den Wochenenden täglich 12 Busverbindungen. Derzeit wird geprüft, ob eine Buslinie die Unterkunft nochmals um 20.30 Uhr anfahren kann.
Nach den Worten von Landrat Dr. Wütz hat sich der Landkreis bei der Versorgung der Asylbewerber von Anfang an für das Kundenkontenblattverfahren und nicht für die Versorgung mit Lebensmittelpaketen oder einem in der Unterkunft integrierten Shopsystem entschieden. Mit dem Kundenkontenblatt haben die Asylbewerber die Möglichkeit in einem Supermarkt in Albbruck einzukaufen und somit die Auswahl der Lebensmittel selbst zu bestimmen. Zum Einkauf werden die Asylbewerber kostenlos mit Bussen gefahren. Der Einkauf findet für Alleinstehende einmal wöchentlich für Familien zweimal wöchentlich statt. Auch beim Bekleidungskauf besteht für die Asylbewerber eine Auswahlmöglichkeit. Zutreffend ist, dass der Kleiderverkauf nach dem Sachleistungsprinzip zentral erfolgen muss. Der Landkreis hat hier auf eine in der Versorgung mit Asylbewerbern erfahrene Firma zurückgegriffen. Der Vorwurf einer "demütigenden oder schikanösen Einkaufssituation" ist daher unbegründet.
Die ärztliche Versorgung ist, so der Landrat, gesichert. Es besteht freie Arztwahl. Ärzte kommen bei entsprechenden Notsituationen in die Gemeinschaftsunterkunft oder die Patienten suchen die Ärzte in den Praxen auf. Nach den Feststellungen des Landratsamts kommt es jedoch gelegentlich zu Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Patienten über Art und Umfang der medizinischen Versorgung. Das Landratsamt nimmt auf die Entscheidung der Ärzte hierbei jedoch keinen Einfluss.
Die ebenfalls kritisierten sanitären Anlagen werden fortlaufend gewartet und bei Bedarf erneuert.
Die Kinder haben die Möglichkeit die Schule in Albbruck zu besuchen. In der Regel wird dieses Angebot wahrgenommen. Soweit erforderlich wird Nachhilfeunterricht in Deutsch erteilt. Für die Erwachsenen wurde vor ca. 2 1/2 Jahren bereits ein Deutschkurs angeboten. Mangels Beteiligung musste er jedoch wieder eingestellt werden. Jetzt haben sich ca. 50 Asylbewerber beim Landratsamt gemeldet, die an einem Deutschkurs interessiert sind. Derzeit werden die erforderlichen Lehrerinnen bzw. Lehrer gesucht.
Das Landratsamt wird, so Landrat Dr. Wütz, seine Linie Asylbewerbern einen menschenwürdigen Aufenthalt zu garantieren, konsequent weiter verfolgen.
Landkreis Waldshut Pressedienst
Quelle: Stattzeitung für Südbaden im Internet [www.stattweb.de]