| Megaprojekte und Neokolonialisierung in KolumbienInterozeanischer Kanal durch Kolumbien Die Region in Nordwestkolumbien ist geradezu prädestiniert 
              für eine wirtschaftliche Erschliessung undein Kanalbauprojekt 
              zwischen Atlantik und Pazifik. Angesichts eines zunehmenden Warenflusses 
              undHandelsverkehrs in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung 
              sind solche Megaprojekte von hoher Bedeutung. Um solche wichtigen 
              ökonomischen Interessen durchzusetzen, wird nicht davor gescheut 
              (wie bereits die spanischen Eroberer vor 500 Jahren), die Bevölkerung 
              zu vertreiben und die dem im Wege stehenden sozialen Bewegungen 
              mit grausamer Gewalt wortwörtlich zu beseitigen.  Es ist Weihnachten 2000 in Juradó, in einer Gemeinschaft 
              der indigenen Emberras an der Pazifikküste Kolumbiens. Wie 
              wohl Millionen von anderen Menschen auf der Welt ist Armando Achito 
              mit seiner Familie und Freunden zu Hause. Paramilitärs platzen 
              um 6:30 h morgens in seine Wohnung und erschiessen ihn mit 4 Schüssen. 
              Auf dem Rückweg machen sich die Paramilitärs durch weitere 
              Schüsse hörbar und nehmen die zur Kommunikation notwendige 
              Funkanlage mit. Armando war ein indigener Anführer und organisierte 
              seit Jahren den Widerstand für die Anerkennung des Rechtes 
              auf Leben und Selbstbestimmung seiner Gemeinschaft in dieser Gegend, 
              die jedoch genau dort liegt, wo die Mündung des interozeanischen 
              Kanals geplant ist. Die Botschaft ist klar: wer hier Widerstand 
              organisiert, wird mit der gleichen Bestrafung gedroht, also haut 
              ab, bevor die nächsten dran sind. Manchmal wird auch ein ganzes 
              Dorf pauschal bedroht. Einige Tage davor mussten nicht weit von 
              dort, im Norden des Caucas, 6000 Menschen fliehen, die meisten aus 
              Schwarzen Gemeinschaften. In Kolumbien wird die Zahl der Vertriebenen 
              und Flüchtlingen auf fast 2 Millionen Menschen geschätzt, 
              etwa die Hälfte aus Schwarzen Gemeinschaften. Im letzten Jahr 
              gab es 3.000 Mordopfer wie Armando Achito.  Wie der uruguayanische Schriftsteller Eduardo Galeano öfters 
              zitiert wird: "das Problem Lateinamerikas ist nicht ihre Armut 
              sondern ihr Reichtum". Die geopolitisch strategische Lage Kolumbiens 
              ist unbestreitbar, es ist wie eine natürliche Handelsdrehscheibe 
              des Weltmarktes. Das Land hat Zugang zu beiden Ozeane und ist die 
              natürliche Brücke zwischen Nord- und Südamerika. 
              Die Bedeutung dieser Gegend des Planeten haben bereits die spanischen 
              Eroberer erkannt, als sie auf Möglichkeiten zur Verbindung 
              von Atlantik und Pazifik hinwiesen. Um die Kontrolle über diese 
              Gegend zu erhalten, orchestrierten die USA bereits 1903 die Trennung 
              von Panama aus Kolumbien. Der Panamakanal war immer nur eine von 
              mehreren möglichen Varianten für die Verbindung der Weltmeere. 
              Andere Varianten in Mexiko, Nicaragua und Kolumbien sind seit Jahrzehnten 
              im Gespräch. Erst nach der Eröffnung des Panamakanals 
              1914 verzichteten die Nachbarstaaten auf eigene Projekte. Das der 
              mit mehreren Schleusen arbeitende Panamakanal jedoch beschränkte 
              Kapazitäten hat, wurde bereits vor 30 Jahren erkannt und ließ 
              die anderen Varianten wieder aufleben. Nach den Vorstellungen der 
              internationalen und nationalen Investoren, in deren Auftrag Planungskommissionen 
              in den verschiedenen Länder tätig sind, sollte es nach 
              der Jahrtausendwende, als die Kontrolle der (bis dahin von den USAbeanspruchten) 
              panamenischen Kanalzone in die Hände der Regierung Panamas 
              überging, nicht mehr lange dauern, bis für den internationalen 
              Warentransport auch andere Optionen zur Verfügung stehen. Nun soll es so weit sein. Der technische veraltete Panamakanal 
              ist für die wachsenden Warenströme in Zeiten der wirtschaftlichen 
              Globalisierung zum Nadelöhr und Hindernis geworden. Schiffe 
              mit mehr als 60.000 Tonnen können ihn gar nicht passieren, 
              üblich sind heute bis zu 250.000 Tonnen fassende Schiffe. Auch 
              kleinere Frachter stauen sich an den Schleusen des Kanals und müssen 
              tagelange Wartezeiten in Kauf nehmen. Für die 'just in time'- 
              Wirtschaftslogik ist der Panamakanal ein Alptraum. Die geopolitschen 
              Verhältnisse haben sich im Laufe der Jahre auch stark verändert. 
              Die südostasiatischen Märkte und Wirtschaftsstandorte 
              Japan, Taiwan, Südkorea ... und insbesondere das bald in die 
              WTO eintretende China haben stark an Bedeutung gewonnen. Zentralamerika 
              bekommt als geographische Schnittstelle zwischen Nord- und Südamerika, 
              aber auch zwischen Europa und Südostasien eine wichtigere Bedeutung, 
              nicht nur als Transportknotenpunkt, sondern auch als Produktionsstandort. 
              Diese neoliberale Entwicklung passt wunderbar in den Vorstellungen 
              des Freihandelsabkommen der Amerikanischen Staaten (FTAA), das im 
              April 2001 in Quebec, Kanada, auf dem Summit of the Americas von 
              34 Staatschefs verhandelt wird und entspricht den Erwartungen der 
              zentralamerikanischen Regierungen, die sich Investitionen in der 
              Maquila- Industrie erhoffen.  Die wirtschaftlichen Entwicklungen drängen also auf den Bau 
              eines Kanals und die Erschliessung der Zone. Beim Bau eines leistungstarken 
              interozeanischen Kanals handelt es sich in der Regel um sogenannte 
              "trockene Kanäle", also moderne Eisenbahnstrassen 
              und Autobahnen, die jeweils Häfen der Pazifikküste mit 
              Häfen auf der Pazifikküste mit Häfen an der Atlantikseite 
              verbinden sollen.  Der im Untergrund lebende und mehrmals mit Tod bedrohte kolumbianische 
              Ökonom Hectór Mondragón weist insbesondere auf 
              vier 'Land-Fluss-Hafen' Verkehrswege hin und die dort stattfindenden 
              Entwicklungen: A - Der interozeanische 'trockene' Kanal Atrato - Truando (nach 
              den anliegenden Flüssen benannt) mit seinen Verbindungen zur 
              Eisenbahnstrecke Medellín-Buenaventura und die Autobahnen 
              des Pazifiks nach Medellín und Pereira  -B Die Autobahn Urabá-Maracaibo und die Verbindung Antioquia 
              - Venezuela  C- Die Verbindung der Flüsse Orinoco, Meta mit der Stadt Buenaventura 
              D - Die Verbindung des Flusses rio de la Plata - Amazonas - Napo 
              - Putumayo - Tumaco, mit einem großen Hafen in Puerto Asís 
             "Um die zwei ersten Zonen (A+B) haben die größten 
              Vertreibungen durch Gewalt stattgefunden. Um die Kanaltrasse sowie 
              um die geplante Autobahn Urabá-Maracaibo findet ein Riesenprozess 
              der Enteignung statt. Land wird massiv gekauft, begleitet durch 
              eine starke Präsenz von Paramilitärs, die durch die Käufer 
              finanziert werden. Zwischen 1985 und 1994 haben die Vertreibungen 
              ca. 700.000 Menschen betroffen, während im Zeitraum von 1995 
              bis 1999 die Zahl der Vertriebenen bei über einer Million liegen 
              (89.000 in 1995, 181.000 in 1996, 257.000 in 1997, 308.000 in 1998 
              und 225.000 zwischen Januar und September 1999). Sogar die Regierung 
              gibt zu, dass 381.755 Menschen zwischen 1996 und 1998 vertrieben 
              wurden. Folglich liegt die Zahl der Vertriebenen zwischen 1985 und 
              1997 weit über 1.700.000 Menschen." Mondragón weist 
              auch auf die 425 jährlichen Massaker hin und spricht von 'sozialem 
              Genozid'. "Sie müssen anfangen, dieses Wort zu gebrauchen" 
              sagte er bei einer Hörung vor EU ParlamentarierInnen im Dezember 
              2000. Da Kolumbien nicht über das notwendige Kapital verfügt, 
              um selbst Bauherr der Projekte zu werden, ist eine gemischte private 
              und öffentliche Finanzierung vorgesehen. Es wird versucht, 
              ausländische Konzerne und Investoren für das Projekt zu 
              gewinnen. Angesichts der Vielzahl interozeanischer Projekte in Zentralamerika 
              sollen den Investoren möglichst günstige Anlagebedingungen 
              geboten werden. Ökologische Bedenken und Sozialstandards bleiben 
              dabei als erstes auf der Strecke - kein Wunder, schließlich 
              geht es hier um Milliardensummen. Die Ingenieursvereinigung Asociación 
              de Ingenieros del Valle schätzt in einer Studie den jährlichen 
              Gewinn eines Kanals auf 1,314 Milliarden US Dollars, die Sociedad 
              Geográfica de Colombia gar auf 1,878 Milliarden US Dollar 
              (Periódico 1997). Hinzu kommen noch weitere große Projekte 
              zur Ausbeutung von Rohstoffen und genetischen Ressourcen. In der 
              Region Chocó lagern Gold, Platin, Silber, Bauxit, Mangan, 
              radioaktives Kobalt, Zinn, Chrom, Nickel, Kupfer, Edelhölzer, 
              und es gibt große Fischbestände. Die Erdölreserven 
              in Kolumbien sind gewaltig. Mit gutem Grund verkünden Geschäftsleute: 
              "Wir wollen aus dieser Region ein gigantisches Unternehmen 
              machen." (Kolumbien-Monatsbericht 1997, S.4) Die im Schussfeld der Paramilitärs stehende Bevölkerung 
              des Gebietes zwischen den Ozeanen lebt vorwiegend von den Agrarprodukten 
              der Region, die als eine der ärmsten und von jeglicher Entwicklung 
              ausgeschlossenen Regionen des Landes gilt. 70 % der Bevölkerung 
              haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, die durchschnittliche 
              Lebenserwartung beträgt nur 55 Jahre. Am schlimmsten ist die 
              Situation der Gemeinschaften im Departement Chocó, deren 
              BewohnerInnen (90% Afro-KolumbianerInnen, 5% Indigena der Kuna, 
              Embera, Wounan, Noanamá und Katía sowie 5% Weiße 
              und MestizInnen) zu Hunderte an heilbaren Krankheiten sterben. Der 
              nunmehr schwerste Angriff auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung 
              bleiben jedoch die Aktivitäten der Paramilitärs. Diese 
              arbeiten deutlich Hand in Hand mit der Regierung und der korrupten 
              Oligarchie. Die Lage spitz sich gerade enorm zu, seitdem die kolumbianische 
              Regierung von Präsident Pastrana, forciert durch die USA, den 
              sogenannten Plan Colombia beschloss. Das mit etwa 7 Milliarden Dollar 
              veranschlagte Konzept zur definitiven Befriedung des südamerikanischen 
              Andenlandes soll nach offizieller Verlautbarung vor allem das Geschäft 
              mit den Drogen bekämpfen, sowie durch 'Sozialprogramme' die 
              'Demokratisierung' fördern. Die wirtschaftlichen Interesse 
              dieser Gegend liegen jedoch auf der Hand. Die bäuerlichen, 
              indigenen und insbesondere die schwarzen Gemeinschaften dieser Gegend 
              leisten einen täglichen Widerstand gegen diese Megaprojekte 
              und diese neoliberale Entwicklung. Ihr Widerstand ist hauptsächlich 
              ein kultureller Widerstand für die Anerkennung ihrer Autonomie, 
              Selbstbestimmung über das Land, auf dem sie leben und das Recht 
              eine Lebensform zu erhalten, die mit Kapitalismus wenig zu tun hat. 
              Diese Forderungen wurden bereits Anfang der 90er nach einem breiten 
              Prozess der sozialen Auseinandersetzung sogar in die Verfassung 
              niedergeschrieben. Die Schwarzen Gemeinschaften haben bereits mehrere 
              Gebiete 'titulisiert', d.h. gemäß dieser Rechtsgrundlage 
              als kollektives Eigentum und autonom erklärt. Doch die wirtschaftlichen 
              Interesse sind zu gross, und es gilt die Region zwischen den Ozeanen 
              zur Ruhe zu bringen, auch wenn diese eine Friedhofsruhe ist.  Das Thema ist in den industrialisierten Ländern noch unbekannt. 
              Die Indigenen und Schwarzen Gemeinschaften fangen gerade erst an, 
              Kontakte in Europa und Nordamerika zu knüpfen und im Rahmen 
              der jungen antikapitalistischen Proteste gegen die mächtigen 
              Institutionen wie WTO, IWF und Weltbank bekannt zu machen. Sie rufen 
              die Grasswurzelzusammenhänge aus Europa und Nordamerika dazu 
              auf, sie im Widerstand zu unterstützen und selbst in ihren 
              Ländern autonome Gebiete aufzubauen. Sie schlagen auch vor, 
              gerade in den Gebieten der selbstbestimmten Schwarzen Gemeinschaften, 
              auf denen diese Megaprojekte vorgesehen sind, 'Schutzonen' mit einer 
              massiven internationalen Präsenz von UnterstützerInnen 
              aufzubauen. Diese würden mit ihnen zusammen zu leben und dadurch 
              zivilen Ungehorsam leisten, für ein selbstbestimmtes Leben 
              und gegen eine der grausamsten Ausdrucksformen des Kapitalismus, 
              die Neokolonialisierung, Umweltzerstörung und Morde an Menschen 
              im Namen von wirtschaftlichen Interessen. VertreterInnen der Schwarzen 
              Gemeinschaften kommen gerade nach Europa, um mehrere Gruppen zu 
              besuchen, über die Situation zu informieren und langfristig 
              die politische und logistische Grundlage für einen solchen 
              'acompañamiento' (Begleitung) in die Wege zu leiten. Quellen: - Dario Azzellini : Ökonomische Interessen und Gewalt am Beispiel 
              des Kanalbauprojektes, 1999
 - Héctor Mondragón: "gasolina al fuego", 
              2001.
 Siehe auch: www5.gratisweb.com/ciclocrisis
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