- kassiber Sonderausgabe zum Krieg 09/2001 -


Endkampf Now

Für die extreme Rechte in den USA tragen vor allem Israel und »die Juden« die Schuld an den Anschlägen.

Wenn in zahlreichen TV-Sendungen wiederholt gefragt wurde, wer denn Amerika so hasse, dass er Taten wie die Angriffe auf die Twin Towers in Manhattan und das Pentagon ersinne, kam niemand auf die extreme Rechte in den USA zu sprechen. Dabei lassen sich Teile der US-amerikanischen extremen Rechten in antiamerikanischer Propaganda von kaum jemandem übertreffen. Als Begründer der rassistischen und antisemitischen antiamerikanischen Traditionslinie der US-Rechten nach 1945 kann Francis Parker Yockey (1917 bis 1960) gelten, der für den Kampf gegen die Europa niederhaltenden »verjudeten« USA gar das Bündnis mit der Sowjetunion und Teilen der arabischen Welt suchte. Zudem findet man bei einem Anführer dieser Strömung auch eine Beschreibung für eine der Terroraktionen, über die es häufig hieß, niemand habe in seinen schlimmsten Alpträumen an so etwas gedacht.
Wenige Tage nach den Anschlägen gibt es die ersten Stellungnahmen auf den Homepages der US-amerikanischen Rechten. Erwartungen, dass der Endkampf begonnen habe, ob nach dem christlichen apokalyptischen Muster als »Armageddon« oder nach heidnisch-germanischem Vorbild als »Ragnarök«, wurden dort bislang nicht geäußert. Auch ist bisher nicht bekannt, dass die bewaffnete Fraktion und die rechten Milizionäre sich in die Wälder zurückgezogen hätten und durch das Unterholz robbten, in ständiger Erwartung, nun gegen die als »Zionist Occupied Government« verhasste Washingtoner Zentralregierung loszuschlagen.
Deutsche Neonazis assoziierten mit den Anschlägen in ihren Internet-Diskussionsforen gleich »die Tagebücher«. Gemeint ist der Roman »The Turner Diaries«, den der US-amerikanische Nazi William Pierce, Kontaktmann der NPD in den USA und gern gesehener Gast bei Veranstaltungen von NPD und JN, veröffentlichte. Auf der Homepage seiner Partei, der National Alliance, und seines Verlages, National Vanguard Books, stehen die »Turner-Tagebücher« zum Download bereit. Im letzten fiktiven Tagebucheintrag, datiert auf den 9. November 1993, also siebzig Jahre nach dem von Ludendorff und Hitler angeführten Putschversuch, der wiederum als symbolischer Anlass für die Pogrome von 1938 diente, bereitet sich der Protagonist auf seinen finalen Einsatz vor, seine »Reise ohne Wiederkehr zum Pentagon«. Der Unterschied zu den Selbstmordanschlägen besteht darin, dass Earl Turner eine Bombe mit sich führt, um im Namen der Organisation und des heiligen Ordens »treu die Verpflichtung gegenüber seiner Rasse« auf sich zu nehmen und die »militärische Hauptschaltzentrale des Systems« zu zerstören.
Im Gewande literarischer Fiktion liefert Pierce Vorlagen für Terror; auch nach dem Attentat von Oklahoma wurde sein Roman als Vorbild genannt. Von den deutschen Kameraden im Zentralorgan darauf angesprochen, bekannte Pierce seinen Stolz, dass seine Publikationen praktische Wirkung entfalten; allerdings kenne er den verurteilten Attentäter, Timothy McVeigh, nicht.
In seinem jüngsten Kommentar, der per Radio (American Dissident Voices Broadcast) und im Internet am 15. September verbreitet wurde, sieht Pierce am Horizont das Heraufdämmern einer »neuen Ära«. Es gebe eine »wachsende Nachfrage für eine wirkliche Lösung, eine Endlösung«, ja, »Endlösungen für unser Problem«. Absichtlich erinnert Pierce hier an die Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis. Denn für ihn tragen letzten Endes »die Juden« die Schuld an den Attentaten. Sie seien die »direkte Konsequenz« der Unterstützung Israels durch die USA, die ihm als weiterer Beweis dafür gilt, dass die USA von den Juden beherrscht würden.
Vom Antisemitismus geprägt sind auch die Stellungnahmen des Nationalist Movement. Hier operiert man gemäß der in Karikaturen visualisierten Binäropposition »Semitismus vs. Amerikanismus«. Der Anführer der »Bewegung«, Richard Barrett, gibt der »Stimme des Volkes« Ausdruck und ruft dazu auf, auswärtigen und heimischen Terror zu bekämpfen. »Verzweifelte Handlungen verzweifelter Menschen müssen verdammt werden, doch verdammt werden müssen auch verzweifelte Umstände, die verzweifelte Menschen zur Verzweiflung treiben«, meint Barrett. Also analysiert er die »Provokation« durch die USA. An die Stelle eines Woodrow Wilson und dessen Devise, »die Welt für die Demokratie sicher zu machen«, sei Colin Powell getreten, der derzeitige US-Außenminister, und zwar mit der Devise, »die Welt für Israel sicher zu machen«.
Barrett kreidet der US-Administration an, auf der UN-Konferenz in Durban gegen die Verdammung Israels als rassistisch eingetreten zu sein. Darin sieht er, ähnlich wie Pierce, offenkundig den Ausdruck israelischer Vorherrschaft über die US-Politik. Nach den Attentaten stellen sich ihm daher zwei gleichrangige Fragen: »Wie können wir Terroristen bestrafen? Wie können wir uns von fremder Herrschaft befreien?«
In diese Kerbe haut auch Malcolm Vinson auf der Homepage von The Nationalist Movement. Er fordert, die Unterstützung Israels zu beenden, und sehnt sich nach einer Neuauflage der Komitees gegen Unamerikanische Aktivitäten der McCarthy-Ära, dieses Mal gegen »homosexuelle Macht (Perverse), Geldmacht (Wall Street) und Schwarze Macht (Neger)«, die den Amerikanern ihre Rechte und ihr Erbe wegnähmen. Der Segen darf hier nicht fehlen: »God bless America«.
Fundamental christlich (und damit implizit antisemitisch) operiert der Ku-Klux-Klan, der bislang durch einen Aufruf zum Gebet hervorgetreten ist. Auch hier wird die amerikanische Politik kritisiert, da sie »amerikanische Bürger dem Risiko aussetzt«. Der KKK ruft auf, »für den Frieden und die Zukunft aller christlichen Nationen« zu beten. Wenn er die »Rückkehr zu weisen politischen Entscheidungen, die sich an Jesus Christus ausrichten«, ersehnt, dürfte in dieser Anrufung Jesu allerdings der gemeint sein, der gekommen ist, das Schwert zu bringen.

Alfred Schobert

Aus: Jungle World Nr. 39/2001 - 19. September 2001


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kombo(p) - 27.09.2001