flugblatt zu arbeitszeit

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Hier Einleitung und Artikel aus dem ersten Flugblatt (Oktober 2000).
Dazu die Beiträge zu einzelnen Call Centern:
citibank/duisburg
quelle/essen
medion/muelheim
deutsche bank 24/duisburg
client logic(ex-dts)/duisburg

Im Ruhrgebiet, in Glasgow, Paris, Mailand und Berlin... in vielen Staedten und Regionen werden seit Jahren Call Center aufgemacht, in denen mittlerweile Hunderttausende arbeiten. Es gibt sie in Banken und Versicherungen, als technische Support-Hotlines, in Verkauf und Marketing, bei der Bestellannahme...
Als ArbeiterInnen in Call Centern rufen wir mithilfe vernetzter Telefon- und Computeranlagen Leute an ("outbound") und oder nehmen deren Anrufe entgegen ("inbound"). Oft arbeiten wir in Schichten. Die Arbeit ist in kurze, genau festgelegte Arbeitsschritte aufgeteilt. Dabei werden wir von TeamleiterInnen kontrolliert.
Viele von uns arbeiten im Call Center, weil das in manchen Regionen die einzige Chance ist, einfach an einen Job zu kommen. Zum Teil sind die Jobs auch besser bezahlt als die in der Fabrik, beim Putzen oder im Handel. Aber waehrend Unternehmer und Politiker uns die Call Center in ihren Werbebroschueren als "moderne Arbeitsform" verkaufen, haben sie uns tatsaechlich zum Proletariat ihrer "Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft" gemacht!
Call Center waren und sind ein Angriff auf die Weigerung vieler BueroarbeiterInnen, eine Verschlechterung ihrer Bedingungen hinzunehmen (in Banken, Versicherungen, bei Post, Telekom und in anderen Buerobereichen). Call Center, das bedeutet fuer viele ArbeiterInnen verlaengerte Arbeitszeiten, Zwang zu Schichtarbeit, Dauerkontrolle und Intensivierung der Arbeit. Arbeiten im Call Center, das heisst mal Stress, mal Langeweile, Freundlichkeitszwang und Kunden-Abservieren, zu wenig Kohle und zu viele Stunden des Lebens fuer den Job.
Aber es haengt von uns ArbeiterInnen ab, unter welchen Bedingungen wir in den naechsten Jahren arbeiten werden. Unser Verhalten und unsere Kaempfe bestimmen, ob die Unternehmer den Arbeitstakt erhoehen und mehr Ueberstunden durchsetzen koennen, oder ob wir den Spiess umdrehen und denen zeigen, wo's lang geht!
Einige Bedingungen sprechen fuer uns: die Zeitungen sind voll mit Stellenanzeigen und die Unternehmer machen schon Werbekampagnen und Durchsagen in Fussballstadien, weil sie nicht genug Leute finden, die ihre Arbeit machen wollen bzw. lange genug als "Call Center Agent" arbeiten. In solchen Zeiten koennen wir was durchsetzen, weil sie es sich oft nicht leisten koennen, Leute einfach rauszuschmeissen, und wir ansonsten auch schnell einen anderen Job finden.
Und wir arbeiten zu aehnlichen oder gleichen Bedingungen oft mit Hunderten in einer Abteilung zusammen. Viele ArbeiterInnen haben auch schon in mehreren Call Centern gearbeitet und bringen von dort Erfahrungen und Kontakte mit. Wir sind also nicht isoliert, sondern koennen uns bei der Arbeit mit anderen gegen die miesen Arbeitsbedingungen organisieren.
Wir brauchen uns nichts gefallen lassen!
Fuer gemeinsame Aktionen gegen Ueberstunden und Arbeitshetze!

Gute Zeiten, schlechte Zeiten...
Gegen die flexiblen Arbeitszeitverlaengerungen in Call Centern

Schichtende. Der Laden brummt... und du siehst schon, wie der Teamleiter rueberkommt: "Kannst du noch eine Stunde da bleiben?". Scheisse! Eigentlich wolltest du mit deiner Freundin ins Kino, aber das faellt wie ueblich aus. Und Samstag ist auch keine Zeit, wegen der verordneten Sonderschicht. Schon mal gehoert?

Das Interesse der Call Center-Unternehmer ist klar: sie wollen mit den In- und Outbound-Anrufen moeglichst fett Kohle machen. Daher versuchen sie uns zum einen laenger arbeiten zu lassen: mehr Stunden pro Tag, mehr Tage in der Woche und das noch flexibel auf Abruf. Zum anderen sollen wir moeglichst viele Calls pro Stunde erledigen und ansonsten alles unterlassen was der Arbeitsproduktivitaet irgendwie schaden koennte.
In diesem Flugblatt schreiben wir was gegen die Versuche der Unternehmer, unseren Arbeitstag zu verlaengern.

Zeit ist Geld fuer die einen...

Wir lassen Draehte und unsere Ohren heisslaufen. Und obwohl wir in recht kurzer Zeit unseres Arbeitstages dem "Arbeitgeber" die Kohle fuer unseren Lohn reintelefonieren, ist danach noch nicht Feierabend. Der Arbeitstag zieht sich weiter, aber die restliche Zeit arbeiten wir nur fuer die Gewinnbilanz des Unternehmens. Diese unbezahlte Arbeitszeit soll noch ausgedehnt werden, indem die einzelnen ArbeiterInnen mehr Stunden arbeiten, d.h. laenger als 40 Stunden die Woche oder bei Teilzeit mehr als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.
Mit Einfuehrung der Call Center wurden in vielen Faellen die vorher in Filialen und Bueros geltenden Arbeitszeiten verlaengert (z.B. im Banksektor), was oft mit "outsourcing" von Unternehmensteilen oder Einsatz von Leiharbeitsfirmen verbunden war. Darueberhinaus werden regelmaessig Ueberstunden und Sonderschichten gefahren, z.B. in den technischen Hotlines (Medion/Muelheim...) und Bestellservices (Client Logic/ Duisburg...), bei Verkaufsaktionen oder im Saisongeschaeft. Und in vielen Call Center wird laenger gearbeitet, indem z.B. die Schulungszeiten nicht bezahlt werden oder wie bei Quelle/Essen verlangt wird, dass die ArbeiterInnen frueher kommen, damit sie ihre Arbeitsanweisungen (im Intranet) lesen koennen! Es gibt auch Call Center, in denen die ArbeiterInnen ohne Bezahlung nach Hause geschickt werden, wenn die Computer ausgefallen sind oder zu wenige Anrufe reingehen (Client Logic...). Wenn die ArbeiterInnen auf die Kohle angewiesen sind, muessen sie die ausgefallenen Stunden an anderen Tagen nacharbeiten!
Die Unternehmer dehnen darueberhinaus auch die Gesamtarbeitszeit aus: Regierungen vieler Bundeslaender geben den Call Center-Unternehmern die Erlaubnis fuer Sonntagsarbeit, und diese wurde in vielen Faellen eingefuehrt. Dasselbe gilt fuer Feiertagsarbeit. So wird z.B. in den Direktbanken (Citibank, Deutsche Bank 24/beide Duisburg...) sonntags und feiertags gearbeitet. Nachts sowieso.
Viele Call Center-Betreiber zahlen auch keine Zuschlaege fuer Sonntagsarbeit oder Ueberstunden. Ueberstunden werden trotzdem gekloppt, obwohl die Erfahrung zeigt, dass Ueberstunden oder Zuschlaege fuer Sonntagsarbeit fuer uns nur kurzfristig mehr Kohle bedeuten. Wenn wir uns einmal haben breitschlagen lassen, regelmaessig laenger zu arbeiten, wird der Lohn schnell wieder soweit sinken, dass er gerade zum Leben und zum Arbeitengehen reicht.
Dieser Angriff, der Versuch, die Arbeitszeit zu verlaengern, laeuft nicht nur in Call Centern, sondern auch in anderen Bueros, in Geschaeften und Fabriken. Call Center sind Teil dieser Gesellschaft, in der der Profit und nicht die Beduerfnisse der ArbeiterInnen ueber Arbeit, Ar-beitsmittel und ihr Produkt entscheiden. Daher wird auch der Einsatz von produktiveren Technologien (z.B. Automations- oder Informationstechnologien) nicht dazu fuehren, dass wir weniger oder angenehmer arbeiten. Im Gegenteil: einige muessen in den Fabriken und Bueros Sonderschichten oder Ueberstunden reissen, waehrend sich andere zwischen Phasen der Arbeitslosig-keit so eben mit drei Nebenjobs ueber Wasser halten, die sie dank flexibler (Teilzeit-) Arbeitzeiten miteinander verbinden koennen.

...und Hetze zwischen Arbeitstakt und Schichtplaenen fuer uns!

Warum versuchen die Unternehmer, neben dem Arbeitstag auch die Gesamtarbeitszeit auszudehnen und uns 24 Stunden, 7 Tage die Woche an die Telefone zu binden? Sie erzaehlen uns was von "Service am Kunden". Aber entscheidend ist: Wenn die Maschinen, also Computer, Telefonanlagen, usw., Tag und Nacht ausgenutzt werden, haben sie schneller die Investitionen raus und koennen Gewinne machen! Und warum die Ueberstunden und Sonderschichten? Wir kennen das alle: Im Inbound gibt es mal viele Calls, mal wenige. Im Outbound schwankt die Zahl der Anrufe weniger, aber dafuer gibt es mal viele Auftraege, mal keine. Die Unternehmensleitung versucht, die Schwankungen bei den Anrufen und Auftraegen darueber auszugleichen, dass wir ArbeiterInnen in den Hochzeiten Ueberstunden und Sonderschichten machen, in den ruhigen Zeiten aber zu Hause bleiben sollen oder nur die Regelarbeitszeit da sind.
Es geht darum: Wir sollen flexibel sein und immer dann antanzen, wenn es der Unternehmensleitung in den Kram passt, damit die Call Center nicht mehr ArbeiterInnen einstellen muessen. Das wuerde Geld kosten und damit ihre Profite schmaelern!
Die Auseinandersetzung ueber die Laenge des Arbeitstages ist ein entscheidender Konflikt zwischen ArbeiterInnen und den Chefs. Es gab z.B. lange Kaempfe um den 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche. Es waren aber weniger die oeffentlichen Kampagnen der Gewerkschaften (wie die fuer die 35-Stunden-Woche in den 80ern) als vielmehr der unmittelbare Druck der ArbeiterInnen, der zu Verkuerzungen der Arbeitszeit fuehrte.
Momentan sind wir es, die den Druck zu spueren bekommen, aber wir finden in der letzten Zeit eher defensive Antworten auf die Verlaengerung der Arbeitszeit und ihre "Flexibilisierung": den Krankenschein gegen Wochenendarbeit oder die verlaengerte Toilettenpause bei stressigen Schichten. Und manchmal passen wir auf die Telefone anderer auf, damit diese endlich mal wieder eine gemeinsame Plauschpause haben koennen. Klar, diese inoffizielle "Arbeitszeitverkuerzung" ist in Ordnung, aber sie steht auf schwachen Fuessen, solange wir uns die doppelte Arbeit aufdruecken lassen, wenn zu wenig Leute im Team an der Strippe haengen.
Wenn wir dauerhaft mehr Zeit fuer die schoenen Dinge im Leben haben und weniger Stunden fuer die Arbeit opfern wollen, muessen wir das schon zusammen durchsetzen! Dabei brauchen wir nicht zu warten, bis auch der letzte im Team begriffen hat, dass wir uns nicht mehr verarschen lassen sollten. Es reicht, wenn wir mit einigen ArbeiterInnen aus der Abteilung dabei den Anfang machen!

Keine Sonderschichten!
Jede Ueberstunde ist 60 Minuten zuviel Arbeit!
Schicht mit Schicht!


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