kassiber 49 - Mai 2002

was bisher geschah



6. November



Schlapphut-Alarm

Im Vorfeld des nächsten Castor-Transports nach Gorleben haben sich die Observationen einiger hiesiger Anti-Atom-AktivistInnen durch verschiedene Schlapphüte in den vergangenen Tagen massiv gehäuft. Mit den mitunter ganztägigen Drangsalierungen sollen politisch aktive Menschen eingeschüchtert, ihre Handlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.

Rund 40 Autonome drehen am Abend gegen 22.30 Uhr einmal den Spieß um. Einer der nicht ganz unauffälligen Zivilwagen wird am Sielwall von ihnen umringt und damit an der Weiterfahrt gehindert, fotografiert, gefilmt und schließlich in einer Baustellenabsperrung eingebaut. Der Insasse des Pkw wird von den AktivistInnen nachdrücklich aufgefordert, die Belästigungen zu unterlassen und zu verschwinden.



13. November



Keine schlichte Duldung

Schlechte Nachrichten für die mehreren hundert "illegalen" BewohnerInnen des Waller Parzellengebiets. Es bestehe, so der Moderator des Runden Tisches im Sanierungsbeirat, Peter Kudella (CDU), einen Tag nach dessen Sitzung, "keine Möglichkeit, durch Festlegung eines neuen Stichtags die vorherige Wohnnutzung schlicht zu dulden". Damit haben sich die Hoffnungen auf eine neue Stichtagsregelung - die letzte gab es 1975 - erledigt. Die BewohnerInnen hatten auf ein großzügiges "Auswohnen" gesetzt und darauf, daß alle illegalen Bauten sowie das dortige Wohnen bis zum Stichtag im nachhinein legalisiert werden (s. kassiber 48, März 2002, S. 14). Sollten die BewohnerInnen sich nicht einsichtig zeigen, also die vorgesehene Sanierung im Grundsatz akzeptieren, gäbe es, so Kudella, auch keine Staatsknete. Bausenatorin Tine Wischer (SPD) hatte bis zu acht Millionen Mark in den kommenden acht Jahren in Aussicht gestellt, allerdings projektgebunden, gezahlt werden soll nämlich nur für Abriß- und Umzugskosten. (s. auch "Zwergenaufstand" in diesem kassiber)



14. November



Anti-Kriegsprotest

In einer Resolution fordern 22 Bremer evangelische PastorInnen die sofortige Beendigung des Krieges gegen Afghanistan. Dessen Bezeichnung als "Krieg gegen den Terror" sei "unzutreffend und irreführend", die Aggression treffe nämlich nicht Terroristen, sondern die Zivilbevölkerung. Terror aber sei durch militärische Gewalt nicht wirksam zu bekämpfen. "Krieg ist auch Terror und erzeugt immer wieder neue Gewalt." Es komme aber darauf an, "die Gewaltspirale zu unterbrechen und langfristig dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen". Natürlich wird eine deutsche Beteiligung am Krieg abgelehnt. Allerdings auch, und das ist kein schöner Grund, weil durch die Beteiligung von Bundeswehr-Soldaten "sich unser Land mitschuldig am Tod und am Leiden vieler unschuldiger Menschen in Afghanistan" mache. Nun denn, die PastorInnen rufen "zum Frieden" auf. "Frieden beinhaltet nach biblischem Verständnis eine gerechte Verteilung der Güter dieser Erde und ein Leben in Würde und Glück für alle Menschen. Ziel ist nach Gottes Willen die Vernichtung der Feindschaft und nicht der Feinde." Ohgottohgottohgott.



16. November



Na super!

Nein, eine grüne Kriegsbegeisterung gebe es nicht, meint die ehemalige Kultursenatorin und jetzige Fraktionssprecherin der bündnisgrünen Bürgerschaftsfraktion, Helga Trüpel. "Super!" sei der heutige Bundestagsbeschluß über die deutsche Beteiligung am Angriffskrieg auf Afghanistan und andere potentielle Terrorgebiete aber dennoch. "Zum Schutz der Menschenrechte" seien die grünen Bundestagsabgeordneten zur Zustimmung gezwungen gewesen, daran gäbe es nichts zu deuteln: "Wir haben es hingekriegt, die Redlichkeit der verschiedenen Positionen rüberzubringen." Auch der öko-zottelige bündnisgrüne Landesvorsitzende Klaus Möhle, der bisher zwar nur das Parzellengebiet Weidedamm besetzen konnte und am 22. September noch in Bremen gegen den Krieg mitdemonstrierte, betont unmittelbar nach der Bundestagsentscheidung, auf jeden Fall für den Angriffskrieg gestimmt zu haben, wäre er im Bundestag, denn die rot-grüne Regierung dürfe nicht in Frage gestellt werden. Doch Trüpel und Möhle wissen sich bei der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung und Bremer Bundestagsabgeordneten Marielouise Beck, die seit rund zehn Jahren für jeden deutschen Sieg im Krieg agitiert - und dafür unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde - in guten Händen.

Schlechter ergeht es da dem Bremer SPD-Landesvorsitzenden Detlev Albers, der seine besseren Zeiten vor rund 30 Jahren als APO-Transparenthalter ("Unter den Talaren steckt der Muff von 1000 Jahren") in Hamburg erlebte und immer noch gern als Linker gelten möchte. Im Gegensatz zu den Grünen finden die sozialdemokratischen LandesvorständlerInnen mehrheitlich die unverhohlene Kriegsbegeisterung nämlich gar nicht "Super!". Albers muß daher seinen Beschlußvorschlag - "Der Landesvorstand unterstützt den Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen zum beabsichtigten Einsatz der Bundeswehr im Anti-Terror-Kampf" etc. pp. - nach heftigen Diskussionen wieder einstecken.



17. November



Solidaritätsbekundung

Das Bremer Friedensforum drückt der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Christa Lörcher seine "Hochachtung" aus und wünscht ihr für die "weitere Arbeit guten Mut und Menschen, die zu Ihnen halten". Die wird sie brauchen, denn Lörcher stimmte am Vortag im Bundestag als einzige SozialdemokratIn gegen die aktive Beteiligung von 3.900 SoldatInnen der Bundeswehr am "Krieg gegen den Terror" und war, weil der Kriegskanzler die Abstimmung über Angriffskrieg und Mord mit der "Vertrauensfrage" verbunden hatte, zuvor aus der SPD-Bundestagsfraktion ausgetreten. Demgegenüber war das bisher beste Pferd im Stall der FriedensfreundInnen, der Bremer Bundestagsabgeordnete Konrad Kunick kurz zuvor eingeknickt. Unverständlich nicht nur für das Friedensforum, zumal es die letzte Amtsperiode Kunicks ist, der in den vergangenen Jahren einer der wenigen Sozis war, die zuverlässig gegen rot-grüne Angriffskriege sowie den Einmarsch nach Mazedonien stimmten. Kunick faselt statt dessen davon "kein Mandat der Wähler" gehabt zu haben, wegen einer solchen Lappalie "einen sozialdemokratischen Bundeskanzler zu stürzen".

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Immerhin hätten, so versichert das Bremer Friedensforum Christa Lörcher, sieben Bürgerschaftsabgeordnete der SPD und zwei der Bündnisgrünen zur hiesigen Kundgebung "Helfen statt bombardieren" am 14. November aufgerufen.



19. November



Essensausgabe eingestellt

Bei der Bahnhofsmission gibt es ab sofort kein kostenloses Essensangebot mehr für Obdachlose und andere Bedürftige - zuletzt waren an 140 Personen pro Tag selbstgeschmierte Brötchen ausgegeben worden. Damit werde aber nicht dem Druck der Deutschen Bahn AG nachgegeben, vielmehr sei das Angebot aufgrund des großen Andrangs nicht mehr aufrechtzuerhalten. Etwa 80 Prozent ihrer Arbeitszeit hätten die rund 20 zumeist ehrenamtlichen MitarbeiterInnen mit der Essensausgabe zugebracht, fürs Zuquatschen der Klientel sei kaum noch Zeit dagewesen.

Bereits im vergangenen Jahr war das Angebot drastisch eingeschränkt worden. Eigentlich hatte die Deutsche Bahn AG die Bahnhofsmission wie Obdachlose, Bettler und andere, die Transit wie Konsum im neuen Erlebnisraum Hauptbahnhof stören, ganz loswerden wollen, dann aber nach Intervention von Kirchen und Politik ihrem Umzug vom zentralen Gleis 1 in den abgelegenen Ostflügel zugestimmt. Allerdings nur, weil die Bahnhofsmission zusicherte, kein warmes Essen mehr auszugeben, sondern nur noch Brötchen und Getränke.

Künftig bekommt, wer Hunger hat, einen Zettel mit den Adressen anderer Hilfsorganisationen in die Hand gedrückt, bei denen es kostenloses oder günstiges Essen gibt. Nur zwei MitarbeiterInnen der Bahnhofsmission wollten das nicht mitmachen und haben daher ihr Engagement aufgekündigt.



22. November



Fauler Kompromiß

Der Rausschmiß von betriebseigenen Reinigungskräften und die Vergabe der Putzaufträge an sogenannte Fremdfirmen, neudeutsch "Outsourcing" genannt, gilt bei Behörden wie in der privaten Wirtschaft als probates Mittel der Kosteneinsparung. Zwar erhalten die festangestellten Reinigungskräfte ohnehin nur miserable Gehälter, die aber werden von den Gebäudereinigungsfirmen noch weit unterboten. So wird auch bei der Sparkasse in Bremen bereits die Hälfte der Flächen von bei "Fremdfirmen" beschäftigten "630-Mark-Kräften" gereinigt, die Zahl der eigenen festangestellten Reinigungskräfte sank in der letzten Zeit von 170 auf heute noch 140. Die aber sollten, kündigte das Sparkassenmanagement Anfang des Jahres an, "betriebsbedingt" alle entlassen werden.

Der daraufhin einsetzende Protest der Betroffenen war ungleich schwächer als die zahlreichen sommerlichen Streiks und Demonstration der Reinigungskräfte im öffentlichen Dienst, der jetzt von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Betriebsrat mit der Chefetage ausgehandelte "Kompromiß" von daher noch um einiges fauler. Demnach wird es zwar keine Kündigungen geben, doch die individuell zu reinigenden Flächen werden drastisch erhöht. Deshalb braucht es künftig auch nur noch 95 der 140 Angestellten im Reinigungsbereich, die anderen werden betriebsintern auf andere Jobs "umgesetzt".



23. November



Keine pünktliche Abrechnung - keine Nachzahlung

Legen VermieterInnen spätestens ein Jahr nach Ende der Abrechnungsperiode keine genaue Betriebskostenabrechnung vor, haben sie keinen Anspruch auf Nachzahlungen für diesen Zeitraum. Das hat jetzt nach Angaben des Mieterschutzbundes Bremen das hiesige Amtsgericht entschieden. Auch müßten MieterInnen auf Wunsch zumindest Kopien der angefallen Rechnungen erhalten, für die sie allerdings pro Seite bis zu 50 Pfennig zu zahlen hätten. Sollten trotzdem keine Rechnungen vorgelegt werden, seien die MieterInnen nicht verpflichtet, die Differenz zwischen tatsächlichem Verbrauch und geleisteten Vorauszahlungen zu begleichen. (Aktenzeichen: 23 C 0071/01)



24. November



Friedenspreis für Kriegstreiber

Krieg gegen den "neuen Hitler" Saddam Hussein, Krieg gegen den "neuen Hitler" Slobodan Milosevic, Krieg gegen Afghanistan - der "rote Dany" ist immer an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, mit Angriffskrieg und Mord fremden Ländern die Errungenschaften der westlichen Zivilisation beizubringen. Das qualifiziert den überzeugten Antikommunisten Daniel Cohn-Bendit - "schon immer", auch schon 1968ff - für den ihm am heutigen Vormittag im Rathaus von Bürgermeister Henning Scherf verliehenen "Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken", wie auch sein totalitarismustheoretisches Gequase, mit dem er sich allerdings mit Fug und Recht auf die Namensgeberin des Preises berufen kann. "Der Preisträger steht für Erneuerung des politischen Denkens und Handelns", heißt es also in der Laudatio, vorgetragen von Bundeskanzler Schröders (Kriegs-)Beraterin Brigitte Sauzay. Diesjähriger Co-Preisträger des von der bündnisgrünen Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bremer Senat finanzierten Preises ist Ernst Vollrath, der allerdings auch in der Vergangenheit nie im Verdacht stand, ein Linker zu sein.

Am Vorabend hatten bei einer Diskussionsveranstaltung mit Cohn-Bendit im Rathaus Aktivisten des Bündnisses "Freiheit für alle politischen Gefangenen" und anderer Gruppen mit Transparenten und Sprechchören gegen den Preisträger demonstriert. Sie warfen dem Abgeordneten der französischen Grünen im Europaparlament zudem vor, die gegenwärtig in den türkischen Knästen hungerstreikenden Gefangenen als "Steinzeitsozialisten" diffamiert zu haben, gleichzeitig aber keine Berührungsängste mit Funktionären der faschistischen türkischen MHP ("Graue Wölfe") zu haben, mit denen Cohn-Bendit als Vorsitzender im Ausschuß des EU-Parlaments über die Menschenrechtslage in der Türkei verhandelte.



25. November



Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Mit den internationalen Tagen für oder gegen irgendetwas (Rauchen, Waldsterben, Analphabetismus etc.) ist das so eine Sache, denn einerseits bekommt das außer den LobbyistInnen kaum eine/r mit. Andererseits hat das alles immer den Charakter von "Muttertag": Vaddi bringt Muddi das Frühstück ans Bett - und alles bleibt wie es war. Daß es sich mit dem heutigen "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" anders verhalte, hatte die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) einen subtilen Plan gefaßt. Mit der evangelischen wie katholischen Kirche, der jüdischen und islamischen Gemeinden wurde vereinbart, das "Thema" in den Gottesdiensten an diesem Wochenende zu behandeln. Ob es denn geholfen hat?

Diejenigen, die nicht in Kirchen, Synagogen oder Moscheen gehen, können am Frauenstadthaus am Hulsberg sowie am "Tor von Tenever" in der Otto-Brenner-Allee vom heutigen Gedenktag erfahren - hier sind, einem Aufruf von "Terre des femmes" folgend, bunte Fahnen "gegen Männergewalt" gehißt worden, rund 1.000 sollen es bundesweit in 400 Städten sein. Oder durch die Siebdruckplakate, die Frauen aus der autonome Szene vor allem im "Viertel" verkleben.



26. November



Arbeitsamts-Razzien (I)

Bei Razzien des Arbeitsamtes und der Polizei in Kneipen und Restaurants sind in den vergangenen Tagen in 27 Gaststätten 27 Verstöße registriert worden, so das Arbeitsamt in seiner Pressemitteilung. Insgesamt seien 100 Personen überprüft worden. Ein chinesisches Restaurant in Woltmershausen habe man vorübergehend dicht gemacht, da zwei der drei Küchenmitarbeiter gegen asylrechtliche Auflagen verstoßen hätten - soll heißen: sie haben sich unerlaubt in Bremen aufgehalten -, einer habe Arbeitslosenhilfe bezogen. Außerdem werde gegen fünf andere nicht-deutsche Beschäftigte ermittelt, weil sie keine Arbeitserlaubnis vorweisen konnte, sieben weitere Deutsche hätten Sozialhilfe beziehungsweise Arbeitslosengeld bezogen, dies aber den Ämtern gegenüber nicht angegeben. Weiterhin, teilt das Arbeitsamt erst jetzt mit, sei bei einer der vorhergehenden Razzien ein Restaurant in Bahnhofsnähe wegen der dortigen hygienischen Zustände geschlossen worden. Der dortige polnische Koch werde abgeschoben, da er weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis hatte.



Gegen Antisemitismus und völkischen Wahn

Zwar hatte die Buchhandlung "Phoenix" den Schriftsteller Martin Walser nicht für den heutigen Abend ins Schauspielhaus geladen, daß der wiederum den "Schlußstrich" unter die deutsche Vergangenheit einfordere, um nämlich endlich zur "Normalität" übergehen zu können, sondern vielmehr, um schöngeistige Literatur -Passagen aus seinem "Lebenslauf der Liebe" - zum Vortrage zu bringen, doch das hindert rund 20 antideutsche und -nationale AktivistInnen nicht, zumindest den Versuch zu starten, die Walser-Lesung zu verhindern. Indes werden die mit einem Transparent ins Theater gestürmten ProtestlerInnen von einem etwa doppelt so großen Polizeiaufgebot gleich wieder hinauskomplimentiert, um sodann auf dem Goetheplatz "gegen Antisemitismus und völkischen Wahn" zu demonstrieren.

Vorgeworfen wird Walser nicht nur seine 1998 anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels gehaltene antisemitische Dankesrede - der Preisträger monierte da vor allem "die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken" und daß ihm "jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit (nämlich die Shoah; Anm. WL) vorgehalten wird" -, sondern bewußt die weitreichenden politischen Folgen dieser Rede zu ignorieren. Also deren Antisemitismen, wie von Politik und Feuilletons (beifällig) attestiert, als Mißverständnisse zu verharmlosen. Die Kritik zielt mithin nicht nur auf Walser, sondern auch auf seine UnterstützerInnen und "die deutschen Verhältnisse".



Mitgliederschwund

Der Rostocker Parteitag am vergangenen Wochenende, mit dem die Bündnisgrünen auf den ungehemmten Kriegskurs eingeschworen wurden, kostet sie auch an der Weser einige ihrer nicht mehr allzu vielen Mitglieder. Zumindest, wenn die ihre vorherigen Ankündigungen wahr machen. Auf jeden Fall erklärt jetzt ein weiterer der hiesigen Promis den Austritt: Helmut Zachau, von 1995 bis 2000 Bürgerschaftsabgeordneter und seither wohldotierter Schulleiter will nicht mehr. Der Rostocker Parteitag habe die Partei "weitgehend zu einem Fischer-Wahlverein degradiert", die dortigen Beschlüsse seien "eine völlige Abkehr von der bisherigen Programmatik der Grünen". Jetzt werde eine Politik mitgetragen, "die auf der Durchsetzung der Interessen der reichen Länder des Nordens gegen die Interessen der armen Länder des Südens mit militärischen Mitteln" setze. Während nämlich Zachau, dessen Schleimspur zumindest bis in die frühen achtziger Jahre zurückreicht und der bisher jede Schweinerei mitzutragen bereit war, immer noch der Überzeugung ist, daß Rot-grün mit dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien im Jahre 1999 ein "neues Auschwitz" verhindert und der Einmarsch in Mazedonien im vergangenen Sommer eh keine/n interessiert hat. Immerhin gelobt Zachau, ehemals zwölf Jahre lang Sozi, dann Alternative Liste und schließlich Grüner, sich vorerst keiner weiteren Partei anschließen zu wollen. Die ständen zu sehr für Klüngel - Machterhalt-Zachau weiß es am besten.



28. November



Evangelischer Kirchentag gegen Afghanistan-Krieg

Mit knapper Mehrheit votieren die Mitglieder des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) für eine Resolution gegen den Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen Afghanistan. Die ist inhaltlich allerdings sehr schwach geraten. Ein klares "Nein!", das friedensbewegte PastorInnen hatten durchsetzen wollen (vgl. 14. November), war vor allem auf Betreiben des pro-faschistischen Evangelikalen Jens Motschmann (St.-Martini-Gemeinde) verhindert worden. In der vom Friedensbeauftragten der BEK, Martin Warnecke, eingebrachten Resolution war die "sofortige Beendigung des Krieges gegen Afghanistan" gefordert worden: "Eine mögliche Ausweitung des Krieges auf andere Länder und eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg lehnen wir ab." Zwar hatte sich hierfür eine Mehrheit ergeben, doch da Kirchentagsbeschlüsse laut Geschäftsordnung einer sechzigprozentigen Zustimmung bedürfen, aber nur 84 von 150 Delegierten dafür stimmten, ging es in die nächste Runde. Letztendlich beschlossen wird die mehrfach geänderte Beschlußvorlage des Kirchenausschusses, deren Kernsatz "Der Terrorismus läßt sich nicht mit Krieg besiegen" lautet. Der läßt sich allerdings auch als "Krieg - why not?" interpretieren, kurz zuvor hatte er immerhin noch "Letztlich läßt sich der Terrorismus nicht mit Krieg bekämpfen" geheißen.

Die Geschäftsordnungsdebatten wie das, was letztendlich für die "Linken" dabei herauskommt, erinnern stark an (frühere) Grünen-Parteitage. Und auch Martin Warneckes Begründung dafür, warum die friedensbewegte Fraktion ihre Zustimmung nicht verwehren konnte: "Für den Fall, daß diese Stellungnahme auch nicht die erforderliche Mehrheit bekommen hätte, hätte der Kirchentag überhaupt keine eigene Erklärung verabschiedet und denjenigen recht gegeben, die bereits vor der Debatte versucht hatten, sowohl die Debatte als auch eine Stellungnahme zu verhindern."



Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Rund 350 angestellte LehrerInnen demonstrieren auf dem Domshof für ihr Gleichstellung mit den beamteten KollegInnen. Bisher verdienen die rund 1.000 angestellten PaukerInnen nämlich nicht nur rund 1.000 Mark pro Monat weniger, auch fehlen ihnen jegliche Aufstiegsmöglichkeiten, außerdem ist die Altersversorgung der BeamtInnen deutlich besser. Zwar hatte der Senat allen angestellten LehrerInnen unter 45 die Übernahme ins Beamtenverhältnis angeboten, doch die DemonstrantInnen wie ihre Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern dies für alle Betroffenen beziehungsweise die nachhaltige Verbesserung der Situation für die KollegInnen, die sich nicht verbeamten lassen wollen.



Noch'n Bürgerantrag

Während Andreas Kreiter an der Universität weiterhin Affen die Schädeldecken aufsägt, ihre Gehirne sodann verkabelt, um so seine "Hirnforschung" zu betreiben - wen interessiert es noch? -, nimmt der Bremer Tierschutzverein einen weiteren Anlauf für einen Bürgerantrag, Kreiter sein Treiben zu untersagen. 12.789 Unterschriften werden jetzt Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) übergeben, um sich alsbald an einem erneuten Volksentscheid zu versuchen. Der soll dann die Bürgerschaft auffordern, den Senat aufzufordern, keine Mittel mehr für den Ausbau der tierexperimentellen Forschung an der Universität zur Verfügung zu stellen und die bereits bereitgestellten Mittel zurückzunehmen.

Weiterhin fordert der Bremer Tierschutzverein Senatorin Hilde Adolf (SPD) auf, Kreiter keine weitere Verlängerung seiner Affenversuche um drei Jahre zu genehmigen. Dessen erste genehmigte Versuchsperiode war im April ausgelaufen, bisher ist noch keine Entscheidung über Kreiters Antrag auf Verlängerung getroffen worden.



29. November



Arbeitsamts-Razzien (II)

Die Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung des Arbeitsamtes Bremen führt, unterstützt von Verdener und Bremerhavener FahnderInnen, eine Razzia auf der Großbaustelle "Hemelinger Tunnel" durch. Nachdem die Tunnelausgänge gesperrt wurden, werden 130 Beschäftigte überprüft. Ein albanischer Arbeiter wird festgenommen, weil er zur Fahndung ausgeschrieben war, gegen zwei als arbeitslos gemeldete Männer wird jetzt wegen "Leistungsmißbrauchs" ermittelt, da sie arbeitslos gemeldet waren. In 15 Fällen werde, so das Arbeitsamt, nunmehr ermittelt, weil wahrscheinlich nicht einmal der Mindestlohn gezahlt wurde.



1. Dezember



Sexistische Angriffe (I)

Einer Frau wird am frühen Morgen in ihrer Wohnung in der Bismarckstraße überfallen und zu sexuellen Handlungen gezwungen. Der Täter war über den Balkon in die Wohnung gelangt. Aufgrund der lauten Hilfeschreie der 32jährigen alarmieren NachbarInnen die Polizei, die den flüchtenden Mann festnimmt.



2. Dezember



Atomtransport durch bremische Häfen

In Bremerhaven kommt innerhalb weniger Wochen der dritte von insgesamt vier Transporten mit Brennelementen, die etwa 200 kg waffenfähiges Plutonium enthalten, per Schiff aus der schottischen Atomanlage Dounreay an. Von dort wird das Plutonium per LKW auf der Autobahn, vorbei an Bremen, in den Plutoniumbunker Hanau gebracht werden. Die Brennelemente, die aus dem nie in Betrieb gegangenen "Schnellen Brüter" in Kalkar stammen, wurden bis jetzt in der schottischen Atomanlage gelagert. Da für sie bisher keine Verwendung gefunden werden konnte und die Verträge mit Dounreay ausgelaufen sind, mußten sie zurückgenommen werden. Aber auch Hanau wird nur eine Zwischenstation sein, denn der Bunker soll 2005 geschlossen werden, und dann geht die Odyssee von vorne los.

Atomtransporte sind von größter Bedeutung für das Funktionieren der Atomindustrie. Bremen ist die Drehscheibe des Nordens für diese Transporte. Allein im Jahr 2000 fanden nach Angaben des Senators für Wirtschaft und Häfen 137 radioaktive Transporte über Bremerhavener Häfen statt, das heißt 2,6 Transporte pro Woche. Darunter 22mal spaltbares radioaktives Material und 31mal chemisch hochgiftiges Uranhexafluorid. Dazu kommen jährlich rund 20 Castor-Transporte aus den norddeutschen AKWs per Bahn über Bremen. Das Land Bremen trägt, so das Bremer Anti-Atom-Forum (BAAF) und die Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS), "mit diesen Transporten zu einem nicht unwesentlichen Teil zum Funktionieren der lebensfeindlichen Atomtechnologie bei". Auch weil der Senat die Beschlüsse von zwölf Stadtteilbeiräten aus den Jahren 1997 und 1998 ignoriert. Die hatten gleichlautend gefordert, "mit den zuständigen Bundesbehörden und der Deutschen Bahn mit dem Ziel zu verhandeln, keine Atomtransporte mehr über Bremisches Gebiet zu führen".

BAAF und MAUS fordern nachdrücklich, daß Bremen endlich dem Beispiel von Lübeck und Emden folgt und die Häfen für Atomtransporte sperrt und darüber hinaus alle Atomtransporte über bremisches Gebiet untersagt. Radioaktive Transporte würden aber erst dann wirklich aufhören, wenn die Produktion von Atomstrom endgültig gestoppt ist.



3. Dezember



Sauber und sicher

Die Sauberkeit der Stadt ist Sozis wie ChristdemokratInnen eine Herzensangelegenheit, auf daß Bremen nicht nur immer sauberer, sondern auch sicherer werde. So präsentiert jetzt die SPD-Bürgerschaftsfraktion vier neue "Eckpunkte für ein sauberes Bremen". Gefordert wird erstens die bessere Koordinierung von Reinigungsdiensten für öffentliche Flächen, so der Haltestellenbereiche. Damit nicht zum Beispiel dort unabgestimmt sowohl Reinigungstrupps der Bremer Straßenbahn AG, der Entsorgungsbetriebe Nord (ENO) und des städtischen Eigenbetriebs Stadtgrün putzten, bedürfe es zweitens einer Koordinierungsstelle "Saubere Stadt". Die solle, so der SPD-Abgeordnete Joachim Schuster, "die erbrachten Reinigungsleistungen regelmäßig kontrollieren und schließlich mit Hilfe von Imagekampagnen die Trendwende einleiten hin zu einer wirklich sauberen Stadt".

Da mit dem - größtenteils aus dem Arbeitsdienst des Sozialamtes rekrutierten - "Quartierservice" in verschiedenen Stadtteilen "sehr gute Erfahrungen gemacht" wurden, solle der drittens "ausgebaut und verstärkt" sowie "auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet" werden. Viertens müsse auch der und die gemeine BürgerIn - durch PolizeibeamtInnen oder Bedienstete des Umweltressorts - für Schandtaten verstärkt zur Rechenschaft gezogen werden. Das Wegwerfen von Abfall solle, so der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Hermann Kleen, künftig "an Ort und Stelle geahndet" werden. Zigarettenkippen oder -schachteln sollen mit 50 Mark zu Buche schlagen, nicht beseitigte Hundescheiße mit 75 Mark.

Da der ganze Mist aber wohl kaum durch Hundesscheiße zu finanzieren ist - die Sozis rechnen mit Gesamtkosten von rund 30 Millionen Mark in den nächsten zehn Jahren -, soll die endgültige Privatisierung der Bremer Stadtreinigung die erforderlichen Gelder in die Kasse schießen. Die Entsorgungsbetriebe Nord - früher "Müllabfuhr" - gehören seit drei Jahren zu knapp der Hälfte dem privaten Entsorger Nelsen sowie der swb AG (vormals Stadtwerke AG). Der Rest soll nun für, wie bereits 1998 vereinbart, 30 Millionen Mark an die beiden AnteilseignerInnen übergehen. Doch die sollen nicht etwa bar zahlen, sondern zehn Jahre lang je rund drei Millionen Mark an Dienstleistungen für die "saubere Stadt" erbringen.



4. Dezember



BreKom verkauft

Und noch ein Teil des bremischen "Tafelsilbers" wird verkauft: Für 33 Millionen Mark soll, so lautet der heutige Senatsbeschluß, die Bremer Kommunikationstechnik BreKom an die EWE AG (Oldenburg) verkauft werden. Die BreKom, ein Eigenbetrieb der Stadt, betreibt ein weitverzweigtes Glasfaser- und Kupferkabelnetz in Bremen, an das die Behörden und das öffentliche Feuermeldenetz angeschlossen sind. Die EWE AG übernimmt von den bisher 130 Beschäftigten 77 Angestellte, außerdem werden ihr 16 BeamtInnen zugewiesen. Die restlichen Beschäftigten werden in andere städtische Betriebe versetzt. Bereits im Sommer hatte EWE etwa 84 Prozent der Anteile des Bremer Telekommunikationsanbieter nordCom GmbH gekauft.



Ausgebootet

Daß auch der Standort Bremen nur allzu gern von einer eventuellen Vergabe der olympischen Sommerspiele an Hamburg im Jahre 2012 profitieren würde, haben Bremer PolitikerInnen und Pfeffersäcke bereits vor rund einem Vierteljahr betont. Nunmehr beschließt der Senat die offizielle Beteiligung Bremens an der Hamburger Bewerbung. Sport- und Innensenator Kuno Böse (CDU) gibt sich guten Mutes: "Als Teil einer Hanse-Olympiade 2012 haben wir alle Chancen, Olympische Sommerspiele an die Weser zu holen!" Doch der Mann liest offensichtlich keine Zeitungen. Zwar sah das Konzept "Hanse-Olympiade" im Sommer noch vor, Bremen und andere Hansestädte als Austragungsorte für relevante Wettbewerbe zu beteiligen - der Juniorpartner Bremen sollte einen "Olympia Dome" mit 20.000 Sitzplätzen bauen (vgl. kassiber 47, Dezember 2001, S. 14) -, doch inzwischen ist davon an der Elbe keine Rede mehr. Statt dessen setzen die dortigen Pfeffersäcke wie auch der schwarz-gelb-braune Senat jetzt auf eine Planung, nach der (fast) alle publikums- und damit tourismuswirksamen Ereignisse nur in Hamburg selbst ausgetragen werden sollen.

Der Bremer Senat jedenfalls läßt sich nicht entmutigen und setzt erst einmal eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Behörden ein, an der sich auch die Handelskammer Bremen beteiligen soll. Die AG nicht nur Bremen ins rechte Licht rücken, sondern auch die "möglichen finanziellen Auswirkungen aufzeigen". Wie es dann weitergehen wird, entscheidet sich erst in den nächsten Jahren. Denn zunächst müßte sich die "Hanse-Olympiade" gegen Frankfurt/Main, Düsseldorf, Leipzig, Stuttgart und Berlin durchsetzen - das Nationale Olympische Komitee (NOK) benennt am 15. April 2003 die deutsche Bewerberstadt. Erst im Sommer 2005 entscheidet dann das IOC über den Austragungsort der Sommerspiele im Jahre 2012.



5. Dezember



Videoüberwachung in Bussen und Bahnen?

Nach Angaben des Sprechers der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), Wolfgang Pietsch, beschäftigt sich das Unternehmen derzeit mit dem "Gedanken", demnächst auch in Bremens Bussen und Bahnen Videokameras zur Überwachung der Fahrgäste zu installieren. Ohnehin plane die BSAG die Fahrzeuge künftig mit Monitoren - für Werbung, Wettervorhersagen, Nachrichten etc. wie in anderen Städten - auszurüsten, die zusätzlichen Investitionen für Überwachungskameras müßten aber noch nach Kosten und möglichem Nutzen abgewogen werden.

In Hannover beginnt heute, zunächst in einer Straßenbahn der Linien 1 und 2, die Videoüberwachung. In der Bahn filmen sechs Videokameras die Passagiere, in den nächsten Tagen wird auch ein Bus der Linie 121 entsprechend ausgerüstet, Aufkleber informieren die Passagiere über ihre Überwachung. Nach Angaben der Hannoveraner Verkehrsbetriebe Üstra werden die Kameras nicht live kontrolliert, vielmehr werde das Material 24 Stunden lang aufgezeichnet. Seien darauf keine Überfälle, Pöbeleien, Schmierereien, Diebstähle oder ähnliches zu sehen, würden die Filme gelöscht werden. Laut Üstra wird im Februar über eine Ausweitung des Pilotprojekts entschieden. In der derzeitigen Testphase würden die Kosten durch den Kamerahersteller getragen, künftig sei mit Kosten von 15.000 Mark pro Bahn und 10.000 Mark pro Bus für Kameras und Aufzeichnungstechnik zu rechnen.



Demonstration gegen Abschiebungen (I)

Einige Dutzend tamilische Männer und Frauen sowie AktivistInnen des Internationalen Menschenrechtsvereins (IMRV) demonstrieren in der Innenstadt gegen die weiterhin geplante Abschiebung von rund 30 tamilischen Männern, Frauen und Kindern nach Sri Lanka. Im Ausländerausschuß der Bürgerschaft, dem Ziel der Demonstration, ist das Thema allerdings von der Tagesordnung abgesetzt worden - wieder einmal hatte die Innenbehörde wegen "Arbeitsüberlastung" keine/n VertreterIn entsandt.

Derzeit werden die Aufenthaltsbefugnis derjenigen Personen, die abgeschoben werden sollen, um jeweils einige Wochen verlängert. Seit Anfang September ist nämlich auch das Bremer Innenressort überzeugt, daß der Lagebericht des deutschen Außenministeriums über das südostasiatische Land nicht der Realität entspricht (vgl. kassiber 48, März 2002, S. 16). Denn in Sri Lanka herrscht Krieg oder, um es mit den Worten von Innensenator Kuno Böse (CDU) auszudrücken: "Hintergrund ist die Verschlechterung der innenpolitischen Stabilität nach einer Reihe von Anschlägen ... sowie bewaffnete Aktionen und Kampfhandlungen zwischen Regierungseinheiten und der Separatistenorganisation LTTE." Nach dem derzeit gültigen Erlaß 01-10-02 des Innenressorts vom 25. Oktober 2001 ("Rückführungen nach Sri Lanka") sollen LTTE-Mitglieder oder -SympathisantInnen derzeit nicht in Abschiebehaft genommen werden, es sei denn, der/die Betroffene "ist in der Vergangenheit erheblich straffällig geworden beziehungsweise mehrfach untergetaucht". Vielmehr seien die Betroffenen "auf den Vorteil einer freiwilligen Ausreise hinzuweisen". Doch von der vielbeschworenen "innerstaatlichen Fluchtalternative" kann natürlich auch in Sri Lanka keine Rede sein. Nach Angaben des Internationalen Menschenrechtsvereins Bremen gleicht die so benannte Hauptstadt Colombo einer belagerten Stadt. Colombo werde mehrmals monatlich nach TamilInnen durchkämmt.



7. Dezember



Demonstration gegen Abschiebungen (II)

Knapp 200 SchülerInnen des Schulzentrums Neustadt demonstrieren von dort bis zur Innenbehörde gegen die geplante Abschiebung ihres Mitschülers Serag El-Zein. Das Ausländeramt will ihn, seine sieben Geschwister sowie die Eltern in der kommenden Woche in die Türkei abschieben. Genauso wie rund 500 andere in Bremen lebende kurdische LibanesInnen, die zu diesem Zweck von der Behörde - unter Anerkennung durch die Verwaltungsgerichte - "zwangstürkisiert" wurden.



8. Dezember



Abgesagt

Der für heute in Osterholz-Scharmbeck angemeldete Naziaufmarsch fällt aus, die Jungen Nationaldemokraten (JN) hatten ihn bereits vor zwei Tagen abgesagt. Das ist nichts ungewöhnliches. Wie im gesamten Bundesgebiet melden auch im Nordwesten NPD, JN und "Freie Kameradschaften" ständig Aufmärsche an, von denen zumindest ein Teil wohl nie ernsthaft geplant war. Abgesagt wird damit auch die Gegenkundgebung von Gewerkschaften, Kirchen und anderen Organisationen wie ebenfalls die Aktivitäten autonomer AntifaschistInnen. Die hingegen hatten angekündigt, den Naziaufmarsch "verhindern" zu wollen.

In Osterholz-Scharmbeck, wie auch in anderen Städten und Gemeinden des Bremer Umlands, ist die Naziszene in den vergangenen Jahren stetig größer geworden. Regelmäßig werden hier faschistische und rassistische Aufkleber sowie Plakate geklebt und Flugblätter verteilt, AntifaschistInnen und andere Jugendliche von den Nazis offen bedroht oder angegriffen. So wurde im vergangenen August ein junger Mann nachts von Nazis mit einem Auto zunächst verfolgt, dann angefahren und schließlich brutal zusammengeschlagen. Auch auf das Osterholzer Kulturzentrum "Kleinbahnhof", den Hort demokratischer Kultur in diesem Provinzkaff, hat es im letzten Jahr zahlreiche Anschläge gegeben. Anleitung und Logistik für die Osterholzer Nazis besorgen vor allem der JN-Kreisverband Verden-Osterholz sowie die "Kameradschaft Bremen-Nord".



11. Dezember



Zusammenarbeit vereinbart

Die beiden derzeit weitgehend bedeutungslosen Rechtsparteien "Arbeit für Bremen" (AFB) und Statt-Partei wollen künftig enger zusammenarbeiten. Man habe, so die beiden Landesvorsitzenden Hartmut Frenzel (AFB) und Jan Timke (Statt-Partei), eine "hohe Übereinstimmung in der politischen Ausrichtung" festgestellt. Über eine eventuelle gemeinsame Kandidatur zu den Bürgerschaftswahlen 2003 müßten noch die Mitgliederversammlungen beiden Parteien entscheiden.

Diese Allianz deutet darauf hin, daß es mit der von der AFB - die RechtssozialdemokratInnen spalteten sich Anfang der neunziger Jahre von der SPD ab - gewünschten Kooperation mit der Hamburger Partei Rechtsstaatliche Offensive nichts wird (vgl. kassiber 48, März 2002, S. 13). Die "Schill-Partei" will nämlich, wie von der Elbe verlautete, nichts mit den Losern, die 1999 nach nur vier Jahren wieder aus der Bürgerschaft herausflogen, zu tun haben und statt dessen in Bremen einen eigenen Ableger gründen.



Farbvandalismus

Auch Innensenator Kuno Böse (CDU) hat von der "Broken-Windows"-Theorie gelesen. Weil nämlich "Sauberkeit und Ordnung im öffentlichen Raum ein zentrales Thema für die Bürger und Bürgerinnen in Bremen" sei und "diese Faktoren wesentlich zur Lebensqualität" beitrügen und sich "auf das Sicherheitsgefühl" auswirkten - dies belegten auch Bürgerbefragungen der Bremer Polizei -, müsse auch der "Farbvandalismus" konsequent bekämpft werden. Weil nämlich dort, wo erst einmal Graffiti zu sehen seien, bald die Verdreckung hinzukomme und also die Verslumung drohe. Dieser pseudo-wissenschaftlich verquaste Dreck mündete Mitte der neunziger Jahre ins sogenannte New Yorker Modell, dem auch die meisten deutschen Innenminister und Polizeipräsidenten anhängen.

Bremens Mann für Law and Order hat auch für dieses Problem eine Lösung parat. Mit dem HausbesitzerInnenverein Haus & Grund Bremen setzt er heute ein "gemeinsames Signal gegen illegale Graffiti". Wobei ihm Bernd Richter, Geschäftsführer von Haus & Grund, mindestens in nichts nachsteht. "Es dauert dann meist nicht mehr lange", so Richter, daß sich in den von "Farbvandalismus" betroffenen, "über Jahrzehnten gewachsenen Wohnquartieren die Sozialstruktur verändert". Jüngere Familien zögen in die "heile Welt" der Umlandgemeinden. Die älteren BürgerInnen würden resignieren und sich nach 17 Uhr, so die Erfahrung von Haus & Grund aus vielen Beratungsgesprächen, nicht mehr auf die Straße trauen. Dem subjektiven Furchtempfinden kann aber nach Überzeugung von Haus & Grund nur durch eine entsprechende Polizeipräsenz auf der Straße und durch rigideres Vorgehen gegen den "Farbvandalismus" und die Verunreinigung der Wohnquartiere wirksam begegnet werden.

Abhilfe schaffen kann eigentlich nur die Polizei. Die hat inzwischen, so Böse, bei der Inspektion West "einen auf Dauer angelegten Abschnitt Farbvandalismus gegründet". Der Name soll indes darüber hinwegtäuschen, daß dem Nachfolger der bereits 1997 eingerichteten "Ermittlungsgruppe Graffiti" nur noch drei statt zuvor bis zu acht BeamtInnen zugeteilt sind. Ziel aber bleibe "die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger und Bürgerinnen sowie eine Attraktivitätssteigerung des Wirtschaftsstandortes Bremen in Ergänzung zu der Aktion ‚Saubere Stadt'". Der bisherige Kampf gegen den "Farbvandalismus" sei ziemlich erfolgreich gewesen, die Delikte von 1.242 (1998) auf 800 im Jahr 2000 zurückgegangen. Die Aufklärungsquote liege bei rund 50 Prozent. Ein bißchen wenig angesichts der Tatsache, daß die doofen SprayerInnen in der Regel Foto- oder Videonachweise ihrer Werke bei sich führen beziehungsweise zu Hause aufbewahren. Fangen die HäscherInnen also eine/n, haben sie zumeist gleich Dutzende von "Fällen" aufgeklärt.

Doch auch der Prävention in Familien, Schulen und Freizeitheimen käme eine wichtige Bedeutung zu. Aber nicht in Form irgendwelchen sozialpädagogischen Schnickschnacks, denn "Farbvandalismus in dieser Form ist eben nicht eine pädagogisch wertvolle Art der Selbstverwirklichung", sondern eine Straftat. Und überhaupt: Wer farbvandaliert klaut auch, und zwar mindestens die Lackdosen. "Die Kinder und Jugendlichen, denen bereits das Unrechtsbewußtsein für die Farbschmierereien fehlt," müßten deshalb "vor einem weiteren Abgleiten in die Eigentumskriminalität bewahrt werden".

Schön, daß da der Bundesrat am 30. November das "Graffitibekämpfungsgesetz" beschlossen hat. Künftig kommt es nämlich nicht mehr darauf an, daß mit den Graffiti tatsächlich eine Substanzverletzung an den Hauswänden verursacht wird. Mit der Ergänzung der Sachbeschädigungstatbestände im Strafgesetzbuch wird bereits das durch den/die EigentümerIn gewählte äußere Erscheinungsbild seiner Sache strafrechtlich geschützt, unabhängig davon, ob die Bausubstanz bleibend beschädigt wird.



Affenversuche bis 2004 genehmigt

Gesundheitssenatorin Hilde Adolf (SPD) genehmigt dem Institut für Hirnforschung an der Universität Bremen die Fortsetzung der Versuche an Makaken-Affen bis zum 12. Dezember 2004. Adolf schließt sich damit der Behauptung des "Hirnforschers" Andreas Kreiter an, daß die Experimente an den aufgesägten, aber noch lebenden Affen für die Grundlagenforschung unerläßlich seien und nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden könnten. Auch aus einer Veröffentlichung von Professor Nikos K. Logothetis vom Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen ergäbe sich - trotz gegenteiliger Behauptung von TierschützerInnen - kein alternatives Verfahren zu den Tierversuchen. Logothetis habe vielmehr im Gespräch mit der Behörde betont, daß seine beschriebene Methode keinesfalls das "invasive" (eingreifende) Verfahren wie bei den Tierversuchen am Bremer Institut ersetzen könne.

Für die kommenden drei Jahre wird der Einsatz von je sieben Affen im ersten und zweiten Jahr und sechs im dritten Jahr genehmigt. Die Genehmigung für die vergangenen drei Jahre umfaßte ebenfalls 20 Affen, von denen bisher zehn "benötigt", soll wohl heißen: verbraucht, worden seien.



Großrazzia bei Zechbau

Nach monatelanger Vorbereitung durchsuchen am Morgen rund 80 PolizeibeamtInnen sowie zwei Staatsanwälte 19 Geschäftsräume und Privatwohnungen. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Korruption gegen den Bremer Bauunternehmer Kurt Zech und zwei seiner leitenden Mitarbeiter sowie - wegen "Vorteilsnahme" - gegen einen der beiden Chefs der stadteigenen BauManagement Bremen GmbH (BMB), Professor Gottfried Zantke. Durchsucht werden unter anderem die Geschäftsräume der Zechbau im Gewerbegebiet Funkschneise, die Räume der BMB an der Schlachte, die gleichfalls stadteigene Bremer Investitions Gesellschaft (BIG) in der Martinistraße sowie zwei Häuser von Zantke im Steintor-Viertel und in Niedersachsen.

Dem Bremer "Bauriesen" Zechbau wurden in den vergangenen Jahren fast alle großen städtischen Bauaufträge zugeschanzt, egal ob es zum Beispiel um den Verkauf des alten Polizeipräsidiums am Wall, den Umbau der neuen Polizeizentrale in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in der Vahr, des Börsenhofs (hinter der Bürgerschaft), der Galopprennbahn oder des Siemens-Hochhauses, den Bau der Messehallen, des "Universum" nebst Conference Center und Hotel, des "Unicom" im Technologiepark, des Weserstadions oder des Gesundheitszentrums in der Friedrich-Karl-Straße ging. Daß da Korruption im Spiel war, wurde in Bremen schon seit Jahren gemunkelt. Zechbau indes konnte sowohl mit Sozial- wie auch ChristdemokratInnen, hatte von daher also wenig zu befürchten. Und profitierte davon, daß in der Hansestadt Bauaufträge oftmals nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern unter der Hand vergeben wurden. Da wirkten Sozis wie christdemokratische Senatoren mit, die entscheidende Rolle aber soll Gottfried Zantke von der BMB gespielt haben. Um sich ihm erkenntlich zu zeigen, habe Zechbau, so die Staatsanwaltschaft, im Jahre 1995 etwa 400.000 Mark der insgesamt 900.000 Mark Sanierungskosten für dessen Vierfamilienhaus in der Mathildenstraße mit Scheinrechnungen als angebliche Kosten des Umbaus der Ostkurve des Weserstadions ausgewiesen. Zantke soll also den entsprechenden Betrag "gespart" haben.



Fette Aufträge

Der Haushaltsausschuß des Bundestages beschließt mehrere Großaufträge für die Bremer Rüstungsindustrie. Den größten Batzen - 1,721 Milliarden Mark - gibt es für den Bau von fünf neuen Korvetten für eine Werftengruppe unter Führung von Blohm & Voss (Hamburg) sowie der Bremer Lürssen-Werft. Für die Bewaffnung der Kriegsschiffe stehen noch einmal 318 Millionen Mark in Aussicht. Auch sei mit Anschlußaufträgen zu rechnen, denn so der Bremer Bundestagsabgeordnete Volker Kröning, zugleich SPD-Bericherstatter für den Verteidigungsetat, fünf Korvetten seien im europäischen Rahmen wohl "zu wenig". Auch der "Verteidigungsauftrag" der Bundesmarine wurde nämlich inzwischen aller Bescheidenheiten entkleidet, sie ist nach den gegenwärtigen Konzepten auch für den "Randmeerschutz" (vgl. kassiber 47, Dezember 2001, S. 46ff), also eigentlich überall auf der Welt, zuständig. Darüber hinaus beständen, so Kröning, für die Korvetten hervorragende Chancen auf dem Weltmarkt, sie könnten sich zum "Exportschlager" entwickeln.

Knapp 540 Millionen Mark gehen an STN Atlas Elektronik für den Bau von sechs Systemen sogenannter KZO-Zielortungs-Drohnen. Die sollen der Heeresartillerie (im Angriffskrieg) zur Zielaufklärung dienen. Ein System dieser ferngelenkten Flugkörper besteht aus zehn Drohnen, zwei Bodenanlagen und fünf Bergeeinheiten.

Der eher großräumigeren Aufklärung dient die sogenannte SAR-Lupe, ein satellitengestütztes Radarsystem, das von der zur Bremer Fuchs-Gruppe gehörenden OHB Systems hergestellt wird (vgl. kassiber 46, Dezember 2001, S. 49ff). Immerhin 635,6 Millionen Mark sollen dazu beitragen, daß Deutsche wie EuropäerInnen künftig ihre Kriege unabhängig von US-amerikanischer Satellitenaufklärung betreiben können.



Arbeitsamts-Razzien (III)

Bei Kontrollen des Arbeitsamtes und der Polizei auf den Weihnachtsmärkten in der Innenstadt sowie in Vegesack werden vier nicht-deutsche Beschäftigte festgenommen, die keine Arbeitserlaubnisse haben. Alle vier Männer sollen in den nächsten Tagen abgeschoben werden. Außerdem werde, so das Arbeitsamt, gegen eine Reihe von deutschen Angestellten ermittelt, die entweder keine Sozialversicherungsausweise vorlegen konnten oder "Leistungsmißbrauch" betrieben hätten, da sie Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld/-hilfe beziehen würden.



12. Dezember



Jugendstreiktag

Rund 800 SchülerInnen, StudentInnen und Auszubildende demonstrieren am "Jugendstreiktag" gegen die massive Kürzungspolitik der großen Koalition in den Bereichen Bildung, Jugend, Kultur und Soziales. Der Sternmarsch, dessen Säulen an verschiedenen Schulen in Walle, Schwachhausen, Horn, der Neustadt und im Steintor sowie an der Universität starteten und der in einer Abschlußkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz mündet sowie ein abendliches Rockkonzert im Kulturzentrum Schlachthof wurde vom Bündnis "Widerstand jetzt! Bremer Jugend gegen Zersparpolitik" organisiert.



13. Dezember



Brechmittel - find ich gut!

In zahlreichen deutschen Städten, so auch in Bremen, wird mutmaßlichen Drogendealern, die in Verdacht stehen, Kügelchen mit Heroin, Kokain o.ä. verschluckt zu haben, zwangsweise das Brechmittel Ipecacuanha verabreicht. Dazu werden die Betroffenen von PolizistInnen gefesselt oder festgehalten, das Mittel wird dann von AmtsärztInnen über eine Nasen-Sonde eingeflößt. Diese Behandlung mit dem extrem gesundheitsschädlichen Ipecacuanha führt immer wieder zu bleibenden körperlichen Schäden, mitunter überstehen die zumeist schwarzen Männer diese Behandlung nicht - sie sterben. So haben am 10. Dezember in Hamburg PolizistInnen und MitarbeiterInnen des dortigen Rechtsmedizinischen Instituts einen 19jährigen Mann durch die zwangsweise Verabreichung des Brechmittels Ipecacuanha umgebracht, er war mit Herzstillstand zusammengebrochen. Bremens Große Koalition kümmert das indes wenig. Sozis und ChristdemokratInnen in der Bürgerschaft sind weiter bereit, auch hier über Leichen zu gehen und schmettern daher den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab, die zwangsweise Vergabe von Brechmitteln bis auf weiteres einzustellen.



Abschiebung ausgesetzt

Etwa 50 Männer und Frauen besetzen das Büro der SPD-Bürgerschaftsfraktion am Altenwall, um gegen die geplante Abschiebung von 500 kurdischen LibanesInnen in die Türkei zu protestieren. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen sowie drei weitere sozialdemokratische Abgeordnete erklären sich zu einem Gespräch mit VertreterInnen der kurdischen LibanesInnen sowie deutschen UnterstützerInnen in der Bürgerschaft bereit und machen vage Versprechungen, sich in der Weihnachtszeit geben die Abschiebung der akut bedrohten Familie El-Zein einzusetzen. Währenddessen demonstrieren auf dem Marktplatz über 100 Männer und Frauen, um auf die laufenden Verhandlungen aufmerksam zu machen.

Die ursprünglich für heute von antirassistischen Initiativen angesetzte Flughafenblockade gegen die Abschiebung aber findet nicht statt. Die kurdisch-libanesische Familie El-Zein wird nämlich nicht, wie vom Ausländeramt geplant, heute abgeschoben, weil das türkische Generalkonsulat in Hannover am Vortag bei der behördlichen "Vorführung" der Familie nicht die erforderlichen Paßersatzpapiere ausgestellt hatte. Trotzdem gebe es, so Innensenator Kuno Böse (CDU) keinen Zweifel, daß man die zwangstürkisierten kurdischen LibanesInnen abschieben werde, die Familie sei nämlich 1988 illegal in die BRD eingereist.



15. Dezember



Ausgezeichnet

Eine der übelsten anti-kurdischen HetzerInnen Bremens wird in Bonn von Bundespräsident Johannes Rau anläßlich des "Tags des Ehrenamtes" mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. Denn die Unternehmerin Madelet Grabbe, Ehrenvorsitzende des Deutsch-Türkischen Frauenvereins Bremen und Gemahlin des türkischen Honorargeneralkonsul Karl-Heinz Grabbe, habe sich, so die Pressemitteilung der Bremer Senatskanzlei um "das friedliche Zusammenleben und die Toleranz zwischen den Kulturen von Deutschen und Türken in Bremen besonders verdient gemacht". Zwar lautet das familieninterne Motto, daß nur der (mund)tote Kurde ein guter Kurde ist, doch das soll heute keine Rolle spielen. Denn Grabbe habe aufgrund ihres "außerordentlichen Einsatzes auf dem Gebiet der Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger" die Bundesverdienstmedaille wirklich verdient.



17. Dezember



Schill-Partei will nach Bremen

Neue Hoffnung für die Partei "Arbeit für Bremen" (AFB), jetzt ist die Schill-Partei doch noch zu Sondierungsgesprächen im kommenden Januar über eine Zusammenarbeit bereit. Das erklären zumindest der AFB-Landesvorsitzende Hartmut Frenzel sowie der von Barnabas Schill beauftragte Koordinator Carl-Heinz Eversmann. Während aber die in der Bedeutungslosigkeit versunkene AFB auf die Kooperation angewiesen ist, scheint die apostrophierte Zusammenarbeit mit hiesigen "erfahrenen Leuten" für die Hamburger verzichtbar. Jedenfalls läßt Eversmann verlauten, daß man sicht "nicht einverleiben lassen" wird "von Leuten, die nur unter unserem Namen mitsegeln". Ob es zu einer Kooperation mit der AFB komme, hänge davon ab, ob "sich die Ziele der Schill-Partei durchsetzen lassen".



18. Dezember



Anspruchsvolle Aufgaben

Wer weltweit Kriege führen will, braucht gerade auch moderne Transportflugzeuge, um Truppen wie Gerät schnellstmöglichst in die entlegensten Winkel, zum Beispiel nach Afghanistan, zu bringen. Wer aber künftig Kriege unabhängig von den USA führen will, muß sich selber welche kaufen. Die Lösung für die westeuropäischen Staaten lautet "Airbus oliv". Der hat eine Reichweite von 6.400 Kilometern, kann 37 Tonnen Nutzlast transportieren und dabei 720 Kilometer in der Stunde zurücklegen.

Am Rande des heutigen Treffens der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel werden die Verträge für die Entwicklung und Anschaffung von 196 Airbus-Militärtransportern "A 400 M" unterzeichnet. Demnach kauft Deutschland deren 73, Frankreich 50, Spanien 27, Großbritannien 25, die Türkei 10, Belgien 7, Portugal 3 und, ja, Luxemburg 1. Pro Stück sollen die Maschinen 230 Millionen Mark kosten, allein für die deutschen A 400 M sind also 16,79 Milliarden Mark zu zahlen. Wobei davon auszugehen ist, daß der tatsächliche Abnahmepreis weit höher liegen wird, drastische Kostensteigerungen sind bei Rüstungsprojekten durchaus üblich. Baubeginn ist nämlich erst im Jahr 2004, die Auslieferung beginnt dann 2008.

Dabei ist das Bremer Airbus-Werk dick im Geschäft. 620 ArbeiterInnen und Angestellte werden hier "mit anspruchsvollen Aufgaben sowohl in der Entwicklung als auch in der Fertigung" zu tun haben, so Hans-Joachim Gante, Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Deutschland. Bundesweit seien über 1.400 Airbus-Beschäftigte in sieben Werken an der Vorbereitung weiterer Angriffskriege beteiligt, dazu kämen noch einmal 2.600 unter anderem aus der Triebwerks- und Zuliefererindustrie.



19. Dezember



Abschiedsfeier

Ein großer Sohn der Stadt ist von uns gegangen: Friedrich Rebers, der es mit einer deutschen Traumkarriere vom Hitlerjungen zum Millionär gebracht hatte, wird mit warmen Worten während der Trauerfeier gedacht. Der Dom ist voll, vertreten ist alles, was hierzulande Rang und Namen hat. Schließlich hatte der am 12. Dezember im Alter von 72 Jahren verstorbene Rebers über Jahrzehnte die Entwicklung der Hansestadt mitgeprägt, ob als rechtssozialdemokratischer Strippenzieher, Sparkassenchef, Bürgerparkvereinsvorstand oder Anfang der neunziger Jahre als Begründer der Partei "Arbeit für Bremen" (AFB).

"Aber auch als großer Vorstand hat er die Nähe zu den einfachen Menschen gehalten." Senatspräsident Henning Scherf (SPD) meint wohl vor allem die von Rebers Anfang der neunziger Jahre losgetretene Kampagne für eine "saubere" Innenstadt. Aus der sollten unter anderem Junkies, BettlerInnen und Obdachlose vertrieben werden. Auch die Sparkassen wollte der "große Vorstand" von dieser Klientel freihalten. Daß die ihre Sozialhilfeschecks nicht mehr in den Filialen einlösen darf, wurden nach mehrjährigen reberschen Interventionen Mitte der neunziger Jahre schließlich zwei sogenannte Sozialhilfeautomaten in den Ämtern eingerichtet. Doch die große politische Karriere im Rentenalter blieb ihm verwehrt. Zwar schaffte die AFB 1995 - wegen Rebers - den Einzug in die Bürgerschaft, doch der große Vorsitzende mußte nach einem Schlaganfall noch vor Ende der Legislaturperiode alle Ämter niederlegen.



Warnstreik

Um ihrer Forderung nach Gleichstellung mit den verbeamteten LehrerInnen Nachdruck zu verleihen (s. 28. November), treten 70 angestellte PaukerInnen in zwölf Schulen im Bremer Westen in einen zweistündigen Warnstreik



20. Dezember



Boom

Mit der Bremer Rüstungsindustrie geht es weiter aufwärts. Die STN Atlas Elektronik hat jetzt mit der zum L-3-Communications-Konzern gehörenden Firma Link Simulation and Training in Arlington (Texas) die enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet militärischer Flugsimulatoren vereinbart. Während STN Atlas Elektronik damit den Zugang zum weltweit größten Markt in diesem Bereich erhält, wird dem US-Unternehmen umgekehrt der exklusive Zugriff auf das Bremer Lasersystem "Avior" zugesichert.



Vergewaltiger verurteilt

Das Landgericht verurteilt einen 44jährigen Mann, der in den Jahren 1991 bis 1994 fünf Frauen vergewaltigt hatte, zu zwölf Jahren Haft und anschließender "Sicherungsverwahrung".



25. Dezember



Frauenfeindlich

Im Auftrag des Unternehmens Media-Markt werden am ersten Weihnachtstag bundesweit 15.000 Plakate geklebt, die eine spärlich bekleidete Frau mit drei Brüsten zeigen, der zugehörige Text lautet: "Es ist mehr drin als man glaubt". Nach massiven Protesten stellt Media-Markt die sexistische Werbekampagne vorzeitig ein, bis zum 31. Dezember sind die Plakate wieder verschwunden.



31. Dezember



Same procedure

Zwar ist das Polizeiaufgebot an der Sielwallkreuzung deutlich geringer als in den letzten Jahren, doch dessen Erziehungsarbeit mit martialischen Aufgeboten, die auch kleinste Vergehen ahndeten, scheint endlich Früchte getragen zu haben. Ohne daß es einer polizeilichen Aufforderung an die mehreren hundert Feierwilligen bedurfte, bleiben die Straßen frei, geknallt und getrunken wird allein auf den Gehwegen. Wozu dann noch dorthin gehen?



2. Januar



Abmarsch

Während in Wilhelmshaven ein erster deutscher Flottenverband Richtung Horn von Afrika ablegt, hat es das deutsche Vorauskommando für die Afghanistan-"Friedenstruppe" endlich bis nach Kabul geschafft, um dort den Einsatz von rund 800 BundeswehrsoldatInnen vorzubereiten. Die meisten von ihnen kommen aus dem Bremer Umland, und zwar sind sie bei der Luftlandebrigade 31 in Varel, Wildeshausen (jeweils Fallschirmjäger) und Oldenburg stationiert, die auch von dort aus kommandiert wird. Ihr Chef, Brigadegeneral Hubertus von Butler, wird Kommandeur des Afghanistan-Kontingents werden.

Die Truppe hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Erfahrungen sammeln können, Mitte der Neunziger waren Teile der Luftlandebrigade unter anderem in Kroatien, Bosnien, Mazedonien sowie Jugoslawien im Einsatz. Die für den Angriffskrieg geschulte Brigade gehört zur "Division für spezielle Operationen" (DSO) der Bundeswehr, deren Kommando in Regensburg sitzt. Zur DSO gehören außerdem das Killerkommando Spezialkräfte (KSK) - schon seit Oktober in Afghanistan am Werk -, die im Saarland stationierte Luftlandebrigade 26, sogenannte Fernspäher in Pfullendorf sowie eine Luft-Aufklärungskompanie in Lüneburg.



5. Januar



Doch kein "Terror-Reisebüro"

Zu Zeiten Innensenator Ralf H. Borttschellers brachte das rechtspopulistische Nachrichtenmagazin Focus in regelmäßigen Abständen Geschichten aus dem für bayerische Verhältnisse wohl noch immer "roten" Bremen. Da wurde dann gehetzt gegen schwarze Flüchtlinge, PKK-Funktionäre (auch "Sozialleistungsbetrüger"), die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen ("verfassungsfeindlich"), das AntiRassismusBüro Bremen ("systemfeindliche Krawallmacher") oder das Sielwallhaus ("Chaos-Zentrale") und als Zutat ausgiebig aus internen Akten zitiert. Die Quellen waren zumeist klar: zum Beispiel die rassistischen polizeilichen Ermittlungsgruppen oder der Chef himself - Borttscheller war gern gesehener Gast im Münchner Kochstudio.

Woher der Focus aber die "Informationen" für seine neueste Bremer Enthüllungsstory bekam, ist nicht so einfach zu erklären. Bremens Politstaatsanwalt Uwe Picard jedenfalls - leicht genervt, daß deshalb die gesamte deutsche Journaille bei ihm anruft - betont, daß die Behauptungen im heute vorab veröffentlichten Focus-Artikel "definitiv falsch" sind. Das Münchner Magazin berichtet nämlich, daß es in Bremen eine Art "Terror-Reisebüro" gegeben habe, in dem zwei muslimische Männer islamische Kämpfer für den "Heiligen Krieg" der afghanischen Taliban gegen die USA sowie Rekruten für Ausbildungslager in Pakistan angeworben und auch ihre Reisen dorthin organisiert hätten. Alles Quatsch, so Picard, zwar habe der Staatsschutz am 3. Januar die Wohnungen eines tunesischen und eines libanesischen Mannes in Bremen durchsucht, doch die Razzien seien Teil eines seit Oktober laufenden Ermittlungsverfahrens gegen vier zwischen 19 und 40 Jahre alte Männer aus Bremen wegen des Verdachts der "Bildung einer kriminellen Vereinigung".

Am 3. Oktober wollten zwei von ihnen, 19 und 25 Jahre alte türkische Männer, per Flugzeug von Frankfurt/Main nach Pakistan fliegen, gegen den älteren lag allerdings ein Haftbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung vor. Das Urteil lautete auf Geldstrafe beziehungsweise Ersatzfreiheitsstrafe, also durfte er nicht ausreisen und versuchte, von Frankfurt aus, die Geldstrafe aufzutreiben. Die Anrufe bei Verwandten verliefen indes ergebnislos. Schlimmer noch, einer von ihnen soll sinngemäß gesagt haben: Den löse ich nicht aus, der will sich den Taliban anschließen. Womit sich für den 25jährigen die Flugreise nach Pakistan vorerst erledigt hatte und, da diese "Information" auch zum Bremer Staatsschutz gelangte, das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung" begann. Das dehnte sich aufgrund der Aussagen eines der beiden dann auf die zwei Männer aus, deren Wohnungen jetzt durchsucht wurden.



7. Januar



Geschafft!

Ein Polizeipräsident, ein Innenstaatssekretär sowie ein Innensenator pflastern seinen Weg. Nur anderthalb Jahre brauchte Kuno Böse (CDU), um seiner in Berlin unvermittelt abgeknickten Karriere (vgl. kassiber 48, März 2002, S. 20ff) in Bremen einen neuen Schub zu verleihen und jetzt sogar für ein Jahr Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) zu werden. Für letzteres kann Böse indes nichts, Bremen war schlicht dran bei der turnusmäßig vergebenen Position des IMK-Vorsitzenden. Damit werden - aufgepaßt und den Terminkalender gezückt - die Frühjahrs- und Herbsttagungen der Innenminister im Bundesland stattfinden, und zwar 5./6. Juni in Bremerhaven sowie am 5./6. Dezember in Bremen. Zu den IMK, an denen als Gast regelmäßig auch der Bundesinnenminister teilnimmt, reisen neben den Ressortchefs und deren Amtsvertretern auch jeweils rund 150 Delegationsmitglieder an. Tagungsort in Bremerhaven ist die Marineoperationsschule; ein Teil der Konferenz soll im Deutschen Schiffahrtsmuseum stattfinden, im Dezember tagt die IMK im Bremer Rathaus.



8. Januar



Abschiebung vorerst verhindert

Mit einer Blockade des Buntentorsteinwegs und des dortigen Wohnhauses der kurdisch-libanesischen Familie El-Zein verhindern rund 200 Männer und Frauen im Morgengrauen deren für heute um 6 Uhr geplante Abschiebung durch das Ausländeramt. Der Familienvater ist indes mit sieben Kindern untergetaucht. Ein Sohn war tags zuvor in Abschiebehaft genommen worden. Fünf zum Teil vermummte Polizisten hielten ihm beim Einkauf eine Pistole in den Rücken und nahmen in mitsamt seiner Freundin fest. Frau El-Zein hatte auch deshalb einen Nervenzusammenbruch erlitten und wird seither im Zentralkrankenhaus Ost behandelt.

Gegen 8 Uhr beginnen Beschäftigte der Müllabfuhr damit, die um halb sechs errichten Barrikaden unter Polizeischutz abzuräumen, die Demonstration wird um 8.30 Uhr beendet.



Nix für HundehasserInnen

Rund 6,5 Millionen Katzen und 4,7 Millionen Hunde, insgesamt 21 Millionen Haustiere gibt es in Deutschland, Silberfischchen, Kopf- und Filzläuse nicht mitgezählt. Das reicht zwar im europäischen Vergleich für Platz drei, ist aber nichts gegen Frankreich (26,1 Millionen) oder Italien mit sogar 31,4 Millionen Viechern. Und doch für den Standort ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor: Immerhin 1,9 Milliarden Euro gaben die TierfreundInnen im vergangenen Jahr für Fertignahrung sowie 802 Millionen Euro für Zubehör aus, teilt der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) mit. Dabei geht es uns in Bremen noch verhältnismäßig gut. In Berlin krauchen und flauchen immerhin 108.864 Hunde, 276.000 Katzen, 204.000 Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Ratten und Mäuse sowie rund 200.000 Ziervögel.



11. Januar



Erste Sondierung

"Arbeit für Bremen" (AFB) und die Schill-Partei beginnen heute mit den Verhandlungen über die von der AFB angestrebte Zusammenarbeit. Allerdings habe man, so der AFB-Landesvorsitzende Hartmut Frenzel, Stillschweigen über das Ergebnis dieser "ersten Sondierung" vereinbart. Demnächst gehe es mit Gesprächen über politische Inhalte weiter.

Nicht alle der noch etwa 250 AFB-Mitglieder (in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre waren es rund 500) sind mit dem Kooperationskurs einverstanden. Mehrere Gründungsmitglieder und frühere Bürgerschaftsabgeordnete, unter anderem Rolf Reimers und Klaus Bernbacher, erklären ihren Parteiaustritt. Von einer Austrittswelle könne aber, so der Vorsitzende des AFB-Stadtverbands, Hans Schulz, keine Rede sein. Vielmehr stoße die angestrebte Zusammenarbeit von AFB und Schill-Partei auf große Zustimmung in der Bevölkerung.



Zielstrebig

Der Marsch durch die Institutionen zahlt sich auch für Heidi Knake-Werner mehr und mehr aus: Die Berliner PDS nominiert die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der PDS-Bundestagsfraktion heute für den Posten der Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz im künftigen "rot-roten" Senat - das Frauenressort war bereits an die Senatorin Gregor Gysi (gleichfalls PDS) vergeben.

In den siebziger und achtziger Jahren agierte die nach eigenen Angaben "Alt-68erin" Knake-Werner zunächst in Oldenburg, später dann in Bremen: Von 1970 bis 1981 als (Multi-)Funktionärin und Stadträtin der Oldenburger SPD, danach wechselte sie zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Auch dort blieb sie politisch-programmatisch dem Sozialdemokratismus verpflichtet. Ende der achtziger Jahre war Knake-Werner im Bezirk Bremen/Niedersachsen-Nordwest wie bundesweit eine der zentralen Figuren des sogenannten Erneuerungsflügels der DKP, um dann ab 1989 aber nicht wie der Großteil dessen AnhängerInnen zu privatisieren, der SPD oder den Grünen beizutreten beziehungsweise noch weiter rechts zu landen, sondern wenig später in die PDS überzuwechseln.

Während Gemahl Harald, gleichfalls prominenter DPK-"Erneuerer", sich fortan der Kleinarbeit als PDS-Stadtteilbeirat widmete, setzte Heidi zum großen Sprung an. Wenngleich sich die promovierte Diplom-Sozialwirtin zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Bremen und Oldenburg verdingen mußte, denn der (allerdings miserabel bezahlte) Job als Hauptamtliche beim DKP-Bezirksvorstand in der Contrescarpe war natürlich perdu. Doch die PDS, bestrebt, nicht als "Regionalpartei Ost" zu enden, braucht(e) zumindest einigermaßen bekannte BRD-Linke für die geplante Ausdehnung nach Westen und zeigte sich daher gewillt, diese mit Pöstchen und Mandaten auszustatten - und über die Landeslisten in der ehemaligen DDR abzusichern.

Bei den Wahlen 1994 kandidierte Knake-Werner im Wahlkreis Aschersleben, holte zwar kein Direktmandat, ihr Einzug in den Bundestag war aber über die PDS-Landesliste Sachsen-Anhalt garantiert. Nun wurden keine kleinen Brötchen mehr gebacken, wenngleich der Karrieristin bei der Vergabe der Posten weniger ihr unbedingter Machtwille als vielmehr das Etikett "Herkunftsgebiet: West" zur Wahl als stellvertretende Gruppenvorsitzende (die PDS hatte noch keine Fraktionsstärke im Bundestag) verholfen haben dürfte. Beim Wiedereinzug in den Bundestag 1998 wurde Knake-Werner dann zur stellvertretenden PDS-Fraktionsvorsitzenden gewählt, seit 2000 ist sie Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion.



14. Januar



Hairausfall

Zwar zeichnet sich mit dem heute verkündeten Ausstieg der KPS-Gruppe aus der Hair-Betreibergesellschaft das unmittelbar bevorstehende Aus für das Musical ab, doch Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) gibt sich nach wie vor bereit, über 350.000 Euro Staatsknete locker zu machen. Bedingung sei indes, daß "Hair" mindestens noch bis zum 31. März laufe. Aber dazu wird es nicht kommen, denn außer FreikartenbesitzerInnen und etwa ProvinzlerInnen aus Ostfries- oder dem Münsterland wollten schon seit dessen Start im vergangenen September nur wenige Gäste den Aufführungen beiwohnen.

Für Klaus-Peter Schulenberg, geschäftsführender Gesellschafter der KPS-Gruppe (dazu gehören unter anderem auch der Weser Report, die AbisZ sowie die KPS Messe und Ausstellungs GmbH), ging es beim Musical aber wohl um etwas ganz anderes. Als einer der größten Konzertveranstalter (KPS Programme Schulenberg GmbH & Co. KG) war er am Kauf des stadteigenen Ticket-Service-Centers (TSC) interessiert. Und konnte das über seine CTS Eventim AG weit unter Wert - zum Spottpreis von 1,365 Millionen Mark - kaufen. Im Gegenzug mußte er allerdings ins Musical einsteigen, dazu verpflichtete ihn der Vertrag mit der städtischen Hanseatischen Veranstaltungs-Gesellschaft (HVG). Dann ging es da noch um ein Sahnegrundstück an der Contrescarpe, wo KPS -gegenüber dem Maroitt-Hotel - seine künftige Firmenzentrale errichten will, wenngleich dies nicht Bestandteil des komplizierten Vertragswerkes war. Für 5,5 Millionen Mark erhielt Schulenberg schließlich den Zuschlag für den Grundstückskauf.

Während Schulenburg nun vom "Verkauf" seiner "Hair"-Anteile - über die Tochter Hanseatische Musiktheater Beteiligungsgesellschaft mbh (HMG) der KPS Programme Schulenberg GmbH & Co. KG war er hier zu 51 Prozent beteiligt - an den Mitgesellschafter Korn-Arend-Gruppe spricht, gehen InsiderInnen davon aus, daß er eher einiges dazubezahlt hat, um das Pleiteprojekt endlich loszuwerden. Denn die absehbare Insolvenz des Musicals hätte den Kurs der börsennotierten CTS Eventim AG wohl noch weiter nach unten gedrückt.

Wenngleich KPS seine vertraglich zugesicherte Ausstiegsoption nutzen konnte - die Stadt hingegen muß noch bis ins Jahr 2018 jährlich 2,25 Millionen Euro an den Vermieter des Musicaltheaters zahlen. Dies wurde dem Bauherrn zugesichert, obwohl schon der "Hair"-Vorgänger "Jekyll & Hyde" ein Flop war.

Am 25. Januar beantragt die (verbliebene) "Hair"-Betreibergesellschaft beim Amtsgericht die sogenannte Insolvenzprüfung - ein deutlicher Hinweis darauf, daß sie pleite ist.



15. Januar



Einschüchterungsversuch

Knapp einhundert Männer und Frauen demonstrieren am Morgen vor dem Rathaus, wo derweil der Senat tagt, gegen die geplante Deportation von rund 500 in Bremen lebenden kurdischen LibanesInnen in die Türkei. Die AntirassistInnen werden dabei auch von Beamten des Staatsschutzes der Kriminalpolizei beobachtet, die meinen, dabei zwei Personen wiederzuerkennen, die vor einer Woche mit der Blockade des Buntentorsteinwegs die geplante Abschiebung der Familie El-Zein verhindert hatten. Mit Hilfe des nach etwa einer Stunde eingetroffenen massiven Polizeiaufgebots werden die beiden aus der Menge gezogen, um ihre Personalien festzustellen. Nach Polizeiangaben laufen Ermittlungsverfahren, konkrete Tatvorwürfe werden jedoch nicht benannt.

Vermutlich gibt es wegen der Buntentorsteinwegblockade noch weitere Ermittlungsverfahren. Denn inzwischen ist bekannt geworden, daß die Polizei von einem dort anwesenden Team einer privaten Fernsehgesellschaft Filmmaterial über die Aktion erhalten hat. Eine durchaus übliche Praxis: Private Teams erhalten Insidertips von der Polizei über deren Vorhaben und revanchieren sich dafür mit der Weitergabe eigenen Materials, daß die Büttel dann auswerten können. Aufgeflogen war die Sache am Morgen des 8. Januar nur deshalb, weil der zuständige Polizeibeamte den falschen Kameramann, nämlich einen von Buten & Binnen ansprach, der dann die Sache auch noch öffentlich machte.

Doch das ist alles rechtens. Dem Datenschutzausschuß der Bürgerschaft erklärt Polizeipräsident Mordhorst Mitte Februar, daß man nunmehr einen richterlichen Beschluß habe, die vorliegenden Bilder der privaten Fernsehgesellschaft Television Aktuell (TVA) als Beweismaterial hinzuziehen zu können. Mordhorst bestreit indes einen Deal, vielmehr habe das TVA-Team der Polizei die Bilder ohne Gegenleistungen zu verlangen angeboten.

Ganz anders Andreas Aussem von TVA gegenüber der taz Bremen: "Die wollten wissen, wer alles mit dabei war." Und: "Ich mache denen immer Prints fertig." Nach dem Prinzip "eine Hand wäscht die andere" erhalte er dafür telefonisch von Polizei und Feuerwehr "mal 'n Tip". Ähnlich Gerrit Schröder, Kameramann bei der Hamburger Produktionsfirma Radio-Tele-Commercial (RTC). Auch er war schon kooperativ bei polizeilichen Anfragen, "wenn ihr die Gesichter close habt". Denn anders als die Polizeikameras liefern die professionellen Beta-Kameras der privaten Firmen mit ihren leistungsfähigen Scheinwerfen auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen gute Bilder.



16. Januar



Böse Homepage

Kuno Böse hat jetzt auch 'ne Homepage (www.bremen.de/innensenator). Doch, nicht zu früh gefreut, spannende, weil interne Informationen gibt es hier nicht. Statt dessen das übliche Angebot: ein Grußwort ("Herzlich Willkomen"), ein Lebenslauf (wir wissen es besser; vgl. kassiber 48, März 2002, S. 20ff), aktuelle Meldungen, diverse Gesetzestexte und Verordnungen zum Herunterladen, eine Link-Liste zu den Behörden in den Bereichen Inneres, Kultur und Sport, noch eine zu allen Innenministerien aus Bund und Ländern sowie das Kapitel "Innenministerkonferenz", denn Böse ist dieses Jahr quasi Chef aller Innenminister und -senatoren. Und für die FreundInnen des schlechten Geschmacks noch die Rubrik "Mit dem Senator unterwegs". Hier gibt es Fotos zum Totschmeißen: Böse mit PolizeischülerInnen, Böse mit TürkInnen (deutschfreundlich), Böse mit Feuerwehrmännern, Böse mit Hund, Böse mit Schill ...



17. Januar



Immunität verloren

Eigentlich ist Mario Käse ja immer noch ein Linker, so vom Herzen her. Und Mitte November gehörte der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und Fraktionsvorstand sogar zu den UnterzeichnerInnen eines Aufrufs für eine hiesige Anti-Kriegskundgebung, mit der gegen den bevorstehenden Bundestagsentscheid über die Entsendung von 3.900 SoldatInnen in den "Anti-Terror-Krieg" protestiert wurde. Doch zweifelsohne wird die Parteikarriere des 35jährigen dort enden, wo sie bei allen anderen auch endete, die "links unten" in die Sozialdemokratie einstiegen. Daran werden auch einige Jugendsünden nichts ändern.

Heute jedenfalls hebt der Geschäftsordnungs- und Verfassungsausschuß der Bürgerschaft die Immunität des Abgeordneten Mario Käse auf. Die Staatsanwaltschaft will ihm nämlich an den Kragen und vor dem Amtsgericht den Prozeß wegen "Untreue" machen. Denn Mario Käse gehörte von 1994 bis 1996 dem Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) der Universität Bremen an, war zwischenzeitlich auch dessen Vorsitzender und sei deshalb dafür verantwortlich, daß damals - angeblich unerlaubterweise - studentische Gelder in die allgemeinpolitische Arbeit geflossen seien. 88.000 Mark habe der AStA unter anderem für den Druck der "Bambule" sowie der "Red Flex" ausgegeben, Mario Käse soll sich durch seine Billigung dieser Ausgaben der "Untreue" schuldig gemacht haben.

Doch bis 1996 war die Rechtslage noch alles andere als klar. Erst im November 1997 verbot das hiesige Oberverwaltungsgericht, geklagt hatten rechte Studenten, dem AStA und seinen Arbeitskreisen "politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen zu verlautbaren, die nicht spezifisch und unmittelbar auf die Aufgaben der Hochschule oder auf die Interessen der Studenten bezogen sind". Verboten war es dem AStA damit auch "politische Bestrebungen, die [diese] Begrenzungen ... nicht einhalten, durch Zahlungen einschließlich Kostenerstattung an Personen ... oder Organisationen zu unterstützen". Bei Zuwiderhandlung drohte ab sofort ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 Mark. (vgl. kassiber 34, Februar 1998, S. 8)

Doch noch Ende September 1997 hatte das Verwaltungsgericht Bremen die Ansicht vertreten, "daß der Übergang zwischen hochschulpolitischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen fließend" und dem AStA "bei der Behandlung hochschulpolitischer Themen auch ein Brückenschlag zu allgemeinpolitischen Angelegenheiten" erlaubt sei.



20. Januar



Aufenthaltsrecht aberkannt

Da sage noch eine/r, Aktionen wie Revolutionen könnten frühestens am Nachmittag stattfinden, weil vorher kaum eine/r der Szene-AktivistInnen aus dem Bett kommt. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von knapp zwei Wochen stehen rund 200 AntirassistInnen im Morgengrauen auf der Matte, diesmal als "Abschiebebehörde" des Stadtamts, um Bürgermeister "El Sharif alias Henning Scherf" nach Nicaragua zu deportieren. Um viertel vor sieben wird "El Sharif", dem laut Ausweisungsbescheid "unwiderruflich das Aufenthaltsrecht aberkannt" wurde, lautstark aufgefordert, sich "in 15 Minuten ausreisefertig vor [seiner] Unterkunft in der Rembertistraße 71 einzufinden". Immerhin verzichtet diese Abschiebebehörde darauf, sich mit Gewalt Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, um den Betroffenen festzunehmen. Als nach dreimaligem Verlesen des Bescheids (Dokumentation in kassiber 48, März 2002, S. 15) der Delinquent nebst Gemahlin immer noch nicht erscheint, ziehen die AktivistInnen von dannen.



21. Januar



Despektierliches

Bremens Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Hilde Adolf (SPD), die am 16. Januar starb, war ein "wunderbarer Mensch". Das lehrt uns der offizielle Nachruf der Senatskanzlei wie auch andere zur heutigen Trauerfeier dargebrachte Beiträge: "Ihre Herzlichkeit und ihr soziales Engagement haben nachhaltige Spuren in unserem Leben ... hinterlassen. Ihre politische und menschliche Integrität, ihre Bürgernähe und Aufrichtigkeit waren vorbildlich." So führte ihr "großes politischen Anliegen ..., die Lebenssituation von benachteiligten Menschen zu bessern, ... Menschen aus der Sozialhilfe zu herauszuhelfen", soll heißen: die Umorganisation der Sozialämter, unter anderem dazu, daß immer mehr "Arbeitsscheuen" die Sozialhilfe (fast) komplett gestrichen wurde und daß Drangsalierungen und Repressionen für alle SozialhilfeempfängerInnen durch die dortigen SachbearbeiterInnen ein nie dagewesenes Ausmaß erreichten.



23. Januar



Arbeitsamts-Razzien (IV)

Bei der Durchsuchung eines italienischen Restaurants in Hemelingen nehmen FahnderInnen des Arbeitsamtes und der Polizei zwei polnische Beschäftigte fest. Die beiden Männer, die weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis haben, werden in den nächsten Tagen abgeschoben.



24. Januar



Weitere Warnstreiks

Nach den KollegInnen im Bremer Westen treten jetzt auch rund 60 angestellte LehrerInnen in elf Schulen im Osten in einen mehrstündigen Warnstreik, um ihrer Forderung nach Gleichstellung mit den verbeamteten LehrerInnen Nachdruck zu verleihen (s. 28. November).

Am 8. Februar wird auch an 14 Schulen in Bremen-Nord gestreikt, hier beteiligen sich rund 80 PaukerInnen.



Zurückgeschickt



Zwei "blinde Passagiere" aus Marokko, die mit dem Kühlschiff "Green Freezer" in Bremerhaven ankommen, werden von den Behörden mit dem Schiff wieder nach Casablanca zurückgeschickt. Die beiden 26 und 37 Jahre alten Flüchtlinge, die sich auf dem Schiff versteckt hatten, waren von der Besatzung bereits auf der Hinfahrt entdeckt und festgenommen worden.



26. Januar



Verführter Krieger?

Ein 19jähriger Bremer ist laut einem vorab veröffentlichten Bericht des Spiegel von US-Truppen in Afghanistan festgenommen worden und soll in das Gefangenenlager auf dem US-amerikanischen Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba gebracht werden. Gegen den mutmaßlichen Taliban-Kämpfer und drei andere Männer läuft in Bremen bereits seit Oktober ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der "Unterstützung einer kriminellen Vereinigung" (s. 5. Januar). Staatsanwalt Picard gibt aufgrund des Spiegel-Artikels das Ermittlungsverfahren an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ab.

Presse, Funk und Fernsehen liefern uns in den nächsten Tagen einen lückenlosen Lebenslauf des jungen Mannes - immerhin ist er der einzige bekanntgewordene Muslim aus Deutschland, der verdächtigt wird, sich den Taliban anschließen zu wollen. Da darf sich dann jede/r ausbreiten, dem oder der Murat K. in den letzten Jahren einmal über den Weg gelaufen ist. So soll sich der frühere "ganz normale Teenager" vor einigen Jahren dem Islam zugewandt haben und die vormals in Discos und auf Partys vergeudete Zeit dann in den Gebetsräumen verschiedener Moscheen zugebracht haben. Die zur "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" gehörenden Kuba-Moschee in Hemelingen jedenfalls dementiert schon einmal vorsichtshalber. Zwar habe der in der Nähe wohnende Murat K. dort schon ein paar Mal gebetet, doch gehörten weder er noch seine Familie der Gemeinde an. Und schon "vor ein paar Monaten" habe man dem 19jährigen zu verstehen gegeben, daß er sich dort "nicht so oft sehen lassen" solle. Auch die Abu-Bakr-Moschee am Breitenweg kann nicht verhehlen, daß Murat K. dort betete, allerdings stände jede Moschee zu den Gebetszeiten allen Menschen offen. Aber auf gar keinen Fall sei er, wie in einigen Medien behauptet, von einem dortigen Vorbeter indoktriniert worden.

Unterdessen berichtet die Familie des 19jährigen davon, daß sich bei ihr ein unbekannter Anrufer aus Pakistan gemeldet habe. Demnach sei Murat K. nicht als Taliban-Kämpfer in Afghanistan, sondern bereits bei seiner Ankunft mit dem Flugzeug, und zwar in Pakistan, verhaftet worden.



29. Januar



Abgespeckt

Jetzt ist auch den BremerInnen klar geworden, daß sie, sollten die olympischen Sommerspiele 2012 an Hamburg vergeben werden, sich davon allenfalls ein dünnes Scheibchen abschneiden dürfen. Der "Olympiade Dome" mit einem Fassungsvermögen von 20.000 ZuschauerInnen ist gestrichen, statt dessen dient sich die hiesige Arbeitsgruppe aus Behörden und Handelskammer den Hamburgern mit der Stadthalle und der Messehalle 5 für die Austragung von Volleyball- und Tischtenniswettbewerben sowie dem Weserstadion für einige Fußballspiele an.



31. Januar



Mangelhafter Jugendknast

Das Jugendschöffengericht verurteilt einen 16jährigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 20 Monaten Haft ohne Bewährung. Allerdings muß der Jugendliche die Strafe derzeit nicht antreten, denn, so das Gericht, der Bremer Jugendknast könne seinen "Erziehungsauftrag" nicht erfüllen. Der 16jährige sitzt nämlich derzeit schon wegen einer früheren Verurteilung im Jugendknast, doch geht er bereits seit Mitte Oktober nicht mehr zur dortigen Schule. Aber der Delinquent sei schulpflichtig, deshalb habe der Knast die gesetzliche Pflicht, ihn zu unterrichten. Während die Knastleitung über Lehrermangel und die "Nichtbeschulbarkeit" des 16jährigen aufgrund dessen "niedriger Intelligenz" lamentiert, kommt das Jugendschöffengericht zur Auffassung, daß "auch sonstige erzieherische Maßnahmen ... aufgrund der völlig unzureichenden personellen Ausstattung der Jugendvollzugsanstalt nicht mehr stattzufinden" scheinen.

Ein Skandalurteil, finden die Innenpolitiker von SPD und CDU, denn solche gemeingefährlichen Täter gehörten eingesperrt. Daß solchen Leuten wie dem 16jährigen ohnehin nicht zu helfen und daher Knast die einzige Lösung sei, findet auch Justizstaatsrat Meurer (SPD). Skandal, Skandal, schallt es daraufhin aus Richtung der in der Gewerkschaft ver.di organisierten RichterInnen und StaatsanwältInnen ob der Kollegenschelte. Schließlich kritisiere das Urteil nur "Mängel, die seit langem bekannt sind". Und überhaupt, fügen andere hinzu, würden im Jugendknast die Gefangenen viel zu oft in ihre Zellen eingesperrt und sich selbst überlassen.

Nach Angaben des Justizressorts vom 12. Februar sitzen derzeit im Jugendknast 104 Strafgefangene sowie 32 Untersuchungsgefangene. Hiervon sind neun Untersuchungs- und 24 Strafgefangene unter 18 Jahren.



3. Februar



Gedenken

Mit der alljährlichen, von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) organisierten und von zahlreichen Gruppen und Parteien unterstützten Veranstaltung am Denkmal auf dem Waller Friedhof gedenken einige Dutzend Männer und Frauen den Verteidigern der Bremer Räterepublik im Februar 1919.



4. Februar



Einspruch einlegen

Diejenigen, die nicht möchten, daß das Stadtamt für die Bundestagswahl am 22. September ihre Daten an Parteien weitergibt, sollten dagegen Einspruch einlegen. Ansonsten gibt die Meldebehörde in den sechs Monaten vor der Wahl den Parteien etc. Auskunft aus dem Melderegister über Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften von Gruppen von Wahlberechtigten, für deren Zusammensetzung das Lebensalter der Betroffenen bestimmend ist. Einsprüche gegen die Auskunftserteilung können schriftlich beim Stadtamt, Zentrale Meldebehörde, Postfach 10 78 49, 28078 Bremen, oder bei jeder Meldestelle eingereicht werden. Wenn das einmal gemacht wurde, gilt dies bis auf Widerruf.



5. Februar



Abschiebung in die Türkei

Gegen sechs Uhr morgens wird die kurdisch-libanesische Familie El-Zein, begleitet von diversen PolizistInnen und HundeführerInnen, von Hannover aus in die Türkei abgeschoben: mit 20 Kilogramm Gepäck pro Person und ein wenig Bargeld. Der Rest wurde gepfändet, denn Flüchtlinge müssen nach den hiesigen Gesetzen die Kosten für ihre Deportation selbst tragen. Nach monatelangen Drangsalierungen hatten die El-Zeins der Abschiebung schließlich "freiwillig" zugestimmt, der zuvor vorgesehene Termin - der 8. Januar - konnte von AntirassistInnen durch eine Blockade des Buntentorsteinwegs vor dem Wohnhaus der Familie verhindert werden. Doch schon vor vier Wochen saß einer der Söhne in Abschiebehaft, seine Mutter mußte nach einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus behandelt werden; währenddessen konnte der Vater mit sieben Kindern vorübergehend abtauchen. Am 25. Januar wurden auch der Vater sowie ein 16jähriger Sohn verhaftet und in den Abschiebeknast im Polizeipräsidium verbracht, vier andere Kinder tauchten wieder auf, nur noch der 19jährige Serag blieb im Versteck; ein volljähriger Sohn war da bereits abgeschoben worden. Zwar wurde dann am 30. Januar der 15jährige Abdulkadir, der am 21. Januar verhaftet worden war, aus der Abschiebehaft entlassen, doch wohl nur, weil die Familie inzwischen ihrer Abschiebung zugestimmt hatte.

Die Verhaftung eines 15jährigen hatte den demokratischen Protest noch einmal herausgefordert. Doch daß alles seine Richtigkeit hatte, findet nicht nur Innensenator Kuno Böse, sondern auch das Landgericht. Abdulkadir mußte nämlich vorgeworfen werden, daß er aufgrund der drohenden Abschiebung untergetaucht war. Ein grundsätzliches Verbot, bei Jugendlichen Abschiebehaft anzuordnen gebe es aber nicht. Grund für die Entlassung habe nur die Änderung der Verhältnisse seit seiner Inhaftierung gegeben, daß nämlich inzwischen auch der Vater und ein Bruder inhaftiert wurden und sie der Abschiebung zugestimmt hätten.



6. Februar



Böses Ende

Ein schnelles Ende findet eine VHS-Veranstaltung in der Kunsthalle. Die Volkshochschule (VHS) hatte für die Auftaktveranstaltung der Veranstaltungsreihe "Leben mit vielen Kulturen. Miteinander leben - voneinander lernen" dorthin die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU) geladen. Doch während die vehemente Kriegstreiberin (Jugoslawien, Kosovo, Afghanistan) rund zehn Minuten ungestört reden kann, wird der rassistische Hetzer von rund 250 Gästen gnadenlos ausgepfiffen. Woraufhin die Veranstaltung abgebrochen wird und die StörerInnen per Demonstration von dannen ziehen.



16. Februar


Haus besetzt

Ein paar Dutzend AktivistInnen besetzen die seit längerer Zeit leerstehende Villa in der Parkallee 5, um sie wieder als Wohnraum zu nutzen. Die Eigentumsfrage des Gebäudes scheint derzeit ungeklärt, vielleicht gehört es noch dem bisherigen Eigentümer, vielleicht auch schon der Weser-Wohnbau GmbH &Co. KG, die das Haus abreißen und dort ein profitableres Bürogebäude errichten will. Wie in solchen Fällen üblich, ist die Bude von innen total verwüstet, die sanitären Anlagen kaputtgeschlagen, Treppen und Fußböden herausgerissen, vor allem, um zu verhindern, daß sich Obdachlose oder Junkies einquartieren.

Nicht eben gute Voraussetzungen für die neuen BewohnerInnen - doch die Erfahrungen der weltweiten SquatterInnen-Kämpfe lehren uns, daß es ganz schlau ist, vorher einmal einen Blick ins Objekt zu werfen. Das Kollektiv ist sich indes gewiß, mit der Besetzung trotzdem "einen Schritt in die richtige Richtung getan" zu haben: "Wir schaffen uns die Möglichkeit, unser Leben, unseren Alltag wieder ein Stück weit nach unseren Bedürfnissen und Interessen zu gestalten, anstatt im Sinne des Systems einfach nur zu funktionieren."

Die Staatsgewalt zeigt sich wider Erwarten nur mäßig interessiert am Geschehen, nach einigen Stunden ziehen die Mannschaftswagen unverrichteterdinge wieder ab. Die BesetzerInnen wollen nun sofort versuchen, mit dem Eigentümer über eine Nutzung des Hauses zu verhandeln, außerdem damit anfangen, die Schäden im Haus zu beheben, um es wieder bewohnbar zu machen.



Schill OUT in Oldenburg

In Oldenburg versuchen etwa 120 Männer und Frauen die dortige Gründungsveranstaltung für einen Ableger der Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO), besser bekannt als Schill-Partei, zu verhindern. Allerdings gelingt es nur wenigen, in den Saal zu kommen, um die Veranstaltung (rund 80 TeilnehmerInnen) effektiv zu stören. Draußen wird von der Polizei ein für Oldenburg ungewöhnlich eskalierendes Konzept gefahren. Ein massives Polizeiaufgebot riegelt den Veranstaltungsort ab und versucht, GegendemonstratInnen in Kesseln festzusetzen. Mindestens zehn AktivistInnen werden im Laufe der Proteste festgenommen. Bei einer anschließenden spontanen Solidaritätsdemonstration zum Knast werden weitere Personen durch das Beweissicherungs- und Festnahme-Kommando unter Schlagstockeinsatz gezielt aus der Menge zu verhaftet.



18. Februar



Autonome - find ich gut!

Im Grunde genommen sind Autonome auch ganz liebe Menschen: Sie pflegen den Garten, fegen die Straße, reparieren rotte Häuser und setzen sich für den Denkmalschutz ein. Dieses Bild zumindest zeichnet die gesamte Lokalpresse, ob Bild, Weser-Kurier oder taz, genauso wie private und öffentliche Fernseh- und Rundfunkstationen. Die Journaille gibt sich im besetzten Haus in der Parkallee Nummer 5 die Klinke in die Hand und wird dort mit entsprechenden Informationen gefüttert - von politischen Erwägungen in Sachen Hausbesetzung will sie nichts wissen (und berichten). Derweil ist ein anderer Teil der BesetzerInnen bemüht, Verhandlungen mit dem oder der Eigentümerin über eine legale Nutzung des Gebäudes zu führen. Und ist dabei wohl mit der Weser-Wohnbau am Osterdeich an die falsche Adresse geraten. Denn die hatte zwar den Kaufpreis einen Tag bevor das Haus besetzt wurde an den bisherigen Eigentümer, Bauingenieur Horst Plebusch aus Vollersode, auf ein Notaranderkonto überwiesen, doch soll das Geld vorerst dort bleiben. Schließlich gäbe es ja, so Weser-Wohnbau-Geschäftsführer Manfred Zimmermann, einen "Vertrag über die mieter- und nutzerfreie Übergabe des Gebäudes". Der BesetzerInnendelegation wird daher ein Gespräch verweigert und statt dessen beschieden, daß die "Initiative zur Übernahme und Nutzung unseres Baugrundstückes ... nicht gebilligt und ... nicht geduldet" wird. Denn das Gebäude sei "unbewohnbar", außerdem habe sich die Weser-Wohnbau "verpflichtet, das Grundstück zur Errichtung einer Schulungseinrichtung abzugeben. Für die weitere Nutzung besteht kein vertraglicher Freiraum."

Doch die BesetzerInnen betonen, mittlerweile Strom, Wasser und Heizung provisorisch eingerichtet zu haben, außerdem gäbe es dort wieder Fußböden. "Wir befinden uns weiterhin im Ausbau und erfreuen uns über die zahlreiche Unterstützung von außen." Gefordert wird eine genaue Informationen über die bisherige Planung bezüglich des Hauses, Verhandlungen mit allen Verantwortlichen, die an den Vereinbarungen über dieses Haus und Grundstück beteiligt sind sowie ein unbefristeter Nutzungsvertrag. Der Bremer Senat wird darüber hinaus aufgefordert, sich für das Projekt und gegen den Abriß einzusetzen, in Bremen keinen weiteren Abriß von Altbauten zu genehmigen und das Denkmalschutzgesetz nicht weiter zu verwässern, die "profitorientierte Kahlschlagsanierung" sowie die "Verschandelung des Bremer Stadtbildes" einzustellen sowie die Kürzungen im Jugend-, Sozial-, und Kulturbereich zurückzunehmen.

Am 20. Februar setzt Horst Plebusch den BesetzerInnen über seine Anwälte eine Frist, das Haus bis 17 Uhr freiwillig zu verlassen. Weil die das Ultimatum verstreichen lassen, wird Strafanzeige gestellt.



20. Februar



"Kurdenprozeß" wird neu aufgerollt

Der Prozeß um die Tötung von Sherif Alpsozman und Ayse Disim in der Nacht zum 24. August 1999 in der Nähe des U-Boot-Bunkers "Valentin" in Farge wird neu aufgerollt. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gibt nämlich der Revision der Bremer Staatsanwaltschaft gegen das Urteil vom 4. April 2001 statt (vgl. kassiber 46, Juli 2001, S. 10f). Politstaatsanwalt Uwe Picard hatte damals für eine Verurteilung der drei Haupttäter wegen Mordes plädiert, das Schwurgericht die Angeklagten aber "nur" wegen Totschlags zu Haftstrafen von 13 beziehungsweise 15 Jahren (sowie einen mutmaßlichen PKK-Funktionär wegen Beihilfe zu neun Jahren) verurteilt.



Schill- schluckt Statt-Partei

Auf ihrer Mitgliederversammlung löst sich die Bremer Statt-Partei auf. 50 der 54 bisherigen Mitglieder erklären danach ihren Eintritt in die Partei Rechtsstaatliche Offensive. Die Schill-Partei will bis zum Sommer hier in Bremen einen eigenen Landesverband gründen, dafür muß aber zunächst noch die Satzung geändert werden. Als "kommissarischer Koordinator" ist dafür der bisherige Vorsitzende der Statt-Partei, der 31jährige Polizeibeamte Jan Timke, eingesetzt worden. Bisher habe die Schill-Partei in Bremen 110 Mitglieder, aber es lägen noch 70 weitere Aufnahmeanträge vor.



21. Februar



Vereinte Kräfte

Der Kampf gegen die "Schwarzarbeit", also vor allem gegen hierzulande arbeitende Menschen aus anderen Ländern, die dafür keine Arbeitserlaubnis erhalten, sowie deutsche SozialschmarotzerInnen erreicht, glauben wir den offiziellen Verlautbarungen der Innen- sowie der Arbeits- und Sozialbehörde, am 1. März eine neue Qualitätsstufe. Denn dann tritt die heute vorgestellte Gemeinsame Ermittlungsgruppe Arbeit (GEA) zur "ressortübergreifenden Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit" ihren Dienst an. Der gehören zunächst zehn BeamtInnen der Kriminalpolizei sowie vier BeamtInnen aus den Ressorts Arbeit, Wirtschaft und Finanzen an. Künftig soll die in der Stephanitorwache stationierte GEA mit allen "zuständigen Behörden", von der Polizei- über Finanz-, Steuer-, Zoll-, Sozial- und Ordnungsbehörden bis zum Arbeitsamt sowie Institutionen wie Handwerkskammer, Innungen und Bauaufsichten, "gezielt und eng zusammenarbeiten", so Innensenator Kuno Böse.

Während die GEA vor allem für Straftaten zuständig sei, konzentriere sich die EG Schwarzarbeit des Stadtamtes weiterhin auf "alle Erscheinungsformen der Schwarzarbeit im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts" (Verheimlichung/Nichtmitteilung von selbständigen und unselbständigen Tätigkeiten gegenüber Behörden, unerlaubte Werbung/Ausführung für bzw. von selbständigen handwerklichen Tätigkeiten). Geplant sei, die EG Schwarzarbeit in die GEA zu integrieren.



Härtefallkommission abgelehnt

Die Bürgerschaft lehnt mit den Stimmen der Großen Koalition den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Einrichtung einer Härtefallkommission im Ausländerrecht ab. Solche Kommissionen, die mit VertreterInnen von Behörden und unabhängigen Organisationen besetzt sind, gibt es bereits in vier Bundesländern. Sie geben auf Antrag Empfehlungen an die Ausländerbehörden in konkreten "Härtefällen" ab, zum Beispiel doch eine Duldung oder eine andere Aufenthaltsberechtigung zu gewähren. Innensenator Kuno Böse (CDU) hatte in der Debatte zuvor betont, mit einer solchen Kommission bereits in seiner Berliner Zeit schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Überhaupt nutze die Ausländerbehörde auch heute schon ihr "Ermessen zugunsten des Ausländers".



Schulvermeidung

Die GesamtschülerInnenvertretung (GSV) protestiert gegen das Vorhaben des Senats, noch ab diesem Jahr die unentschuldigten Fehlzeiten in den Zeugnissen der Bremer SchülerInnen festzuhalten. Damit soll nach Angaben der Bildungsbehörde auf die hohen "Schulvermeidungszahlen" - die nennt das wirklich so - reagiert werden. Die GSV will aber nicht, daß mehr Druck auf die SchülerInnen ausgeübt wird, denn die schwänzten aus unterschiedlichen Gründen die Schule: zu großer Leistungsdruck, Probleme in der Schule, zu Hause oder im Freundeskreis. Um denen entgegenzuwirken brauche es allerdings andere Maßnahmen als eine "Fehlzeitenstatistik" im Zeugnis. Außerdem müsse die Schule "attraktiver und qualitativ besser werden", damit diese SchülerInnen wieder "Lust an der Schule" entwickeln könnten.



22. Februar



Lauschangriff

328 Telefone wurden in 67 polizeilichen Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr mit richterlicher Genehmigung abgehört. Damit hat sich die Zahl der Abhörmaßnahmen im Vergleich zum Jahr 2000 mehr als verdoppelt, im Vergleich zu 1999 sogar mehr als vervierfacht. Bremen sei mit diesen Steigerungsraten zwar bundesweiter Spitzenreiter, doch, so der heute dem Datenschutzausschuß berichterstattende Justizbeamte, ist dies "ein bundesweiter Trend".



23. Februar



HausbesetzerInnendemonstration (I)

Rund 100 zumeist ziemlich junge Männer und Frauen protestieren gegen die angedrohte Räumung des besetzten Hauses in der Parkallee 5, denn "bunte Häuser, buntes Leben sollte es viel öfter geben". Die Demonstration zieht vom Ziegenmarkt durch die Innenstadt bis vor das besetzte Haus.



25. Februar



Sicherheitsverwahrung wird ausgebaut

Bundesweit werden immer mehr StraftäterInnen, die wegen einer psychischen Erkrankung vermindert oder nicht schuldfähig seien, per Gerichtsbeschluß in die "Sicherheitsverwahrung" gesteckt. Die dafür zuständigen knastähnlichen Anstalten platzen daher aus allen Nähten. So auch die Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Zentralkrankenhauses Bremen-Ost. Die dortigen 56 Plätze für "psychisch Kranke" und DrogengebraucherInnen seien bereits jetzt mit 67 "Patienten" überbelegt, zudem seien bereits elf weitere Personen in anderen psychiatrischen Kliniken des ZKH Bremen-Ost untergebracht worden. Deshalb würden jetzt, so Arnold Knigge (SPD), Staatsrat beim Gesundheitssenator, 20 Forensik-Patienten vorübergehend in einem derzeit nicht genutzten Gebäude auf dem Gelände des Männerknastes in Blockland untergebracht. Die Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie des ZKH Bremen-Ost soll demnächst um 16 weitere Plätze ausgebaut werden. Die letzte Erweiterung liegt erst ein Jahr zurück, bis dahin waren dort nur 49 Plätze vorhanden.



1. März



Besetztes Haus geräumt

Nach knapp zwei Wochen Besetzung wird gegen 7 Uhr das Haus in der Parkallee 5 von der Polizei geräumt. Die kann dort endlich einmal anwenden, was immer wieder geübt wird: Während die Mannen von der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) mit dem Rammbock an der Haustür klopfen, entern Kollegen mit Leitern und Abseilaktionen Balkone und Fenster in den oberen Stockwerken. Rund 20 BesetzerInnen werden vorläufig festgenommen, aber noch am Mittag wieder entlassen. Nach deren Abtransport beginnt ein Bagger mit dem Teilabriß des Gebäudes, das damit nun wirklich unbewohnbar ist.

Innensenator Kuno Böse (CDU) gibt sich erleichtert: "Mit der heutigen Räumung ist klar, daß wir in Bremen keine rechtsfreien Räume dulden." Auch künftig würden Polizei und alle beteiligten Ämter und Behörden "dafür sorgen, daß sich eine Hausbesetzerszene in Bremen nicht etablieren kann".



Willi Leow
 


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kombo(p) - 25.07.2002