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24/06/07 12:18

Zürich: RTS gegen Bullenrepression fast durchgesetzt

12.10.2003, 16:18, imc switzerland

Repression | Zürich | Demonstration | Reclaim The Streets

Bericht vor der gestrigen Reclaim The Streets Party in Zürich, an der etwa 1000 Menschen teilnahmen, die sich trotz heftiger Repression mit Tränengas und Gummigeschossen für mehrere Stunden die Strasse erkämpften


Aufgerufen (siehe unten) wurde, um sich der zunehmenden Enge in Zürich zu widersetzen und Freiräume einzufrodern. Die Verdrängungspolitik in der Stadt Zürich wird für mehr und mehr Menschen spürbar. Es ist erlaubt was nicht stört: "Aufwertung" der Quartiere durch Kommerzialisierung und Repression/Vertreibung; Polizeieinsätze gegen illegale, laute Parties; Räumung besetzter Häuser usw. usf.

So versammelten sich mehrere hundert Menschen um 20 Uhr auf der Josefswiese im Kreis 5. Die Polizei war seit mehreren Stunden mit Mannschafstwagen im Quartier präsent. Auf der Josefstrasse und später auch auf der Neugasse stellten sie sich auf und wollten den Tarif durchgeben: heute finde kein Umzug statt... Blablabla. Damit ihre Präsent auch niemenadem entgeht, stellten sich einige in Kampfmontur auch auf die Josefswiese. Zivi Schaffner war natürlich auch zugegen.

Etwas später begannen sich die Leute an der RTS (Reclaim the Streets) zu bewegen; es ging in Richtung Züri-West - auf der Josefstrasse zur Hardbrücke. Dort kamen die ersehnten fünf Soundmobile hinzu - inkl. "Walter stürm lebt". Tanzen, quatschen, stehen, trinken, warten. Mindestens drei Mannschaftswagen der Stadtpolizei sperrten die Hardstrasse Richtung Escher-Wyss Platz ab. PolizistInnen stellten sich vor Soundmobile und beteuerten nochmals, dass das hier heute nicht stattfinden wird. Unverständnis und etwas Wut kam auf, es wurde ab und zu lauter und gab kleinere Gedränge. Mit der Zeit gingen zwei Autopneus die Luft aus, was beim einen Mannschaftswagen ein Rückwärtsrollen und somit freigeben der Strasse verursachte. Aber die Mannen und Frauen in Blau stellten sich wieder und wieder in den Weg und wollten auch schon Mal einen Menschen aus der RTS rausziehen. Zivis Schaffner und ein Kollege - ev. Slazmann oder Stadtmann ( http://aktivschutz.freehomepage.com/bullen/sicherheitsdienst.html) - nahmen langsam etwas Abstand. Wie unter http://ch.indymedia.org/de/2003/10/14511.shtml beschrieben, wurden die drei Polizisten vor dem vordersten Soundmobil durch eine lässige Wellenbewegung und trotz Pfefferspray-Einsatz weggedrückt. Schnell, schnell, jetzt geht's los. Diese RTS findet heute statt!

Durch den Vergnügungsecken Cinemax-Heinrichstrasse-Hardstrasse, wo tolle Yuppies und andere junge sich drängen, wo mensch auch den besetzten Glacegarten vermissen kann, zogen die Leute über den Escher-Wyss-Platz und die Brücke nach Wipkingen, nachdem ein Herr an rotem Megaphon die Auflösung vorderte und vor Tränengas- und Gummigeschoss-Einsatz warnte - nur war das in dem ihm entgegenkommendem Lärm so schlecht zu verstehen. Nach einer etwas lange dauernden Kreuzungsblockade gings dann weiter bis zu der Dammstrassenbrücke, wo schon wieder Polizisten den Weg zu versperren gedachten. Weit gefehlt, mit etwas Druck und Geschrei gings hindurch. Und nochmals ein Mannschaftswagen mit plattem Reifen - was ist denn heute los mit denen?!

Juhuii, mensch nimmt sich die Strasse, ohne die zu Fragen, die meinen, sie müssten gefragt werden. Die Musik der verschiedenen Mobile vermischt sich, von Punk bis Electro-Techno. Es ist keine Szenen-Demo heute, sondern eine Aufeinandertreffen verschiedenster Leute, die aus der überall vorpreschenden Enge ausbrechen wollen; zusammen mit Walter Stürm.

Unter der Kornhausbrücke erfolgt der erste Tränengaseinsatz ohne ersichtlichen Grund. Eine unfreundliche Begrüssung; ein Zeichen dafür, dass die Innenstadt Tabu sein soll für solch unverwertbaren Mist; eine praktische Erklärung des Prinzips "erlaubt ist, was nicht stört" und Wegweisung, wie das ab jetzt abläuft hier in Zürich oder was soll das?! In kurzen Abständen schiessen sie die Gaspetarden, manchmal von Hand, sonst mit den Granatenwerfern in hohem Bogen und mit Feuerwerkseffekt. Ein Sänger macht sich lustig darüber und singt unter Applaus von seiner Vorliebe für das beissende Gas. Die Mobile fahren nacheinander mit vollgas Richtung Bullen und biegen vorher links ab, um auf die Kornhausbrücke zu kommen. Die Leute zu Fuss steigen langsam die Treppe hoch und trotzen dem bissig, brennend stinkenden Tränengas, das sich langsam verzieht. Endlich in der Innenstadt angelangt, wird auf dem Limmatplatz und die Langstrasse rauf rumgetanzt, gepfiffen und gekreischt. Die Limmatstrasse Richtung Hauptbahnhof ist von den agressiven Bullen gesperrt, die Langstrasse wird lahmgelegt bzw. belebt. Doch der Schein trügt, denn noch während die letzten Leute durch die Langstrassenunterführung gehen, ballern die Bullen von hinten mit Tränengas und erstmals auch mit Gummigeschossen auf die Leute. Es wird gerannt und das hinterste Soundmobil konnte sich nur knapp aus den "Klauen" der Bullen befreien - geschicktes Fahrmanöver.

Das Gas würgt einem beinahe zum Kotzen, aber die zwischendruch etwa 1000 Leute an der RTS nehmens erstaunlich locker, stecken diese Angriffe immer wieder Weg und machen weiter, sich die Strasse zu nehmen und zu zeigen, dass das so nicht funktionieren wird. Im Quartier um die Zweierstrasse wirds wieder ruhiger und es wirkt, als sei gar nichts passiert - irgendwie merkwürdig und aber auch schade, dass nicht vermittelt werden kann, was da eben passiert. Aber vielleicht ist's auch gut, sich nicht ins Reagieren stürzen zu lassen und am eigenen Verlauf festzuhalten bzw. diesen weiterhin selbst zu bestimmen.
Züri Autofrei - die Westtangente ist blockiert und die RTS bewegt sich langsam und mit Zwischnstopps auf ansonsten verkehrsintensiven Kreuzungen die Seebahnstrasse hinunter. Das erneute Aufsteigen von Gaswolken am Umzugsende wirkt ireal und mensch ist sichs ja schon fast gewöhnt.

Unterwegs zur Hohlstrasse biegt einer der Soundwagen aus mir unerklärlichen Gründen in eine Quartierstrasse ab und wird prompt von einer Polizeieinheit festgehalten. Einige Leute sammeln sich in der dunklen Strasse an, pfeiffen, schreien und versuchen, sich dem beschlagnahmten Wagen und den vermutlich Verhafteten zu nähern. Die Polizisten antworten mit Gummigeschossen auf Kopfhöhe.

Auch von der anderen Seite nähern sich den Sirenen an Polizeifahrzeuge; die Leute ziehen sich unter Gummihagel zurück. Einige wollens nochmals versuchen: Gummi und Gas.
Zwischen der Seebahnstrasse und dem Hardplatz folgten dann bald starke Tränengas- und vermutlich auch einige Gummigeschoss-Einsätze. Einige flüchten auf die somit halbwegs gesperrte Hardbrücke, die meisten versammeln sich auf dem Hardplatz.

Die noch übrigen Soundwagen beginnen zusammenzupacken und es wird klar, dass die Bullen den Einsatz noch nicht beenden wollen: Mit blaulicht wird einem der Soundmobile nachgefahren, dass sich vorerst zu den versammelten Leuten auf dem Platz retten kann. Dann treffen massivste Tränengaseinsätze aus verschiedenen Seiten die Menschen und Mobile auf dem Hardplatz, Bullenreihen rennen geschlossen drauflos. Ich glaube, die Leute verteilten sich daraufhin im Quartier, einige Container wurden in Brand gesteckt, um sich vor den wütenden Polizisten zu schützen und sein Unverständnis auszudrücken. Es ist kurz nach 3 Uhr und die Einsätze dauern noch bis nach 4 Uhr an. Was in dieser Zeit passierte, weiss ich nicht. Die bürgerlichen Massenmedien melden fünf verhaftete; ich hoffe, dass es nicht mehr sind, was ich mir aber aufgrund des offensichtlichen Eifers auf die Verhaftung der Soundwagen(fahrerInnen) vorstellen könnte.

Es ist erlaubt was nicht stört und wer das nicht kapiert, dem/r gehörts eingeprügelt. Etwa so ist der Eindruck nach dieser eigentlich schönen Nacht auf den Strassen Zürichs. Anders als mit durchgeknallten PolizistInnen und einer politischen Doktrin des harten Durchgreifens gegen ALLE sich nicht fügenden Menschen, die einschüchtern und klarmachen soll. Aber dies hat in dieser Nacht nicht funktioniert, denn die Leute sind zusammengeblieben und haben der Agressivität getrotzt. Mal schauen, wie das weitergeht. Ich hätte aufgrund der letzten RTS in Zürich nicht erwartet, dass die Polizei so vorgehen würde, aber es scheint ein politischer Entscheid zu sein, den Tarif ein für alle Mal klar durchzugeben und das mit aller Gewalt.

Dem wird entgegengetreten, denn das Herunterspielen, Verunglimpfen und Isolieren (Stastpolizei Zürich: http://www.stapo-content.ch/artikel.php?id=1805, ) seitens der Polizei und der bürgerlichen Massenmedien (NZZ via SDA: http://ch.indymedia.rg/de/2003/10/14511.shtml) funktioniert nicht, wenn sich die verschiedenen Szenen ineinander verketten und die Menschen sich zusammentun.

Walter Stürm, 12.10.2003 14:28


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