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letzte Änderung: 13/03/02 16:10

Antifa

Widerstand der Arbeiterbewegung 1933-45 in Südbaden

13.03.2002, 16:10, Martin Höxtermann

Waldkirch (06-03-02). Buch und Ausstellung über Verfolgung und Widerstand der ArbeiterInnenbewegung zwischen 1933 bis 1945 in Südbaden. Obwohl der Schwarzwald keine Industrieregion mit einer starken ArbeiterInnenbewegung war, gab es auch dort über viele Jahre hinweg organisierten Widerstand von KommunistInnen und SozialdemokratInnen gegen das NS-Regime. Das Buch und die Ausstellung "Widerstand und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus in Südbaden" geben erstmals Einblicke in Organisation und Personen des antifaschistischen Widerstands in der Region und zeigen, dass Antifaschismus nach wie vor eine theoretische und praktische Notwendigkeit ist.

Am 13. Juni 1933 wurde der 19-jährige Fritz Pfeifer im Zusammenhang mit dem Fund eines Waffen- und Sprengstofflagers der KPD im südbadischen Schwarzwaldort Waldkirch verhaftet. Er war zusammen mit seinem Bruder in der Klebekolonne der KPD aktiv. "Beide sind verstockte und verschlagene Burschen", schrieb Gendarmerie-Hauptwachtmeister Kübler damals über die Waldkircher. Trotz spärlicher Beweise und fragwürdiger Zeugenaussagen wurde der "verschlagene Bursche" am 27.Februar 1934 vom Reichsgericht in Leipzig wegen "Beihilfe zu einem Verbrechen" zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Kaum entlassen, schloss sich Pfeifer im Frühjahr 1935 der kommunistischen Widerstandsgruppe in Waldkirch an und arbeitete im weitverzweigten Netzwerk der sogenannten "Reichskurierlinie", über die die Exil-KPD bis 1936 von der Schweiz aus Informationen, Flugblätter und Aufklärungsschriften ins faschistische Deutschland schleuste. Aufgabe der fünfköpfigen "KPD-Zelle" war es, die Kurierlinie zu organisieren, EmigrantInnen aufzunehmen und ein antifaschistisches Verteiler- und
Widerstandsnetz in der Region aufzubauen.

Das Leben des Fritz Pfeifer wäre wohl bis heute dem Vergessen anheim gegeben, hätte nicht ein lokaler Arbeitskreis Anfang der neunziger Jahren damit begonnen, den antifaschistischen Widerstand der Arbeiter in der Region durch ZeitzeugInnenbefragungen und Archivrecherchen aufzuarbeiten. Die Arbeit war mühevoll, aber fruchtbar. Neben einem knapp 400 seitigem Buch, dass im Herbst vergangenen Jahres in zweiter, erweiterter Auflage erschienen ist, hat der "Arbeitskreis Widerstand und Arbeitergeschichte Waldkirch" auch eine Ausstellung organisiert, die im März in Freiburg zu sehen war. Anhand von 40 bebilderten Tafeln gab sie einen Überblick über die antifaschistischen Gruppen im Freiburger Raum, vor allem die Widerstandsnetze von KPD und SPD, und zeigte anhand der Biografien der WiderstandskämpferInnen deren Schicksal im Kampf gegen die NS-Herrschaft. Viele AntifaschistInnen wurden verhaftet und verurteilt, in Zuchthäusern und KZs gefangengehalten oder ermordet. Unter ihnen auch Fritz Pfeifer, dessen Biografie in der Ausstellung anhand von Fotos, Briefen und Aktenauszügen ausführlich dargestellt wurde.

1935 musste die KPD erkennen, dass ihre Strategie des Massenwiderstands gegen den Nationalsozialismus gescheitert war. Die Offensivstrategie wurde von einer besser abgesicherten, verdeckten Arbeit abgelöst. Dennoch wurde ein Großteil der Gruppen 1936/37 von der Gestapo entdeckt und verhaftet. Auch Fritz Pfeifer wurde im November 1936 erneut gefangen genommen und im Oktober 1937 wegen "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens" zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Juni 1940 wird er in das KZ Dachau eingeliefert; vier Jahre später in das KZ Buchenwald, wo der gelernte Blechner unter anderem Flugzeugmotoren für BMW herstellen musste. "Ich arbeite 6 Tage in der Woche je 12 Stunden lang in der Fabrik", schrieb er in einem Brief an seine Schwester. Die Befreiung von Buchenwald kam für Fritz Pfeifer zu spät: Der Waldkircher gehört zu den 13.056 Häftlingen, die zwischen Januar und März 1945 in Buchenwald ums Leben kamen.Weitere Aspekte der Ausstellung beschäftigen sich mit der Struktur und Arbeitsweise der Reichskurierlinie in Südbaden, der Arbeit des "Roten Schutzbundes" der SPD in Südbaden, der Beteiligung Freiburger Antifaschisten an der französischen Resistance und am Spanischen Bürgerkrieg sowie der Rolle der Frauen im antifaschistischen Widerstand.

"Die Hauptträger des antifaschistischen Widerstands waren nicht die bürgerlichen Eliten des 20.Juli 1944, sondern die politisch bewussten Menschen aus der Arbeiterklasse, die dem Faschismus die Idee einer sozialistischen Gesellschaftsordnung gegenüberstellten", sagte Historiker Heiko Haumann bei der Ausstellungs-Eröffnung. Unverzichtbares Gegenstück zu der "Wehrmachtsausstellung" aus Hamburg, die sich mit den Tätern und Mitläufern des NS-Regime beschäftige, seien Ausstellungen wie diese, die sich mit Aktionen, Organisation und Motivation des antifaschistischen Widerstands der "kleinen Leute" auseinandersetze. Menschen wie Fritz Pfeifer zeigten, dass Widerstand auch in der scheinbar aussichtlosen Situation des faschistischen Terrors und unter Lebensgefahr möglich gewesen sei.

Widerstand und Verfolgung in Südbaden. Der organisierte Widerstand aus der Arbeiterbewegung gegen den Nationalsozialismus. 390 Seiten, 7 Euro. Kontakt: AK Widerstand und Arbeitergeschichte, Armin Bannwarth, Mühlenweg 6, 79183 Waldkirch. Tel. 07681-490 194. E-Mail: arminbannwarth@t-online.de.

Martin Höxtermann

Quelle: Stattzeitung für Südbaden im Internet [www.stattweb.de]