kassiber 49 - Mai 2002

Bücher (II)

Vorwärts bis zum nieder mit


Mit dem neuen Plakatbuch "HKS 13: vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen" wurde im Dezember 2001 die Fortsetzung des vor 2 1/2 Jahren erschienenen Buchs "hoch die kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen" herausgebracht. Das Kürzel "HKS 13" steht dabei nicht nur für die Herausgeber der beiden Bücher, sondern auch für das drucktechnisch klassische Offset-Rot, das unzählige Plakate schmückt.

Legte das erste Buch noch den konzeptionellen Schwerpunkt auf Plakate der autonomen Bewegung der 80er und 90er Jahre, reicht die neue Zusammenstellung "plakativer Dokumente" aus der Geschichte linker emanzipatorischer Bewegungen von 1963 bis hin zu neusten Antikriegsplakaten. Mehr als 800 Plakate werden im Buch vorgestellt, insgesamt 8.300 sind in digitalisierter Form auf einer beiliegenden CD-Rom archiviert. Leider funktioniert die Suchmaschine der CD unabhängig ob PC oder MAC einfach nicht. Dafür steht das komplette Plakat-Archiv samt funktionstüchtiger Suchmaschine mittlerweile im Internet (http://plakat.nadir.org).

Die 25 thematisch gemischten Beiträge verschiedener AutorInnen, die in "vorwärts bis zum nieder mit" zusammengestellt sind, arbeiten die Bedeutung des politischen Plakates als Speichermedium von Ereignissen und Entwicklungen linker Bewegungen in Deutschland und einigen anderen Ländern ab. Neben Beiträgen zu den nach Einschätzung der Herausgeber im ersten Buch "vernachlässigten Teilbereichsbewegungen" wird u.a. auf Plakate der Lesben- und Schwulenbewegung, zu Aktionen gegen Sport-Großereignisse und zu Gentechnik eingegangen. Andere Beiträge greifen sich Aspekte heraus, die sie an Plakaten verschiedener Bewegungen reflektieren, so z.B. in "ein plakativer Streifzug durch Gewalt und Militanz", die "Macht und Ohnmacht der Symbole" und im Beitrag zu Antisemitismus in linken Plakaten.

Mit dem professionellen Layout beschäftigt sich "Das gute Plakat" durch illustrative Anregungen zur Plakatgestaltung. Im Artikel "Vor allem antiplakativ" stellt sich die Bremer Siebdruckgruppe blutdruck vor, die seit Januar 2000, damals noch unter dem Namen antiplakativ, die Siebdruckwerkstatt der Jugendinitiative Sielwallhaus e.V. neu belebte. Darüber hinaus sind auch Plakate zu Bewegungen des 21. Jahrhunderts (Krieg, Antiglobalisierung bzw. der damit nötig gewordenen Antirepressionsarbeit) aufgenommen worden.

Eine zeitgeschichtliche Aufarbeitung bieten die Beiträge zu Plakaten der außerparlamentarischen Opposition (APO), der ML-Bewegung (mit dem treffenden Titel "Weimarer Flaschenpost", denn beim Anblick der Plakate meint mensch mehr als 30 Jahre Plakatgeschichte vor sich zu haben) und zu Plakat-Dokumenten im Zusammenhang mit dem bewaffneten Kampf der RAF. Es gibt auch einen Beitrag zu Plakaten der Grünen, der aus heutiger Sicht allerdings bei der Rezensorin wirklich nur das vom Autor in seinen Rechtfertigungsversuchen vorhergesagte Schmunzeln auslöste.

Unter der provokanten Rubrik "Linksradikale Plakatkunst in der Provinz" stehen die Beiträge aus Düsseldorf, Nürnberg und Hannover. Dabei stellen sich AutorInnen des Hannoveraner Beitrags zu Unrecht unter den Scheffel, wenn sie die fehlende Professionalisierung ihrer Plakatherstellung bedauern. Ihre Plakate, z.B. die bekannte Sprengel-Plakat-Serie, brauchen sich trotz Schnippel-Layout mitnichten hinter denen der "BO-Schule" zu verstecken.

Die Widmung des Buches gilt den unbekannten "wilden" PlakatkleberInnen, durch die politische Plakate überhaupt erst ihre Wahrnehmbarkeit in der Öffentlichkeit und ihre Mobilisierungskraft erreichen. Das im Editorial vorgestellte Göttinger Mobilisierungsplakat "smash capitalism - für das ende der gewalt" konnte diese Funktion leider nicht mehr erfüllen: Am 10.9.2001 gedruckt, mußte es einen Tag später unverbreitet wieder eingestampft werden, weil einstürzende Hochhäuser mit dem 11. September eine etwas fragwürdige Aktualität erhalten hatten.

"Vorwärts bis zum nieder mit" - für viele wohl auch eine plakative Zeitreise in die eigene Vergangenheit - ist nicht nur für alle Plakatbegeisterten eine lohnende Anschaffung. Und daß trotz des nicht ganz geringen Kaufpreises dieses Mal kein Hardcover übriggeblieben ist, muß wohl den hohen Entstehungs- und Druckkosten eines solchen Buchprojektes geschuldet werden.


Lena Schwarzkopf


HKS 13: Vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen, Assoziation A, 2001, 288 S., ISBN 3-935936-05-2, 25,50 Euro (http://plakat.nadir.org)
 


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kombo(p) - 25.07.2002