kassiber 46 - Juli 2001

Die taz darf die Böhsen Onkelz wieder als "berüchtigte rechtsradikale Band" bezeichnen

Mit dieser Entscheidung hob das Berliner Landgericht am 15. Mai die von den Böhsen Onkelz erwirkte einstweilige Verbotsverfügung auf. Der Vorsitzende Richter am Berliner Landgericht, Michael Mauck, begründete das Urteil mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Nach seiner Einschätzung profitiere die Band von ihrer Vergangenheit; in ihren Konzerten seien zweifellos rechtsextreme Umtriebe zu beobachten. Die von der taz am 23.10.2000 gewählte Titulierung sei somit ein zulässiges Werturteil.

Mauck beteuerte, er sei bei der Klageerhebung davon ausgegangen, daß die Böhsen Onkelz sich tatsächlich endgültig vom Rechtsextremismus distanziert hätten. Die Klageerwiderung der taz hätte ihn jedoch davon überzeugt, daß das so nicht stimme. Der taz-Anwalt Johannes Eisenberg hatte in der 28-seitigen Schrift ausgeführt, daß die Böhsen Onkelz sowohl durch ihr Auftreten, ihre Musik und ihre Texte als auch durch den Zulauf rechtsextremistischer Fan-Kreise die Bezeichnung "berüchtigte rechtsradikale Band" nahelegen. Ihre Überhöhung des Männlichen, ihre Verherrlichung von Gewalt, ihre Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Ideologie sowie die Beschimpfung fast der gesamten Presse seien kennzeichnend für rechtsextreme Gruppen: "Klaus Theweleit hat in seinem Werk 'Männerphantasien' das besondere Verhältnis des Faschismus zur Männlichkeit beschrieben. Rechtsradikalismus ist nicht nur gekennzeichnet durch Kriegs-, Überlegenheits- und Allmachtsphantasien seiner Anhänger, sondern auch durch ein autoritäres Menschenbild, das von unterschiedlichen Wertigkeiten verschiedener Menschen ausgeht. So ist kennzeichnend für faschistische Bewegungen, daß die Männlichkeit eine besondere Bedeutung gewinnt, ein reaktionäres Geschlechterbild herrscht und eine Zivilgesellschaft, die nicht vom Kampf geprägt ist, durch eine Kriegsgesellschaft ersetzt werden soll.

Genau in dieser Welt, in diesen Bildern leben die Böhsen Onkelz mit ihrem ständigen 'Kampf' mit allen möglichen 'Gegnern', mit ihrer paranoiden Vorstellung, von Bösewichtern umzingelt zu sein, ihrem Gerede vom 'Haß' usw. Das ist 'rechtsradikal', jedenfalls darf man das so nennen, auch wenn das das Geschäft der Kläger (Böhse Onkelz) beeinträchtigen könnte." (Zitat aus der Klageerwiderung der taz)

Der taz-Autor Eberhard Seidel wertet die Zurückweisung der Klage als "herben Rückschlag" für die Band. Die versucht seit Jahren, ihr Image in der bürgerlichen Öffentlichkeit aufzupolieren, ohne dabei ihre (neo-)faschistische Klientel zu vergraulen. Der Teil der bürgerlichen Presse, der dieser Strategie kritisch gegenübersteht, wird von ihr regelmäßig mit einstweiligen Verfügungen und Klagen überzogen (siehe auch kassiber 45, S. 23 f.). Der bisherige Erfolg ihres Vorgehens sei an Fürsprechern wie Daniel Cohn-Bendit und dem Berliner Autoren Klaus Farin zu erkennen, schreibt Seidel. Auch einige MitarbeiterInnen der taz seien von der sogenannten "Läuterung" der Band überzeugt (taz vom 16.5.2001).

Als Anlaß für den Antrag einer einstweiligen Verbotsverfügung gegen die taz hatten die Onkelz eine am 23. Oktober 2000 erschienene Rezension über Albert Ostermaiers Stück "Death Valley Junction" in den Berliner Volksbühnenstudios genommen. An einer Stelle hatte die Rezensentin geschrieben: "Zu allem Überfluß gibt es dann noch ein Lied der berüchtigten rechtsradikalen Band 'Böhse Onkelz.'"


[Ausführliche Artikel zu den Böhsen Onkelz und ihrem Auftritt auf einem "Konzert gegen die Opfer rechter Gewalt" am 9. März in Bremen findet Ihr in den kassiber-Ausgaben 44 und 45.]


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kombo(p) - 24.10.2001