Quelle: Infostelle El Salvador


El Salvador
Mutmaßlicher Kriegsverbrecher leitet Erdbeben-Einsatz

Die salvadorianische Tageszeitung "El Diario de Hoy" berichtete in ihrer Ausgabe vom 21.Januar 2001 über Mangel an Nahrungsmitteln und Medikamenten für die Opfer des großen Erdbebens vom 13.Januar 2001. In einem Absatz über die Protestaktionen von BewohnerInnen des Landkreises Santo Tomás, die bis dahin keinerlei Katastrophenhilfe vom Nationalen Notstandskomitee (Comité de Emergencia Nacional, COEN) erhalten hatten, heißt es: "Angesichts des Protestes...versprach Brigadegeneral Gustavo Adolfo Perdomo Hernández, spätesten um zwei Uhr nachmittags desselben Tages Hilfe (nach Santo Tomás) transportieren zu lassen. "

Was hat General Perdomo mit dem Erdbeben zu tun?

In den Verlautbarungen der salvadorianischen Regierung aus jenen Tagen sucht man vergebens nach einer Mitteilung über die Funktion des hochrangigen Militärs bei der Bewältigung der Erdbeben-Folgen.

Auf einer Pressekonferenz am 15.Januar 2001 auf Probleme bei der Verteilung angesprochen, erwähnte Präsident Flores zwar die neu eingerichtete Nationale Solidaritätskommission (Comisión Nacional de Solidaridad, CONASAL) unter Leitung der Unternehmer Murray Meza und Simán und der Außenministerin Brizuela de Ávila als Garantin einer transparenten Verteilung, nicht aber die Streitkräfte und General Perdomo als Verantwortliche für die Logistik.

Anderntags war im "Ersthquake Fact Sheet Nr. 3" von USAID (US Agency for International Development; staatliche Entwicklungshilfeagentur der USA) zu lesen:

"Präsident Flores hat General Perdomo zum Operationschef der Katastrophenhilfe ernannt. Das salvadorianische Militär übernimmt dergestalt die Führung, wobei COEN parallel dazu arbeitet. Das salvadorianische Militär hat Verbindungsoffiziere für die zivilen Agenturen der Katstrophenbewältigung abgestellt. Diese Veränderung in der Leitung hat zu einiger Verwirrung geführt und das Sammeln der Daten über die Erdbebenschäden verzögert. "

In den folgenden Fact Sheets wird bis heute (Nr. 10 vom 6.Februar 2001) auf die Ernennung von General Perdomo verwiesen, ergänzt nur durch die Mitteilung, daß das Militär jetzt für alle operationellen Aspekte der Erdbebenhilfe zuständig ist, vor allem für die Planung und Einrichtung der Grundausstattung von Notunterkünften (Fact Sheet Nr. 6 vom 19.Januar 2001).

Wer ist General Gustavo Adolfo Perdomo Hernández?

Die prominente Rolle der salvadorianischen Streitkräfte, deren Verhalten im Friedensprozeß seit 1992 international als vorbildlich gilt, bei der Erdbeben-Hilfe nach dem 13.Januar ist einigen in- und ausländischen BeobachterInnen aufgefallen. Nach dem Leiter dieses Einsatzes, General Perdomo, ist dank dessen diskreter Ernennung bislang nicht gefragt worden.

Und doch war es zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Operationsschef noch kein Jahr her, daß sein Namen durch die internationalen Medien ging. Damals hatte die Beförderung des Oberstleutnants Gustavo Perdomo zum General durch Präsident Flores Aufmersamkeit erregt.

In einer AP-Meldung vom 28.Januar 2000 hieß es:

"Menschenrechtsgruppen protestieren gegen die Beförderung eines Generals, der nach ihren Aussagen die Ermordung einer französischen Krankenschwester und vier anderer Personen während des Bürgerkrieges in El Salvador befehligte.

Das Nationale Zentrum für die Förderung der Menschenrechte hat wiederholt versichert, daß Gustavo Adolfo Perdomo am 15.April 1989 seinen Männern befahl, Madeleine Lagadec und vier andere Personen in einem ländlichen Hospital in der Region Tortugal in der zentral gelegenen Provinz San Vicente hinzurichten...

Präsident Francisco Flores, der Perdomo neulich zum General befördert hat, erwiderte am Donnerstag die Anschuldigungen und sagte, die französische Regierung hätte den General von jeglichem Fehlverhalten entlastet und seiner Beförderung nicht widersprochen.

1994 hatte ein französischer Richter die salvadorianische Regierung aufgefordert, die Verwicklung von Perdomo und einem anderen General in den Tod von Lagadec zu untersuchen. Der Antrag wurde aber abgelehnt, weil die Offiziere durch eine Amnestie geschützt waren, die Teil der Friedensvereinbarungen vom Januar 1992 war.

Flores räumte ein, daß ein nicht identifizierter französischer Richter neulich Kontakt mit dem Obersten Gericht El Salvadors aufgenommen hätte in der Hoffnung, daß Gericht würde den Fall wieder aufnehmen. "Ein solcher Antrag verletzt internationale Konventionen, weshalb ihm nicht stattgegeben werden kann.", sagte Flores.

In Frankreich sagten Beamte im Büro des französischen Richters Renaud Van Ruymbecke in dieser Woche, daß der Richter bereit wäre, ein Team von französischen Ermittlern nach El Salvador zu schicken, um dem Obersten Gericht bei der Wiederaufnahme des Falles zu helfen.

Flores verteidigte die Karriere Perdomos als Militärführer und sagte, daß "es nie einen glaubwürdigen Beweis dafür gab, daß er für das Verbrechen verantwortlich war..."

Radio Nederland berichtete am 26.Januar 2000:
"Die militärische Beförderung, auf die der Priester des Jesuitenordens Bezug nahm, ist jene des Oberst Gustavo Adolfo Perdomo Hernández, der im Dezember zum General befördert worden ist, obwohl es wegen der Ermordung der Krankenschwester Madeleine Lagadec einen von einem französischen Gericht ausgestellten internationalen Haftbefehl gegen ihn gibt."

Die Wochenzeitschrift Proceso (Nr.660, 10.Mai 1995) der vom Jesuitenorden betriebenen Zentralamerikansichen Universität UCA in San Salvador hatte bereits 1995 berichtet:
"Am 29.April hat die Presse tatsächlich darüber berichtet, daß ein französisches Gericht in Rennes einen internationalen Haftbefehlt erlassen hat gegen den General i.R. Juan Rafael Bustillo, vormals Oberkommandierender der Salvadorianischen Luftwaffe, seinen Stellvertreter, General Rafael Villamariona, den Befehlshaber der Spezialtruppen, Oberstleutnant Gustavo Perdomo Hernández und Oberstleutnant René Rodriguéz Hurtado, Kommandant eines Fallschirmspringer-Bataillons. Der französischen Justiz zu Folge sind diese Militärs der Folter und Ermordung der Krankenschwester Madeleine Lagadec angeklagt, einer 27 Jahre alten Ordensfrau, deren Körper in den Ruinen eines Feldlazarettes der FMLN gefunden wurde. Damals hatten die salvadorianischen Verantwortlichen behauptet, Lagedec wäre bei einem Bombenangriff umgekommen, aber eine in Frankreich durchgeführte Autopsie offenbarte, daß das Opfer mehrere Schußwunden hatte und eine Hand abgeschnitten worden war."

Bereits der Bericht der Wahrheintskommission für El Salvador (De la Locura a la Esperanza - La guerra de 12 años en El Salvador, Vereinte Nationen, San Salvador - New York 1993) hatte im Kapitel über außergerichtliche Exekutionen eindeutig festgestellt:
"Die Kommission kommt zu folgender Schlußfolgerung:

  1. Es gibt ausreichend Beweise dafür, daß eine Einheit der Salvadorianischen Luftwaffe das Feldlazarett angriff, und substantielle Beweise dafür, daß diese Einheit mit Vorbedacht und in Verletzung des humanitären Völkerrechtes das medizinische Personal angriff.
  2. Es gibt substantielle Beweise dafür, daß Elemente dieser Einheit die französische Krankenschwester Madeleine Lagadec lebend gefangen nahmen und exekutierten.
  3. Der Salvadorianische Staat hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen, den Fall zu untersuchen und die Schuldigen zu bestrafen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die anderen Personen (die Funkerin María Cristina Hernández, der Patient Juan Antonio, der argentinische Arzt José Ignacio Isla Casares und die Alphabetisatorin Clelia Concepción Díaz Salazar; A.d.Ü.) ebenfalls exekutiert wurden, weil keine Autopsie ihrer Leichen gemacht wurde." (S.91-92, a.a.O.)

Oberstleutnant Gustavo Adolfo Perdomo Hernández, den AP (a.a.O.) als Karriereoffizier bezeichnete und für dessen Karriere sich der salvadorianische Präsident Francisco Flores verbürgt, hat in seiner langen Laufbahn auch Kurse an der School of the Americas der US-Streitkräfte absolviert: 1974 "Basic Combat Arms and Support" und 1991 "Command and General Staff College."

Informationsstelle El Salvador
8.Februar 2001


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linksrheincm12.02.2001