zum beitrag zu medion/muelheim vom 19.11.


[27.11.00, antwort von hotlines]

Hallo!
Vielen Dank fuer deine Mail. Wir sehen die Website als Forum zur Diskussion und freuen uns ueber deine Beteiligung. Zunaechst moechte ich auf deine Standpunkte eingehen und am Ende den Begriff der Selbstorganisation naeher erlaeutern.
Unsere Einschaetzung bezueglich des Tennismatches unterscheidet sich erheblich. Die Geschaeftsleitung hat realisiert, dass etwas im Busch ist und hat die Flucht nach vorne angetreten. Als klar war, dass es einen Betriebsrat geben wird, hat sie ihre "Kandidaten" auch gepusht. Im Vorfeld hatte es schon Geruechte gegeben, dass sich Teamleiter und Schichtleiter zur Wahl stellen wuerden. Das war mit ein Grund an dieser Versammlung nicht teilzunehmen, weil die Einschaetzung vieler Hotliner war, dass solch ein Betriebsrat sowieso nichts aendern wuerde. Was uns dann auf der Versammlung praesentiert wurde, war ein Match mit Regeln der Geschaeftsleitung. Der groesste Teil derer, die gekommen waren, waren loyale ArbeiterInnen aus der Verwaltung, der kleinere Teil kam aus der Hotline.
Wenn die Geschaeftsleitung schlau ist, weiss sie, was sie grundsaetzlich an einem Betriebsrat hat. Ein Betriebsrat kann vielmehr Sachen gegen ArbeiterInnen durchsetzen als ein Teamleiter oder Schichtleiter in Form von Arbeitsanweisungen. Ein BR ist gewaehlt und scheint die Interessen der ArbeiterInnen zu wahren. Wenn der sagt, dass aus betriebsbedingten Gruenden eine 50-Stundenwoche notwendig ist, ist es viel schwieriger sich dagegen zu organisieren als gegen die Geschaeftsleitung. Eine Selbstorganisierung aber ist etwas ganz anderes. ArbeiterInnen organisieren sich dort, wo sie zusammenkommen und bilden kleine Gruppen aus den verschiedenen Abteilungen und Schichten (meint zeitliche Schichten), die sich untereinander kennen und dadurch auch vertrauen. Vieles wird im Arbeitsalltag schon untereinander abgemacht. Es ist kein allzu grosser Schritt, diese Bekanntschaften zu nutzen, um gemeinsame Aktionen abzustimmen. Wichtig ist, die eigenen Belange nicht weiter zu delegieren, sondern selber dafuer zu sorgen, dass sich etwas aendert. Kleine Gruppen, die sich einig sind, koennen da schon eine Menge bewirken. Verabredetes Langsamarbeiten, gemeinsame Pausen oder andere organisierte alltaegliche Dinge koennen da zu grosser Bedeutung kommen.

Du hast geschrieben: "...eine Selbstorganisation hebt sicherlich das WIR Gefuehl, fuehrt im juristischen Sinne aber nur in die Sackgasse".
Was meinst du genau damit? Selbstorganisation ist - wie oben erwaehnt - erstmal der Versuch, aus unserem Zusammenhang bei der Arbeit - unser Kooperation, unserem direkten Bezug zueinander - heraus, die eigene Stärke zu entwickeln und jederzeit gegen die Chefs einzusetzen. Wenn wir das schaffen, brauchen wir die "juristische" Ebene wie Betriebsratsvertretung und Arbeitsgerichte nicht. Diese sollen Konflikte regeln und einzudaemmen. Sie sollen verhindern, dass groessere Auseinandersetzungen entstehen und darin ArbeiterInnen auf die Idee kommen, dass die kapitalistische Produktionsweise insgesamt abgeschafft werden kann.


seitenanfang