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Tadschikistan: Portrait von Mahmadsaid Ubaydulloyev

17.03.2002, 00:05, Warning, Georg

Turkstaaten | Tadschikistan | Ubaydulloyev | Staatsterrorismus

Über das mafiös organisierte politische System in Tadschikistan. Zusammenfassung und Übersetzung eines Artikels des Jahres 2001 aus dem Tadschikischen mit Hintergrundinfos


Charoghi Ruz, Nr. 1 (100), Jahr 2001, S.10-11
Agromayniyu: Portreti psikhologi yo chand satr dar hoshiyai varaqai bemorii Mahmadsaid Ubaydulloyev

(Der Gorilla*: Psychologisches Porträt oder einige Zeilen am Rande des Krankenblattes von Mahmadsaid Ubaydulloyev)
von Dodojon Atovulloyev

[Einleitung:
Dieser Artikel war mit ausschlaggebend dafür, dass Dodojon Atovulloyev im Juni 2001 in Moskau verhaftet und auf Wunsch Ubaydulloyevs nach Duschanbe ausgeliefert werden sollte. Bei der Beurteilung des Artikels, aus dem hier nur Auszüge übersetzt werden, ist zu bedenken, dass in Tadschikistan in den 90er Jahren mehrere Dutzend Journalisten ermordet wurden, dass es im Lande bis heute keine regierungsunabhängige Presse gibt und selbst die elementarsten Daten von der Regierung und vom Parlament zurückgehalten werden. Ein Beispiel dafür ist der vom tadschikischen Parlament im Dezember 2001 verabschiedete Haushalt, der in der Parlamentszeitung Sadoi Mardum vom 15.12.2001 besprochen und am 27.12.2001 veröffentlicht wurde.

Geheimniskrämerei
Darin sind weder Daten über das Budget des Präsidenten noch der Machtministerien aufgeführt. So bleibt Journalismus in Tadschikistan auf Gerüchte und geheim zu haltende Quellen angewiesen. Das erschwert natürlich die Überprüfbarkeit von Daten. So schreibt Dodojon Atovulloyev in Charoghi Ruz Nr. 1 (100), Jhrg. 2001, auf Seite 8, dass das Parlament unlängst das Gehalt des Präsidenten Emomali Rahmonov von 12.000 US-Dollar auf 15.000 US-Dollar erhöht habe. Dies wird freilich als Staatsgeheimnis gehandelt und ist daher nicht nachzuprüfen. Unter diesem Vorbehalt sind auch die folgenden Informationen zu genießen.

Ubaydulloyevs Persönlichkeit
Nach der Darstellung von Atovulloyev stammt Mahmadsaid Ubaydulloyev wie Emomali Rahmonov aus der Region Kulob. Er beschreibt ihn als brutalen, erbarmungslosen Menschen, der allerdings gegenüber Mächtigeren wie Habib Nasrulloyev oder Yoqub Salimov sehr kleinlaut wurde. Ansonsten habe Ubaydulloyev keine Hemmung, andere Personen in aller Öffentlichkeit zu demütigen.

Störmanöver gegen das Friedensabkommen
Nach dem Friedensabkommen zwischen Regierung und islamischer Opposition, das 1997 in Moskau unterzeichnet wurde, versuchte Ubaydulloyev als Oberbürgermeister von Duschanbe die Heimkehr der islamischen Kämpfer zu torpedieren. Damals riss er persönlich Bilder von Nuri (dem Führer der islamischen Opposition) von den Wänden und zerknüllte sie. Ubaydulloyev verbot den städtischen Verwaltungsorganen, für die Vertreter der Opposition - der ein Anteil von 30% der Posten in Regierung und Verwaltung vertraglich zugesichert worden war - tätig zu sein. Diejenigen, die sich aufmachten, die aus dem Exil heimkehrenden Vertreter der Opposition zu empfangen, wurden von Ubaydulloyev persönlich verprügelt und verjagt.

Tödliche Diagnose
Atovulloyev vertritt die Ansicht, dass Ubaydulloyev an Paranoia leidet.]

"Der bekannte Professor Minjoh Ghulomov hat nach den Worten des ehemaligen Innenministers Yoqub Salimov in einem Interview mit der Zeitung "Vremya MN" (MN: Moskoskiye Novosti - Moskauer Neuigkeiten) Ubaydulloyev als geisteskrank (hier speziell: an Paranoia erkrankt) diagnostiziert und wurde einige Zeit später ermordet. Seitdem traut sich kein Arzt mehr, den Namen der Krankheit dieses Kranken zu erwähnen.

Dieser Kranke betrachtet jeden gesunden Menschen mit Neid. Da verkündet ein Geistlicher den Gebetsruf, und er sagt zu sich im Stillen: Warum nicht ich? und er gibt Anweisung, die Mikrophone der Moscheen auszureißen, damit der Gebetsruf nicht mehr zu hören ist. Da findet ein Politiker bei der Bevölkerung Anklang, und er erteilt den Mordbefehl, denn morgen könnte dieser ihm ja seinen Platz abnehmen, da hat ein Händler ein gut gehendes Geschäft, und es quält ihn der Gedanke: wenn der nun alle "kauft" und mich dann in die Grube wirft...? [...]

Er weiß, dass keiner über ihn Gericht hält, solange er in der Regierung ist. Aber er hat sich schon selbst gerichtet: Er führt ein schlimmeres Leben als ein Toter. [...Der Autor beschreibt, wie er bei jedem Geräusch hochschreckt und ein Attentat befürchtet.]

"Das Warten auf den Tod ist schlimmer als der Tod", heißt ein Sprichwort.

Besonders, seitdem sein gepanzertes Fahrzeug in die Luft gesprengt wurde, ist er noch misstrauischer und härter und gefährlicher geworden. [...] Selbst gegen seine Beschützer und persönlichen Leibwächter hat er Verdacht geschöpft und einige von ihnen inhaftieren lassen."

[Auch hat er seinen Leuten angeordnet, die Telefone der ehemaligen Opposition abzuhören, einige seiner Geliebten wurden abkommandiert, andere Leute auszuforschen...]

"Die Kioske am Rand seines Weges müssen auf sein Geheiß umziehen, damit in deren Schatten nicht jemand groß wird..." [...]

"Ubaydulloyevs Geschäft besteht landesweit aus "Prozenten", Bestechungsgeldern und dem Verkauf von Ämtern. Die meisten joint ventures und ausländischen Firmen können nicht tätig werden, ohne den Vorsitzenden (= Ubaydulloyev) zu schmieren. [...]

Aber das Hauptgeschäft besteht im Verkauf von Ämtern. Auf dem "Basar von Duschanbe" haben sich etwa folgende Tarife für die Ämter eingespielt: Vorsitzender eines großen Raions (Verwaltungsbezirks) 200-300.000 (US-Dollar), Gerichtsvorsitzender oder Leiter der Miliz eines Raions 70-100.000, Leiter der Zollbehörde oder der Steuerbehörde eines Raions 80-90.000, lukrative Ministerien 150-200.000, ein Machtministerium 300-400.000.

Der teuerste Posten im Land ist das Steuer- und Zollkomitee (Oberste Steuer- und Zollbehörde) mit 500-700.000 US-Dollar. Das sind die einmaligen Zahlungen. Dazu muss man noch monatlich oder in gewissen Abständen einen "Besuch" abstatten. Sonst warten vor der Tür neue Anwärter, an Konkurrenten mangelt es nicht.

Mehrfach ging ein wahrer Goldregen über M. Ubaydulloyev nieder.

Das erste Mal war nach der Abdankung von A. Abdullojonov von seinem Amt als Ministerpräsident. Er hatte die Firma Rahmonov und Ubaydulloyev in den ersten Jahren noch nicht an die "Fetttöpfe" rangelassen. Seitdem hat kein Ministerpräsident mehr (auch nicht Oqil Oqilov) seine Unterschrift ohne die Einwilligung des Oberbürgermeisters von Duschanbe unter ein Dokument gesetzt. [...]

Und zweimal vor und nach den beiden Präsidentschaftswahlen: zuerst sammelte er "Spenden" für die Wahkampfausgaben, und nach der Wahl nochmal, mit der Begründung: der Große (= Emomali Rahmonov) wolle die Regierung umbilden.
[Während der Rückkehr der Opposition, der laut Versöhnungsabkommen 30% der Ämter zustand, geriet er freilich ins Stocken, behalf sich aber damit, den jeweiligen Amtsinhaber mit Gerüchten unter Druck zu setzen, dass die Islamisten sein Amt für sich gefordert hätten oder der Präsident vorhabe, es den Islamisten zu übergeben...]

Heute hat er (= Ubaydulloyev) in Tadschikistan mehr Vermögen als alle anderen angehäuft. Nach Angaben einiger Fachleute beträgt das von ihm zusammengeraubte Geld 360 Millionen Dollar. [...]
Dieses Geld hat er bei Banken in Österreich, Israel, der Schweiz und einigen off-shore-Staaten auf seinen eigenen Namen und den von Vertrauensleuten angelegt.

Woher stammt das ganze Geld?

Es ist kein Geheimnis, dass Herr Ubaydulloyev verschiedene Einnahmequellen hat - von der "humanitären Hilfe" bis zu den Drogen. [...]
Wieviel Millionen jährlich allein die Firmen "Ghalla" ("Getreide"/ Direktor Bekmurod Uroqov), "Naftrason" ("Öllieferant"/ Direktor Amonullo Hukumov) und "Somoniyon" ("Die Samaniden"/Direktor Abdurahmon Mukhtashov) einbringen, deren "Pate" Ubaydulloyev ist, weiß Gott.

[...Abdurahmon Mukhtashov hat auch die Aufgabe, Ubaydulloyevs Gelder auf den Konten umzuschichten und trägt ihm auf seinen Reisen den Koffer. Hakim Soliyev, ein andere reiche Persönlichkeit, die dem Präsidenten nahesteht, vergisst dabei nie, Ubaydulloyev zu bedenken. So wurde für ihn das Amt des Ministers für Handel und Auslandsbeziehungen geschaffen.
Der Direktor der Nationalbank Tadschikistans Murodullo Alimardonov ist ein Freund und Schüler von Hakim Soliyev...
Laut Dodojon Atovulloyev ist sich Ubaydulloyev bewusst, keine Freunde zu haben und verhasst zu sein.]

"Das Schreckliche an Ubaydulloyev besteht darin, dass er weiß: Solange er an der Macht ist, existiert er. Sobald er die Macht verloren hat, werden die ihm am nächsten Stehenden ihn am Kragen packen und Rache üben.
Er ist derart schamlos, dass er über einen Menschen das Todesurteil fällt und danach an seinem Grab als "Ehrenwache" steht."

[...Ubaydulloyev ist sich bewusst, dass seine Macht in der Symbiose mit Präsident Rahmonov gedeiht. Deshalb überwacht er sämtliche Kontakte des Präsidenten bis ins Detail und sorgt dafür, dass niemand zu starken Einfluss auf den Präsidenten gewinnen kann. Rahmonov bezieht seine Kenntnisse über das Geschehen im Land wie in der Welt im wesentlichen über Ubaydulloyevs Vermittlung. Mitunter kommt es zwischen Rahmonov und Ubaydulloyev auch zu Konflikten. So bei der Einführung der nationalen Währung Somoni, weil Rahmonov hierfür Ubaydulloyev nicht zu Rate gezogen hatte. So organisierte Ubaydulloyev an dem Tag, an dem das neue Geld in Umlauf gesetzt wurde, eine riesige Protestdemo in Duschanbe. Auch wäre Ubaydulloyev gern mit Rahmonov verwandtschaftliche Beziehungen eingegangen, aber Rahmonovs Frau ist entschieden dagegen, ihre Tochter Ubaydulloyevs Sohn zu geben.
Nach den Wahlen 1999 ernannte Rahmonov zur Überraschung vieler Ubaydulloyev zum Vorsitzenden der 2. Kammer des Parlaments und verpasste damit eine Gelegenheit, andere Regionen in der Staatsführung zum Zuge kommen zu lassen, wie das zu Sowjetzeiten üblich war. Für Ubaydulloyev war dies ein großer Schritt nach vorne. Denn jetzt kann er landesweit bei der Verteilung von Posten bestimmen. Außerdem ist er gemäß der Verfassung im Fall einer Erkrankung, Auslandsreise oder während des Urlaubs des Präsidenten dessen vollberechtigter Vertreter. Und schließlich hat Ubaydulloyev eine gute Startposition, um nun gegen den Präsidenten zu putschen: Er hat Geld, bewaffnete Banden und besonders das Innenministerium ist ihm zu Diensten. Rahmonov sind die Aspirationen seines Stellverteters nicht verborgen geblieben, und manche meinen, dass an dem Attentat, das im Vorjahr auf Ubaydulloyev verübt wurde, auch Rahmonovs Leute Anteil haben könnten.]

"Denn wer sonst kann in einem Auto, das ständig unter der Aufsicht von Leibwächtern steht, Sprengstoff plazieren?"
[Trotzdem stellt sich die Frage, wieso sich der Präsident nicht von seinem Gefährten trennt:]

"Diejenigen, die mit den Geheimnissen am Hofe von Duschanbe vertraut sind, geben folgende drei Gründe dafür an, dass der Präsident sich nicht von M. Ubaydulloyev trennt:

Erstens: Das ganze Geld von Rahmonov befindet sich in den Händen von M. Ubaydulloyev.

Zweitens: Ubaydulloyev besitzt über Rahmonov derart kompromittierendes Material, dass er ihn im Diesseits und im Jenseits bloßstellen kann.

Drittens: Rahmonov vertraut ihm."
[...]

* Agromayniyu: der Verfasser gibt dafür drei Bedeutungen an:
1. odami bad kor. Ein Bösewicht, ein Übeltäter.
2. maimuni ba odam monand. Ein menschenähnlicher Affe.
3. Chizi vahshadafgane ki bo on digaron ro metarsinaad. Etwas Schreckliches, mit dem man anderen Angst einjagt.
Im Deutschen würde am ehesten "Gorilla" dieses Spektrum abdecken.

Zusammenfassung und Übersetzung aus dem Tadschikischen: Konstanz, den 15.03.02
Georg Warning, PF 5303, D-78432 Konstanz, e-mail: ai2337@hotmail.com







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