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30/07/05 14:53

CSD Südwest Konstanz am 16.07.2005

24.07.2005, 01:33, CSD am See / CSD Südwest Konstanz

Gender | Konstanz | CSD

Politische Forderungen des CSD Südwest, verlesen vom Lautiwagen auf der Marktstätte



Quelle: www.csdamsee.de

(1) Akzeptanz statt Toleranz

Toleranz kann nur ein Beginn oder eine erste Stufe in einem Wandlungsprozess sein.
Toleranz (von lateinisch tolerare: ertragen, aushalten und toles: die Last) bedeutet das Geltenlassen anderer Weltanschauungen, Religionen, Lebensentwürfe und Überzeugungen. In den Grund- und Menschenrechten ist das Toleranzgebot in der Form von Gedanken-, Glaubens- und Gewissensfreiheit normiert.
Das große Ziel muss jedoch Akzeptanz sein.
Wer will schon gerne toleriert, also ertragen, gedultet oder ausgehalten werden?

Viel hat sich in den vergangenen Jahren - speziell in Deutschland - in Sachen "Toleranz und Akzeptanz" getan. Die Menschen sind heute eher bereit andere Lebensentwürfe, als den eigenen anzunehmen.
Zumindest wächst das Bewusstsein dafür.

Dennoch: Die ersten Schritte zu einer rechtlich größeren Gleichstellung ändern nichts an bestehender Diskriminierung. Und sie können nur ein Anfang sein.
Lesben und Schwule haben immer noch Schwierigkeiten, ihr "Anderssein" insbesondere in der Provinz offen zu leben. Häufig herrscht noch immer Angst vor möglichen Konsequenzen im täglichen Leben. Diese reichen von komischen Blicken aus der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz bis hin zum Verlust der Beschäftigung oder Wohnung. Freundschaften werden abgebrochen oder man wird Opfer von gewalttätigen Übergriffen.

Wir alle sind gefordert, von der Toleranz zu einem Mehr an Akzeptanz zu kommen.
Wir alle müssen Andersartigkeit akzeptieren, denn nur dann sind wir auf dem richtigen Weg zu einer tatsächlich offenen Gesellschaft.

Wir fordern von der Bundesregierung, sich auf Europaebene mit den rund 80 Staaten auseinanderzusetzen, die noch immer Lesben und Schwule offen diskriminieren und strafrechtlich verfolgen. Dort sind Lesben, Schwule, Bisexuelle und insbesondere Transgender massiven Übergriffen ausgesetzt - bis hin zu Folter und Mord.


(2) Rechtsextremismus und Hassverbrechen entgegentreten

Wir fordern von allen Parteien sich dafür einzusetzen, dass die Situation von Schwulen, Lesben und Transsexuellen bei den staatlichen Programmen zur Gewaltprävention und Opferhilfe berücksichtigt wird.
Verunglimpfungen von Menschen, die nicht in das "normal"-Raster der Gesellschaft passen, sind nach wie vor an der Tagesordnung. Lesben, Schwule, Transsexuelle, Migranten/-innen und Menschen mit Behinderung sind dabei besonders betroffen.
Sie müssen immer wieder mit Gewalt und der Bedrohung ihres Lebens rechnen. Die Polizei wird ihrer Aufgabe des Schutzes dieser Menschen häufig nur unzureichend gerecht und beteiligt sich vereinzelt sogar an direkter psychischer und physischer Gewalt.

In diesem Zusammenhang sehen wir kommunale runde Tische als Möglichkeit, Benachteiligungen von Menschen, die anders leben, zu benennen und Strategien zu entwickeln, psychischer und physischer Gewalt auf allen Ebenen entgegenzuwirken.

Rechtes Gedankengut bedroht das friedliche Zusammenleben aller Menschen, so dass wir es als dringliche Aufgabe erachten einer erstarkenden rechten Subkultur aktiv und engagiert zu begegnen.

Wir fordern von Jedem, sich dem Erstarken der radikalen Gruppierungen zu widersetzen und jeder Art antidemokratischen Verhaltens energisch entgegen zu treten.

Wir fordern ein verschärftes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden bei hassmotivierten Gewalttaten und den stärkeren Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs.

Wir fordern die Sicherung der Arbeit und Gewaltpräventionsgruppen und Unterstützung sozialpädagogischer Projekte zur Prophylaxe von Gewaltverbrechen.


(3) Lebenspartnerschaftsgesetz

Wir fordern, dass sich die Parteien und die Politik auch nach erfolgreicher Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsänderungsgesetzes für die volle rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften einsetzen.
Die erfolgten Änderungen zeigen den Weg auf, welcher beschritten werden muss. Nun muss der Staat, die Exekutive und Judikative, die gesetzlichen Normierungen umsetzen und im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auslegen.

Wir fordern eine Gleichstellung in allen Bereichen des Lebens zur Ehe, in allen Pflichten als auch Rechten.


(4) Adoption & Familien anerkennen

Wir fordern ein Adoptionsrecht, bei dem allein das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht - und nicht die sexuelle Orientierung und Lebensweise der Adoptiveltern.
Diese Forderung versteht sich als ein Appell an die Europa- und Bundespolitik und sieht ihren Kern in der Erweiterung der bisherigen Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes.
Lesben und Schwule wollen sich nicht mehr nur mit der Pflegschaft zufrieden geben, sondern gezielt und rechtlich abgesichert die volle Verantwortung für Kinder übernehmen.
Die Stiefkindadoption ist ein erster Schritt zur Gleichstellung im Adoptionsrecht, jedoch ist die vollständige Angleichung erforderlich.
Wir fordern alle Parteien auf, sich für die Gleichstellung aller Lebensgemeinschaften einzusetzen, die für Kinder oder pflegebedürftige Menschen Verantwortungen übernehmen möchten.


(5) "Homofreundliche" europäische Zuzugsregelung

Wir fordern die politisch Agierenden auf Kommunal-, Landes- und EU-Ebene dazu auf, sich für die Zuzugsmöglichkeit des ausländischen Partners oder der ausländischen Partnerin binationaler Partnerschaften einzusetzen.

Staatliche und nichtstaatliche geschlechtsspezifische Verfolgung oder die Verfolgung aufgrund der Identität oder sexuellen Orientierung sind als Asylgründe anzuerkennen.

Wir fordern die Bundes- und Landesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für eine "homofreundliche" europäische Zuzugsregelung für Lebenspartner einzusetzen.


(6) Antidiskriminierungsgesetz

Wir fordern von den Parteien, dass sie sich für eine Antidiskriminierungsgesetzgebung einsetzen, die Benachteiligungen in der Arbeitswelt und im Zivilrecht "aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ausschließt.
Wir setzen uns in diesem Zusammenhang für eine Beweislastumkehr ein, in dem potenziell Diskriminierenden die Nachweispflicht auferlegt, dass er nicht diskriminiert.
Damit werden Arbeitgeber und Institutionen dazu veranlasst Antidiskriminierungsrichtlinien zu erlassen und Diskriminierungen in ihrem Unternehmen oder ihrer Institution entgegenzutreten.

Wir fordern von der Bundesregierung eine Beteiligung der betroffenen Personengruppen bei der Ausgestaltung des Antidiskriminierungsgesetzes, welches aufgrund europarechtlicher Vorgaben von Deutschland noch umgesetzt werden muss.

Wir fordern die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Diskriminierung in deutsches Recht und die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der "sexuellen Identität".

(7) Transsexuellengesetz

Wir fordern von den politischen Parteien, sich für eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes einzusetzen, damit transgender und transsexuelle Menschen das Recht bekommen, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen. Dabei ist die Neufassung des Transsexuellengesetzes (TSG) in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Transgender-Gruppen gemäß der Entwurfsfassung des Jahres 2000 zu diskutieren.

Wir fordern eine Verringerung der Anzahl der notwendigen Gutachten für die Vornamensänderung (kleine Lösung). Die Voraussetzungen, wonach das TSG greift, sind veraltet und sind entsprechend zu ändern.
Wir fordern, dass Transsexuelle das Recht, aber nicht die Pflicht haben sollen, sich derart schweren Operationen zu unterziehen, wenn sie eine Personenstandsänderung erhalten wollen.
Die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen für die Kostenübernahme der Krankenkassen sind klar zu definieren.


(8) Selbstbestimmung intersexueller Menschen

Wir fordern den Staat dazu auf, auch intersexuellen Menschen das Menschenrecht auf Unversehrtheit nicht länger zu verweigern.
Direkt nach der Geburt werden Menschen mit "uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen" einem der konstruierten Geschlechter "Mann" oder "Frau" angepasst. So muss im Ausweis eine eindeutige Geschlechtsbezeichnung vermerkt werden, medizinische Operationen und Hormongaben sollen physisch und psychisch ein eindeutiges Geschlecht herstellen.
Die gewalttätigen Eingriffe führen häufig zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Kinder.

Die betroffenen Menschen müssen in entsprechendem Alter selbst und selbstbestimmt darüber entscheiden können, ob und welcher Operation sie sich unterziehen wollen. In Ausweisen und amtlichen Dokumenten ist die Geschlechterbezeichnung zu streichen oder zumindest eine dritte Bezeichnung ("Zwitter" oder "Anderes") einzuführen, deren Wahl den Menschen freigestellt wird.


(9) Sexualpädagogik

Bildung und Erziehung sind Schlüssel zu einer offenen Gesellschaft. Durch toleranzfördernde Unterrichtseinheiten und Lehrbücher kann dies in der Praxis umgesetzt werden.

Im Zuge der inahltlichen Neuerarbeitung der Lehrpläne fordern wir die Aufnahme einer modernen, aufgeklärten und toleranten Sexualpädagogik in den Lehrplänen der Schulen.

Homosexualität und Bisexualität werden noch immer weitestgehend totgeschwiegen, oder nur als Randerscheinung im Bereich der Sexualerziehung erwähnt. Gleichgeschlechtliche Liebe darf nicht nur ein Thema für den Biologieunterricht sein. Auch in Fächern wie Deutsch, Politik- / Sozialkunde und Geschichte müssen Schülerinnen und Schüler über Lesben und Schwule informiert werden.
Dabei geht es beispielsweise um Aufklärung zur Verfolgung Homosexueller während der NS-Zeit, aber auch um ihre Beiträge im kulturellen und politischen Leben. Eine qualifizierte Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte ist dabei unabdingbare Voraussetzung.

Wir fordern, dass die Landesregierung sich für Weiterbildungsangebote für Lehrer einsetzt, welche Vorurteile gegenüber verschiedenartigen Menschen abzubauen versuchen, sexuelle Aufklärungsarbeit leisten und nicht zuletzt ein offenes, tolerantes Miteinander bereits bei Kindern und Jugendlichen - den Erwachsenen von morgen - fördern.
Wir fordern eine deutliche Unterstützung von Aufklärungsprojekten an Schulen durch das Kultusministerium.


(10) Öffnung des Standesamtes für Verpartnerungen

Gleichgeschlechtliche Paare können in Deutschland seit August 2001 "Ja" zueinander sagen. Sie können eine "Lebenspartnerschaft" begründen. Leider bleibt das Standesamt der meisten Landkreise verpartnerungswilligen Schwulen und Lesben weiterhin verschlossen.
Die Zuständigkeit wurde so beispielsweise dem Landratsamt Konstanz übertragen, so dass es Verpartnerungen im "feierlichen Rahmen" der KFZ-Zulassungsstelle gibt.
Dies stellt eine nicht hinnehmbare Diskriminierung von Schwulen und Lesben dar. Eine schlüssige Begründung für diese Ungleichbehandlung kann nicht geliefert werden.

Wir fordern, dass wir endlich dazu kommen überall in Deutschland das Standesamt als den Ort zu sehen, an dem Schwule und Lesben, genau wie Heterosexuelle, den Bund fürs Leben schließen können. Denn auch dadurch würde der Letzte begreifen, dass Schwule und Lesben integrativer Bestandteil unserer Gesellschaft sind.


(11) Kommunale Streichlisten

Wir fordern die Kommunen und das Land auf, nicht bei den Minoritäten und Schwächsten zu sparen und allen eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Durch die Kürzungen in den kommunalen Haushalten sind viele Projekte und Vereine bedroht.
Wir fordern mehr staatlich geförderte Offensiven und Programme gegen Hassverbrechen zum Nachteil gesellschaftlicher Minderheiten, keine Kürzungen bei der Förderung lesbisch-schwuler Projekte, noch eine Kürzung finanzieller Zuschüsse an Gruppen, Vereine, Initiativen, Selbsthilfeorganisationen, etc.
Wir fordern die Solidarisierung mit integrativen Projekten lesbisch-schwuler Träger.

Wir fordern den Ausbau der Gesundheitsprävention, insbesondere bei sexuell übertragbaren Krankheiten wie AIDS, Hepatitis, Syphilis, etc. einschließlich kostenloser Prophylaxemaßnahmen, sowie der Krebsvorsorge bei Frauen (insbesondere Brustkrebsprophylaxe).
Wir fordern das Landratsamt Konstanz auf, die anonyme, kostenfreie HIV-Beratung und -Testung wieder in Konstanz zu ermöglichen und die Verlegung auf die Mettnau rückgängig zu machen.


(12) Wir fordern von uns selbst

Die LesBiSchwule Szene, die Community, ist aus den verschiedensten Gruppen und Gruppierungen zusammen gesetzt.
Wir fordern, dass innerhalb dieser Community jegliche Art von Diskriminierung, Ausgrenzung oder Ausbeutung von Minderheiten, insbesondere Migranten und Migrantinnen, verschiedenartigen Menschen und allen, die nicht oder zu sehr den Klischeebildern von lesbisch oder schwul entsprechen, unterlassen wird.

Wir fordern die Akzeptanz innerhalb der Community von bisexuellen, intersexuellen, transgender und transsexuellen Menschen.

Wir fordern, dass sich die Community für die Älteren einsetzt. Die homosexuellen Senioren und Seniorinnen von Heute waren die Vorstreiter für die heutigen Rechte der Szene, die wir teilweise schon als Normalität ansehen.
Die Community sollte sich der Pflege und besonderen Fürsorge für das Alter annehmen.


Alle Forderungen stehen gleichgberechtigt nebeneinander. Die Auflistung ist nicht umfassend.

© CSD am See in Konstanz e.V. - Jahnstraße 21 - 74867 Konstanz


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