Ein Auszug aus - kassiber 45 - Mai 2001

Kein Konsens über Atommüll-Zwischenlager in Esenshamm


Nach den Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen zum sogenannten Atomkonsens (1) sollen möglichst bald an 12 AKW-Standorten (2) dezentrale Castor-Lagerhallen eingerichtet werden. Die unpopulären Castor-Transporte in die bestehenden Atommüllager in Gorleben und Ahaus sollen so umgangen und der ungestörte und reibungslose Weiterbetrieb der Atomkraftwerke ermöglicht werden. Doch es regt sich Widerstand.

Bremen ist von sieben AKWs umgeben: Esenshamm ist nur ca. 45 km von der Stadt entfernt, Stade 70 km, Brunsbüttel und Brokdorf 90 km, Krümmel 110 km, Grohnde und Lingen sind 120 km von Bremen entfernt. Auch hier liegen inzwischen Bauanträge für Zwischenlager vor.


Das AKW Esenshamm und der Atommüll

Das bereits 1978 in Betrieb genommene AKW Unterweser in Esenshamm hatte in den letzten Jahren durchschnittlich dreimal so viel meldepflichtige Pannen wie andere Atommeiler zu verzeichnen (3). Im Juni 1998 kam es dort zu einer der bisher schwersten Pannen in einem bundesdeutschen AKW (4). Weitere Beispiele, die die besondere Verantwortungslosigkeit des AKW-Esenshamm-Betreibers E.ON illustrieren, sind die verstrahlten Atomtransporte (5) und der "Brennelementeskandal", als beim AKW Esenshamm Plutonium-Mischoxid-Brennelemente aus Sellafield mit gefälschten Sicherheitsdokumenten wissentlich eingesetzt wurden (6).

Aber auch ohne die Belastung durch ständige "kleinere Störfälle" in den Reaktoren und "Pannen" beim Umgang mit Atommüll und anderem radioaktiven Material werden im sogenannten "Normalbetrieb" von Atomkraftwerken ständig radioaktive Stoffe freigesetzt.

Der Umgang mit hochradioaktiven Stoffen birgt eben immer das unbeherrschbare Risiko einer Verstrahlung. Dieses Risiko bleibt auch längerfristig bestehen, denn durch den Weiterbetrieb der AKWs nimmt ständig die Menge der anfallenden radioaktiven Stoffe zu. Diese müßten über Hunderttausende von Jahren sicher von Mensch und Umwelt abgeschirmt werden, was schlechterdings unmöglich ist. Der erste verantwortungsvolle Schritt in Richtung eines Stops der Produktion von immer weiterem Atommüll bestünde daher in der Abschaltung aller AKWs - und nicht in dem Bau von Atommüll-Zwischenlagern vor Ort!

Durch die Vereinbarungen zum Atomkonsens wird nun das erste Mal seit langer Zeit der Neubau atomarer Anlagen, der Atommüllager, ermöglicht. Die zusätzlichen Zwischenlagerkapazitäten sollen den weiteren Betrieb der AKWs garantieren, denn ohne die Lagerung des Atommülls vor Ort würde der Entsorgungsnotstand ausbrechen und die Abschaltung der Reaktoren drohen. Schließlich bedeuten die im Atomkonsens vereinbarten "Rest"laufzeiten, daß noch einmal soviel Atommüll produziert werden darf, wie jetzt schon existiert.


Zwischenlager sind Endlager

Da es nirgendwo ein Endlager gibt (und für einen Hunderttausende von Jahren lang strahlenden radioaktiven Atommüll auch per se nicht geben kann), besteht die Gefahr, daß die abgebrannten Reaktorbrennstäbe in ihren Castor-Behältern womöglich einfach in den Zwischenlagerhallen verbleiben. Schon jetzt sind die Castoren radioaktiv kontaminiert, und nach wenigen Jahren treten bereits Rostschäden und Dichtigkeitsprobleme auf.

Die Castor-Behälter, die seit maximal 5 Jahren in Ahaus lagern, rosten schlicht durch und müssen daher schon jetzt wegen Rostschäden "überholt" werden (7). In seinem Jahresgutachten 2000 hat mit dem Umweltsachverständigenrat erstmals ein Expertengremium der Bundesregierung offiziell festgestellt, daß die Entsorgung des Atommülls eine unlösbare Frage ist. Es wurde betont, daß aufgrund von Korrosion und Gasbildung innerhalb der Atommüllbehälter hieraus zwangsläufig Radioaktivität entweichen wird (8).

Die einzige Barriere zwischen den hochradioaktiven abgebrannten Brennstäben und der Umwelt stellt in den geplanten Zwischenlagern der Castor-Behälter dar. Die enorm hohe Außentemperatur der Castoren soll einfach per Luftzug gekühlt werden, d.h. die frische Luft strömt auf der einen Seite durch Lüftungsschlitze in der Betonwand hinein und auf der anderen Seite der Castor-Halle (radioaktiv) wieder hinaus...

Die beantragte Kapazität des "Zwischen"lagers für Esenshamm hat ein Fassungsvermögen, das für 80 Castor-Behälter ausreicht (das entspricht etwa 1500 hochradioaktiven Brennelementen). Dies ist weit mehr, als in den nächsten Jahren im AKW Esenshamm selbst anfallen. Die vorgesehene Lagerkapazität würde beispielsweise ausreichen, um die abgebrannten Brennstäbe aus weiteren 27 Betriebsjahren des AKW aufzunehmen. Selbst wenn das AKW einmal abgeschaltet werden sollte, bliebe die Region jahrzehntelang auf Tonnen von strahlendem Müll sitzen.


Protest vor Ort

Gleich nach Bekanntwerden der Pläne zum Bau einer Castor-Halle hat sich vor Ort eine Bürgerinitiative, die Aktion-Z, gegründet, die sich in der Region regen Zuspruchs erfreut. (9) Durch die Öffentlichkeitsarbeit der Aktion-Z und das Überreichen von ausschließlich vor Ort gesammelten - immerhin eintausend - Unterschriften wurde "der Gemeinderat aufgefordert, für das geplante atomare Zwischenlager am Atomkraftwerk Unterweser eine Bebauungsplansperre zu erlassen" (10) und damit einen neuen Bebauungsplan, der eine Castor-Halle vorsehen würde, zu verhindern. Bei einer Demo samt 60 Treckern und unter großer öffentlicher Beteiligung hat schließlich der Rat der Gemeinde Stadland (11) am 1. Februar einer Veränderungssperre des Bebauungsplanes zugestimmt und sich damit gegen das Zwischenlager ausgesprochen.

Die Bezirksregierung Weser-Ems reagierte prompt und erklärte, daß sie die von der Gemeinde verhängte Veränderungssperre für rechtswidrig hält (12). Es scheint aber so, daß die Rechtslage hier keinesfalls so eindeutig ist. Jedenfalls hat die Gemeinde Stadland auf ihrer Sitzung am 1. März dem Bauantrag für die Castor-Halle am AKW Esenshamm mit großer Mehrheit die Zustimmung verweigert (13).

Bis zum 5. April 2001 wurden die Unterlagen zum geplanten "Zwischen"lager im Rathaus der Gemeinde Stadland in Rodenkirchen ausgelegt. Während dieser Zeit waren die Unterlagen einsehbar, und es konnte dagegen Einwendung erhoben werden. Für die Einwendungen gab es Unterschriftenlisten, etwa bei der Aktion-Z oder im Bremer Infoladen. Die Einwendungen können z.B. auf einem späteren Erörterungstermin vorgebracht und erweitert werden.

Nun ist der Erfolg dieser Einwendungen und Erörterungstermine sehr wohl fraglich. Schließlich geraten diese Erörterungstermine schnell zur Farce, da ihr Ergebnis ohnehin von vornherein feststeht. Neben dem Sammeln von Einwendungen sollte daher nicht versäumt werden, dem sich entwickelnden Widerstand gegen die Atommüllager vor Ort mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihn in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.

Keine weitere Produktion von Atommüll - abschalten, sofort!
Kein Atommüll-Lager in Esenshamm und anderswo!
Sofortige Stillegung aller Atomanlagen - weltweit!


Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS e.V)


Demo gegen das Zwischenlager Esenshamm am Samstag, den 21. April 2001, um 13 Uhr in Rodenkirchen


Anmerkungen:
(1) Im Juni 2000 unterzeichneten Vertreter der vier größten Energieversorgungsunternehmen und die Bundesregierung die Vereinbarung, mit der die zukünftige Nutzung der Atomenergie geregelt werden soll.
(2) Nicht in Stade: Der Schrottreaktor soll 2003 vom Netz gehen, die in den Konsensvereinbarungen zugesagten Reststrommengen werden dann auf rentablere Atommeiler verteilt.
(3) Weser-Kurier vom 25.8.2000. Siehe Berichte des Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit zu meldepflichtigen Ereignissen in bundesdeutschen AKWs.
(4) Weser-Kurier vom 26.6.1998.
(5) Weser-Kurier vom 19.6.1998.
(6) Weser-Kurier vom 18.3.2000.
(7) taz vom 29.12.99.
(8) Bundesdrucksache 14/3363 oder Bericht in der taz vom 11.3.2000.
(9) Homepage unter www.aktion-z.de.
(10) Aus dem Aufruf der Aktion-Z.
(11) Auf Antrag der CDU übrigens. Die Einwände der CDU gegen das Zwischenlager vor Ort lauten allerdings anders: Schließlich gäbe es schon ein geeignetes Zwischenlager, nämlich in Gorleben, warum sollte also noch eins hier nötig sein? - Aber was sollte mensch auch von der CDU anderes erwarten ...
(12) Weser-Kurier vom und taz Bremen vom 28.2.2001.
(13) Weser-Kurier vom 3.3.2001. Bei 22 Stimmen gab es nur zwei Stimmen für das Zwischenlager.


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kombo(p) - 16.05.2001