Ein Auszug aus - kassiber 33 - November 97

"..ein Lied hat viele Absichten, mal will es leise sprechen,mal will es laut heraus sich schrein, und dann zusammenbrechen.."

Männercafé adé


"... Wir werden uns auch treffen, um die Verhältnisse, in denen wir leben müssen, besser verstehen zu lernen. Und um Möglichkeiten zu entwickeln, diese Verhältnisse zu ändern und am Ende abzuschaffen. Um das zu erleben, werden wir uns selbst als Männer ändern müssen ..." - So schrieben wir im Oktober 1994 in unserer Einladung zu den ersten Männercafés.

In der Rückschau ist ersichtlich, daß in den damaligen Protest gegen die Einheitsfeierlichkeiten in Bremen sehr unterschiedliche Kritikpunkte am Staat Deutschland unvermittelt nebeneinander zu stehen kamen. Auch die antipatriarchale Männerszene suchte hier einen Anknüpfungspunkt, um linke Kritik mit der am Patriarchat zu verbinden. In dieser Absicht nahm das Männercafé seinen Anfang. 2 1/2 Jahre, 3 Veranstaltungsorte und 19 Veranstaltungen später ist es im Frühjahr des Jahres zu einem Ende gekommen, da sich für die Fortführung des Cafés nicht mehr genügend Männer fanden.


Der Beginn

Die Anbindung an die Proteste gegen den 3.Oktober führten die Cafés schnell zu einem ersten Höhepunkt. Zunächst nur auf drei Veranstaltungen angesetzt, war jede der Treffen im Haus der Naturfreundejugend sehr gut besucht. (Unvergessen bleibt dabei vor allem die gefakte Talkshow zum Thema Hetero/Homosexualität samt Peter-Maffay-Liedgut). An diesem Anfang gelang es zunächst auch, schwule Männer anzusprechen, während das Männercafé später doch sehr heterosexuell ausgerichtet war.

Der Begriff "Männercafé"- ohnehin von Beginn an nur als monatlicher Treffpunkt geplant - betonte in dieser Anfangszeit eher den informellen Rahmen der Veranstaltung als daß er die Atmosphäre eines Cafés bezeichnete. Die Treffen waren Diskussionsveranstaltungen, und Café bedeutete eher, daß sie zwar vorbereitet waren, aber vorausgesetzt war, daß sich viele in eher lockerem Rahmen beteiligen würden.


Orientierung I: Hineinwirken in die linke Szene

Der Anfangszeit folgte der Versuch, die Verbindlichkeit und die Bedeutung des Cafés zu erhöhen. Der Umzug des Cafés ins Sielwallhaus zu Beginn des Jahres 1995 hatte daher zwar auch organisatorische Gründe. Als Veranstalter wollten wir aber stärker in einer Szene präsent sein, der wir uns - wie auch kritisch und gebrochen auch immer - verbunden fühlten. Mit der Präsenz im Sielwallhaus wollten wir im linksradikalen Spektrum antisexistische und antipatriarchale Inhalte stärker einbringen. Das war von der Einschätzung begleitet, daß hier zum einen Handlungsbedarf besteht, da in vielen Gruppen geschlechterbedingte Macht- und Unterdrückungsverhältnisse zwar thematisiert werden, dann aber doch oft als erste hintenrunterfallen. Zum anderen gab und gibt es hier aber auch das allzu schnelle Abnicken "korrekter" antipatriarchaler Positionen. Unsere Überlegung war nun einerseits, diesen Zusammenhängen mit dem Café ein sehr niedrigschwelliges Angebot zu machen, Unsicherheiten, Ängste und politische Fragestellungen zu diskutieren. Wir hofften, als Männer leichter Strukturen öffnen zu können, in denen allzuoft eben auch Männer dominieren bzw. als bloße Organisationswunder des jeweils nächsten superwichtigen Themas ihr Wesen treiben. Zum anderen wollten wir die Themen stärker delegieren und uns Diskussionen rund ums Patriarchat ins Haus holen, die in der Linken auch bundesweit von Interesse waren.

Die rund 10 Cafés, die im Sielwallhaus stattfanden, bewegten sich - auf eigenwillige Weise - im Rahmen unsere Einschätzungen und Zielsetzungen. So hat sich das Publikum zum allergrößten Teil tatsächlich aus Szene-Männern zusammengesetzt. Erreicht haben wir aber nur diejenigen, die der Thematik eh aufgeschlossen gegenüberstanden. Darüberhinaus ist es nicht gelungen, in die Szene hinein Diskussionsangebote zu machen, geschweige denn das mit anderen Gruppen Gespräche darüber laufen konnten, wie politische Praxis im Patriarchat denn aussehen solle. Das kann daran gelegen haben, daß wir nicht offensiv beansprucht haben, in anderen Gruppen patriarchale Verhaltensweisen zu thematisieren. Es lag sicherlich auch daran, daß die Konzeption unseres Cafés her auf Gespräch und Austausch ausgelegt war und dies in autonomen Zusammenhängen, wie verschiedene gemeinsame Plena zeigen, derzeit nicht gerade angesagt ist.

Demgegenüber konnte der Anspruch, bundesweite Debatten nach Bremen zu tragen, weitgehend realisiert werden. Die Krise in einem Teil der autonomen Männerszene 1995, in deren Zentrum die Frage stand, ob Männer - zumal meist dann doch heterosexuelle - denn eine Berechtigung bestehe, sich öffentlich zu organisieren, war gerade auch eine Krise der Männercafés und wurde als solche natürlich auch breit diskutiert. Aber auch die teils tiefe, teils schicke Diskussion um die soziale Konstruktion der Geschlechter samt Folgerungen für die einzelnen nahm großen Raum ein - bediente damit natürlich stark die Bedürfnisse einer eher universitären Männerszene. Was nicht gelang, war, die Themen stärker zu delegieren, sodaß inhaltliche wie organisatorische Arbeit stets an den organisierenden Gruppen - der heute nicht mehr bestehenden Libertären Männergruppe und M.A.U.A.M. - sowie zwei, drei einzelnen Männern hängenblieb.


Orientierung II: Öffnen für breitere Zusammenhänge

Ende 1995 kamen so mehrere Faktoren zusammen, die auf einen neuerlichen Wechsel in der Konzeption des Männercafés hinausliefen. Zum einen kamen zu den Cafes schließlich nur noch die selben Leute mit einer jeweils unklaren Mischung aus Routine und Motivation. Diskussionen im Café konnten beim besten Willen nicht mehr so gesehen werden, als würden sie nach außen groß Anstöße geben. Zum zweiten waren sowohl die Libertäre Männergruppe wie auch M.A.U.A.M. erschöpft und wollten sich als Gruppen rausziehen. Es entstand eine extra Männercafégruppe, die sich nurmehr auf den organisatorischen Rahmen beschränken wollte.

Wesentlich war aber, daß das Projekt Männercafé in eine Position geriet die zum einen bundesweit in der Luft lag als auch eine ein wenig paradoxe Folge der Diskussion um die Berechtigung der Männerorganisierung war. Die autonome Männerszene besann sich vielerorts darauf, nunmehr bereits ihrerseits auf eine längere Arbeit zurückblicken zu können und von sicherem Boden aus verstärkt in die Gesellschaft hinein wirken zu wollen. Während überall - und so auch in Bremen - darum gerungen wurde, ob sich Männerorganisierung, die auf Öffentlichkeit zielt, überhaupt politisch rechtfertigen läßt, arbeitete mann gleichzeitig verstärkt an Konzepten, wie die eigenen Analysen in noch breitere gesellschaftlichen Rahmen getragen werden kann, was sich vor allen Dingen in Ansätzen zu antipatriarchaler Jungenarbeit niederschlug.

Aus dieser Problemstellung nährte sich auch unser Café. Der Raum, den sich Männer dafür nahmen, sollte nicht mehr genutzt werden, um im kleinen Sielwallhaus-Rahmen vor sich zu diskutieren, irgendwie unter sich und "unkontrolliert". Stattdessen sollten die eigenen Inhalte breiter nach außen getragen werden. Paradoxerweise gerieten Bestrebungen aus dem Männercafe, für FrauenLesben kontrollierbarer oder - um das zentrale Wort zu benennen "transparenter" zu sein neben Bemühungen, sich einen größeren Rahmen zu suchen. Diskussionsergebnisse resultierten darin, daß FrauenLesben grundsätzlich zum Männercafe kommen konnten oder auch in dem Willen, einen Ordner zu führen, in dem Diskussionen des Cafés jederzeit und von jedem und jeder nachgelesen werden konnten. Dies ging einher mit dem Umzug ins Lagerhaus, wo wir erwarteten, daß es für Besucher eine niedrigere Hemmschwelle gäbe als im Sielwallhaus. Es ging auch einher mit einer recht guten, aber auch sehr politklassischen Werbekampagne mit Plakaten und Interviews, was dazu beitrug, daß die antipatriarchale Männersicht nun erst recht Raum in der Öffentlichkeit einnahm.

Die Veranstaltungen im Frühjahr 96 (Auseinandersetzung mit der wild-men-Bewegung, Umgang mit gewalttätigen Männern, Vorstellung von Männergruppen, Wissenschaftskritik) waren nicht nur ein quantitativer Erfolg. Mit 25-50 Männern nahmen an den monatlichen Veranstaltungen deutlich mehr Leute teil als im Sielwallhaus. Vor allem führte der Umzug in die 3. Etage des Lagerhauses - nun auch deutlicher als Cafeatmosphäre zu bezeichnen - dazu, daß viele unterschiedliche Männer kamen. Die Männercafés wurden so tatsächlich ein Raum, wo sich die radikale Männerszene mit anderen Männern stritt - wie konstruktiv diese Streits auch immer waren oder auch nicht waren. Lebhaft war es jedenfalls immer.


Turn out the light

Damit wuchs in den Augen der Cafégruppe auch ihre Verantwortung für den Inhalt der Veranstaltungen. War zunächst geplant, nurmehr den organisatorischen Rahmen zur Verfügung zu stellen, sah sich die Gruppe bald wieder bei intensiver inhaltlicher Vorbereitung und zum Teil selbst auferlegter Verantwortung für die Treffen. Die Diskussion darum, wie im jeweiligen Falle mit Leuten umzugehen sei, die sich sexistisch oder gerade gegenüber dem Täter-Opfer-Verhältnis zynisch und reaktionär äußern würden, nahm breiten Raum ein. Die Spannung, in der sich die Gruppe sah, führte auch mit dazu, daß wir zu jeder Veranstaltung eine eigene inhaltliche Hinführung gaben, die unter anderm auch stets die Aufgabe hatte zu umreißen, für welche Auftritte und Einlassungen das Männercafé eben keinen Raum bieten wolle.

Dieses Anliegen war nur zu berechtigt; die Frage ist jedoch, ob wir nicht zu sehr darauf gestarrt haben, potentiellen Sexisten oder Männern, die im Rahmen von Diskussionen um Verständnis für ihre Gewalttätigkeit werben, unter Kontrolle halten zu können. Denn im Endeffekt hat dies dazu geführt, daß wir oft sehr abgrenzend und rigide gewirkt haben. Dazu kam, daß auch die Besucher aus der autonomen Männerszene nicht in der Lage waren, andere Männlichkeitsentwürfe anzuhören, ohne diese gleich in HauRuck-Manier als biologistisch, reaktionär, jedenfalls gefährlich einzuordnen. ein solches Diskussionsverhalten ist am Ende natürlich defensiv, weil es darauf beharrt, unter sich bleiben zu wollen und einer offenen Auseinandersetzung tendentiell aus dem Weg zu gehen.

Auf alle Fälle hat das Männercafé zu einer organisatorisch wie psychischen Überlastung der Cafégruppe geführt. Dies war mit der entscheidende Grund, warum dann nach dem Erfolg der Veranstaltungen von März-Juli 96 einzelne aus der nur Gruppe gingen und weitere Cafétermine nur sehr schleppend vorbereitet wurden.

Die Fortsetzung der Cafés gab es erst im Frühjahr '97. Immer noch im Lagerhaus, aber mit weitaus weniger Werbung, kamen immer noch zwischen 10-25 Männer, um über Pornographie zu diskutieren, sich Gedanken um antipatriarchale Aktionen zu machen und um über männliche "Autonomie" nachzudenken. Die Luft war aber bei der Cafégruppe raus. Da auch ansonsten kein anderer die Cafés organisieren wollte, fiel der Vorhang folgerichtig und endgültig.

Diese Entwicklung ist aber auch grundsätzlich einzuordnen. Sie zeigt das Bild einer ehr dünnen Schicht von Männer, die Anfang bis Mitte der Neunziger in Auseinandersetzung mit FrauenLesben, genervt von den Strukturen autonomer Organisierung wie auch aus der Bereitschaft heraus, eigene Verhaltensweisen stärker mit dem Patriarchat in Verbindung zu setzen. Die Tatsache, daß Männercafés in anderen Städten, autonome Männergruppen sich auflösen, muß vielleicht auch so gesehen werden, daß organisierte antipatriarchal orientierte Männergruppen eine Nische besetzt hielten und halten, die zunehmend überflüssig wird.

Ex-Männercafegruppe


bezugsmöglichkeiten


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kombo(p) - 16.11.1997