Ein Auszug aus - kassiber 45 - Mai 2001

Kurzmeldungen

Politische Prozesse / Gefangene



§ 129-Ermittlungsverfahren in Erfurt

In einem Verfahren wegen versuchter Brandstiftung sowie Sachbeschädigung am Thüringer Innenministerium als auch in der Erfurter Innenstadt wurden am 23. März fünf Personen als ZeugInnen vorgeladen (vgl. kassiber 44, Februar 2001, S. 53). Die Vorgeladenen waren oder sind zu unterschiedlichen Zeiten im Fachschaftsrat Sozialwesen an der Fachhochschule in Erfurt tätig. Der stellt der örtlichen anonymen linken Zeitschrift "Spunk" ein Postfach zur Verfügung. Dies schient der einzige Anhaltspunkt der Staatsanwaltschaft für ein Verfahren zu sein.

Der Hintergrund des Ganzen: Nach den Verhaftungen zweier Männer und einer Frau in Berlin bzw. Frankfurt/Main, denen die Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen/Rote Zora vorgeworfen wird, bekannte sich eine Gruppe namens "Autonome DekorateurInnen" zu einem Farbbeutel"anschlag" auf das Thüringer Innenministerium am 21. Dezember 1999, die mit dieser Tat gegen die Verhaftungen protestierte und sich mit der Politik der RZ/ Rote Zora solidarisierte. Am 2. Januar 2000 soll ein Molotow-Anschlag auf das Innenministerium stattgefunden haben, den das Innenministerium trotz fehlenden BekennerInnenschreibens den "Autonomen DekorateurInnen" zurechnet. Weiterhin handelt es sich bei der Sachbeschädigung um das kurz nach den Verhaftungen erschienene Soli-Plakat mit der Aufschrift "Jedes Herz eine revolutionäre Zelle" und um Sprühereien mit dem Inhalt "Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle", "Freiheit für Axel, Sabine, Harald (RZ)", "Gegen die Kriminalisierung der RZ/Roten Zora" und "Schafft Revolutionäre Zellen! Viva RZ!" (Quelle: monatlicher Verfassungsschutzbericht des LfV Thüringen).

Die ZeugInnen wurden nach ihrer Mitarbeit beim Fachschaftsrat befragt - danach, wie denn das Postfach dort entleert werde, wer die HerausgeberInnen der "Spunk" sind, ob über den Brandanschlag im Fachschaftsrat diskutiert wurde. Ihnen wurden Fotos von dem Plakat und den Sprühereien vorgelegt. Weiterhin wurde gefragt, ob sie den Erfurter Infoladen kennen würden, welcher durch das Landesamt für Verfassungsschutz auch des öfteren als Herausgeber dieser Zeitung bezichtigt wurde. Drei der fünf ZeugInnen haben jegliche Aussage verweigert, auch wenn sie dazu keine legale Möglichkeit hatten. Der Staatsanwalt Grünseisen wird deswegen ein Ordnungsgeld verhängen, hat aber auch mit der Beantragung einer "Beugehaft" (Erzwingungshaft) gedroht. Freiheit für Axel, Harald, Sabine und Matthias!

Weitere Infos: targ00@gmx.net, alle Pressemitteilungen sind auch unter http://talk.to/thueringer.autonome zu bekommen. Spenden: LAG Antifa/Antira A.L.F. Stichwort: 129 Kto-Nr.: 2371243701 BLZ: 82010111, BfG Erfurt

[Pressemitteilung der Thüringer Antirepressionsgruppe TARG (redaktionell leicht überarbeitet)]



Ermittlungen im Fall Andrea Wolf (Ronahî) aufgenommen

Wie die in der Türkei erscheinende Tageszeitung Yeni Gündem am 18. Februar berichtete, hat die Staatsanwaltschaft in Çatak bei Van Ermittlungen im Fall Andrea Wolf aufgenommen.

Andrea Wolf war Internationalistin in den Reihen der PKK. Im Oktober 1998 gehörte sie zu einer Einheit von 39 KämpferInnen. Bei einer Großoperation der türkischen Armee in Çatak nahe des Dorfes Keles wurden 24 Angehörige dieser Einheit getötet. Andrea Wolf wurde mit zehn anderen lebend gefangen genommen - später wurde sie kaltblütig erschossen. (vgl. kassiber 37, Januar 1999, S. 39) Die Anwältin Eren Keskin stellte im Auftrag der Mutter, Lilo Wolf, einen Strafantrag gegen die Sicherheitskräfte, die an der in der Provinz Van geführten Operation am 23. Oktober 1998 beteiligt waren (vgl. kassiber 44, Februar 2001, S. 54). Weiter forderte sie vom Innen- und Justizministerium der Türkei Informationen zu dem Fall. Diese aber behaupteten, daß bei der besagten Operation niemand mit dem Namen Andrea Wolf getötet worden sei.

Auf Antrag Eren Keskins, die Verantwortlichen am Tode Andrea Wolfs zu verurteilen, hat jetzt der Staatsanwalt von Çatak, Raif Bikmaz, seine Ermittlungen aufgenommen. Bikmaz holte zunächst die Aussagen der Überlebenden, die durch das Militär bei der Operation festgenommen worden waren, beim türkischen Staatssicherheits-Gericht (DGM) und der Gendarmerie ein. Dieses Vorgehen des Staatsanwalts bewertete Eren Keskin als eine mutige Handlung: "Beim Treffen mit dem Staatsanwalt sagte er, daß das Ereignis in der Türkei stattgefunden hat und der Prozeß auch in der Türkei stattfinden solle, das heißt daß es nicht nötig sei, den Fall vor den Europäischen Menschengerichtshof zu bringen. Er wollte von uns die Aussagen haben, die gegenüber der Untersuchungskommission in Deutschland gemacht wurden. Ich werde sie ihm geben. Außerdem ist es notwendig, das Grab zu öffnen." (Yeni Gündem vom 18.2.2001)

Auch die mit dem Fall befaßte Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main will die Anwältin Eren Keskin über die neuen Entwicklungen in diesem Fall informieren.

[Informationsstelle Kurdistan (redaktionell gekürzt und leicht überarbeitet)]



Antifaschismus jetzt auch in Bayern legal!

Das Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen 39 Beschuldigte aus Bayern wurde nach § 170 Strafprozeßordnung (Mangel an Beweisen) eingestellt. Ein Teil der Betroffenen erhielt Mitte Januar den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft München. Den Beschuldigten war vorgeworfen worden, seit 1993 in Passau dem "antifaschistischen Spektrum" anzugehören und eine "kriminelle Vereinigung" gegründet zu haben. Der von Polizei und Staatsanwaltschaft konstruierten kriminellen Vereinigung wurden willkürlich mehr als 100 Straftaten zugeordnet, in der Mehrzahl Sprühereien, Plakate und Aufkleber mit antifaschistischem Inhalt. Die Grundlagen für die Einleitung des Verfahrens waren zum Teil mehr als haltlos: So wurden auch Anklagen, von denen die Betroffenen vor Gericht bereits rechtskräftig freigesprochen worden waren, als "Indizien" angeführt. Auch das Bewohnen von Wohngemeinschaften und der Gebrauch des Grundrechts auf Demonstration (Teilnahme an nicht verbotenen Demonstrationen gegen DVU und NPD) stellten für die Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) weitere Verdachtsmomente für die Bildung einer kriminellen Vereinigung dar.

In einer als "bundesweiter Schlag gegen die autonome Szene" gemeldeten Durchsuchungsaktion beschlagnahmte das LKA Bayern am 12. Mai 1998 Computer mit Monitoren und Druckern, Adreßbücher, Tagebücher und andere persönliche Unterlagen von mehr als 32 Personen in Passau, Mühldorf, München, Bielefeld, Göttingen, Hamburg und Berlin (vgl. kassiber 35, Juni 1998, S. 58). Im Rahmen der Ermittlungen des bayerischen LKA gerieten seit 1993 mehr als 80 in Passau politisch aktive Personen, unter anderem zwei Rechtsanwälte sowie Grünenpolitiker, ins Fadenkreuz der Fahnder. "Erkenntnisse" aus einer unbekannten Zahl von Observationen, Post-, Telefon- und Videoüberwachungen füllen mehrere Aktenordner, die bis heute noch nicht eingesehen werden konnten, da die Staatsanwaltschaft den Anwälten der Beschuldigten nur Teilakteneinsicht gewährte. Die Kosten des Ermittlungsverfahrens liegen nach unseren Schätzungen in zweistelliger Millionenhöhe.

[Presseerklärung der Antifaschistischen Aktion Berlin bzw. Passau (redaktionell gekürzt)]



90 Tagessätze für Totalverweigerer

Der Totale Kriegsdienstverweigerer Sascha Weber wurde am 30. Januar vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Mark verurteilt. Der 20jährige hatte im Oktober 1999 den Zivildienst an einer Hamburger Dienststelle abgebrochen, weil ihm sein Gewissen die Beihilfe zur Kriegsführung verbiete. Genau dazu wäre er im Kriegsfall jedoch verpflichtet: Das Zivildienstgesetz (ZDG) sieht die unbefristete Einberufung zum Zivildienst vor, um auch Kriegsdienstverweigerer zu militärrelevanten Unterstützungstätigkeiten zu verpflichten.

Richterin Vasilio brachte einen kaum gebräuchlichen Paragraphen des Zivildienstgesetzes in Stellung: § 15 ZDG bietet als "Alternative zum Zivildienst" ein sogenanntes freies Arbeitsverhältnis im Pflegebereich, wenn der Verweigerer Gewissensgründe gegen den Zivildienst hat. Dieses Arbeitsverhältnis ist jedoch schon deshalb kein "freies", weil es nur unter Androhung einer Haftstrafe angetreten und nicht frei gekündigt werden kann. An der militärischen Verplanung des Kriegsdienstverweigerers ändert sich dadurch nichts.

Ein Antrag von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck auf Aussetzung des Verfahrens wurde abgelehnt. Das Landgericht Potsdam hatte vor zwei Jahren einen ähnlichen Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil es an der Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht Zweifel hatte. Wolfgang Kaleck wollte die für den Sommer dieses Jahres erwartete Entscheidung aus Karlsruhe abwarten.

Mit der Geldstrafe blieb das Gericht zwar - in Anerkennung der Gewissensgründe von Sascha Weber - unter dem Strafantrag der Staatsanwältin, die eine Strafe von sechs Monaten auf Bewährung gefordert hatte. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit gelte jedoch nicht für die Verweigerung des Zivildienstes. Verfassungsrechtliche Zweifel kamen der Richterin nicht. In den fünf Minuten, die sie für die Urteilsfindung benötigte, konnten diese offensichtlich auch kaum aufkommen.

[Presseerklärung der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) Berlin-Brandenburg vom 30.1.2001 (redaktionell gekürzt und leicht überarbeitet)]



München: Überfall auf Räume des Kurdistan-Zentrums

In der Nacht vom 27. auf den 28. Januar wurde im "Zentrum für Entwicklung und Frieden" (ZEF e.V.) in München eingebrochen. In einer Pressemitteilung des Kurdistan-Zentrums München vom 30. Januar heißt es dazu: "Im ZEF sind zur Zeit zwei Vereine tätig, die Kurdistan Kontakt Adresse e.V. und das Kurdistan Zentrum München e.V. Die Kurdistan Kontakt Adresse ist ein Verein von KurdInnen aus Süd-Kurdistan (irakisch besetzter Teil), das Kurdistan Zentrum ein Verein von NordkurdInnen (aus dem türkisch besetzten Teil). Bei dem Einbruch wurde das Büro der Kurdistan Kontakt Adresse unbeachtet gelassen, im Büro des Kurdistan Zentrums jedoch gezielt alle Unterlagen, auf denen Namen und Unterschriften verzeichnet waren, so wie interne Kommunikationsunterlagen der Mitglieder durchsucht und mitgenommen. Unterlagen von deutschen und südkurdischen Mitgliedern ließ man zurück. Angesichts der Kenntnis von Vorgehensweisen des türkischen Geheimdienstes vermuten wir hinter diesem Anschlag die Initiative des türkischen Geheimdienstes und zwar aus folgenden Gründen und mit folgendem Ziel: Der Verein ist in den letzten Jahren verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Der Verein hat sich dafür eingesetzt, daß der Völkermord an den Armeniern anerkannt wird. Der Verein hat maßgeblich die Öffentlichkeitsarbeit für die Enthüllung der Unterdrückung und den ethnischen Morden an den Kurden in der Türkei bestimmt. Wir sind ein Verein, der sich partei- und ideologieübergreifend gegen die verbrecherischen Aktivitäten von Militär und Polizei in der Türkei kontinuierlich eingesetzt hat. Wir haben enge Kontakte zu Menschenrechtsorganisationen, anderen Einrichtungen und Persönlichkeiten in der Türkei, in Kurdistan und Europa.

Wir sehen die Sicherheit unserer Mitglieder massiv gefährdet: Ein Teil unserer Mitglieder besteht aus Flüchtlingen, deren Asylverfahren noch läuft; andere Mitglieder, die in der Öffentlichkeit bisher nicht aufgefallen sind, fahren nach wie vor nach Kurdistan. Diese letzteren können im Falle einer Rückkehr mit schweren Gefängnisstrafen und sogar bis hin zur Todesstrafe in der Türkei rechnen ("Vaterlandsverrat" nach § 125 der türkischen Verfassung). Außerdem sehen wir unsere Mitglieder auch hier gefährdet. Da die Türkei ihre Hoffnungen, in die EU einzutreten, bereits gefährdet sieht, kann sie sich in ihrer Vorgehensweise der letzten Zeit bestätigt sehen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß entlarvte Folterer und Mörder im Dienste des türkischen Staates im Ausland eine neue Existenz bekommen. Insbesondere in den letzten Jahren ist ein Zuwachs an Mitgliedern von Sondereinsatzkommandos, die in Kurdistan eingesetzt wurden, in Europa zu verzeichnen. Wir erinnern nur daran, daß die Türkei sich halb-offiziell zu den Morden an den armenischen Intellektuellen in Europa in den Achtzigern bekannt hat.

[Presseerklärung des Kurdistan-Zentrum München e.V., Pariser Straße 7, 81669 München, Tel./Fax: 089-4802792, eMail: memo.alan@12move.de]



Erster Prozeß gegen Gelöbnisstörer von 1999

Am 23. Januar wurde das erste Urteil gegen einen Angeklagten gefällt, der am 20. Juli 1999 gemeinsam mit anderen in einer spektakulären Aktion das dritte "Feierliche Rekrutengelöbnis" der Bundeswehr in Berlin gestört hatte. Trotz des massiven Polizeiaufgebots waren mehrere GelöbnisgegnerInnen entkleidet über das Gelände gestürmt und hatten Regenschirme mit der Aufschrift "Tucholsky hatte Recht" gezeigt (vgl. kassiber 40, Dezember 1999, S. 53). Angeklagt waren Katja J. wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Thomas J. ebenfalls wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und außerdem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Das Verfahren gegen Katja J. wurde eingestellt, weil der Vorwurf verjährt war. Thomas J. wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 25 Tagessätzen verurteilt, vom Vorwurf, gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben, hingegen freigesprochen.

Der Schwerpunkt der Verhandlung bestand darin zu prüfen, ob es sich bei einem Bundeswehrgelöbnis tatsächlich um eine öffentliche Versammlung handelt. Rechtsanwältin Götze und Anwalt Schrag, die die Angeklagten verteidigten, verneinten dies. Denn das Versammlungsrecht, abgeleitet von Artikel 8 Grundgesetz, zielt darauf ab, BürgerInnen, die sich versammeln, vor staatlichen Angriffen zu schützen - nicht aber Staatsakte vor BürgerInnen, die ihre Meinung kundtun. Das Versammlungsgesetz legt zudem fest, daß eine Versammlung angemeldet werden muß und daß ihre TeilnehmerInnen weder Uniformen noch Waffen tragen dürfen. Keine dieser Anforderungen hatte die Bundeswehr erfüllt. Wenn also jemand gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hat, dann die Bundeswehr. Zusätzlich besaß die Bundeswehr kein Hausrecht für den Parkplatz, auf dem das Gelöbnis stattfand. Deswegen waren die Feldjäger auch nicht befugt, das Hausrecht wie in einem militärischen Bereich auszuüben und gegen Zivilpersonen vorzugehen.

Zwar erklärte die Richterin, daß ein Staatsakt in der Zukunft nicht als Versammlung gewertet werden dürfe, doch dann verurteilte sie Thomas J. trotzdem. Die Autorität des Militärs reicht offenbar bis in die Gerichtssäle hinein. Thomas J. legte gegen das Urteil Berufung ein. Weitere Verfahren gegen StörerInnen werden folgen.

[Presseerklärung der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär (redaktionell leicht überarbeitet)]



Prozeß gegen kurdischen Konsulatsbesetzer in Dresden

Abdullah Ö. wurde am 23. Januar vom Landgericht Dresden wegen Anstiftung zur Besetzung des griechischen Generalkonsulates in Leipzig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der 37-Jährige gab die ihm zur Last gelegten Taten zu. Ihm war vorgeworfen worden, in seiner Eigenschaft als PKK-Regionalbeauftragter für einige ostdeutsche Länder am frühen Morgen des 16. Februar 1999 die Erstürmung des Generalkonsulats telefonisch angeordnet zu haben. Ferner hätte er den ihm unterstellten Gebietsverantwortlichen befohlen, die Polizei massiv unter Druck zu setzen. Mit Hinweisen, die Besetzer hätten Sprengstoffpakete an ihren Körpern befestigt, und der Drohung, die Geiseln mit Benzin zu übergießen und anzuzünden, habe man die Polizei von der Erstürmung des Gebäudes abhalten wollen. Der Angeklagte war im Herbst 1999 in Paris auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Leipzig festgenommen und Anfang dieses Jahres in die Bundesrepublik überstellt worden.

In seiner Urteilsbegründung wertete das Gericht das umfassende Geständnis des Angeklagten positiv. Es sei kein Lippenbekenntnis gewesen. Als glaubhaft sahen die Richter es auch an, daß der Angeklagte sich der neuen Strategie der PKK, die nunmehr auf Gewaltverzicht setze und versuche, ihre Ziele mit diplomatischen Mitteln durchzusetzen, angeschlossen habe. Da er bereits mehr als die Hälfte des verkündeten Strafmaßes in Frankreich in Auslieferungshaft gewesen sei, wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.

[Quelle: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 3/2001, 7.2.2001 (redaktionell gekürzt)]



München: Hausdurchsuchung nach Demo

Nach einer Demonstration zur Lage in der Türkei und Kurdistan in München wurden am 6. Januar sechs TeilnehmerInnen festgenommen. Die fünf KurdInnen und ein Deutscher sollen durch Parolenrufen gegen das PKK-Verbot verstoßen haben. Während sie stundenlang in Haft saßen, durchsuchte die Polizei ihre Wohnungen und beschlagnahmte zahlreiche private Gegenstände.

Etwa 250 Menschen - fast ausschließlich KurdInnen - waren dem Demonstrationsaufruf der "Deutsch-Kurdischen Gesellschaft e.V." gefolgt. Sie protestierten gegen die Massaker in den türkischen Gefängnissen, die Zwangsverlegungen in die Isolationsgefängnisse und gegen den erneuten türkischen Einmarsch in Südkurdistan (Nordirak). Wie erwartet, begannen - gemäß Münchner Verhältnissen - Staatsschutz und weitere zivile Polizeikräfte noch während der Abschlußkundgebung mit den Festnahmen. Der Vorwurf gegen alle sechs Festgenommenen lautet auf Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Sie hätten durch das Rufen von Parolen wie "Es lebe der Vorsitzende Apo" das PKK-Verbot mißachtet. Tatsächlich wird nirgends sonst das Betätigungsverbot für die PKK so scharf umgesetzt wie in Bayern - und speziell in München. Mit einer unüberschaubaren Anzahl von Verfahren und Verurteilungen wird jeder Äußerung zur Kurdistan-Frage ein Maulkorb umgehängt. Einschüchterung und Entsolidarisierung ist die gewünschte Folge.

[Presseerklärung von Mesopotamia, Informations- und Beratungsstelle für Menschenrechte, c/o MED-Kulturhaus e.V., Dachauer Straße 7a, 80335 München, Tel. 0172-4429356, vom 9.1.2001 (redaktionell gekürzt)]


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kombo(p) - 16.05.2001