kassiber 46 - Juli 2001

Wenn die Flüchtlinge aus dem Libanon abgeschoben werden sollen, machen wir den Flughafen dicht!

Stop deportation!


Der Bremer Senat meint es tatsächlich ernst: Wenn nichts geschieht, werden in den nächsten Wochen und Monaten Hunderte von Flüchtlingen aus dem Libanon, die seit 10 bis 15 Jahren in Bremen leben, in die Türkei abgeschoben. Wir sind der Meinung: Wer diese Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung herausreißt und ganze Familien mutwillig ihrer Existenzgrundlage beraubt, handelt unmenschlich. Für uns ist es daher an der Zeit, persönlich dagegen Widerstand zu leisten. Da die Möglichkeiten auf juristischem Wege weitgehend ausgeschöpft sind, muß jetzt der politische Druck von unserer Seite erhöht werden. Wenn wir wirklich wollen, daß unsere Freundinnen und Freunde hier bleiben können, müssen wir mindestens noch einen Schritt weitergehen. Denn uns ist es ebenfalls ernst!


Was bisher geschah:

Mehr als fünfhundert staatenlose Kurdinnen und Kurden aus dem Libanon sind seit nunmehr anderthalb Jahren akut von Abschiebung bedroht. Seit gut 10, einige sogar seit 15 Jahren leben sie als Flüchtlinge in Bremen. Die meisten sind als Kinder und Jugendliche hier aufgewachsen, gehen zur Schule, gehen ins Freizi, machen hier ihre Lehre oder Ausbildung. Dies, während ihre Eltern durch die Asylgesetzgebung und das bis heute währende faktische Arbeitsverbot auf den Bittstellerstatus verdammt sind: zum Nichtstun, zur organisierten Langeweile, zum ausgegrenzten Fremden. Anfang 2000 hatte der Bremer Innensenator Bernt Schulte (CDU) zur Attacke auf diese Menschen geblasen. Seitdem sehen sie sich einem Trommelfeuer von Angriffen ausgesetzt, Medienattacken, Verwaltungsverfügungen und ignoranten Gerichtsurteilen. Erklärtes Ziel der Innenbehörde ist es, die Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben - in ein Land, aus dem sie nicht kommen, das sie kaum kennen, dessen Sprache sie nicht sprechen, mit dem sie nichts verbindet. Ihnen soll zum Verhängnis werden, daß sie die Türkei vor 10 oder 15 Jahren als "Transitland" auf ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon benutzt haben, sich dort für die "Weiterreise" türkische Papiere organisiert haben, um überhaupt weiter zu kommen. Der Vorwurf des großangelegten "Asylbetrugs", mit denen der Innensenator die staatliche Kampagne medienwirksam lostrat, hat sich längst in Luft aufgelöst. Die Behauptung, die Betroffenen stammten in Wirklichkeit aus der Türkei, hätten ihre Flucht aus dem Libanon nur vorgetäuscht, ist in sich zusammengebrochen. Die Strafgerichtsverfahren, in denen den Flüchtlingen Betrug vorgeworfen wurde, sind samt und sonders gescheitert. Ein Hintergrund der Kampagne gegen die libanesischen Flüchtlinge ist Geld. Der Senat rechnet sich aus, wie viele Sozialgelder zu sparen wären, wenn die Familien in der Türkei ihrem Schicksal überlassen werden. Die Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) hat daher der Ausländerbehörde aus ihrem Etat einen Millionenbetrag überlassen, damit diese Menschen schneller abgeschoben werden können - Millionen, die eigentlich als Sozialhilfe, Kleidergeld etc. bedürftigen Menschen zustünden. Doch die Verleumdungs- und Abschiebekampagne ist nicht ohne Widerstand geblieben. Mit Demonstrationen, Aktionen, Veranstaltungen und Flugblättern haben die Betroffenen und antirassistische Initiativen dem Propagandagetöse des Innensenators, seiner "Spezialeinheit" der Bremer Polizei und der Ausländerbehörde Paroli geboten und das Bild von den "falschen Libanesen" wieder gerade gerückt.


Der Plan:

* Wenn die ersten Menschen aus dem Libanon, die sich einer Ausreise widersetzten, abgeschoben werden sollen, veranstalten UnterstützerInnen und Betroffene gemeinsam eine (Sitz-)Blockade am Flughafen. Dabei wird für gewisse Zeit nicht nur ein eventueller Gefangenentransport, sondern auch der normale Reiseverkehr behindert. Unser Ziel ist die möglichst weitgehende Behinderung der Abschiebung, zunächst vom Bremer Flughafen. Dies schließt mit ein, auch andere Abschiebewege im Auge zu behalten, um entsprechend flexibel zu sein.

* Die Aktion steht in der Tradition des zivilen Ungehorsams und lebt davon, daß sich möglichst viele Menschen beteiligen können. Wir wünschen uns ein breites Bündnis von Betroffenen, SchülerInnen, LehrerInnen, ArbeitskollegInnen, GewerkschafterInnen, AntifaschistInnen und allen anderen, die ein umfassendes Bleiberecht fordern. Wir werden dabei bewußt Gesetze übertreten, weil wir nicht einfach dabei zusehen können und wollen, wenn Leute, die seit Jahren mit uns in Bremen leben, mit Gewalt aus ihrer gewohnten Umgebung, aus Schule oder Job gerissen werden. Das ist für uns Unrecht. Deshalb mag eine solche Aktion vielleicht nicht legal sein, für uns ist sie aber durchaus legitim. Denn wir greifen nicht willkürlich zu einem solchen Mittel - die herrschende Politik läßt uns schlicht keine andere Wahl.

* Wir kündigen diese Aktion öffentlich an, weil wir dem Bremer Senat schon im Vorfeld unmißverständlich klarmachen wollen, daß wir mit den Flüchtlingen aus dem Libanon solidarisch sind, daß sie Teil dieser Stadt sind, und daß wir uns ihrer Abschiebung gegebenenfalls entschlossen zur Wehr setzen werden. Für den Fall, daß die Regierenden von SPD und CDU ihre Linie der Abschiebung um jeden Preis weiterverfolgen, werden wir eben an ihrer Stelle Zivilcourage zeigen und versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Dabei gilt es, eines nicht zu vergessen: Abschiebungen von Flüchtlingen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ob Tamilinnen und Tamilen, Sinti und Roma, Menschen aus dem Kosovo oder all die anderen - nur den wenigsten wird das Recht auf eine vergleichsweise sichere Existenz und Schutz vor Krieg und Verfolgung zugebilligt. Ein Großteil des tagtäglichen Abschiebungs-Geschäfts wird von den Behörden bislang klammheimlich und in aller Stille abgewickelt. Oft kommt es auch vor, daß Flüchtlinge so lange von den Ämtern schikaniert werden, bis sie schließlich z.B. in europäische Nachbarstaaten ausreisen oder anderswo versuchen, unter menschenwürdigen Bedingungen zu leben. Wenn wir mit dieser Aktion erfolgreich sind, kann das daher eventuell noch für weitaus mehr Menschen in Bremen neue Perspektiven eröffnen.

Also: Setzt Euren Namen unter die folgende persönliche Erklärung und gebt die Idee an Freundinnen und Freunde weiter. Vor allem die Telefonnummer ist wichtig, weil eine Abschiebeverfügung auch innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden durchgesetzt werden kann. Die persönlichen Erklärungen sollen gesammelt und die Namen in einer Zeitungsanzeige in Weser-Kurier und taz veröffentlicht werden. Wer nicht namentlich genannt werden möchte, kann natürlich trotzdem an der Aktion teilnehmen.


Persönliche Erklärung:

"Wenn der Bremer Senat die nächsten Flüchtlinge aus dem Libanon abschieben will und ich rechtzeitig davon erfahre, beteilige ich mich an der (Sitz-)Blockade am Flughafen. Als Mittel des zivilen Ungehorsam werde ich dabei bewußt Gesetze übertreten, weil ich nicht einfach dabei zusehen kann und will, wenn Leute, die seit Jahren mit uns in Bremen leben, mit Gewalt aus ihrer gewohnten Umgebung, aus der Schule oder ihrem Job gerissen werden. Ich kündige dies öffentlich an, weil ich dem Bremer Senat schon im Vorfeld unmißverständlich klarmachen will, daß ich mit den Flüchtlingen aus dem Libanon solidarisch bin, daß sie Teil dieser Stadt sind, und ich mich ihrer Abschiebung gegebenenfalls entschlossen zur Wehr setzen werde.

Name, Vorname:
Telefonnummer:
Ich bin mit der Veröffentlichung meines Namens einverstanden: ja / nein"

Ausgefüllte Unterschriftenlisten bitte möglichst schnell an:
Solidaritätskommitee für die kurdischen Libanesen
c/o Infoladen Bremen
St.-Pauli-Str.10/12
28203 Bremen
oder Fax 0421/5577382

Zur Finanzierung der Zeitungsanzeigen bitten wir um Spenden auf folgendes Konto: Flüchtlingsinitiative, Stichwort "Staatenlos", Konto-Nr. 116 737 20, Sparkasse Bremen BLZ 290 501 01


UnterzeichnerInnen:

Bremer Solidaritätskomitee für die kurdischen Familien aus dem Libanon, AntiRassismusBüro, Flüchtlingsinitiative, Internationaler Menschenrechtsverein, grenzenLOS, Bremer Friedensforum, Stadtkommune AllaHopp, Aktionsgruppe BLUNA, PDS Bremen, PDS-Jugendverband , Antje Edel, Gewerkschaftssekretärin IG Metall, Anke Assouroko, Dt. Kinderschutzbund LV Bremen, autonome Frauen-Lesbengruppe HUGG, FrauenLesbengruppe F.L.O.P., Bremer BürgerInneninitiative gegen Atomanlagen (BBA), Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS e.V.), Bremer Anti-Atom-Forum, Infoladen Umschlagplatz, Combo P, Gruppe 42, Bremer kassiber, Antirassistische Liste Uni Bremen, Anares Buchvertrieb, Antiquariat und Buchcafé Andere Seiten, DKP Kreis Oldenburg, DKP Bremen, Bremer JungenarbeitsBüro (BJB), Chiapas-Gruppe Bremen, BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport ", Naturfreundejugend Bremen, ASTA Uni Oldenburg, KickIt - Antifaschistische und antirassistische Zeitung für Bremen und umzu, Antifaschistisches Kommitee, DFG-VK.


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kombo(p) - 24.10.2001