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28/06/03 12:09

Donny Ohia: Seit 18 Tagen Hungerstreik im Abschiebeknast Rottenburg

23.06.2003, 15:37, IMRV Bremen

Asyl | Rottenburg | Hungerstreik | Abschiebung

Er wurde am 6. Juni 2003 verhaftet und befindet sich nun im Abschiebegefängnis in Rottenburg. Sofort nach seiner Verhaftung trat er in einen Hungerstreik.



Bild: Köln 1999

[update 28.6.03] Donny Ohia wurde gestern in die Stammheimer Knastklinik nach Hohen-Asperg verlegt, wo er wahrscheinlich auch zwangsernährt wird. [mehr...]

Donny Ohia, der aus der ölreichen Region des Niger-Delta kommt, musste sein geliebtes Land 1997 verlassen, da seine politischen Aktivitäten gegen die transnationalen Ölkonzerne sein Leben in unmittelbare Gefahr brachten. In der heutigen Situation, in der die Krise in der Region des Niger-Deltas einen unsäglichen Höhepunkt erreicht hat, bei dem täglich Dutzende Menschen ihr Leben verlieren, versuchen die deutschen Behörden, ihn abzuschieben.

Donny Ohia setzte sein politisches Engagement gegen das Regime in Nigeria nach seiner Ankunft in Deutschland fort. Gemeinsam mit anderen Nigerianern gründete er die „Besorgten Nigerianer für Demokratie“, die begannen, eine führende Rolle bei der Entblößung des nigerianischen Regimes zu spielen. Er war nicht nur besorgt um Nigeria. Gemeinsam mit Flüchtlingen aus anderen Ländern kämpfte er gegen die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland. Aber seine Zusammenarbeit mit Flüchtlingen aus anderen Ländern beschränkte sich nicht auf den Kampf gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung. Aufgrund seiner Überzeugung, praktisch gegen die internationale Ordnung anzugehen, die der Grund ist für den Terror, der uns zur Flucht aus unseren Ländern zwang, nahm er am Flüchtlingshungerstreik in Köln teil.

Hungerstreik für Gerechtigkeit

Donny Ohia nahm an Teil an den friedlichen Protesten von Flüchtlingen aus Togo, Nigeria, Kamerun, Sri Lanka / Tamil Eelam, Kurdistan und Peru im Juni 1999 in Köln. Mit diesem symbolischen Hungerstreik wenige Kilometer entfernt von dem Treffen der mächtigen Organisatoren der Weltordnung, drückten Flüchtlinge aus verschiedenen Kontinenten ihren Zorn aus über die Unterdrückung und den Hunger, verursacht durch die Politik der G7-Länder. Jeder Flüchtling erklärte wortgewandt der Presse gegenüber die Situation in ihrem jeweiligen Land und die Verantwortung, in der die Führer der G7-Staaten stehen. Während des 16-tägigen Hungerstreiks enthüllten Donny und seine zwei nigerianischen Freunde das Regime Obasanjos auf eindrucksvolle Weise, der immer noch an der Macht ist. Unser Protest wurde selbst vom Spiegel-Magazin abgedruckt - gemeinsam mit Donnys Photo.

Am 11. Juni gelang es dem Internationalen Menschenrechtsverein Bremen, ein Telefonat mit Donny Ohia zu führen, aus dem der folgende Text entnommen ist:

Ich sehe meinen Hungerstreik nicht nur als Protest gegen meine Abschiebung. Nein. Lass mich das erklären. Als ich Nigeria verlassen habe, floh ich, um mein Leben zu retten, aber nicht, um aufzuhören zu kämpfen!
Die meisten Menschen in Nigeria wissen, dass der Grund für all die Probleme Nigerias die Politik der internationalen Ölkonzerne ist.
Die Brutalität des Abacha-Regimes, vor dem ich floh, kann nicht von den Interessen der Ölkonzerne getrennt werden.
Aber woher kommen die Ölkonzerne? In diesem Sinne habe ich mit der Flucht nach Europa lediglich das Terrain meines Kampfes gewechselt.
Es ist wahr – es war die gefährliche Lage, die mich zwang, Nigeria zu verlassen.
Unsere Methoden waren friedlich. Meine Arbeit bestand darin, die Lebensbedingungen meines Volkes zu untersuchen. Ich war Forscher für die Agbo-Bewegung. Wie Du weißt, leben ca. eine Millionen Agbo im Niger-Delta. Diese Untersuchungen brachten mich in Konflikt mit den Ölkonzernen und ihren Handlangern. Die Ölkonzerne beschäftigen bewaffnete Banden, die für sie die Schmutzarbeit erledigen.
Wir waren auf die Gewalt nicht vorbereitet, die folgte. Dies zwang mich schließlich, mein Land zu verlassen. Aber sofort, als ich in Deutschland ankam, tat ich mich mit Anderen zusammen, um auf die schreckliche Situation aufmerksam zu machen, die die Ölkonzerne aus Europa in meinem Land verursachen. Ich wusste, dass selbst ein wenig Druck von progressiven Menschen aus Deutschland die Gefahr für die kämpfenden Menschen mindern könnte, die ich zurücklassen musste. Auf diese Weise habe ich meinen Kampf fortgesetzt.
Aber ich habe niemals erwartet, dass die deutschen Behörden mich in einer derart ungerechten und rachsüchtigen Weise behandeln würden. Ich erhoffte mir nicht, dass die deutschen Behörden Position gegen die Ölkonzerne beziehen würden. Aber ich habe nicht erwartet, dass in einer westlichen Demokratie Menschen, die wie ich nur die Wahrheit als Waffe haben, mit solch Gehässigkeit behandelt würden. Ich habe auch nicht erwartet, dass die deutschen Asylbehörden die gleichen Argumente der Militärdiktatoren meines Landes wie ein Papagei wiederholen würden.
In der Ablehnung meines Asylantrages bezeichnet das Bundesamt meinen Kampf zur Verteidigung der Rechte der Ogba gegenüber den multinationalen Konzernen lediglich als „ethnischen Konflikt“, der mir nicht das Recht auf politisches Asyl gäbe. Sie behaupten weiter, dass meine Verfolgung durch „anonyme Handlanger der Ölkonzerne“ kein Asylgrund darstellt, da sie keine politische Verfolgung durch die Regierungsmacht sei. Diese beiden Argumentationslinien sind teil der teuflischen Propaganda, die die Ölkonzerne und die Diktatoren Nigerias schon seit Jahrzehnten benutzen. Der Versuch, die Interessen der Ölkonzerne von denen des Staates zu trennen, soll diese unselige Allianz verschleiern, die der Grund ist für die schreckliche Armut und Unterdrückung, die die Menschen – besonders im Niger-Delta – zu erleiden haben. Der Versuch, eine ethnische Gruppe gegen die Andere auszuspielen, damit die Ölkonzerne das Land weiter ausbeuten können und die Regierung weiter an der Macht bleiben kann, ist die bevorzugte Taktik der Kräfte, die das Land kontrollieren. Und diese schmutzigen Tricks, diese Methoden, haben in der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad funktioniert und tun dies heute ebenso. Wenn die deutschen Behörden die Resultate dieser Methodik für ihre Argumentation übernehmen, bevor sie überhaupt erfolgreich ist, zeigt dies das bösartiges Wunschdenken, in dem sie handeln. Denn im Falle des Kampfes der Ogba von 1997 ging diese Taktik nicht auf.

Für Jahrzehnte saugen nun die Ölmultis und verschiedenen militaristische Regimes die Ressourcen aus dem Niger-Delta, während die Menschen in der Gegend die Ärmsten des ganzen Landes bleiben. Öl im Wert von über 20 Milliarden Euro werden jährlich geplündert, die sich die Ölkonzerne und die korrupte Elite teilen. Die Menschen aus dem Delta, all die unterschiedlichen ethnischen Gruppen bekommen gar nichts. Darüber hinaus wird ihr Land und ihre Umwelt zerstört, da das Abfackeln von Gas und auslaufendes Öl jede Möglichkeit zerstören, das Land und die Flüsse zum Leben zu nutzen. Wann immer die Menschen in der Region aufstehen und sich wehren, von den Ogoni damals bis zu den Ijaw heute, versuchen die Herrscher in und außerhalb Nigerias mit denselben spaltenden Manipulationen, wie der Einschleusung von Provokateuren und bezahlten Killern, ethnische Konflikte anzustacheln, um eine Gruppe gegen die andere auszunutzen. So können die Gefräßigen und die Korrupten weiter ihre Macht über die Massen ausüben, was immer es die Massen kostet.

Kürzlich erklärte ein Vertreter von Shell triumphierend, dass nicht die „Communities gegen die Ölkonzerne“, sondern die „Communities gegen Communities“ kämpfen würden. Das Bundesamt, dass meinen Fall ablehnte, würde dem enthusiastisch zustimmen, da bin ich sicher. Aber dieser Plan darf nicht aufgehen. Die Menschen müssen aus der Vergangenheit lernen.

Wie hat Ken Saro-Wiwa den Tod gefunden? Unser Volk kennt die Geschichte. Die neue Generation der Aktivisten wird ihre Lektionen lernen. Die Aktivisten der Ijaw müssen und werden ihre Lektionen aus der Vergangenheit ziehen. Sie werden von dem Kampf der Ogoni lernen. Sie werden ihre Schlüsse aus Biafra ziehen. Sie werden von den politischen Erfahrungen des OPC und den Aktivisten der Yoruba lernen. Alle ernsthaften Gruppen müssen zusammenkommen, um eine prinzipientreue Einheit der Menschen im Geiste der Souveränen Nationalen Konferenz zu bilden.

Meine Versuche, Solidarität mit meinem Volk zu schaffen und Solidarität mit all den Anderen zu zeigen, die gegen Unterdrückung kämpfen, haben mich in meine jetzige Lage gebracht. Einige werden glauben, meine Aktivitäten auf den Kampf für mein Bleiberecht in Deutschland reduzieren zu können und werden sagen, dass mein Gegner die deutschen Asylbehörden sind. Aber aus meiner Sicht bin ich eines der kleinen Opfer der internationalen Mächte, die einen massiven Krieg gegen die Menschen unserer Länder gestartet haben augrund der Öl- und Gasvorkommen. Dies sollte für die Menschen in Europa nicht schwierig zu verstehen sein, da sie nur wenige Monate zuvor zu Millionen gegen den anderen Krieg für Öl – den US-geführten Krieg gegen den Irak - auf die Strasse gegangen sind. Ominöserweise haben die USA Nigeria vor kurzem sechs Kriegsschiffe geliefert, um gegen die Ijaw-Jugend vorzugehen, die erfolgreich die Ölversorgung unterbrochen hat, indem sie die Kontrolle über die Pipelines in Warri übernahm.

Ich bitte Sie, sich meinem Einsatz für Gerechtigkeit anzuschließen. Mein Hungerstreik bringt nicht nur die Ungerechtigkeit des Asylsystems an die Öffentlichkeit, dem Flüchtlinge in Deutschland ausgesetzt sind. Noch wichtiger ist, dass er die schreckliche Ungerechtigkeit in Nigeria und die Stille Zusammenarbeit der Menschen in Europa und dem Westen öffentlich macht. Ich weiß nicht, ob wir erfolgreich sein werden. Wenn nicht, lasst meine Grabschrift nicht sein: „Hier liegt ein Mann, der Teil eines ethnischen oder Stammeskonflikt in Nigeria war“, wie das Bundesamt und Shell Oil sagen würden.

Unterstützt Donny Ohia!

Nach dem Hungerstreik in Köln 1999 wurden Donnys Lebensbedingungen in seinem Asylheim in Tutlingen (in der Nähe von Reutlingen, Baden Würtemberg) immer unerträglicher – die Asylbehörden nahmen gegenüber seinem Protest für Flüchtlingsrechte eine schikanierende Haltung ein. Obwohl er schon über die rechtlich erforderliche Dauer hinaus in dem Asylheim untergebracht war, erlaubte man ihm nicht, sich eine alternative Unterkunft zu suchen. Er erhielt keine Arbeitserlaubnis und wurde nur unzureichend mit adäquaten Lebensmitteln versorgt. Donny war nicht gewillt diese lange Periode der sozialen Isolation und körperlichen sowie seelischen Belastungen noch länger zu ertragen und entschied sich daraufhin für ein Leben in der Illegalität in den Niederlanden. Auch dort führte er sein politisches Engagement weiter (siehe Video-Interview vom Dezember 2002 – „Still fighting“). Anfang Juni wurde er in den Niederlanden von der Polizei verhaftet und nach Deutschland zurückgeschoben. Dort wurde er in Tutlingen am 5. Juni 2003 erneut inhaftiert und am 6. Juni in Abschiebehaft verbracht. Am Tag seiner Inhaftierung begann er sofort mit einem unbefristeten Hungerstreik.

Praktische Unterstützungsmöglichkeiten für Donny Ohia:

Schreiben Sie persönlich oder im Namen Ihrer Organisation einen Unterstützungsbrief, in dem Sie das Recht auf politisches Asyl für Donny Ohia und seine sofortige Freilassung aus der Abschiebehaft fordern. Fordern Sie seine Freilassung bevor es zu tragischen Konsequenzen kommt! Bitte adressieren Sie den Brief sowohl an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch an das Verwaltungsgericht und senden Sie uns den Brief per e-mail (imrv@humanrights.de) oder Fax (0421-498 7276) zu, so dass wir diesen an die entsprechenden Stellen weiterleiten können.

Im Falle der Durchsetzung seiner Abschiebung durch die Asylbehörden, werden wir sicherstellen, dass eine Person zu seinem Schutz nach Nigeria reist. Für dieses Vorhaben sowie für die Anwaltskosten benötigen wir dringend finanzielle Unterstützung Internationaler Menschenrechtsverein Bremen e.V. Spendenkonto Nr.: 99 29 207 Stichwort: Donny BLZ 200 100 20, Postbank Hamburg Spenden sind dringen erforderlich und steuerlich absetzbar.

Bitte sammeln Sie auch Unterschriften zur Unterstützung seiner Kampagne. Vorgefertigte Unterschriftenlisten (in verschieden Sprachen) auf dieser Seite können Sie ausdrucken und ebenfalls an die oben angegebene Nummer unseres Vereins faxen.

Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, wenn Sie Fragen bzw. weitere Vorschläge und Anregungen für die Kampagne von Donny Ohia haben.


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