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2. Frauenspezifische Fluchtgründe
Im folgenden Artikel wollen
wir Gründe beschreiben, die Frauen veranlassen, ihr Land, ihre Familien
und FreundInnen zu verlassen und in ein ihnen unbekanntes Land zu gehen.
Zuerst werden wir Repression und Verfolgung beschreiben, die speziell
Frauen aufgrund ihres Geschlechts betreffen. Dann wollen wir über andere
Ursachen von Frauenmigration und frauenspezifischen Migrationsstrategien
berichten. Uns ist es schwergefallen, eine klare Trennlinie zwischen Fluchtursachen
und Migrationsgründen von Frauen zu ziehen.Trotz unterschiedlicher Migrationsformen
sind die Ausgangssituationen von Migrantinnen oftmals sehr ähnlich. Auch
die Ausbeutungssysteme gleichen sich, unabhängig davon, ob eine Frau als
Asylbewerberin oder als Sexarbeiterin migriert. Die Bewertung der herrschenden
Klasse, die unterscheidet, welche Fluchtursachen annerkennungswürdig sind,
teilen wir nicht. Menschen, die aus sogenannten wirtschaftlichen Gründen
ihr Land verlassen, werden als "Absahner" oder "Schmarotzer" verurteilt.
Dann gibt es die sogenannten politischen Gründe, bei denen die Herrschenden
nach ihren Vorteilen und Wirtschaftsbeziehungen entscheiden, welche Verfolgung
sie als politisch bewerten. Frauenspezifische Verfolgung fällt selten
darunter.
FLUCHTGRUND: WEIBLICH
Frauen und Mädchen bilden die
Mehrheit der weltweit gegenwärtig auf mindestens 25 Millionen Menschen
geschätzten Flüchtlinge. Unter Einbeziehung der "Binnenflüchtlinge" (Frauen,
Kinder und Männer, die innerhalb der Landesgrenzen fliehen, z.B. vertrieben
durch Krieg und sogenannte Naturkatastrophen oder auf der Suche nach Lohnarbeit
vom Land in die Großstädte), ist ihre Zahl allerdings um ein vielfaches
höher. Das Forschungsintitut des Roten Kreuzes in Genf nennt die Zahl
von etwa einer halben Milliarde Menschen, die sich auf der Flucht befinden,
wenn alle Fluchtgründe berücksichtigt werden.
FRAUENSPEZIFISCHE VERFOLGUNG
In ihren Studien entwickelten
die ai-Mitarbeiterinnen Margit Gottstein und Stefanie Gebauer 4 Kategorien
frauenspezifischer Verfolgung und zeigten auf, daß diese weder an ein
bestimmtes politisches System noch an eine spezifische Kultur oder Religion
gebunden sind. Frauen werden demnach Opfer von Verfolgung
- wegen eigener politischer Aktivitäten;
- aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit;
- aufgrund verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen
zu Oppositionellen und
- aufgrund der Übertretung speziell für Frauen geltender Normen und
Gesetze.
Während das frauenspezifische
Moment in der letzten Kategorie offensichtlich ist, handelt es sich bei
den anderen drei Verfolgungstatbeständen scheinbar um Phänomene, die Frauen
und Männer gleichermaßen betreffen. Eine frauenspezifische Verfolgungssituation
tritt immer dann ein, wenn die Form der Verfolgung von Frauen in der Anwendung
von sexueller Gewalt besteht. Diese zielt in allen Fällen darauf ab, die
Opfer auch in ihrem Frausein, also in ihrer persönlichen Integrität als
Frauen und der mit ihrem Geschlecht verbundenen gesellschaftlichen Rolle
zu treffen. Sexuelle Gewalt ist kein beliebiges Mittel der Verfolgung,
sondern wird gezielt als Taktik eingesetzt.
POLITISCHE AKTIVITÄTEN
Aus zahlreichen Folterstaaten
ist bekannt, daß Frauen, die wegen ihrer oppositionellen politischen Aktivitäten
in Parteien, Frauenorganisationen oder Gewerkschaften, oder organisiert
in Befreiungsbewegungen, verfolgt und inhaftiert werden, in den Verhörzentren
und Gefängnissen neben geschlechtsunspezifischen Foltermethoden auch Vergewaltigungen
und anderen Formen sexueller Mißhandlung ausgesetzt sind. Solche Sanktionen
richten sich nicht nur auf die vermeintliche oder tatsächliche Gegnerinnenschaft
zum herrschenden System, sondern auch auf politische Aktivität von Frauen:
als Oppositionelle sind Frauen zum einen von der erlaubten politischen
Meinung abgewichen, zum anderen haben sie durch iher Engagement - unabhängig
davon, ob sie ausdrücklich für die Rechte von Frauen eintreten oder nicht
- automatisch den ihnen zugeschriebenen privaten, häuslichen Handlungsraum
verlassen und mit der traditionellen Frauenrolle gebrochen. Als stärkster
Ausdruck und als Demonstration des Machtverhältnisses zwischen den Geschlechtern
zielt sexuelle Gewalt immer auch darauf ab, Frauen für dieses 'unfrauliche
Handeln' - für ihr Vordringen in die männliche Sphäre der Politik - zu
bestrafen und sie auf ihre untergeordnete gesellschaftliche Stellung zurückzuweisen.
Diese doppelte Verfolgungsabsicht kann durch zahlreiche Aussagen von sexuell
gefolterten Frauen in allen Teilen der Welt aufgezeigt werden.
ZUGEHÖRIGKEIT ZU EINER MINDERHEIT
Auch bei Frauen, die einer
verfolgten ethnischen oder religiösen Minderheit angehören, schließt die
Verfolgungsform oft die Anwendung sexueller Gewalt ein. Dieser spezifischen
Art der Verfolgung liegt ebenfalls eine doppelte Intention zugrunde:Die
Frauen sollen einerseits als Angehörige der Minderheit getroffen werden,
und zum anderen soll durch die Ausnutzung ihrer sozialen Position darüber
hinaus auch die Gruppe als Ganze angegriffen werden. So wurde von Übergriffen
singhalesischer 'Sicherheitskräfte' auf tamilische Frauen bekannt, daß
sexuelle Mißhandlungen teilwise bewußt in Anwesenheit anderer männlicher
Mitglieder der verfolgten Gruppe durchgeführt wurden, um ihnen damit zu
demonstrieren, daß sie nicht in der Lage waren, 'ihre' Frauen zu schützen.
Gerade in Konfliktsituationen entwickeln verfolgte Minderheiten unter
Rekurs auf eine gemeinsame Herkunft, Sprache, Religion, Kultur und Geschichte
häufig eine starke Gruppenidentität. Bei diesem Prozeß ethnischer Grenzziehung
spielen Frauen eine entscheidende Rolle, da ihnen oft die Funktion der
'Kulturträgerinnen' zugeschrieben wird und sie aufgrund ihrer Reproduktionsfähigkeit
für den Erhalt ihrer Gruppe in besonderer Weise verantwortlich gemacht
werden. Die Aneignung ihrer Gebärfähigkeit durch die Verfolger ermöglicht
es deshalb, die Gruppe insgesamt zu treffen. Eine Vergewaltigung zielt
daher häufig darauf ab, ein Kind zu zeugen dessen Vater zur gegnerischen
(Mehrheits-)gruppe gehört. Die verfolgte Minderheit soll damit in ihrem
Bestand und ihrer Identität geschwächt werden. Sexuelle Übergriffe durch
die Gruppe der Verfolger ziehen in vielen Fällen zudem die Verfolgung
der Frauen durch die eigene Gruppe nach sich, da nicht nur die Frauen
selbst, sondern durch sie auch die Gruppe 'entehrt' worden ist. Es ist
Zeichen eines erfolgreichen Frauenkampfes, wenn Vergewaltigung durch den
'Feind' nicht mehr als Schande betrachtet wird, sondern als Gewalt, um
Frauen vom Kämpfen abzuhalten - zu Tode vergewaltigte Frauen in Kurdistan
sind beispielsweise genau wie ihre im direkten militärischen Kampf ermordeten
Schwestern Märtyrerinnen. Als Regel gilt jedoch: Frauen sind infolge der
ihnen angetanen sexuellen Gewalt meistens weiterer Ächtung und weiteren
Strafen ausgesetzt.
VERWANDT MIT OPPOSITIONELLEN
Ein weiterer Kontext, in dessen
Rahmen Frauen weltweit von sexueller Gewaltanwendung bedroht sind, bildet
die Sippen- und Geiselhaft. Die Verfolgung der Frauen resultiert dabei
allein aus ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu politisch Oppositionellen.
Die Inhaftierung und Mißhandlung der Frauen zielt darauf ab, entweder
Informationen über die Gesuchten zu erpressen, derer die Verfolger selbst
nicht habhaft werden können, oder auf bereits inhaftierte Familienmitglieder
Druck auszuüben und sie zu den gewünschten Geständnissen zu zwingen. Zur
Realität verfolgter Frauen gehört auch, daß sie oft auch in der eigenen
Familie oder Gruppe als 'unrein' oder als 'Schande' gelten, wenn sie sexuelle
Gewalt erfahren haben. Viele Frauen werden aufgrund dieser 'Entehrung'
von ihren Familien verachtet und teilweise auch verstoßen. Die Furcht
vor möglichen Übergriffen in Verhör- und Haftsituationen, die damit verbundene
'Schande' für die Familie und die gesellschaftlichen Folgen bringen viele
Eltern dazu, den politischen Aktivismus ihrer Töchter zu unterbinden,
oder halten die Frauen selbst davon ab, sich politisch stärker zu engagieren.
Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen,, daß sexuelle Gewalt als spezifisch
gegen Frauen gerichtete Verfolgungsform immer mehr impliziert als den
körperlichen Angriff allein. Durch die Aneignung der Sexualität und Gebärfähigkeit
von Frauen gegen ihren Willen werden Herrschaftsverhältnisse zwischen
Frauen und Männern demonstriert und manifestiert.
ÜBERTRETUNG FRAUENSPEZIFISCHER NORMEN
Diese Kategorie frauenspezifischer
Verfolgung resultiert ausschließlich aus der Zugehörigkeit zum weiblichen
Geschlecht und ist allein darin begründet, daß Frauen - unwillentlich
oder absichtlich - gegen religiös, kulturell oder rechtlich verankerte
Regeln verstoßen, die nur für sie gelten. Die Verfolgung kann vom Staat
ausgehen, aber, wie erwähnt, auch von Mitgliedern der eigenen Familie
oder - seltener - der ethnischen oder religiösen Gruppe. Frauen werden
verfolgt, wenn sie sich gegen Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung
oder Kinderehen wehren. Aber auch, wenn sie gegen Kleidervorschriften
oder das Verbot von Berufsausübung verstoßen oder wenn sie ihre lesbische
Identität leben wollen.
FLUCHTBEDINGUNGEN
Die Tatsache, daß viel weniger
Frauen nach Europa/brd flüchten (oder in andere weit von ihrem Heimatland
entfernten Länder) als Männer, hängt damit zusammen, daß Frauen andere
Fluchtbedingungen haben.Je länger, teurer und anforderungsreicher ein
Fluchtweg ist, desto niedriger ist der Anteil von Frauen und Kindern an
den Flüchtenden. Beträgt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Flüchtenden
80%, so sind es nurmehr 1%, die es in die Festung Europa schaffen. Frauen
haben oft schlechtere Vorraussetzungen, um eine Flucht zu organisieren.
Es fehlt ihnen an Geld, Beziehungen und Bildung. Die Kontakte zu Fluchthelfern,
die Kenntnisse und Erfahrung im Bereich der Geld- oder Paßbeschaffung
haben meist Männer. Außerdem sind Frauen oft mit ihren Kindern unterwegs
und dadurch weniger flexibel. Schwierige Fluchtwege können sie mit Kindern
nicht oder nur mit hohen Risiken eingehen. Über sexualisierte Gewalt während
der Flucht ist uns kaum etwas bekannt, sicher auch, weil betroffene Frauen
aus Scham und Schuldgefühlen nicht über ihre Erlebnisse sprechen. Andererseits
sind diese Angriffe für die Annerkennung als Flüchtlinge in keiner Weise
relevant, so daß von den Behörden auch gar nicht danach gefragt wird.
FRAUENMIGRATION
Weltweit machen Frauen einen
wachsenden Anteil unter den Migrierenden aus. Frauen migrieren vermehrt
kreuz und quer über den Erdball. In bestimmten Emigrationsländern stellen
sie bereits mehr als die Hälfte. Jährlich verlassen z.B. 800 000 Frauen
aus Indonesien, den Phillippinen, Sri Lanka und Thailand ihre Heimat,
um im Ausland zu arbeiten. Bereits 1988 machten Frauen 80% der indonesischen
EmigrantInnen aus. Im Sommer 1995 waren beim Arbeitsministerium in Manila
6,5 Millionen "Overseas Contract Workers" registriert. Frauen stellten
mit 47,1% beinah die Hälfte. Auch aus anderen Gegenden der Welt verlassen
mehrheitlich Frauen ihre Heimat, um im Ausland Arbeit zu finden. Es gibt
beispielsweise in der Dominikanischen Republik Dörfer und Städte, die
von den Geldüberweisungen der Migrantinnen leben: So arbeiten von den
15 000 EinwohnerInnen der kleinen Stadt Vicente Nobles 4 000 Frauen in
Europa. In vielen Fällen ist der Migration nach Europa, USA oder Japan
die Binnenmigration (Landflucht) vorausgegangen. Die Frauen entscheiden
sich bewußt für den Schritt in die Fremde, obwohl er mit unabwägbaren
Risiken verbunden ist. Die Armut, die Verantwortung für die (Groß-)Familie
und das 'Traumbild' von der reichen Metropole reicht als Erklärung für
die Migration nicht aus. Andere Faktoren kommen hinzu:
- Kolonialismus und Neokolonialismus Die herrschende Welt(un)ordnung
zerstört die Lebensgrundlagen von Menschen und ist Ursache für Flucht.
Die Globalisierung der Wirtschaft beeinflußt die Migration. So werden
z.B. über Direktinvestitionen und Förderung einer exportorientierten
Wirtschaft, durch militärische Stützpunkte oder durch Tourismus 'Brücken'
ermöglicht, um zu emigrieren. Andererseits verändern sich über die
Internationali-sierung der Produktion auch die Arbeitsmärkte in den
Industrieländern und Metropolen. Das Angebot an schlechtbezahlten,
unqualifizierten Jobs nimmt zu. Flexibilität ist gefragt, die Nachfrage
nach legalen oder illegalen ImmigrantInnen, die bereit sind, für wenig
Lohn in ungeregelten Arbeitsverhältnissen zu arbeiten, steigt.
- große Gewinnspannen für VermittlerInnen, Zuhälter und Heiratsagenturen
- die Tatsache, daß es in den Metropolen des Nordens einen Markt
für 'exotische' Frauen gibt, als Billigstarbeiterinnen in Gastronomie
und Haushalt, als 'willige Ehefrauen' und Sexarbeiterinnen
- der persönliche Mut und die Risikobereitschaft der einzelnen Frau.
Frauen kommen in der Hoffnung
auf einen guten Verdienst, eine gute Ehe, eine abgesicherte Zukunft für
sich und ihre Familie. Auch wenn die Vorstellung vom "Paradies Europa"
in den Köpfen der Frauen nicht ungebrochen ist, läßt ihre bedrückende
soziale und wirtschaftliche Situation sie - nicht ganz zu Unrecht - an
dem Glauben festhalten, daß selbst ein paar "Krümel" des großen Kuchens
ihre Familie sättigen können. Keine Frau aus Asien, Afrka oder Lateinamerika
käme nach Deutschland, wenn es hier keinen "Markt" gäbe: als Prostituierte,
als Ehefrau oder ausbeutbare Hausangestellte. Dieser Markt existiert aufgrund
knallharter ökonomischer Interessen, aber auch aufgrund rassistischer
und sexistischer Bilder und Vorurteile in den Köpfen deutscher Männer
- und Frauen. Der Schritt ins Ausland erfordert von den Frauen viel Mut.
Sie gehen ihn bewußt, für ihre Familien und z.T. mit Untersützung ihrer
Familien. In etlichen Fällen werden Kredite aufgenommen. Neben ökonomischen
Motiven spielen aber auch persönliche Gründe für die Migrationsentscheidung
eine Rolle wie z.B. Enttäuschung mit einem Partner, Wunsch nach Ausbruch
aus der Großfamilie oder einfach Abenteuerlust. Doch auch wenn sie diesen
Schritt bewußt gehen: freiwillig gehen ihn die wenigsten. Die Armut, die
Situation der Familie und oft falsche Vorstellungen und Versprechungen
bringen sie dazu. Sie leiden unter der Trennung von der Familie,den Kindern
und unter den westeuropäischen Lebens- und Arbeitsbedingungen. May Ayim,
eine Frau deutsch-ghanaischer Herkunft, schrieb dazu: "Auch wenn es für
manche so aussehen mag - Tatsache ist, daß die meisten Menschen aus fernen
Ländern, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, sich nicht 'frei' entscheiden
konnten, ob und wann sie hierher kamen. Sie sind keine TouristInnen. Sie
verließen ihr Land auf der Flucht vor Hunger, Krieg, Verfolgung und Vertreibung
und/oder auf der Suche nach Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Daß
in Europa mit dem Golfkrieg - für kurze Zeit! - Krieg, Angst und Bedrohung
plötzlich zu aktuellen Tagesthemen wurden, heißt nicht, daß die meisten
Menschen auf diesem Globus in den letzten Jahrzehnten in Frieden gelebt
hätten."
JEDE FRAU HAT IHRE GESCHICHTE
Alle MigrantInnen leiden unter
dem alltäglichen Rassismus in den westeuropäischen Ländern. Der Rassismus
manifestiert sich nicht nur in sichtbarer Anmache oder Angriffen auf der
Straße, sondern auch in oft subtiler Ablehnung durch die deutsche Schwiegermutter,
die angeheiratete Familie, die Nachbarschaft usw. Verletzend ist es für
Migrantinnen, per se als "gekaufte" Frau oder Prostituierte angesehen
zu werden - auch von vielen weißen Feministinnen. Diese Stigmatisierung
trifft schwarze Frauen pauschal - je nach Kreis, in dem sie sich bewegen
- unabhängig davon, ob sie in Westeuropa als Professorin arbeiten, hier
studieren oder eine Liebesheirat mit einem Weißen eingegangen sind. Doch
auch dann, wenn eine Frau als Prostituierte arbeitet oder über dubiose
Heiratsvermittlung nach Westeuropa gekommen ist gilt: eine solche Sicht
ist diskriminierend und wird dem Individuum nicht gerecht. Auch eine vermittelte
Ehe kann gut funktionieren - ebenso wie eine "Liebesheirat" scheitern
kann; auch eine Migrantin in der Prostitution kann ihr finanzielles Ziel
erreichen und professionell arbeiten - ebenso wie eine Westeuropäerin
an der Prostitution zugrunde gehen kann. Migrantinnen - insbesondere Frauen
aus Südostasien oder Lateinamerika - werden oft nur als Opfer wahrgenommen.
Ihr Selbstbewußtsein, ihre Stärke, die sich z.T. im bewußten Aushalten
von für weiße Feministinnen unvorstellbaren Lebenssituationen zeigt -
aber auch ihre individuellen Schwächen, Nöte und Ängste werden nicht gesehen.
Eine solche Sicht verhindert echte Solidarität und Bündnisse. Deshalb
reicht es auch nicht aus, wenn (weiße) Feministinnen, aber auch alle,
die übergreifend für die Rechte von MigrantInnen eintreten,bestenfalls
der herrschenden Doppelmoral entgegentreten, indem sie den Markt für Migrantinnen
in der Prostitution, als Ehefrauen oder Hausangestellte benennen. Es ist
zwingend, die eigenen Bilder und Klischees aufzubrechen, die Frauen als
Individuen wahrzunehmen und Bündnisse einzugehen, um mit ihnen gemeinsam
für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitssituation zu kämpfen
Dieser Text ist zum Großteil zusammengebastelt aus folgender
Literatur: Karrer, Turtschi, Le Breton Baumgartner: Entschieden im Abseits
- Frauen in der Migration, Zürich '96 C. Weber: Frauen-'Handel' - Frauenspezifische
Migrationsstrategien, '94 M. Schöttes: Fluchtgrund: Weiblich, in: bl.
des iz3w Nr. 203, 2/95
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