kassiber 46 - Juli 2001

Naziaufmarsch am 23. Juni in Bremen-Vegesack

Dank IS Böse und seiner Polizei können Nazis in Bremen ungestört marschieren


Die Bremer NPD und der "Nationale Widerstand Bremen" versuchen seit 1999, in Bremen Naziaufmärsche zu organisieren.

Der Versuch, am 1. Mai 1999 eine bundesweite Demonstration in Bremen durchzuführen scheiterte am Urteil der Gerichte. Am 1. Mai 1999 gab es in Sebaldsbrück eine große antifaschistische Demo mit über 4000 TeilnehmerInnen, von den Nazis war an diesem Tag nicht viel zu sehen. Dafür waren sie drei Wochen später in Blumenthal. Am 23. Mai 1999 marschierten dort unter dem Protest von AntifaschistInnen ungefähr 80 Nazis. Unterstützt von KameradInnen aus ganz Norddeutschland und beschützt von der Polizei, konnte die damals noch wesentlich kleinere Nazi-Szene aus Bremen sich über ihren ersten regionalen Aufmarsch freuen.

Am 15. Januar 2000 erfolgte dann ein zweiter Aufmarsch mit etwa 100 Nazis, diesmal in Weyhe (10 km südlich von Bremen). Wieder konnte der Aufmarsch stattfinden; es waren deutlich mehr junge Neonazis aus Bremen und Umland dabei als noch vor 8 Monaten in Blumenthal. Etwas länger als 13 Monate dauerte es, bis die regionale Naziszene erneut einen Aufmarsch, diesmal in HB-Vegesack, anmeldete. Die Versuche, den Aufmarsch zu verbieten, scheiterten. So konnten am 17. März 2001 über 100 Nazis auf dem Aumunder Marktplatz zusammenkommen und eine verkürzte Strecke marschieren. Die Bremer Polizei schien an diesem Tag die antifaschistischen Proteste unterschätzt zu haben. So gelang es vielen Menschen, in das Aufmarschgebiet zu sickern, Protest zu äußern, die Straßen kurzzeitig zu blockieren und die FaschistInnen bei der Abfahrt mit Steinen und Flaschen anzugreifen. Die Tendenz, daß zu den Bremer Aufmärschen immer weniger überregionale norddeutsche KameradInnen kommen, setzte sich in Bremen-Nord fort. So war die Stimmung bei antifaschistischen Gruppen auch nicht unbedingt schlecht, als die NPD für den 19. Mai 2001 einen erneuten Aufmarsch für Vegesack anmeldete. Doch aus terminlichen Gründen verschob die NPD den Aufmarsch zweimal. Unter dem Motto "Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre" mobilisierte sie dann für den 23. Juni 2001, 11.00 Uhr, zum Aumunder Marktplatz.


Vorbereitungen für den 23. Juni

In Bremen setzte sich ein Bündnis aus verschiedenen linksradikalen Gruppen zusammen, um ein Konzept für den Tag X vorzubereiten. Parallel dazu setzte sich in Bremen Vegesack ein Runder Tisch "Vegesack gegen Rechts" zusammen. Vom Runden Tisch ist schnell berichtet, daß die Beteiligten aus Parteien (ohne die CDU), Kirchen, DGB und Vereinen es nie in Erwägung zogen, wirklich etwas gegen den Aufmarsch zu unternehmen. Stattdessen wurde auf den Treffen über Autonome und "gewalttätige" AntifaschistInnen geredet, und wie sie am besten zu isolieren seien. Nebenbei wurde noch "Rock gegen Rechts" organisiert, was möglichst viele Jugendliche am 23. Juni an einen Platz weit ab des Naziaufmarsches binden sollte.

Das linksradikale Bündnis diskutierte unterdessen verschiedene Möglichkeiten, den Protest am 23. Juni da anzubringen, wo er hingehört: am Naziaufmarsch.Eine antifaschistische Demo am Tag X wurde verworfen, da die letzte am 17. März nicht effektiv war und von einer Hundertschaft Polizei eingekesselt begleitet wurde. Somit einigte sich das Bündnis auf ein Kleingruppenkonzept. Kleine Gruppen sollten die zu erwartenden Polizeisperren umgehen und im Aufmarschgebiet der Nazis wieder zusammentreffen. Auf dem Veranstaltungsplatz des Bündnisses "Vegesack gegen Rechts" sollte ein linker Infotisch Menschen dazu anhalten, in das Viertel zu gehen wo die Nazis marschierten, und dort Protest zu äußern. Dieses Konzept schien die einzige effektive Möglichkeit vor Ort zu sein.


Der 23. Juni 2001

Bremens neuer Innensenator Kuno Böse hatte im Vorfeld des 23.6. bereits lauthals verkündet, er würde jeglichen Protest gegen den NPD-Aufmarsch im Keim ersticken. Um dies auch umsetzen zu können, befahl er 1600 PolizistInnen aus Bremen und anderen Bundesländern nach Vegesack, damit sie - unterstützt von SEK, Hundestaffeln und Wasserwerfern - einen reibungslosen Ablauf des NPD-Aufmarsches garantieren konnten. Der gesamte Einsatz kostete über eine halbe Millionen Mark. Aus Sicht des IS Böse hat sich dieser Aufwand auch gelohnt.

Zwar waren rund um den Aufmarsch mehrere hundert SchülerInnen, autonome AntifaschistInnen, deutsche und ausländische BürgerInnen unterwegs. Sie sahen sich aber ständigen Angriffen des Staatsapparates ausgeliefert. Unzählige Platzverweise, 28 Festnahmen (zum Teil mit erkennungsdienstlicher Behandlung) und brutale Knüppeleinsätze machten den Protest gegen den faschistischen Mob unmöglich. Einige junge SchülerInnen, die eine kurze Sitzblockade versuchten, wurden von PolizistInnen brutal weggeknüppelt. Ein paar junge Menschen, die ein Transparent an einer Brücke befestigen wollten, wurden unter fadenscheinigen Gründen festgenommen. Eine Sprecherin des Bündnisses autonomer Gruppen in Bremen sagte dazu: "So wie die Polizei heute den Nazis den Weg freigeknüppelt hat, müssen wir leider mit weiteren Naziaufmärschen in Bremen rechnen. Das Polizeikonzept ist doch eine klare Einladung an alle Rechten bundesweit: Kommt nach Bremen, dort können wir ungestört demonstrieren." Beim "Rock gegen Rechts" waren zeitgleich Reden und verschiedene Musikbeiträge zu hören. Allerdings schien das nur wenige Menschen wirklich zu interessieren: Dort waren zeitweise weniger als 100 Menschen anwesend.

Vom NPD-Aufmarsch bleibt zu berichten, daß die Nazis eine reibungslose An- und Abfahrt hatten. Viele PKW's kamen aus Bremen, Bremen-Nord und dem Umland. Die Anzahl norddeutscher KameradInnen war so gering wie noch nie, was auf eine weitere Erstarkung der Bremer Szene hinweist. Vorne begleitet von SEK-Einheiten mit Sturmhauben, Hundertschaften an den Seiten und einem Wasserwerfer im Rücken, zogen die knapp 110 Nazis eine Stunde durch Aumund/Hammersbeck. Es wurden verbotene Parolen gerufen, Reichskriegsflaggen geschwenkt und Solidarität mit den Großvätern aus der Waffen-SS bekundet. Außer Marschmusik wurden auch Lieder wie "Yankees raus" von Slime, "Es geht voran" von Fehlfarben und das Lied: "Oh du schöner Westerwald" gespielt. Nach der Abfahrt aus Bremen-Nord fuhren viele der NPD-lerInnen nach Kirchseelte. Dort fand auf dem Gelände von Robert Warnecke ein "Liederabend" statt, zu dem im Laufe des Abends noch weitere FaschistInnen aus ganz Norddeutschland anreisten. Einige NPD-lerInnen waren von ihrem Aufmarscherfolg so verzückt, daß sie mit ihren Autos im Citybereich und rund um die Bürgerweide mit wehenden NPD-Flaggen umherfuhren.


Und jetzt?

Gespannt dürfen wir darauf sein, wo die Bremer Naziszene ihren nächsten Aufmarsch versucht. Unabhängig davon werden sie weiter an ihrem Netz arbeiten, ihre Strukturen und Kommunikation ausbauen und weitere Kameradschaften aufbauen.

Ob Herr Böse und seine Polizei auf Dauer ihr Konzept von "Null Toleranz" durchziehen können, wird sich ebenfalls beim nächsten Aufmarsch zeigen. Während er und andere auf das NPD-Verbot warten, ziehen die braunen RattenfängerInnen weiter durch Bremen und Umlandgemeinden und ködern neue MitläuferInnen. Davon scheint es in Bremen einige zu geben, manche von ihnen würden sogar gerne eine Bombe legen, um unliebsame GegnerInnen auszulöschen. Soweit darf und wird es nicht kommen! Deshalb muß auch für die Zukunft gelten: Keine Stadt, keine Route, keine Ruhe den Nazis!


Antifaschistische Infogruppe
St.-Pauli-Straße 10/12, 28203 Bremen, Fax: 0421-75682, eMail: aib@antifa-bremen.de


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kombo(p) - 24.10.2001