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http://www.free.de/Zope/linksrhein/News/1016033267/index_html |
| letzte Änderung: 13/03/02 16:27 |
Asyl
Von Donnerstag (7.03.02) auf Freitag hat es im Sammellager Albbruck erneut in einem Hausflur im 1. Stock gebrannt. Ein Flüchtling aus dem Kosovo, der in unmittelbarer Nähe des Brandherdes sein Zimmer hat, stürzte sich, als er gegen 3.00 nachts das Feuer bemerkte, aus Panik aus dem Fenster.
Es sind Lebensbedingungen, die man nur im Gefängnis findet. Der erwähnte Flüchtling - wie alle anderen auch - spricht sich gegen Zerstörungsaktionen aus, hat aber Verständnis für das Verhalten, die aus Verzweifelung und Ohnmacht entsteht. Ein Kollege, von einem türkischen Gericht zu 38 Jahren Gefängnis verurteilt, der in Albbruck leben muss, flüchtete nicht deshalb nach Deutschland, um hier erneut wie im Gefängnis leben zu müssen. Nun befindet er sich aber wieder in einem Lager, in dem seine Lebensbedingungen diktiert und kontrolliert werden. Es sind Bedingungen, die bewusst eingerichtet worden sind, um die Menschen kaputt zu machen. Alle, die den Mut haben, sich zu äussern, empfinden es als ehrlicher, wenn Deutschland offen verkünden würde, es nehme gar keine Flüchtlinge mehr auf. Bei der Versammlung ergeben sich zahlreiche zentrale Klagen gegen die Lagerbedingungen: wir berichten hier von den wichtigsten Kritiken. Zentral ist die Abschottung des Lagers, die bewusste Distanz zu anderen zivilen Einrichtungen, die erlebte Ohnmacht, die Orientierungslosigkeit, fehlende medizinische Unterstützung, fehlende Bezugspunkte, Landkreis-Beschränkungen und die soziale Deprivation. Alle diese Mängel wurden vielfach thematisiert, die zuständigen Verantwortlichen haben bislang daraus keine Konsequenzen gezogen. Die von der UNO gewährten sozialen, kulturellen und ökonomischen Rechte (vgl. UN-Konvention, der Deutschland beigetreten ist) werden missachtet und - im Wissen um die Folgen dieser Verweigerung von Menschenrechten - bewusst und strategisch angewandt. Man muss sich nicht allein über Australien (Woomera) wundern, auch im Wohlstandsland Deutschland - im Niemandsland wie Albbruck/Stieg - werden Rechtlosigkeit und Unrecht praktisch umgesetzt.
Darüber hinaus wurden folgende weitere Punkte zusammengetragen: Demütigender Einkauf: Der Einkauf in dem ca. 9 km entfernten Albbruck. Einmal in der Woche (dienstags-nachmittags) werden die Flüchtlinge nach Albbruck mit einem Extra-Bus gefahren, wo sie dann für 30 Euro - innerhalb von 2 Stunden - unter Kontrolle einkaufen sollen. Insgesamt sind ca. 180 Menschen in dem Lager untergebracht, die diese Prozedur mitmachen müssen. Weiter demütigend bei diesem Zwangseinkauf ist, dass die Waren an der Kasse kontrolliert werden. Hat jemand den Wocheneinkauf in Albbruck verpasst, hat für die kommenden 7 Tage keine Lebensmittel. Viele der BewohnerInnen schämen sich, derart vor den Augen der deutschen Bevölkerung stigmatisiert zu werden und entziehen sich, indem sie ihren Aufenthalt von Zeit zu Zeit zu Freunden, Bekannten und Verwandten verlegen, auch um den isolierten Bedingungen zu entgehen. Andere Bewohner machen darauf aufmerksam, dass auch Minderjährige (z.b. aus dem Irak) im Lager leben; dass sie im Kreisjugendamt einen Vormund haben, steht nur auf dem Papier. Sie haben ihren Vormund noch nie gesehen. Oft unterschreiben sie Papiere, deren Sprache und Inhalt sie nicht verstehen. In der Nähe (d.h. 2 km entfernt) gibt es ein kleines Dorf mit wenigen Häusern (Unteralpfen). Dort jedoch werden die Flüchtlinge von den Einheimischen nicht als gleichwertige Menschen akzeptiert, "die Deutschen Leute schauen die Flüchtlinge von oben an". (Man fühlt sich dabei an die deutsche Geschichte erinnert...) Fehlender Sprachkurs: Stark kritisiert wird die fehlende Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen. Es gibt keine Angebote von Kursen, wo die deutsche Sprache erlernt werden kann (es hängt inzwischen ein Zettel am Eingang; dieser Kurs ist jedoch im 9 km entfernten Albbruck - im übrigen ist auch ein einmal wtl. stattfindender Kurs ein Witz). Dieser Zustand trägt ebenfalls zur Isolation bei, da die Möglichkeit der eigenen Orientierung damit verhindert wird. Dadurch, dass viele die deutsche Sprache nicht sprechen und sie auch nicht erlernen können, fühlen sie sich entmündigt. Der einfachste Einkauf wird zur Überwindung.
Die einfachsten Fragen können nicht gestellt werden. Arbeit kann nicht gefunden werden, weil keine Sprachkenntnisse bestehen. Fehlende Medizinische Grundversorgung: Von vielen wurde immer wieder bemängelt, dass die medizinische Grundversorgung nicht gewährleistet ist. Wenn ein Notfall vorkommt, heisst es warten. Oft werden auch Flüchtlinge von der Verwaltung kritisiert, sie dürfen keinen Notarzt rufen, da dieser zu teuer sei. An den Wochenenden gibt es keine ärztliche Versorgung. Wenn der Schulbus nicht fährt (z.b. in den Schul-Ferien), kommt man aus dem Lager noch schlechter zum Arzt. Schikanös ist die Kleiderversorgung, die es zweimal im Jahr gibt. Die "Einkleidung" wird durch eine Firma von ausserhalb organisiert. Ein LKW fährt in das isolierte Lager. Im Aufenthaltsraum werden die Warenbestände aufgestellt. Das Sortiment ist eingeschränkt. Auch wenn die Kleidungsstücke nicht gefallen oder passen, mussten die Betroffenen die Kleidungen trotzdem nehmen, weil die Auswahl begrenzt angeboten wird. Anproben und auswählen gibt es also nicht. Keine Menschenrechte: Das Sammellager in Albbruck existiert seit ca. 4 Jahren. Es gibt Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Syrien, Irak, Togo, Guinea, Kameroun, Kosovo, Bosnien, Algerien, Türkei und anderen Lindern, die untereinander keine gemeinsame Sprache haben. Was die Bewohner zusätzlich verrückt macht, ist die Ungewissheit: wie lange sie noch in dem isolierten Lager bleiben müssen. Immer wieder wird betont, dass es keine Menschenrechte im Lager gibt. Ein aus Afghanistan kommender Flüchtling berichtet, dass sie aus einen Land kommen, in dem schon Jahre Krieg geführt wird: "Wir fühlten uns dort nicht frei, aber wir müssen feststellen, wir fühlen uns auch hier in Deutschland nicht frei". Ein weiterer Flüchtling berichtet, dass in Albbruck gut ausgebildete Menschen untergebracht sind, die gerne die Möglichkeit einer Weiterbildung wahrnehmen würden. Jedoch sind sämtliche Chancen per Gesetz verbaut. Durch die Entrechtung und die Lebensbedingungen stellen sie fest, dass sie sich täglich im Kopf zurückentwickeln, allmählich zu Menschen degradieren, die keinen eigenen Willen und keine eigene Entschlusskraft mehr haben. Betont wurde, dass das Leben in der aufgezwungenen Gemeinschaft und in der örtlichen Isolation, sich extrem negativ auf das Leben der Flüchtlingskinder auswirkt. Ein Schüler erzählt, dass er nicht lernen kann, keine Konzentration findet. Sobald er im Lager ist, vergisst er alles, was er in der Schule noch wusste. Alle Flüchtlinge, die in dem "sozialen Gefängnis", wie ein Flüchtling das Sammellager bezeichnete, fordern die sofortige Schliessung des Lagers und einen sofortigen Transfer weg von Albbruck. Die Heimleitung spielt das alte Spiel der Spaltung zwischen "Guten" und "Bösen": konkrete Hilfe gibt es nicht, aber Verdächtigungen, Gerüchte, Bespitzelungen, Kontrollen und Ausforschungen. Von daher erwarten sie eine Unterstützung insbesondere von Menschenrechtsgruppen und von der deutschen Bevölkerung. Nur so kann man diese menschenunwürdigen Bedingungen beseitigen. Sie beklagen sich, dass die Öffentlichkeit von ihrer Existenz keine Notiz nimmt, oder wenn, dann unter diskriminierenden Beschreibungen ("angeblich schlechte Unterbringung").
Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen ( Saga), Freiburg, Kronenstr. 16, Postfach 5328 - 79020 Freiburg - Tel. 0761-74003, Fax 709866
Quelle: Stattzeitung für Südbaden im Internet [www.stattweb.de]
Vgl. Selbstmord einer 74-jährigen Frau 27.02.2002, SAGA