Ein Auszug aus - kassiber 34 - Februar 98

Der Bremer Esoterik-Kongreß: weltoffen und visionär?

AntiVisionen und linke Perspektiven


Vom 10.-12. Oktober 1997 fand in Bremen zum vierten Mal der Esoterik-Kongreß "Visionen menschlicher Zukunft" statt. Veranstalterin war die "ganzheitliche" Zeitschrift "Forum". Sanft und publikumswirksam begleitet wurde der Kongreß von Bremer PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und der gesamten Presselandschaft. Finanziell gefördert wurde er vom Wirtschaftssenator und eingeleitet unter anderem von Bürgermeister Henning Scherf. Auf der parallel ausgerichteten Messe fanden sich neben esoterischen Verlagen und Kleinunternehmen eine ganze Reihe von vorwiegend aus dem Ökobereich stammenden Betrieben aus Bremen und umzu.

Der Bremer Kongreß steht mit seinem weltoffen-visionären, buntgefächerten Erscheinungsbild exemplarisch für die Entwicklung des New Age in den letzten Jahren. Der Begriff "New Age" bezeichnet keineswegs nur die neureligiöse Orientierung einer kleinen Gemeinde weltfremder SpinnerInnen. Vielmehr werden zahlreiche ehemals New-Age-typische Ideologeme, Praktiken und Argumentationsmuster zunehmend Gemeingut. Astrologie als "Hobby", das Tragen von Amuletten, die Kenntnis des eigenen Sternzeichens und Aszendenten oder der Verweis auf individuellen Bewußtseinswandel als Problemlösungsstrategie sind Beispiele dafür, daß mensch durchaus mal in den spirituellen Warenkorb hineingreifen kann, ohne gleich zur/zum straighten Neureligiösen zu werden. Diese Versatzstücke sind unserer Meinung nach jedoch nicht von ihrem ideologischen Zusammenhang zu trennen, wie es eine Anwendung oder Verharmlosung als "Hobby" glauben macht.

Innerhalb der Esoterik-Szene stehen antimodernistische neben technikbegeisterten Ansätzen, das Heil der Welt wird aus Richtung keltischer oder fernöstlicher Mythologie oder wahlweise von mitfühlenden Außerirdischen, die die Erleuchteten vor Bewußtseinsverfall und Öko-GAU retten, erhofft. Aus solchen Vorstellungen entstammt der Stoff für Fantasy-Geschichten, Mystery-Serien à la "Akte X" oder der Plot für Science Fictions wie "Contact" mit Jodie Foster. Das Geschäft mit Kursen, Psycho- und Ratgeberliteratur floriert und Konzerne schicken ihre gestreßten ManagerInnen zu Meditationswochenenden. Ideologische Versatzstücke finden sich sowohl in Alltagsweisheiten wieder wie auch an Universitäten in sozialpädagogischen oder naturwissenschaftlichen Seminaren. Gerade in der Ökologiebewegung hat die Esoterik eine starke Lobby, so daß es nicht verwundern kann, eine zunehmend auf ökologische Angebote orientierte Messe als Begleitprogramm des Kongresses zu finden. Die Idee vom Neuen Zeitalter, dem ganzheitlichen und naturnahen Leben prägt gleichermaßen viele esoterisch als auch ökologisch denkende Menschen. Und nicht zuletzt sind spirituelle Vorstellungen sowie ideologische Elemente des New Age auch in der Linken verbreitet. Die Wiener Esoterik-Kritikerin Maria Wölflingseder bringt diese Situation auf den Begriff des "modernen religiösen Supermarktes".


New Age als ideologische Modernisierung von Herrschaft

Während einerseits die Herrschenden mit Hilfe der Standortdebatte die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben verstärkt betreiben, wenden sich andererseits immer mehr Menschen esoterischen Praktiken und Ideologien zu.

Eine Kritik, die lediglich herausstellt, daß Esoterik "entpolitisiere", greift angesichts der Verschränktheit des New Age mit den bestehenden Machtverhältnissen zu kurz. Wir fassen den Begriff des New Age deshalb sehr weit, um über eine Kritik an der Irrationalität klassischer esoterischer Praktiken und Vorstellungen hinaus die gesellschaftliche Wirkung des New Age als Ideologie thematisieren zu können. Esoterische Glaubenslehren stehen weder, wie sie selbst oftmals behaupten, im Widerspruch zur Destruktivität der herrschenden Gesellschaftsformation, noch verhalten sie sich unpolitisch oder neutral. Vielmehr sind sie Teil der Herrschaftsverhältnisse und fördern reaktionäre gesellschaftliche Entwicklungen. Das New Age ist bestens kompatibel mit den gegenwärtigen neoliberalen Umstrukturierungsprozessen, der Entsolidarisierung, Atomisierung von Widerstand und der totalen Entwertung bzw. völligen Verwertung menschlichen Lebens. Hier hinein paßt, daß auf dem Bremer New-Age-Kongreß Tierrechtlerinnen wie Jane Goodall auftraten, die, oberflächlich betrachtet, in den Augen vieler - siehe auch autonome VeganerInnen - Gutes wollen, nämlich Tiere schützen und den destruktiven Charakter des Gesellschaftlichen Naturverhältnisses kritisieren. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings die Konsequenz der im Kern biologistisch angelegten Politik, die in dem konkreten Kontext vorangetrieben wird. Goodall veröffentlicht ihre Aufsätze in Büchern des Euthanasie-Befürworters Peter Singer. Die Forderung nach mehr Rechten für Tiere geht einher mit der Abwertung von Menschenrechten, indem die Grenzen zwischen Tieren und Menschen ideologisch auf physische und evolutionsbiologische Unterschiede reduziert werden. Konsequenzen aus einer Verarbeitung des Nationalsozialismus in Bezug auf die wissenschaftliche Definition von Lebenswertigkeiten und die faschistische Selektions- und Mordpolitik werden nicht gezogen.

Festgemacht werden kann unsere Einschätzung der politischen Ausrichtung des New Age an dessen zentralen, es charakterisierenden Ideologieelementen. Selbstverständlich lassen sich diese Elemente nicht jeweils alle und in gleichem Masse herausarbeiten, dennoch sind sie repräsentativ. Gemeinsam ist den Ansätzen ihre immatrielle Seite, die einseitige Ausrichtung auf geistigen Bewußtseinswandel und zwangsläufige evolutionäre Prozesse. Im Gegensatz zum Materialismus macht die Spiritualität das 'geistige Wesen' zum Kern der Dinge. Zwischen den Dingen wird ein organizistischer, ganzheitlicher Zusammenhang angenommen. Charakterisiert sei dieser Zusammenhang durch universelle Ordnungsprinzipien. Die Prinzipien selbst sind wiederum eine Glaubenssache. Hinzukommt beim New Age die Hervorhebung einer schicksalsgeleiteten Eigenverantwortlichkeit, elitäre Selbstüberhöhung und Gurukult. Betont wird die 'Heiligkeit' von Natur, Mutter Erde, als Ganzem. Dies ist verwoben mit biologistischen und rassistischen Anschauungen, die dem antiemanzipativen Charakter der erstgenannten Kennzeichen des New Age entsprechen.

Die Geschichte der Esoterik in Deutschland ist verknüpft mit der der Völkischen Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts. Wie die Völkische Bewegung gründet sich die Esoterik auf Vorstellungen, die eine ideelle Verbindung zwischen der Kultur und Geschichte eines Volkes, einer Rasse/Blut, und ihrer jeweiligen Heimat, Natur/Boden, sehen. Einer solchen ideellen Verbindung läßt sich eine artgemäße Religionsform, sprich Spiritualität, zuordnen. Auf diesem Argumentationsmuster bauten und bauen nicht nur faschistische Neuheiden ihre Glaubenslehren auf. Sie sind Teil der meisten New-Age-Lehren. Wie eng auch aktuell die Verbindungen zwischen faschistischen Strukturen und New-Age-Szene sind, wird besonders deutlich am Gaia Versand von B. Ulbrich, der versucht, über eine Vernetzung der Neuheiden-Szene im Internet und eine entsprechende Angebotsvielfalt seines Versandes hin bis zu faschistischer Propaganda, faschistische Ideologie in der New-Age-Bewegung zu verankern.

Der Erfolg esoterischer Angebote erklärt sich jedoch zunächst einmal daraus, daß die AnbieterInnen von New-Age-Lehren die Bedürfnisse vieler Menschen aufgreifen. Es wird suggeriert, Alternativen im Bestehenden zu haben, die Sehnsüchte nach Geborgenheit, sozialem Zusammenhalt, Kreativität und Sinnlichkeit zu befriedigen. Statt aber tatsächlich zu Eigeninitiative anzuregen, werden Probleme und Fragen esoterisch umgebogen und zu Schicksalsgläubigkeit kanalisiert. Dabei werden die Angebote so aufbereitet, daß sie der kapitalistischen Tendenz zur warenförmigen Befriedigung dieser Bedürfnisse entsprechen: Das private Glück kann gekauft werden. Konfliktpotentiale werden neutralisiert, da die Herrschaftsverhältnisse und die eigene soziale Lage überzeitlich wirkenden, "kosmischen" oder "karmischen" Prinzipien untergeordnet werden. Das Individuum wird im tiefsten Sinne zur Schmiedin des eigenen Glücks. Selbstverantwortlich gilt es das Bewußtsein auf die nächste Entwicklungsstufe zu hieven und sich so am eigenen Zopf aus der Krise zu ziehen. So wird das New Age zur zeitgemäßen Religionsform schlechthin. Seine Ideologie legitimiert das patriarchal-kapitalistische System. Besonders deutlich wird dies an den diversen Versuchen, aktuelle wissenschaftliche Theorien, wie die Chaostheorie, zur Begründung von New-Age-Ansätzen heranzuziehen. Tatsächlich wird so eine weltanschauliche Brücke zwischen der materiellen, destruktiven patriarchal-kapitalistischen Gesellschaftsstruktur und ihrer symbolischen, immateriellen Reproduktion geschlagen. Eine Funktion, die die großen Religionen im Zeitalter der Säkularisierung, des Verlustes der kirchlichen Definitionsmacht, zunehmend verloren haben.


Das Bündnis AntiVisionen

Nachdem es in den Jahren davor bereits Veranstaltungen einzelner Gruppen anläßlich des Kongresses oder unabhängig davon gegeben hatte, bildete sich 1997 ein überregionales Bündnis unter dem Titel "AntiVisionen", das durch verschiedene Veranstaltungen und öffentliche Positionierung dem Esoterik-Kongreß etwas entgegensetzen, schwerpunktmäßig aber die innerlinke Diskussion um das New Age vorantreiben wollte. Die überregionale Mobilisierung und Beteiligung sollte ebenfalls der Verbreiterung der Kritik innerhalb der Linken und zudem dem politischen Austausch zwischen bereits zu dem Thema arbeitenden Gruppen dienen. So waren im Bündnis Gruppen/ASten aus Bremen, Göttingen, Vlotho und Hannover beteiligt, die in ihren Städten bereits zu New Age gearbeitet hatten. Im Rückblick auf die bisherige Arbeit und eine weitverbreitete Verkürzung der linken Debatte zu Esoterik auf den Begriff der Irrationalität und Parallelen zu faschistischer Ideologie erschien es sinnvoll, verschiedene Aspekte der New-Age-Kritik zu vertiefen. Hieraus sollte eine politische Kritik entwickelt werden, die einen betont gesamtgesellschaftlichen Blickwinkel einnimmt. Den zweiten Schwerpunkt unserer Herangehensweise sollte die Diskussion linker Perspektiven, die eine Alternative zu esoterischen Ansätzen und der Entfremdung und Entsinnlichung in der patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft sind, bilden.

Zeitgleich zum Esoterik-Kongreß fand schließlich ein Workshop mit sechs Arbeitsgruppen zum Frauen- und Männerbild im New Age, faschistischen Eso-Gruppen, den Zusammenhängen zwischen Öko-, Alternativ- und New-Age-Bewegung und dem Themenfeld Selbst- und Gesellschaftsveränderung statt. Im Vorfeld wurden in Bremen und Hannover Veranstaltungen ausgerichtet, die Interessierten einen Einstieg in die Thematik bieten und auf den Workshop vorbereiten sollten. Durch Plakat- und Flugblattaktionen sowie eine Pressekonferenz am Kongreßwochenende wurde in Bremen nochmals öffentlich auf den Charakter der "Visionen menschlicher Zukunft" eingegangen. Von den vielleicht insgesamt an den Veranstaltungen teilnehmenden 180 Leuten besuchten, trotz der beschriebenen relativ intensiven Vorbereitung, lediglich 40-50 den AntiVisionen-Workshop. Das mag unter anderem an der Mischung von aufklärenden und perspektivisch orientierten Themen innerhalb des Workshops gelegen haben, die das Ziel des Workshops von außen möglicherweise schwer einschätzbar machte. Zudem ist die New-Age-Kritik ihr Image als "SpezialistInnenthema" innerhalb der Linken bisher nicht losgeworden, was u.E. nach nochmals den Aspekt der fehlenden gesellschaftlichen Einordnung aufs Tapet bringt. So wurde die Auseinandersetzung um New Age zwar unter den am Bündnis beteiligten Gruppen und ein stückweit darüberhinaus vertieft, im Hinblick auf die beabsichtigte Erweiterung der gesamtlinken Debatte und der Diskussion politischer Perspektiven wurde der Workshop jedoch nicht zum Meilenstein. Dennoch halten wir die von uns bestimmte Ausrichtung der politischen Diskussion um die gesellschaftliche Bedeutung des New Age für notwendig. Geplant ist, die als positiv wahrgenommene überregionale Zusammenarbeit fortzusetzen und zunächst einen Reader zur Dokumentation des Workshops herauszugeben. Intensiver führen wollen wir zudem die Diskussionen um das Verhältnis der Linken zur Spiritualität und zur Bedeutung des Faschismus-Begriffes in der New-Age-Kritik.


Linke und New-Age-Kritik

Die Auseinandersetzung mit New Age innerhalb der Linken hat keine klare Stoßrichtung. Nachvollziehen läßt sich das gut an einer ausführlichen Debatte in den letzten Ausgaben der Hannoveraner Szene-Zeitschrift Razz. Im Extrem stehen sich zwei Pole gegenüber. Auf der einen Seite gibt es immer mehr aktive Linke, die esoterische Techniken übernehmen, sich positiv auf "Spiritualität" beziehen und diese auch in ihr politisches Handeln integrieren wollen. Demgegenüber steht eine Fraktion, die das New Age als eindeutig reaktionär ablehnt. In sich ist diese Contra-Fraktion aber auch noch einmal gespalten. Wo diese Spaltungslinien verlaufen, hat sich während der Vorbereitungsphase des AntiVisionen-Bündnisses gezeigt. Die Partei Ökolinx, die sich anfangs am Bündnis beteiligte, stellte im Gegensatz zur Bündnismehrheit eine stärkere öffentliche und medienwirksame Polarisierung in den Mittelpunkt ihrer Orientierung. Der Titel ihrer in Konkurrenz zum Bündnis getretenen Veranstaltung wurde "Esoterik und Faschismus. Gegen einen Kongreß des Irrationalismus und Antihumanismus". Die Hervorhebung der Parallelen zwischen Esoterik und Faschismus wurde zur Basis der Medienarbeit gemacht. Die von der Bündnismehrheit gewollte kritische Auseinandersetzung mit linken Defiziten und linker Bewegung seit '68 wurde als eine Art Selbstmitleid denunziert und eine vertiefte gesellschaftliche Analyse lediglich als hinderlich und sekundär behandelt.

Entscheidend für den Bruch war neben diesen unterschiedlichen inhaltlichen Standpunkten jedoch, daß die Ökologische Linke ihre Bremer Aktivitäten mit einer Instrumentalisierung des Bündnisses verknüpft hat. Interesse an Parteiwerbung, manifestiert in der Person Jutta Ditfurth, und die Herausstellung der Ökologischen Linken als der Meinungsführerin im Bereich linker Ökofaschismus-Kritik dominierten die politische Haltung gegenüber dem Bündnis. Wahrscheinlich eine nicht verwunderliche Konsequenz für eine sich als Partei konstituierende Gruppe, die nach dem Austritt ihrer Führungskräfte aus den Grünen versuchen muß, ein Profil in der radikalen Linken zu entwickeln. Zuzuspitzen scheint sich diese Situation noch dadurch, daß die inhaltliche Profilierung schwerpunktmäßig auf den Öko-Bereich konzentriert ist, was für die Ökologische Linke eine Abgrenzung sowohl gegenüber dem bürgerlich-ökologischen Lager als auch gegenüber linken Gruppen, die das entsprechende Terrain besetzen, erforderlich zu machen scheint.

Im Ergebnis war die Ökologische Linke nicht in der Lage, aus ihrer Taktik der öffentlichen Polarisierung heraus die Bremer Debatte weiterzuentwickeln. Die pressewirksamen Angriffe der Ökologischen Linken, die wir inhaltlich weitestgehend teilen, liefen aufgrund mangelnder örtlicher Basis und ihrer Abhängigkeit von der Weiterverarbeitung durch die Medien letztlich ins Leere. Eine differenziertere radikale Kritik wurde erschwert und mußte zunächst die von der Ökolinx hinterlassenen Leerstellen füllen, um öffentlich entwickelt werden zu können. Die Stellungnahmen der Ökologischen Linken nach dem Medienrummel beschränkten sich unseres Wissens auf einen hofberichtartigen Artikel in der Konkret 12/97, der eine unserer Meinung nach falsche Sichtweise auf das Bündnis gibt. Wenn wir Jutta Ditfurth nicht als Referentin wollten, dann nicht wegen ihrer zu großen Radikalität - wie in der Konkret behauptet -, es sei denn es ist Verbalradikalität und Radikalität in Hegemoniebestrebungen gemeint.

Unserer Meinung nach relativiert eine selbstreflexive Herangehensweise, die sich auch mit Fehlern der Linken beschäftigt, nicht die Schärfe der Kritik, sondern ermöglicht erst eine differenzierte Auseinandersetzung über die Abgrenzung hinaus. Linke politische Praxis ist immer noch zu sehr von der Trennung des sogenannten Privaten und Politischen und Vorstellungen herrschender Arbeitsethik bestimmt. Die Suche nach Sinnlichkeit, Gesundheit oder irgendwelchen individuellen Glücksansprüchen bleibt zumeist dem Privaten zugeordnet. Dies hat Leistungsdenken, Szene-Normierungen und eine fehlende Berücksichtigung subjektiver Befreiungsversuche zur Folge. Wenn Leute ins New Age fliehen, gilt es daher die der "Flucht" in die Irrationalität zugrundeliegenden Bedürfnisse zu thematisieren und, soweit dies geht, in Fragestellungen zu übersetzen, die emanzipativ-gesellschaftsverändernd wirken können. Beispielsweise sind das Fragen nach geeigneten solidarischen Räumen für Menschen in psychischen Krisen. Nicht möglich ist es, sich diesen Auseinandersetzungen zu stellen, wenn Diskussionen über diese Fluchtbewegungen erst gar nicht nicht zugelassen, sondern gleich als Verrat an der Sache abgekanzelt werden. So ist die Kritik am reaktionären Charakter von New-Age-Therapien nur die eine Seite des Problems. Diesen Punkt abschließend sei betont, daß es sich hierbei weder um eine Herangehensweise, die einen defensiven Charakter hat, noch um eine, die die politische Verantwortung und Teilhabe von New AgerInnen an den reaktionären Gesellschaftsentwicklungen leugnet, handelt.

Die Diskussion um die Esoterik erfordert die Auseinandersetzung um einen emanzipatorischen Kulturbegriff, um einen eben solchen Begriff vom Gesellschaftlichen Naturverhältnis und die Erarbeitung einer linken Interventionsfähigkeit in aktuelle politische Kämpfe. Wir müssen Widerstand, Gesellschaftsutopien und soziale Zusammenhänge entfalten, die in der Lage sind, eine Gegenkultur in Alternative zum Bestehenden und in Alternative zu esoterischen Angeboten zu entwickeln. Gerade wenn es um Fragen der kulturellen Einbindung linker Ansätze in den Alltag der Gesellschaft geht, reicht deshalb eine Negation und Kritik des Bestehenden nicht aus. Nach wie vor gibt es kein "richtiges" Leben im falschen. Wir müssen uns als Bewegung, und das nicht aus strategischen Erwägungen heraus, in allen nur möglichen Aspekten - auch des Alltags und der individuellen Lebensentwürfe - von der hegemonialen patriarchalen Verwertungslogik absetzen. Schließlich geht es um die Erarbeitung eines Freiheitsbegriffes, der die subjektive und kollektive Befreiung zusammendenkt und in unsere politische Praxis übersetzt. Linke Wertvorstellungen wie Selbstbestimmung und Solidarität müssen den esoterischen und neoliberalen Ideologien entgegengestellt werden. Der Rückzug auf einen überholten linken Begriff von Rationalität genügt hier genausowenig wie der auf die Reste einer scheinbar integeren Restlinken. Wir müssen raus aus der Begrenzung auf unsere eigenen Zusammenhänge. Nicht um uns selbst anzupassen, sondern um wieder politisch handlungsfähig zu werden.

Hazel Henderson/Hans Hansen

Hazel Henderson und Hans Hansen sind beide am Bündnis AntiVisionen beteiligt.

Kontakt:
AntiVisionen
c/o Levanti
St. Pauli Str. 10-12
28203 Bremen


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kombo(p) - 16.02.1998