Ein Auszug aus - kassiber 45 - Mai 2001

was bisher geschah


5. Januar 2001

Anzeigen gegen PolizistInnen zumeist folgenlos


Der Presse wird die Senatsvorlage für die Antwort auf eine große Anfrage der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen nach Dienstvergehen bei der Polizei Bremen in den Jahren 1995 bis 1999 zugespielt. Demnach hat Polizeipräsident Lüken verfügt, daß das Zahlenmaterial über die sogenannten schwarzen Schafe und völlig zu Unrecht beschuldigten PolizistInnen als "Verschlußsache - Nur für den Dienstgebrauch" einzustufen sei. Der Senat will aber trotzdem antworten, schließlich klagt die Opposition des öfteren, daß die Große Koalition das "Auskunftsrechts des Parlaments" bei vielerlei Themen massiv eingeschränkt habe. Vor der demnächst anstehenden Antwort im Parlament werden folgende Zahlen vorab bekannt: 1999 hat es in 81 Fällen Ermittlungen gegen PolizistInnen gegeben, 1998 in 86 Fällen und 1997 in 84 Fällen. Bei den Ermittlungen im Jahr 1999 ging es 32mal um "Körperverletzung im Amt", sieben Mal um Freiheitsberaubung, je fünf Mal um Beleidigung und Strafvereitelung sowie vier Mal um Diebstahl. Anklage wurde aber nur zwei Mal erhoben, wegen "geringer Schuld" wurden neun Verfahren eingestellt. Zu einer Verurteilung kam es nicht; zehn Verfahren sind noch offen. Disziplinarverfahren wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung wurden 1999 nicht eingeleitet.

Der Leitende Oberstaatsanwalt habe, so das Innenressort, das die Senatsvorlage verfaßte, darauf hingewiesen, daß "verhältnismäßig viele Übergriffe von Afrikanern angezeigt werden, die im Verdacht stehen, mit Drogen zu handeln" - woran wahrscheinlich das AntiRassismusBüro Bremen (ARAB) Schuld ist, nicht aber die nur ihren Pflichten nachgehenden PolizistInnen. Auch lasse sich "allgemein feststellen", daß in Auseinandersetzungen zwischen BürgerInnen und PolizistInnen "nicht selten" beide Seiten Anzeige erstatteten: die Polizei wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, die Betroffenen wegen Körperverletzung im Amt. Und zwar, das sagt die Staatsanwaltschaft nicht, in umgekehrter Reihenfolge: PolizistInnen erstatten fast immer prophylaktisch Anzeige, sobald von ihnen mißhandelte Männer und Frauen dies getan beziehungsweise auch nur angedeutet haben.



Sicherheitsgefühl gestärkt


Total sicher konnten sich in den letzten Tagen die Fahrgäste der Bremer Straßenbahn AG im Bereich Mitte/West fühlen, waren da doch BeamtInnen der Polizeiwache Stephanitor, mal in Uniform, mal in Zivil, immer mit dabei. Ein voller Erfolg, meint die Polizei. Mehrere Drogengeschäfte seien aufgeflogen, ein Mann wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen und einem anderen eine scharfe Schußwaffe abgenommen worden. Und weil das alles in dieser Testphase so schön lief - und Fahrgästen wie PolizistInnen gut gefallen habe -, wird die permanente Polizeipräsenz in Bussen und Bahnen voraussichtlich ab dem Frühjahr zur Dauereinrichtung werden.





10. Januar 2001



Arbeitsamts-Razzien (I)


FahnderInnen des Arbeitsamtes, der Polizei und des Zolls durchsuchen am Abend 38 Imbisse, Kneipen und Restaurants. Der werden, nach Behördenangabe, zahlreiche Verstöße gegen das "Arbeitserlaubnisrecht" festgestellt. In einem türkischen Imbiß wird ein Mann, der die Krankenversicherungskarte und die Arbeitserlaubnis eines anderen vorlegt, festgenommen. Genauso wie in einem anderen Betrieb ein afrikanischer Angestellter, dessen Papiere gefälscht gewesen seien.





12. Januar 2001



VermieterInnen als HilfpolizistInnen?


Neben des "illegalen Aufenthalts" in Bremen bezichtigten Nicht-Deutschen, gibt es auch für andere Männer und Frauen Gründe, einen Wohnsitzwechsel nicht (sofort) bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Dafür droht, sollte die entsprechende Frist überschritten werden, ein Bußgeld - doch die Gefahr, erwischt zu werden, ist für die allermeisten weißen Deutschen nicht allzu groß. Polizei und Innenministern beziehungsweise -senatoren ist das jedoch ein Dorn im Auge. Bremens Innensenator Bernt Schulte (CDU) will da jetzt Abhilfe schaffen, indem nämlich künftig WohnungseigentümerInnen dafür sorgen sollen, daß ihre MieterInnen der Meldepflicht nachkommen.

Der innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Matthias Güldner, protestiert gegen den jetzt vorliegenden Entwurf für eine Novelle des Bremer Meldegesetzes, der in der nächsten Sitzung der Innendeputation diskutiert werden soll. Die Bremer Innenbehörde will damit unter anderem ermöglichen, das MieterInnen ihren Wohnsitz über das Internet anmelden können. Das klingt zunächst so schlecht nicht: Zigtausende, die einige Stunden Wartezeit in der Meldestelle zugebracht haben, nur um sich dann von den BeamtInnen bescheiden lassen zu müssen, daß die Vorlage des Mietvertrages nicht genüge, sondern ein bestimmtes, vom Vermieter ausgefülltes, Formular notwendig sei, wissen ein Lied davon zu singen. Die Krux an der Sache: Zwar soll dieses Formular jetzt wegfallen, doch sollen sich die WohnungseigentümerInnen jetzt von ihren MieterInnen die Meldebestätigung vorlegen lassen. Geschieht dies nicht, sollen die VermieterInnen Meldung machen in der Meldestelle. Matthias Güldner sieht darin den Versuch, Innensenator Schultes (CDU), "Vermieter als Hilfpolizisten zu instrumentalisieren. Eine solche Zwangsverpflichtung zur Schnüffelei wäre ein herber Rückschritt in Sachen Datenschutz."



Gegen Atomstrom aus Grohnde

Gegen den Ankauf von 49,9 Prozent der Anteile der Stadtwerke Bielefeld durch die hiesigen Stadtwerke (jetzt swb AG) protestieren einige AktivistInnen vom Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität vor dem swb-Kundenzentrum Am Wall. Kritisiert wird, daß die swb AG hier in Bremen fünf ihrer acht konventionellen Kraftwerke schließen will, mit der Beteiligung an den Stadtwerke Bielefeld jetzt auch Anteile am Atomkraftwerk Grohnde, mithin Atomstrom, erwirbt (vgl. kassiber 44, März 2001, S. 11).





17. Januar 2001



Ein ganz "normaler" Vergewaltigungsprozeß?

Vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts beginnt der Prozeß gegen zwei ehemalige Angestellte des Imbisses "Toros" (Sielwall), die am 16. Juli vergangenen Jahres im Keller desselben eine Frau vergewaltigt hatten. Die Täter sitzen seither in Untersuchungshaft, mindestens einer von ihnen ist durch eine DNA-Analyse schwer belastet.

Im Gerichtssaal und vor dem Landgericht haben sich zahlreiche UnterstützerInnen der vergewaltigten Frau, die als Nebenklägerin auftritt, eingefunden. Bereits im vergangenen Herbst hatten UnterstützerInnen mit einem umstrittenen Flugblatt beziehungsweise Plakat die Vergewaltigung im "Toros" öffentlich gemacht (vgl. kassiber 43, Oktober 2000, S. 34ff).

Der Prozeß ist zunächst - wie bei Vergewaltigungsprozessen üblich - auf einige Verhandlungstage bis in den Februar 2001 hinein terminiert. Im Laufe des Prozesse gerät aber zusehends die Betroffene zur eigentlichen Angeklagten der hier gut harmonierenden Männerjustiz, vertreten durch die beiden hauptamtlichen Richter sowie die beiden Verteidiger. (Siehe auch den "Zwischenbericht: Ein ganz 'normaler' Vergewaltigungsprozeß?" in diesem kassiber.)





18. Januar 2001



KleingärtnerInnen wollen Schwachhauser Parzellen behalten

Der Senat hatte kürzlich beschlossen, den Technologiepark an der Universität in Richtung Süden zu erweitern. Gebraucht werde weiteres "Bauerwartungsland", um es potentiell ansiedlungswilligen Firmen anbieten zu können, daß Bremen endlich - wie gewünscht - zur Hochtechnologie- und Dienstleistungsmetropole werde. Das würde bedeuten, daß sämtliche Kleingärten an der Bahnlinie Richtung Hamburg verschwinden müßten. Bereits vor Einrichtung des Technologieparks hatten rund 200 Parzellen des Kleingartenvereins "Gute Ernte" dran glauben müssen.

Nun soll auch noch der Rest der "Gute Ernte" umgepflügt werden, außerdem etwa 800 Parzellen der Vereine "Kornblume", "Harmonie" und "Schwachhausen" - insgesamt sind dies 54 Hektar. Gegen die Bebauung der wichtigen Naturflächen hatte bereits der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) protestiert, denn es gäbe genügend - bisher ungenutzte - Alternativen: auf dem Gelände der Universität (elf Hektar), zwischen Hochschulring und Lärmschutzwand an der Autobahn (drei Hektar), im Gewerbegebiet Horn-Lehe West sowie in anderen Bereichen.

Auf einer Versammlung des Landesverbandes der Gartenfreunde sowie der betroffenen Vereine mobilisiert sich auch der Widerstand der betroffenen ParzellistInnen. Die geben sich mit dem BUND einig, daß NaturschützerInnen und KleingärtnerInnen sich nicht durch die Politik gegeneinander ausspielen lassen dürften: Ein "Hollerland erhalten, Kleingärten weg" oder umgekehrt werde es nicht geben. Statt des vom Senat geplanten, so der BUND, "monströsen und städtebaulich nicht zu vertretenden Technologie-Stadtteils" in Horn, solle das von der SPD entwickelte "Technopolis-Konzept", das kleinere Technologiepark-Satelliten vorsehe, angegangen werden.





19. Januar 2001



Ermittlungsgruppe zieht Bilanz


Die im vergangenen Herbst neu eingesetzte polizeiliche Ermittlungsgruppe (EG) Schwarzarbeit hat sich nach Meinung von Innensenator Bernt Schulte (CDU) in den drei ersten Monaten ihrer Tätigkeit (September bis Dezember 2000) - Razzien, Durchsuchungen, Kontrollen, Schnüffeleien etc. pp. - vollauf bewährt. 108 "Fälle" seien ermittelt, 43mal seien daraufhin Bußgelder in einer Gesamthöhe von über 170.000 Mark verhängt worden.

Doch auch Schulte weiß, daß der Kampf gegen die sogenannte Schwarzarbeit vergeblich ist. Fast jede/r macht es - und doch läßt sie sich trefflich für reaktionäre, rassistische Kampagnen gegen "Sozialschmarotzer" nutzen. Die "Schwararbeit" - dazu zählten neben der Arbeit ohne Rechnung auch Tauschhandel, Eigenversorgung und Nachbarschaftshilfe - sei der hierzulande am stärksten wachsende Wirtschaftszweig. In den letzten 25 Jahren sei ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 5,8 Prozent (1975) auf rund 16 Prozent (2000) gestiegen, das entspreche einem Volumen von über 640 Milliarden Mark.

Da den Unternehmen aus dem Handwerksbereich damit ein Auftragsvolumen von mindestens 100 Milliarden Mark - zehn Prozent des Gesamtumsatzes - verlorengegangen sei, müsse so Schulte, "der Staat aus arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gründen gemeinsam mit den Hauptbetroffenen gegen Schwarzarbeit vorgehen". Deshalb würden die Handwerkskammer, die Kreishandwerkerschaft und der Senator für Inneres die gemeinsame Bekämpfung von "illegaler Beschäftigung" und "Schwarzarbeit" intensivieren.

Der Innensenator verfolgt dabei eine "Zwei-Säulen-Strategie", denn die Zuständigkeit für Verfolgung und Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und sogenannter Schwarzarbeit liegt bei unterschiedlichen Behörden. Ziel sei eine enge Kooperation aller zur Vermeidung von Parallelermittlungen und zur Erzielung von Synergieeffekten. Die erste Säule bilde die EG Schwarzarbeit: Diese richte sich im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts gegen alle Erscheinungsformen der Schwarzarbeit. Dies biete im Verhältnis zum Strafverfahren den Vorteil eines zeitlich kurzen Abschlusses der Bußgeldverfahren, die Strafe stehe noch in einem zeitlichen Zusammenhang zur Tat.

Die "zweite Säule" sei die geplante Gemeinsame Ermittlungsgruppe Arbeit (GEA): Die Kriminalpolizei, Sozialbehörde, der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, der Senator für Bau und Umwelt und der Senator für Wirtschaft und Häfen sowie Bundesbehörden (Arbeitsamt, Hauptzollamt) seien zur Beteiligung eingeladen. Der Schwerpunkt der Ermittlungstätigkeit der GEA liege in der Verfolgung von Straftaten. Die GEA plane, koordiniere und führe gemeinsame Einsätze durch und sei grundsätzlich für die Ermittlungs- und Sachbearbeitungstätigkeit bis zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft zuständig.





23. Januar 2001



Senat beschließt Polizeigesetz-Novelle


Der Senat beschließt nach jahrelangen Rangeleien in der Großen Koalition (vgl. kassiber 43, Oktober 2000, S. 25ff) die Novelle des Bremer Polizeigesetzes, die jetzt der Bürgerschaft zur Beschlußfassung vorgelegt wird. Und was ändert sich? Na klar: "Mit dem neuen Polizeigesetz schaffen wir noch mehr Sicherheit für die Menschen in Bremen und Bremerhaven", so Innensenator Bernt Schulte (CDU) nach der Senatssitzung. Neu eingeführt wird die Videoüberwachung: Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte, an denen vermehrt Straftaten begangen würden, wird mittels Bildübertragung und -aufzeichnung zugelassen. Dies gelte zunächst für einen auf zwei Jahre befristeten Modellversuch. Nach dessen Auswertung solle über eine Fortführung entschieden werden. Ferner werden Platzverweisungen neu geregelt und um ein Aufenthalts- und Durchquerungsverbot ergänzt. Zur Durchsetzung einer Platzverweisung wird die Gewahrsamnahme zugelassen.

Das sogenannte polizeiliche Wegweisungsrecht in Fällen häuslicher Gewalt ("schlagende Ehepartner") solle mit einem späteren Gesetzentwurf erfolgen, sobald das Gesetzgebungsverfahren des Bundes zu einem Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen abgeschlossen sei und Vorschläge der Innenministerkonferenz zu einheitlichen polizeirechtlichen Regelungen der Länder vorlägen.

Nicht durchsetzen konnte sich der Innensenator mit einer expliziten Regelung hinsichtlich des "Finalen Rettungsschusses". Doch hofft Schulte den noch im Laufe der anstehenden parlamentarischen Beratungen über das neue Polizeigesetz dort hinein zu bekommen. Schließlich bräuchten die PolizeibeamtInnen für Todesschüsse "unser Vertrauen und Rückhalt der Politik und nicht unser Mißtrauen".





24. Januar 2001



Polizei Bremen und BGS arbeiten dauerhaft zusammen


Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bremens Innensenator Bernt Schulte (CDU) unterzeichnen einen Vertrag über die dauerhafte Zusammenarbeit des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der Polizei Bremen. Denn die seit dem 1. Juli 1998 laufende "Aktion Sicherheitsnetz" habe sich als sehr effektiv erwiesen, die Kriminalität sei zurückgegangen, das "Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in der Bremer Innenstadt" habe sich deutlich verbessert. Künftig würden während der "Sicherheitspartnerschaft erfolgreich getestete Kooperationsprojekte lageangepaßt übernommen und fortgeführt". Das heißt, daß je nach Lage eine "ausreichende Zahl" von Beamten des BGS, gemeinsam mit der Polizei Bremen im Einsatz ist, "um die Sicherheit im innerstädtischen Bahnhofs- und Flughafenbereich möglichst hoch zu halten".





27. Januar 2001



Kritik an geplanten Abschiebungen


Gegen die für den 30. Januar 2001 geplante Abschiebung der zehnköpfigen kurdisch-libanesisch Familie Al-Zain in die Türkei protestieren das AntiRassismusBüro Bremen (ARAB) sowie die Flüchtlingsinitiative Bremen. Das Verwaltungsgericht, daß jetzt der Klage der Betroffenen nicht stattgab, habe sich geweigert, ein seit einigen Tagen vorliegendes Gutachten des Türkei-Experten der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai), Helmut Oberdiek, in sein Urteil einzubeziehen. Helmut Oberdiek hatte in seiner Expertise dargelegt, daß die jetzt in Bremen lebenden - und arabisch sprechenden - libanesischen Bürgerkriegsflüchtlinge bei einer Abschiebung in die türkische Provinz Mardin keine Chance haben auf eine menschenwürdige Perspektive haben dürften. Dort fehlende Arbeitsplätze machten es so gut wie unmöglich, daß sich die Betroffenen dort eine Existenz aufbauen könnten. "Familien mit vielen Kindern", so Helmut Oberdiek, "haben es natürlich noch viel schwerer, Unterkunft und eine Tätigkeit zu finden, die alle ernährt."

Das ARAB und die Flüchtlingsinitiative kritisieren ferner, daß das Verwaltungsgericht sich in seinem Beschluß von Juni 2000 zu prüfen geweigert habe, ob die betroffene Familie vor ihrer Flucht nach Deutschland im Libanon gelebt und die Türkei lediglich als Transitland genutzt habe.

Auch die Schulkonferenz der Integrierten Stadtteilschule am Leibnizplatz, zu der mehrere Kinder der kurdisch-libanesischen Familie gingen beziehungsweise gehen, spricht sich gegen die Abschiebungen aus. (Siehe auch die Erklärungen von LehrerInnen an Bremer Schulen gegen die Abschiebung von Kindern und Jugendlichen in diesem kassiber.)





2. Februar 2001



Arbeistamts-Razzien (II)


Bei der Durchsuchung einer Baustelle in einer Altbremer Villa in Schwachhausen nehmen FahnderInnen des Arbeitsamtes und der Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit drei polnische Arbeiter fest. Die sollen, da sie mit Touristenvisa eingereist sind und keine Arbeitserlaubnis vorweisen können, in den nächsten Tagen abgeschoben werden.





8. Februar 2001



Verwaltungsgericht lehnt Eilantrag von kurdischen LibanesInnen ab


Die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts lehnt den Eilantrag einer kurdisch-libanesischen Familie ab, die gegen die Ablehnung ihres Asylfolgeantrags geklagt und den Eilantrag gestellt hatte. Daß der anerkannte Türkei-Experte der Menschenrechtsorganisation amnesty international kürzlich in einem Gutachten zu dem Schluß kam, daß arabisch sprechenden Menschen, die dort keine familiären Bindungen haben, in der Türkei keine Hilfe erwarten könnten, spielt für das Verwaltungsgericht keine Rolle. Denn der Familienvater sei 1995 zur Beerdigung seines Großvaters in die Türkei gereist und habe alle Familienangehörigen in das Personenstandsregister der Stadt Mardin eintragen lasse. So aber würde sich niemand verhalten, der keine Verbindung in die Türkei habe.

Der Bremer Senat hatte vor einem Jahr eine Kampagne gegen rund 530 angebliche "Schein-Libanesen" losgetreten, die sich alle hier das Asyl unter Vorspiegelung falscher Tatsachen "erschlichen" - und damit auch Zig-Millionen Mark Sozialhilfe abgesahnt - hätten. Demgegenüber verweisen die Betroffenen, so auch die Familie, deren Eilantrag jetzt abgelehnt wurde, darauf, daß sie die Türkei lediglich als Transitland auf der Flucht vor dem libanesischen Bürgerkrieg genutzt hätten. Sie seien denn auch keine TürkInnen, wie von Innensenator Bernt Schulte (CDU) behauptet, sondern Staatenlose. Sehr viele der Betroffenen seien zudem erst in Bremen geboren worden und gingen hier zur Schule - die Türkei seien ihnen mithin völlig fremd.





12. Februar 2001



Runder Tisch fordert Abschiebestopp


Rund 20 VertreterInnen von Schulen, Flüchtlingsinitiativen und Parteien sowie der Ausländerbeauftragten gründen einen "Runden Tisch" gegen die geplante Abschiebung von kurdischen Flüchtlingen aus dem Libanon. Der Runde Tisch will Öffentlichkeitsarbeit machen, versuchen, auf die mit dem Thema befaßten Deputationen und Behörden einzuwirken und will die Schulen, an denen die Kinder der betroffenen Familien unterrichtet werden, anschreiben.





20. Februar 2001



Verfahren wegen DVU-Busblockade eingestellt


Ohne daß es zu Verhandlungen vor Gericht gekommen ist, werden die Verfahren gegen zwölf Männer und Frauen, die an der Blockade eines von der faschistischen DVU gecharterten Busses im Sommer 1998 teilgenommen haben sollen, nach § 153a Absatz 2 Strafprozeßordnung gegen Zahlung von Geldbußen in Höhe von jeweils einigen hundert Mark eingestellt. Elf von ihnen war Landfriedensbruch vorgeworfen worden, einem Mann schwerer Landfriedensbruch (hier beträgt die Geldbuße einige tausend Mark). Bereits am 5. Oktober war ein Prozeß gegen drei angebliche jugendliche Blockade-TeilnehmerInnen nach wenigen Minuten auf Kosten der Staatskasse eingestellt - die Staatsanwaltschaft hatte schlichtweg keinerlei Beweise vorbringen können (vgl. kassiber 44, März 2001, S. 5f).

Am 20. Juni 1998 waren 21 Männer, Frauen und Jugendliche von der Polizei am Hauptbahnhof, in der Bahnhofsvorstadt und in Straßenbahnen festgenommen worden. In wurde ziemlich willkürlich unterstellt, zuvor an der Blockade des Omnibusses am Hauptbahnhof teilgenommen zu haben, mit dem Mitglieder und AnhängerInnen der DVU zu einer zentralen "Sonnenwendfeier" verschiedener DVU-Landesverbände fahren wollten. Da bei der Aktion einer der Reifen des Busses explodierte und dabei ein Mann schwer verletzt wurde, konnten die AntifaschistInnen auch nicht gemeinsam abziehen. Viele standen - wie auch zahlreiche, sich sammelnde Schaulustige - herum, einige wollten helfen, andere gingen weg, als sich Polizei und Krankenwagen näherten. In dieser Situation kam es zu zahlreichen Festnahmen, bei einem Großteil aber offensichtlich nach Kriterien wie bunten Haare oder "punkigem" Aussehen.



Innensenator will beschleunigte Abschiebeverfahren


Rund 530 libanesische KurdInnen will Innensenator Bernt Schulte (CDU) seit längerem in die Türkei abschieben lassen. Die lebten hier unter einer falschen Identität, seien nämlich nicht, wie von ihnen angegeben, staatenlos, sondern in Wirklichkeit TürkInnen. Bisher habe man aber nur 38 der Betroffenen abschieben können. Deshalb sei im September vergangenen Jahres die Abschiebegruppe des Ausländeramts um vier BeamtInnen verstärkt worden - "sie arbeitet mit Hochdruck an diesen Fällen" -, wünschenswert findet Schulte aber auch, die juristischen Möglichkeiten von Flüchtlingen, sich dagegen zu wehren, weiter zu beschränken. Denn jetzt müßte jeder Einzelfall sorgfältig geprüft werden, auf die Ablehnung des Asylantrages folgten Klagen, auf deren Abweisung Asylfolgeanträge und darauf wiederum Asylanträge für in Deutschland geborene Kinder usw. usf. Zudem würden in den Gerichtsverfahren Abschiebehindernisse für einzelne Personen geltend gemacht, die wiederum die Abschiebung der ganzen Familie verzögern würden. Deshalb fordert der Innensenator "ein vereinfachtes und beschleunigtes Abschiebeverfahren in der Gesetzgebung des Bundes".





22. Februar 2001



Kirchenasyl verlängert


Die Gemeindevertretung der evangelischen Kirchengemeinde Arsten-Habenhausen verlängert das einem kurdischen Ehepaar dort seit drei Monaten gewährte Kirchenasyl um ein weiteres Vierteljahr. Die Gemeinde hofft darauf, daß für den Mann und die Frauen durch die Behörden eine "Duldung aus humanitären Gründen" ausgesprochen wird beziehungsweise darauf, daß weitere rechtliche Schritte vor dem Bundesverwaltungsgericht Erfolg haben. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte ihr Asylgesuch abgelehnt.



Arbeistamts-Razzien (III)


FahnderInnen des Arbeitsamtes nehmen bei Razzien auf verschiedenen Baustellen vier Männer fest. Ein türkischer und ein polnischer Arbeiter werden auf einer Baustelle in Woltmershausen festgenommen. Letzterer sei mit einem Touristenvisum eingereist, habe also keine Arbeitserlaubnis gehabt, während der türkische Mann bereits 1999 nach einem abgelehnten Asylverfahren ausgewiesen worden sei. Zwei weitere polnische Arbeiter, ebenfalls als Touristen eingereist, werden auf einer Baustelle im Steintorviertel festgenommen. Alle vier Festgenommenen sollen in den nächsten vier Tagen abgeschoben werden.



Zwei Nazis verurteilt

Das Jugendschöffengericht Blumenthal verurteilt zwei Mitglieder der faschistischen "Kameradschaft Bremen-Nord", weil sie einen Sprengstoffanschlag auf ein Flüchtlingswohnheim planten. Der 21jährige L. wird zu drei Jahren Haft verurteilt, Marcel S. (19) zu eineinhalb Jahren auf Bewährung.

Am 31. Oktober waren in der Wohnung von L. von der Polizei unter anderem 90 Gramm hochexplosives Acetonperoxyd, eine Hülse, die als Rohrbombe dienen sollte sowie eine Dose mit hunderten Unterlegscheiben, mit denen der Sprengkörper gefüllt werden sollte, beschlagnahmt worden (vgl. kassiber 44, März 2001, S. 6f). Die Hülse hatte der Schlosserlehrling Marcel S. aus einem Rohrstück geschweißt. Die Bombe hätte bei ihrer Zündung noch in etwa 20 Metern Entfernung tödliche Wirkung gehabt, weiter entfernt hätte es für Menschen noch schwere Verletzungen gegeben.

Während die beiden Nazis bei der Vernehmung angaben, mit der Bomben nur "experimentieren" und sie "in einer Sandkuhle" zünden zu wollen, zeigte sich auch das Gericht davon überzeugt, daß ein Anschlag geplant war. Bestärkt sah es sich durch das auf L. Computer gefundene "politische Testament", in dem er sich als Hitler-Anhänger bezeichnet. Die Bundesrepublik sei ein "Judenstaat", gegen den er bis in den Tod kämpfen wolle. Sogar seine Beerdigung hatte er dort schon organisiert, samt der Liste der teilnehmenden KameradInnen und ihren Handy-Nummern. Diesen Computer hatte die Polizei zunächst nicht beschlagnahmt, erst durch das Abhören des Telefonsanschlusses eines seiner Verwandten, den L. über einem in die Untersuchungshaft geschmuggelten Handy aufgefordert hatte, den Rechner aus der Wohnung zu holen und "die Festplatte in die Weser" zu schmeißen, führte zu einer erneuten Durchsuchungsaktion - diesmal bei dem Verwandten.

Der kriminalpolizeiliche Staatsschutz, der L. bereits seit Monaten überwachte, war ihm auf die Spur gekommen, als er mal wieder beim Kleben von NPD-Plakaten vorläufig festgenommen wurde. Dabei trug er einen Zettel mit der Zutatenliste für die Chemikalie Acettonperoxyd, die er sich im Internet besorgt hatte, bei sich. Daß er einen Anschlag verüben wolle, hatte er wiederholt im Kreise seiner KameradInnen angekündigt. So war unter anderem von einem Anschlag auf ein Flüchtlingswohnheim oder die Hochhäuser in der "Grohner Düne" die Rede.

Beide Angeklagte gaben an, im Frühjahr in die "Kameradschaft Bremen-Nord" eingetreten zu sein. Sie waren an zahlreichen faschistischen Angriffen und Anschlägen beteiligt (vgl. kassiber 44, März 2001, S. 6f), so unter anderem auch dabei, als Nazis im vergangenen Jahr Steine auf eine Moschee sowie einen türkischen Gemüseladen warfen.

Das Jugendschöffengericht erteilt Marcel S. die Auflage, zu seinem Vater in die neuen Bundesländer zu ziehen. Mit dessen Hilfe könne er sich von der Nazi-Szene lösen.





26. Februar 2001



Hoch die Säge!


Die "Rosenmontagsfrauen" bekennen sich dazu "als Ausdruck unseres Zornes und unserer Wut den Penis von der Jünglingsstatue in den Wallanlagen an der Bischofsnadel entfernt" zu haben: "Wir sind wütend über die alltägliche sexuelle Gewalt von Männern und Frauen und die Diskriminierung von Lesben und deren derzeitigen Ausdruck. Wir nehmen die Gerechtigkeit selbst in die Hand. Diese Aktion heute soll einen symbolischen Wert haben und kann als Vorläufer zu konkreterem Handeln eingestuft werden. Hoch die Säge!"





Willi Leow


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kombo(p) - 16.05.2001