kassiber 46 - Juli 2001

Politische Gefangene / Prozesse

Kurzmeldungen




Infoladen Augsburg durchsucht

Am 30. Mai wurde der Infoladen Augsburg gegen 9.30 Uhr von Beamten des Staatsschutzes durchsucht. Andere Personen hielten sich zu der Zeit nicht in dem Laden auf. Laut dem bereits vom 25. Mai datierenden Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Augsburg wurden "Flugblätter, Druckvorlagen, Computer, auf denen Druckvorlagen für die Zeitung 'Rambazamba' enthalten sind, Druckentwürfe, Artikelentwürfe für 'Rambazamba' oder Flugblätter" zum 52. Sudetendeutschen Tag am Pfingstenwochenende dieses Jahres in Augsburg gesucht.

Eine AG "gegen die Sudenten helfen nur Musketen" habe mit einem Flugblatt, das in der Rambazamba vom 8. März 2001 nachgedruckt wurde, in "verächtlichmachender, volksverhetzender Art" zu einer Kampagne gegen das sogenannte Vertriebenentreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft aufgerufen: "Also ... bildet Banden! Überlegt Euch was!"

In weiteren Flugblättern, die durch Verwendung des Cia-Logos (City News) und des Augsburger Stadtwappens einen offiziösen Anstrich erhalten hätten, seien "die Sudetendeutschen als rechtsextreme Minderheit, gemeingefährliche Subjekte, Unruhestifter und Störenfrieder" bezeichnet worden. Auf die Machenschaften der revanchistischen Kreuzritter in Trachten hinzuweisen, erfülle aber, so der Durchsuchungsbeschluß, den Tatbestand der "Volksverhetzung in Tateinheit mit öffentlichem Aufruf zu Straftaten". Und weil die Rambazamba als Postadresse die des Infoladens verwende sei die "Annahme gerechtfertigt" gewesen, daß die Durchsuchung zum Auffinden der oben genannten Gegenstände führen werde.

Beschlagnahmt wurden zwei Computerfestplatten, diverse Disketten und eine CD-ROM, eine Rambazamba, ein Exemplar der Berichte aus Augsburg und Schwaben, ein Schreiben der Stadt (wegen des Wappens) und eine Zeitungsbeilage der City News (wegen des Logos).


[Pressemitteilung der Rambazamba vom 30.5.2001; redaktionell gekürzt und leicht überarbeitet]





§ 129a-Ermittlungsverfahren in Göttingen eingestellt


Dreieinhalb Jahre nach dem Brandanschlag auf das Göttinger Arbeitsamt wurde das Ermittlungsverfahren nach § 129a StGB eingestellt. Einem Mann aus Göttingen war vorgeworfen worden, mit "mindestens zwei weiteren - unbekannten - Personen aus der autonomen Szene in Göttingen" eine "terroristische Vereinigung" gebildet zu haben, die drei Anschläge in den Jahren 1995 bis 1997 begangen haben sollte, unter anderem den auf das Arbeitsamt am 7. November 1997. All das gipfelte im August 1998 in Durchsuchungen der Wohnung und des Arbeitsplatzes des Betroffenen durch die Bundesanwaltschaft und das Landeskriminalamt (vgl. kassiber 36, Oktober 1998, S. 46f). Wie nicht anders zu erwarten, führten die haltlosen Verdachtskonstruktionen des Staatsschutzes zu keinem greifbaren Ergebnis. Wegen eines "mangelnden hinreichenden Tatverdachts" (§ 170 Strafprozeßordnung) stellte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Verfahren im April diesen Jahres nun ein. Damit findet ein weiterer Staatsschutzangriff auf die Göttinger Linke ein (vorläufiges) Ende.

Was sich in der Zeit seit dem Brandanschlag auf das Arbeitsamt in Göttingen abgespielt hat, macht der Ausforschungsfunktion des § 129a - nur sechs Prozent der Ermittlungsverfahren führen hier zu Anklagen - alle Ehre. Im Zuge der Ermittlungen waren Angestellten des Arbeitsamtes Listen mit den Namen von 164 Männern und Frauen vorgelegt worden. Diese sollten hinsichtlich der Kürzung beziehungsweise Streichung von an sie gezahlten Leistungen überprüft werden. Ein Teil dieser Listen las sich wie ein Exzerpt der Spudok-Datei Nr. 74 aus den achtziger Jahren. In dieser sogenannten Spurendokumentations-Datei hatte die Polizei Namen und persönliche Daten von insgesamt 1.313 GöttingerInnen abgespeichert. Obwohl die Spudok-Datei nach Angaben des damaligen niedersächsischen Innenministers Egbert Mönnighoff 1983 gelöscht worden war, fanden sich erstaunlich viele Ähnlichkeiten.

Im letzten Jahr erklärte dann der niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Burckhard Nedden, daß vier Fünftel der Namen auf den den Arbeitsamts-Angestellten vorgelegten Listen aus einer Akte der Göttinger Polizei stammten. Nedden: "Die Kriminalakte wird zu einem Wiederholungstäter geführt, der der Göttinger autonomen Szene zugerechnet wird. Die Kriminalakte besteht seit 1975 und umfaßt zwei volle Leitzordner." Zu diesem "Wiederholungstäter" sollen die übrigen auf den Listen genannten Personen irgendwann Kontakt gehabt haben, und sei es nur durch die Teilnahme an derselben Demonstration.

Und diese Listen der "üblichen Verdächtigen" verbleiben in den Akten von Polizei und Staatsanwaltschaft, wohl auch in denen zum jetzt eingestellten 129a-Verfahren. Das kann im übrigen jederzeit wiederaufgenommen werden, wenn der Staatsschutz meint, "neue Verdachtsmomente" zu haben. Und wie haltlos und konstruiert die sein können, zeigt der Ursprung dieses Ermittlungsverfahrens.


[Quelle: Göttinger Drucksache Nr. 398, 25.5.2001]





§129a-Ermittlungsverfahren gegen InternationalistInnen eingestellt


Nach mehr als drei Jahren wurde jetzt ein § 129a-Ermittlungsverfahren gegen mehrere InternationalistInnen, die in der Kurdistan-Arbeit aktiv sind, eingestellt. In diesem Zusammenhang waren im Februar 1998 Wohnungen und Büros unter anderem des Rechtshilfefonds AZADI und der Informationsstelle Kurdistan (ISKU) durchsucht worden. Dabei wurden vor allem Aufzeichnungen und Photos von aus Kurdistan zurückgekehrten InternationalistInnen beschlagnahmt. Die Bundesanwaltschaft (BAW) begründete die Aufnahme des §129a-Ermittlungsverfahrens damals damit, daß aus Kurdistan zurückgekehrte InternationalistInnen die "Aufnahme des bewaffneten Kampfes in Deutschland nach dem Vorbild der RAF und den Methoden der PKK" zum Ziel hätten und stützte sich dabei auf beschlagnahmte oder veröffentlichte Aufzeichnungen, Briefe oder ähnliches.

Bei einem zweiten Polizeieinsatzes im Januar 2000 wurden die Beschuldigten und weitere AktivistInnen der Kurdistan Solidarität von einer belgischen Spezialeinheit im Auftrag des deutschen Generalbundesanwalts in einer Ferienwohnung in Belgien überfallen und festgenommen. Zeitgleich wurden erneut Wohnungen und Büros in Köln und Hamburg durchsucht, wobei das gesamte technische Gerät, vor allem Computer der Kurdistan Solidarität Hamburg, und der Initiative "Freiheit für Abdullah Öcalan" in Köln beschlagnahmt wurden. Die Festgenommenen wurden nach einigen Stunden wieder freigelassen, Arbeitsgeräte und Material aber blieben monatelang beschlagnahmt.

Bei einer Internationalistin wurden private Tagebücher über ihr Leben bei der kurdischen Guerilla beschlagnahmt, durchschnüffelt und sogar an den Verfassungsschutz weitergegeben. Das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen veröffentlichte das Tagebuch sogar als Teil einer Broschüre unter dem Titel "Von den Bergen in die Metropole. Motive, Denkstrukturen und Ziele deutscher Kurdistan-Brigadisten" im Februar 2000 im Internet. In diesem Zusammenhang läuft noch ein Verfahren wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes gegen das Bundeskriminalamt und den Verfassungsschutz.

Die jetzige Einstellung des § 129a-Ermittlungsverfahrens nach § 170 Strafprozeßordnung (wie auch schon zuvor bei der Einstellung der § 129-Ermittlungsverfahren gegen Antifaschistinnen aus Passau und den Vertreter der peruanischen MRTA, Isaac Valesco) bedeutet, daß der "zur Anklage führende Verdacht nicht bestanden hat". Mit anderen Worten: Eine Reihe von Menschen wurde als Kriminelle und Terroristen in der Presse verunglimpft, von "Anti"-Terroreinheiten mehrmals überfallen, wichtiges Arbeitsmaterial wurde beschlagnahmt, Treffen be- oder verhindert usw. - und hinterher erhalten die Betroffenen ein Schreiben des Generalbundesanwalts, in dem ihnen mitgeteilt wird, daß die Verfahren am Ende eingestellt werden, weil es keinen Grund dafür gegeben hat.


[Quelle: Presseerklärung der Informationsstelle Kurdistan e.V. (ISKU), Hamburg, vom 8.4.2001; redaktionell stark gekürzt und überarbeitet]





Hausdurchsuchung und PC-Beschlagnahmung bei linkeseite.de


Am frühen Morgen des 3. Mai wurde in Tübingen die Wohnung eines Mannes, der im Internet die Homepage "www.linkeseite.de" eingerichtet hat, von BeamtInnen des Landeskriminalamtes Stuttgart durchsucht. Dabei wurden der PC, verschiedene Ordner mit politischen Materialien sowie diverse CDs beschlagnahmt.

Als Tatvorwurf wurde wieder einmal ein Verstoß gegen § 20 Vereinsgesetz angeführt - dem Betroffenen wird die Unterstützung der in Deutschland verbotenen türkischen Partei DHKP-C vorgeworfen. Er soll, heißt es im Durchsuchungsbeschluß, "im Internet unter der Adresse www.dhkc.de Schriften der sogenannten DHKP C" verbreitet haben, "obwohl diese, wie er weiß, mit Verfügung des Bundesministers des Inneren vom 09.08.1998 als Ersatzorganisation der bereits im Januar verbotenen Devrimci Sol verboten wurde".

Die Linke Seite ist ein nicht-kommerzielles Internetprojekt mit dem Ziel, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu schaffen, zu sensibilisieren, zu informieren und zu animieren. Derzeit gibt es etwa 20.000 NutzerInnen und 800 Newsletter-NutzerInnen, die Linke Seite wird rund 80.000mal pro Monat aufgerufen.

Mit dieser Durchsuchung hat dieser Staat wieder einmal demonstriert, daß eine linke Gegenöffentlichkeit nicht geduldet wird und als mittlerweile schon übliche Prozedur eine Kriminalisierung stattfindet. Mit der Beschlagnahme der Technik steht nun das Projekt "www.linkeseite.de" vor dem Aus, da keine Mittel zur Anschaffung eines geeigneten PC etc. vorhanden sind, zumal nun wohl auch noch weitere Kosten für zum Beispiel einen Rechtsanwalt auf den Betreiber der Linken Seite zukommen.

Homepage der Linken Seite: http://www.linkeseite.de - eMail: info@linkeseite.de - Fax und Anrufbeantworter: 0721-151216147 - Telefon: 0177-7917320.


[Linkeseite News vom 3.5.2001; redaktionell gekürzt und überarbeitet]


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kombo(p) - 24.10.2001