Aufruf!
Antirassistische Aktionstage
an der polnischen Grenze
vom 30. Juni - 5. Juli 1998
Foto: Marylin Stroux
1995 trat das Schengener Abkommen in Kraft. Damit wurde die ausgrenzende und rassistische Politik in Form "neuer" FU-Grenzen festgesetzt. Es gilt als Privileg, in diese FU eintreten zu können und sie stellt einen ungeheuren Machtfaktor dar. Die FU-Grenze trennt zwischen arm und reich und soll ökonomisch schwächere Länder an den Rand drängen und einen Schutzwall gegen Migration und Flucht aus Nicht-EU-Ländern bieten.
Als ein grundlegendes Prinzip der BRD-Politik prägt Rassismus die Gesetzgebung und öffentliche Meinung. Hier bedingen sich rassistische Haltungen in der Bevölkerung und das Interesse des Staates gegenseitig. Sie sind der Hintergrund für die Verschärfungen der Gesetze und einer alltäglichen Praxis von Ausgrenzung. Die am 1. Mai von den Rechten ausgerufene Parole "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" ist längst gesellschaftlicher Konsens. Dieser findet seinen Ausdruck im Ausländer- und Arbeitsgesetz und ist zentraler Bestandteil der Politik aller Parteien genauso wie der Gewerkschaft. Eine außerparlamentarische Linke, die sich z. B. gegen Sozialabbau organisiert, muß realisieren, daß Sozialabbau nicht ohne Einbeziehung der Lebensbedingungen von Migrantlnnen und Flüchtlingen und klaren antirassistischen Standpunkten thematisiert werden kann.
Die Behauptung, daß Armut bzw. Arbeitslosigkeit rassistisches Verhalten bedingen, lehnen wir ab. So werden rassistische Ausgrenzung und Gewalt entschuldigt und deutsche Täterinnen weiter zu Opfern gemacht. Antirassistische Politik muß deshalb konsequent sowohl die Interessen des Staates als auch die der deutschen Mehrheitsbevölkerung an Rassismus benennen und angreifen.
Die BRD spielt eine Vorreiterrolle in Sachen Ausgrenzung und Rassismus, indem sie versucht, die "perfekte" Grenze (besonders zum Osten hin) aufzubauen. Nach "Außen" ist es die EU-Grenze, wobei nicht davor zurückgeschreckt wird, Menschen zu töten. Nach "Innen" dehnt sich die Grenze zunächst zu einer 30-km-Grenze aus, aber auch darüber hinaus ins ganze Bundesgebiet. Speziell auf die deutsch/polnische Grenze bezogen bedeutet das:
- Ein "Infomobil" des Bundesgrenzschutz informiert die AnwohnerInnen der Grenze über "Grenzkriminalität" und fordert zu Denunziation auf. Dafür sind eigens "Bürgertelefone" installiert worden.
- Besondere Befugnisse des BGS in einer 30-km-Zone an der Grenze, z. B. "Verdachts- und Anlaßunabhängige" Kontrollen.
- Anwendung des § 92 a AuslG ("Einschleusen von Ausländern") auf TaxifahrerInnen, die auf deutscher Seite im Grenzgebiet illegalisierte Migrantlnnen befördern. Durch bereits erfolgte Verurteilungen wird versucht, eine ganze Berufsgruppe zu Handlangern des BGS zu machen. Wenn bei TaxifahrerInnen der Verdacht besteht, daß ihre Fahrgäste "illegale Ausländer" sind (z. B. durch "undeutsches Aussehen"), sind sie verpflichtet, den BGS über Funk zu verständigen bzw. die Fahrgäste sofort zum nächsten Bullenrevier zu fahren.
Mit unseren Aktionstagen vom 30. Juni bis 5. Juli in der Region ZittaulGörlitz wollen wir den reibungslosen Ablauf der rassistischen Maschinerie an der Grenze stören. Wir wollen zeigen, daß wir die Abschottungs- und Abschiebepolitik ablehnen und nicht hinnehmen. Mit den Aktionen beziehen wir Position gegen das Vorgehen des BGS, die herrschende Grenzpolitik und das Denunziationsverhalten in weiten Teilen der Bevölkerung. Unsere Solidarität gilt den betroffenen MigrantInnen und Flüchtlingen. Wir sehen die Aktionstage darüber hinaus als Unterstützung von denjenigen, die in der Region leben und antirassistische Haltungen vertreten. Von diesen haben wir bisher auch schon viel Unterstützung für die Organisierung der Aktionstage bekommen. Wir haben uns bewußt entschieden, uns als Frauen und Lesben zu organisieren. Die Gründe dafür sind unterschiedlich:
- Für einige ist die Organisierung in FrauenLesbenzusammenhängen eine praktische Umsetzung ihrer feministischen Positionen.
- Einige wollen sich nicht am Sexismus in gemischten Strukturen abarbeiten.
- Andere verstehen sich als Internationalistinnen, die sich auf Frauenbewegungen weltweit beziehen.
- Ein anderer Grund ist der Wunsch, sich positiv auf andere Frauen und Lesben zu beziehen.
Der Auftakttag zu den Aktionstagen wird in Dresden stattfinden. Anreisezeit ist der Abend des 30.06. in Dresden ab 17 Uhr. Um 19 Uhr treffen wir uns zu einem ersten Plenum. Den 1.7. werden wir dazu nutzen, uns kennenzulernen, auszutauschen, die Aktionen zu koordinieren und das Schutzkonzept vorzustellen. Die Räumlichkeiten dort sind z. T. nicht rolligerecht. Abends fahren wir dann gemeinsam zum Ausgangsort der Aktionstage. Dafür werden Busse organisiert. Wir werden in einer berollbaren Halle mit ausreichendem Platz wohnen.
Für die Aktionstage werden wir einen Rahmen schaffen, in dem Frauen ihre bis dahin vorbereiteten Aktionen einbringen und durchführen können. Bitte bringt die Materialien, die Ihr dafür braucht, selber mit. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, sich in schon vorbereitete Aktionen einzuklinken. Für den 5.7. rufen wir dazu auf, an der Kundgebung der Antifa in der Region gegen einen Faschoaufmarsch teilzunehmen.
Form und Ausdruck der Aktionen werden vielfältig sein, auch Deine Phantasie ist gefragt. Wir versuchen, die Aktionstage für möglichst viele FrauenLesben, die kommen wollen, zugänglich zu machen. Es wird Assistenzen geben. Frauen, die Assistenz machen wollen, gebärdendolmetschen können etc. werden auch noch gesucht. Wenn eine ihre eigene Assistenz mitbringt, wollen wir das so weit wie möglich finanzieren. Wir fänden es für alle FrauenLesben wichtig, sich bis zum 15.6. unter der untenstehenden Adresse anzumelden!
Es reicht, wenn wir wissen, zu wievielen Ihr kommt und ob Ihr besondere Bedingungen braucht. Für die ausreichende Vorbereitung wäre das eine grundsätzliche Voraussetzung. Infos, Fragen, Vorschläge und Absprachen über Kontaktadresse. Auf dem Gelände und auf allen Aktionen sollen kein Alkohol oder andere Rauschmittel/Drogen sein. Die Bedingungen können leider nicht kindgerecht gestaltet werden. Hunde sollen nicht mitgebracht werden. Es wird auf den Aktionstagen viele Aufgaben geben, z. B. Schutz, Assistenzen... Jede, die kommt, sollte sich überlegen, wie sie sich einbringt!
So, wenn Du jetzt neugierig geworden bist und Lust auf die Aktionstage hast, melde Dich bei uns!
Kontakt überregional:
Stichwort "Sommerfrische", c/o Symbiose e.V., Kinzigstraße 9, 10247 Berlin Tel: 030/2947688, Fax: 030/29492120
E-Mail: Kombo@riffraff.ohz.north.deWenn Du nicht zu den Aktionstagen kommen kannst/willst, die Idee aber unterstützenswert findest: Wir freuen uns über zeitgleiche Aktionen anderswo und natürlich Geld- oder Sachspenden (auch leihweise Handies, Laptop, Fax, Modem...).
Spendenkonto bei: Forschungsstelle Flucht & Migration Stichwort "FrauenLesbenCamp '98" Kto-Nr.: 610 024 264 BLZ: 100 500 00 Berliner Sparkasse