- kassiber Sonderausgabe zum Krieg 09/2001 -


Redebeitrag Arab

Wir wollen den Blick kurz auf einige Konsequenzen der Anschläge richten, hierbei insbesondere auf die Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts, kurz als Schily-Gesetz bezeichnet. Bundeskanzler Schröder hat gerade noch einmal klar gesagt, daß er das Gesetz jetzt zügig durchsetzen will. Er verkauft das Ganze - wie erwartet - jetzt auch als Antwort auf die Anschläge in den USA. Bayerns Innenminister Beckstein faselt bereits davon, daß ja wohl keiner mehr ernsthaft arabische StudentInnen in Deutschland haben will... Insofern haben es die repressiven Komponenten des Gesetzes jetzt sicher leichter als je zuvor, durchgeboxt zu werden.
Wir können davon ausgehen, daß wir noch auf längere Zeit mit den Reaktionen auf die Anschläge zu tun haben werden, und das Ganze letztlich auf eine Verschärfung der bereits bestehenden globalen Konfrontationen hinauslaufen wird. Das könnte auch heißen, daß die hinter den weltweiten Globalisierungsprozessen stehenden Interessen noch brutaler durchgesetzt werden als ohnehin schon, ggf. aufgeladen mit mehr oder minder latenten Versatzstücken aus dem sog. "Kampf der Kulturen". Daß dies die Welt nicht besser machen wird und auch für die Metropolen zum Bumerang werden könnte, versteht sich von selbst.
Daher gilt: nie war die Kritik an der Globalisierung, der Arroganz und Skrupellosigkeit der Industrienationen berechtigter als heute. Twin Tower kann also nicht bedeuten, nun kleine Brötchen zu backen (in Erwartung verminderter Spielräume) sondern jetzt erst recht aufzukacken. Die europäischen und nordamerikanischen GlobalisierungsgegnerInnen können dann gleichzeitig mal zeigen, ob sie auch in Phasen verschärfter Konfrontation noch klar denken können, oder ob sie letztlich doch nur Kinder des Westens sind.
Es besteht also ein Zusammenhang zwischen unseren Reaktionen auf einen etwaigen Krieg und den drohenden Begleitrepressionen mit der bereits seit längerem vorgetragenen Kritik an der Globalisierung. Dies gilt es aufzugreifen und offensiv nach außen zu wenden, nach dem Motto: "Nie hatten wir so recht wie heute."
Das Schily-Gesetz findet seinen Rahmen in der Globalisierung und nun auch in dem, was die Bundesregierung als Maßnahmen gegen den Terrorismus verkauft. Globalisierung bedeutet in diesem Zusammenhang die Ideologie, Staaten wie Unternehmen zu führen - Deutschland AG, hire und fire.
Es geht hierbei um die "Entsorgung" unliebsamer Personen (Abschiebung in Viertstaaten) und die Verknüpfung mit Handelsabkommen (Lome II) einerseits und die Verbindung zwischen Arbeits- und Aufenthalterlaubnis auf der anderen Seite.
Auch wenn die Ereignisse in den USA und die beständigen Kriegsdrohungen alles in den Schatten stellen, darf eine Auseinandersetzung mit der deutschen Innenpolitik und insbesondere der Ausländerpolitik nicht unterbleiben. Denn am Gelegensten dürfte der Anschlag Innenminister Schily gekommen sein. Nachdem in den letzten zwei Wochen vor dem Anschlag massive Kritik an seinem Gesetzentwurf sowohl von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen wie sogar von den GRÜNEN und der SPD geäußert wurde, schweigen diese nun. Schily verspricht derweil im Rahmen der Hysterie zahlreiche Verschärfungen, die seinem ohnehin rassistischen und aggressiven Gesetzentwurf zur Seite gestellt werden sollen. Ganz im Stile eines Trittbrettfahrers werden die Taten einiger weniger genutzt um Millionen zu bestrafen.
Hatten wir anfangs noch angenommen, daß mit dem vormals als Zuwanderungsgesetz titulierten Entwurf, der deutsche Staatsrassismus auf das europäische Normalmaß abgesenkt würde und bereit wäre, Fremde nicht mehr ausschließlich als Problem zu sehen, mußten wir diese Auffassung nach dem Vorliegen des Entwurfes revidieren. Das nunmehr "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung" genannte Werk hält, was der Titel verspricht: Es geht darum, Menschen an der Durchsetzung ihres freien Willens zu hindern und ihnen ihr Menschenrecht auf freie Bewegung zu verwehren. Doch der Entwurf will nicht nur künftige Einwanderung unterbinden, sondern vor allem, die, die bereits hier und nicht mehr erwünscht sind, endlich loswerden.
Fast allen bereits in Deutschland lebenden Ausländern werden ob ihrer Anwesenheit Vorwürfe gemacht: Die Gastarbeiter hätten nach dem Wirtschaftsboom gehen sollen, anstatt ihre Familien nachzuholen, die Asylsuchenden würden immer noch kommen, trotz verbesserter Abschreckung und die Flüchtlinge würden ihre rechtlichen Möglichkeiten zum Hierbleiben unverschämter Weise tatsächlich wahrnehmen. Damit das nicht so bleibt, wurden die rechtlichen Mittel, die den Flüchtlingen zukünftig zur Verfügung stehen, so vage formuliert, daß sie dem Ermessen von Behörde und Richter vollständig ausgeliefert werden. Zudem legalisiert der Entwurf die meisten Maßnahmen, die Schilys willige Vollstrecker in den Abschiebebehörden schon heute ohne rechtliche Grundlage anwenden, um den Flüchtlingen das Leben hier zur Hölle zu machen. Mehr oder minder erfolgreich vermitteln ihnen die Schreibtischtäter, daß sie es hier nicht besser haben als in ihren vielfach von Hunger, Krieg und Tod heimgesuchten Herkunftsländern. Und für jene, die auch das noch nicht begreifen, werden nun bundesweit Abschiebeerzwingungslager nach dem Vorbild des niedersächsischen "Projekt X" errichtet. Dort werden Flüchtlinge durch tägliche Verhöre und andere Schikanen endgültig in den Nervenzusammenbruch getrieben.
Während Schily also die hier lebenden Mitglieder der ausländischen Unterschichten soweit wie möglich vertreiben will, sind die einzigen Verbesserungen gegenüber bisherigen Regelungen für "nützliche" Ausländer, wie Unternehmer, Fachkräfte und Studenten vorgesehen. Inwieweit diese wirklich zum Gesetz werden, bleibt jedoch abzuwarten nachdem sich herausgestellt hat, daß die bisher genannten Tatverdächtigen eben nicht aus dem den Unterschichten, sondern aus dem gebildeten Milieu kamen. Bisher richtet sich der Entwurf hier am Prinzip der "Nützlichkeit", sprich: Die wenigen Köpfe der 3.Welt, die der deutschen Wirtschaft verwertbar erscheinen, sollen von dort wie bisher Rohstoffe weggeplündert werden.
In dieser Hinsicht ist der Schily-Entwurf Teil der Globalisierung: Deutschland tritt ein in den globalen Kampf um die klügsten Köpfe. Doch während bei den Vordenkern des Neoliberalismus die Bewegung der Waren global keine Schranken haben soll, gilt dies nicht für Menschen. Hier soll die Freiheit nur für die Creme de la creme gelten. Die abgeschotteten Grenzen gegen selbstgewählte Migration ärmerer Menschen bleiben notwendig zur Aufrechterhaltung des Reichtumsgefälle in der Welt. Die globale Durchsetzung neuer Wertschöpfungsketten ist dadurch eng verknüpft mit der Bekämpfung der Migration als sozialer Bewegung. Deshalb sollten die Kämpfe gegen die globalisierte Warenwelt und die Kämpfe gegen das Migrationsregime zusammengedacht und zusammengeführt werden.

DIE WELT IST KEINE WARE
OFFENE GRENZEN FÜR ALLE

Anti-Rassismus Büro Bremen, 21. September 2001


bezugsmöglichkeiten


zurück!

kombo(p) - 27.09.2001