Subject: Citibank/Citi-Critic
Email von: Hannes Oberlindober
Tekomedia GmbH (ehemaliger Betriebsrat im Citibank Call Center in Bochum)
Liebe hotliner,
ich moechte dieses Forum nicht als Plattform fuer eine "Stellvertreterauseinandersetzung" missbrauchen, moechte aber doch auf diesem Wege Stellung beziehen zu Punkt 8 der von Sabine Morgenroth verfassten Replik seitens Citi-Critic.
Ohne die anderen Punkte kommentieren zu wollen, scheint mir dieser Punkt unzutreffend. Die Betriebsraete jedenfalls in Bochum mussten nicht zum Streik getragen werden und auch nicht zur Einsicht der Notwendigkeit von Aktionen ueberredet werden. Es ist schlicht unrichtig, man haette uns erst "in die Lage versetzen muessen, zu erkennen". Eher umgekehrt musste die damals betreuende hbv davon ueberzeugt werden, dass Arbeitskampfmassnahmen stattfinden muessen, die dann meines Erachtens viel zu spaet einsetzten.
Bei der Urabstimmung fuer den Streik stimmten 99,5 % der Agents (1 Enthaltung) fuer den Streik - und das war nun wirklich nicht auf die nach Verkuendung der bevorstehenden Schliessung lange durch Abwesenheit glaenzende hbv zurueckzufuehren, die ueber lange Jahre das heikle Thema Call Center so inbruenstig gemieden hat, wie ein Reisender den Platz neben der Toilette in einem Greyhound.
"Was sollen ein paar Beschaeftigte in Bochum und Duisburg auf sich allein gestellt fuer eine Macht gegenueber einem global player ausueben?"
Jede Menge. Gerade elektronische Medien der Datenfernuebertragung machen aus jeder Person einen "global player". Sehr zuegig wurde der Konflikt im Internet thematisiert: die web-site des Betriebsrates in Bochum war der Bank schon deswegen ein Dorn im Auge, weil sie unmoeglich kontrollieren konnte, wer diese web-site besucht.
Eine Koordination eigener Aktivitaeten mit Anti-Citigroup-Aktivisten im web haette fuer Citigroup ausgesprochen unangenehme Konsequenzen, zumal der Konzern sicher auch von Umweltorganisationen genau beobachtet wird. Ich halte es fuer verkehrt, in Zeitaltern globaler, informeller Netzwerke Machtverhaeltnisse an der Quantitaet der beteiligten Personen zu messen. Eben das ist nicht der Fall. Da das "branding" das Kapital der Bank darstellt, ist jede oeffentlichkeitswirksame subversive Aktion dazu angetan, erhebliche Unruhe im Konzern zu erzeugen.
Die Citigroup ist im Gegensatz zu numerisch kleinen, aber geographisch und thematisch hochflexiblen Gruppen oder Einzelpersonen aeusserst unbeweglich. Masse gegen Masse zu setzen waere der verkehrte Weg: einen Giganten macht man - der Film "KingKong" hats gezeigt - durch gezielte Nadelstiche muerbe.
Hannes Oberlindober