kassiber 46 - Juli 2001

Verdeckter Ermittler im Göttinger Anti-Atom-Plenum aufgeflogen

Für länger als ein Jahr ist es einem Beamten des LKA Niedersachsen gelungen, als Verdeckter Ermittler im Göttinger Anti-Atom-Plenum (AAP) mitzuarbeiten. Der Verdacht, daß sich hinter Axel John Phillips der in Hannover lebende LKA-Beamte Axel Brinker verbirgt, wurde zum ersten Mal am 11. Januar 2001 geäußert. Danach hielt Phillips alias Brinker noch einige Wochen persönlichen Kontakt mit Personen aus dem AAP, verschwand dann aber aus der Göttinger Szene. Nach einigen Monaten gründlicher Recherche hat sich nun endgültig bestätigt, daß er das AAP und eventuell noch weitere politische Gruppen ausspioniert hat.

Zum ersten Mal war Axel John Phillips im Herbst 1999 in Göttingen aufgetaucht, als er sich Leuten aus dem Anti-Atom-Plenum anschloß und mit zur Stunkparade der WendländerInnen nach Berlin fuhr. Danach begann er, mehr oder weniger regelmäßig im AAP mitzuarbeiten. Axel John Phillips alias Brinker nahm nicht nur an Protesten und an sozialen Events teil, sondern beteiligte sich auch aktiv an der Vorbereitung von Anti-AKW-Aktionen. Im Sommer 2000 tauchte er außerdem ab und zu auf dem Anti-Expo-Plenum auf. Er galt als konstruktiv und hilfsbereit, stellte auch sein Auto und seine Kamera zur Verfügung, und war ansonsten eher unauffällig. Die Identität, die Brinker sich für den Umgang mit der Anti-Atom-Szene konstruiert hatte, wirkte authentisch; er machte den Eindruck einer in sich geschlossenen Persönlichkeit. Die Göttinger AAP konstatiert daher: "Wir meinen aber rückblickend, daß wir auch mit intensiver Beobachtung von Axel J. Phillips diesen kaum ohne Anhaltspunkte von außen als Verdeckten Ermittler hätten enttarnen können. Das liegt auch daran, daß viele Angaben zu seiner Person (wie zum Beispiel Flohmarkt-Verkäufe in NRW) nur schwer überprüfbar sind. Erst die Recherchen zur Person Axel Brinker konnten Axel J. Phillips Legende widerlegen."

Nach dem Outing wurde Brinker gebeten, sein Zimmer inspizieren zu lassen. Dort fanden sich zunächst mehrere Papiere, die die "Identität" von Axel J. Phillips bestätigten. Sein Wagen mit dem Kennzeichen GÖ-U 6677 war ebenfalls auf diesen Namen angemeldet. Auch die Gesamtschule in Dinslaken sagte aus, ein Axel Phillips sei ihr Schüler gewesen, wollte aber weiter keine Angaben machen. Und das Einwohnermeldeamt stellte auf Nachfrage hin eine Bescheinigung über die Ummeldung von "Axel J. Phillips" von Dinslaken nach Berlin aus. Allerdings konnten sich selbst nach Vorlage eines Fotos weder die SchülerInnen aus den entsprechenden Abi-Jahrgängen an ihn erinnern noch die Leute aus der Straße, in der er angeblich aufgewachsen war. Auch taucht Phillips' Name nicht unter denen der AbiturientInnen auf. Bei der Suche in den Abi-Zeitungen von 1994/95 fanden sich allerdings Name und Foto von Axel Brinker (der als Berufswunsch Polizist angab) sowie von Vanessa Wagner - einer Freundin von "Axel Phillips", die jetzt in Hannover mit einem A. Brinker (so steht es auf dem Klingelschild) zusammen wohnt. Bei dem Lebensgefährten dieser Freundin handele es sich um einen Achim Brinker, darin läge die ganze Verwechslung, beteuerte "Axel Phillips" kurz nach seinem Outing. Doch bis vor kurzem war unter derselben Adresse eben der LKA-Beamte Axel Brinker gemeldet, und auf dem Abi-Foto von Axel Brinker ist - obwohl er da noch sehr viel jünger aussieht -Axel J. Phillips wiederzuerkennen.

Diese Geschichte macht deutlich, wie schwierig es ist, sich gegen die Einschleusung von Bullen in linke Zusammenhänge zu schützen. Oft ist es sehr schwer, Verdeckte Ermittler aufzuspüren, und zur Überprüfung eines Verdachts sind gründliche Recherchen notwendig. Was aber einerseits im Interesse politischer Gruppen liegen muß - die Überprüfung von Personen - kann andererseits äußerst belastend für diese Gruppen und für die gesamte Szene sein. In den Händen derjenigen, die eine Überprüfung vornehmen, liegt eine hohe Verantwortung: unter dem Druck, möglichst schnell herauszufinden, was an einem Verdacht dran ist, müssen sie gleichzeitig darauf achten, keine falschen Verdächtigungen in Umlauf zu bringen. Verantwortung trägt aber auch der Rest der Szene, von der ein überlegter Umgang - mit Wissen, mit den Verdächtigten, mit den Gruppen, in denen sich Verdeckte Ermittler aufgehalten haben, aber auch mit allen anderen Personen - erwartet werden muß.


Angaben nach einem Flugblatt des Anti-Atom-Plenums Göttingen vom Mai 2001


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kombo(p) - 24.10.2001