Die Rechte freier Individuen und einer freien Gesellschaft können nur durch eine derartige demokratische Verfassung entstehen.

Meine moralische und politische Legitimation bei der Verurteilung des alten formalen Rechts besteht in der Entwicklung dieses demokratischen Rechts, so utopisch es auch sein mag.
Ich bin überzeugt davon, dass sowohl die individuelle als auch die gesellschaftliche Problemlösung und Befreiung hierin angelegt sind. Aber meine Haltung ist nicht sonderlich ernst genommen worden. Ich gehe davon aus, dass sich das Recht auf die konkrete, materielle Realität stützt. Es existieren eine Reihe von Ereignissen und Tatsachen, die noch nicht beendet sind und sich in einem Zustand fortgesetzter Bewegung befinden - immer noch. Selbst diese Realität belegt die Ineffizienz des bestehenden Rechts sehr klar. Es findet eine Diskussion um Menschenrechte und Demokratie statt, die mit keiner vorangegangenen Periode in der Geschichte der Republik vergleichbar ist. Von den bekanntesten Juristen wird nicht nur das Verhältnis zwischen Demokratie und der bestehenden Verfassung diskutiert, sondern sogar, inwiefern die aktuelle Verfassung selber einem Rechtsstaat im Wege steht.
Eine der Hauptaussagen meiner Verteidigungsschriften besteht darin, dass die Kurden, die eine Realität sind, als fundamentaler Bestandteil bei der Gründung der Republik eine Rolle gespielt haben, ungeachtet dessen, dass sogar ihre Existenz als Kurden im Unabhängigkeitskrieg und bei der Gründung der Republik immer geleugnet wird. Es ist nicht weiter schwierig, meine Behauptung auch in den Erklärungen und Direktiven des Gründers der Republik, Atatürk, bestätigt zu finden. Die Anwesenheit der Repräsentanten der Kurden in der ersten Großen Nationalversammlung der Türkei belegt diese Tatsache ebenfalls. Als aber in dieser Zeit, während der sich die Republik noch in ihrer Gründungsphase befand, England aufgrund der Erdölvorkommen in den Gebieten Mosul-Kirkuk begann, die Kurden als politischen Spielball zu benutzen und die Republik durch an Sultanat und Kalifat angelehnte Aufstände in Gefahr geriet, wurde alle Aufmerksamkeit auf die innere Sicherheit der Republik konzentriert. Die völlige Niederschlagung dieser Aufstände geschah nicht wegen deren demokratischer Ausrichtung, sondern wegen ihrer Gegnerschaft zur Republik und aufgrund der Befürchtung, sie würden die Republik als solche in Gefahr bringen. Auch gegen die Aufstände der Kurden, die eine ethnische und religiöse Basis hatten, wurde aus diesem Grund vorgegangen. Das Ziel war der Schutz der Republik.
Das hierbei zur Anwendung gelangte Ausmaß von Gewalt ist diskussionswürdig. Auch die nach der Niederschlagung der Aufstände eingenommene Haltung ist zu kritisieren. Aber die Aufstände in der Phase der Republikgründung und die doppelte Rolle, welche die Kurden spielten, muss mit Nachdruck vor Augen geführt werden. Es war einer der größten Fehler und ein Desaster, unter dem Vorwand möglicher Aufstände ein extremistisches Nationalverständnis auf die gesamte Geschichte der folgenden Republik auszudehnen. Es ist eine Tragödie, dass die durchgeführten Maßnahmen bis hin zu einem Sprachverbot für die bei der Gründung der Republik fundamental mitwirkenden Menschen führte, welches in der Geschichte seinesgleichen sucht.
Ich glaube nicht, dass eines der fundamentalen Ziele des Gründers der Republik, Atatürk, hierin bestand. Bei der Gründung war der Fortbestand der Republik eine der Hauptsorgen. Jeder Betrachtungsweise eines Problems lag diese Sorge zugrunde, und das ist auch verständlich. Atatürk unternahm zwei Versuche einer Demokratisierung, und dass er bei diesen Versuchen erfolglos blieb, kann nicht nur mit seiner autoritären Art erklärt werden. Der Grad sozialer Entwicklung und inkompetente Kader spielten bei der Erfolglosigkeit eine objektive Rolle. Es kommt hinzu, dass die Möglichkeiten, welche die Republik der Wissenschaft einräumte, Keimzellen zur Herausbildung freier Individuen waren. Dies stellt eine der wichtigsten Entwicklungen im Unterbau der Demokratie dar. Es ist offensichtlich, dass Atatürk in der Zivilisation den angemessenen Ausdruck seines Ziels einer modernen Zivilgesellschaft erblickte. Deren Verwirklichung war die Aufgabe, die den nachfolgenden Generationen der Republik vermacht worden war. Dies ist die fundamentale Aufgabe, die nicht eingelöst wurde. Hierfür zeichnen diejenigen verantwortlich, die die Republik zu einer degenerierten Oligarchie machten.
Ich habe meine Verteidigungsschrift im Kern an diese Analyse der Republik angelehnt. Bei der Entstehung der Bewegung PKK spielte die Transformation der Republik in eine degenerierte Oligarchie eine entscheidende Rolle.
In dieser Zeit führte allein die Verwendung des Begriffes Kurde entweder zu Haft oder auf den Weg in die Berge. Diese Realität ist nicht nur auf die Abwesenheit von Demokratie zurückzuführen, sie stellt eine Situation des Schrecken einjagenden Verleugnens ihrer Existenz dar. Aus diesem Grund führte jeder Schritt, der im Namen der Organisation auf Grundlage ihrer Programmatik oder ihrer Handlungsformen durchgeführt wurde, zu einer noch stärkeren Radikalität. So, wie die extreme Polarisierung und eine Situation von Gewalt in der Türkei der 70er-Jahre sowie auch die weltweite Polarisierung während des Kalten Krieges jeden Menschen und jede Organisation beeinflusste, so liegt es auf der Hand, dass auch ich und die Organisation, die ich vertrete, hiervon beeinflusst wurden. Mangelndes historisches und politisches Bewusstsein in der Zeit der Entstehung der Bewegung und auch Analysen, die voller Fehler waren, führten dazu, dass fast jede Organisation der damaligen Zeit zu einer Art modernen religiösen Sekte wurde. Es ist eine schmerzhafte Realität für alle, dass die Republik nicht nur Begriffen wie Demokratie und Recht nicht entsprach, sondern selbst ein allgemeines Staatsverständnis nicht erzielen konnte. Angeblich fand ein Kampf der Ideologien statt. Aber im Nachhinein betrachtet, stellt es eine schmerzhafte Realität dar, dass in vieler Hinsicht ein Kampf von Unwissenheit und Arroganz stattfand. Hierfür können nicht nur Individuen und Organisationsmitglieder verantwortlich gemacht werden: Es ist offensichtlich, dass die Verantwortung für diese Situation die gesamte damalige Zeit und, was die Türkei betrifft, vor allem die strikt an ihren eigenen Interessen orientierte Oligarchie trägt. Es ist hier nicht meine Absicht, Schuldige zu suchen. Ich will die jüngste Geschichte und die Entstehungsbedingungen der Organisation objektiv darlegen.
Wie offiziell und konkret das Recht auch sein mag, es existiert nicht unabhängig von dieser Realität. Ich bin überzeugt, dass das Recht zumindest bei der Urteilsfindung einen gewissen Grad an Objektivität zu berücksichtigen in der Lage ist.
Wenn man alle grundlegenden Besonderheiten dieser Zeit betrachtet, bezweifle ich nicht, dass die programmatischen Ziele der PKK selbst in Zeiten sezessionistischer Propaganda nie dem Wesen der Republik entgegengesetzt waren, die angestrebte Einheit jedoch nur in einer Demokratischen Republik verwirklicht werden kann und das Grundziel eben immer dieses gewesen ist. Gegenüber der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft habe ich betont, dass meine Verteidigung einer solchen Republik sowohl wissenschaftlich begründet ist als auch den Kern meiner Ziele bildet. Ich bin davon überzeugt, dass meine Verteidigungsschriften dies zu Genüge bewiesen haben. Es ist offensichtlich, dass wir eine ähnliche Realität wie alle Bewegungen durchlebten, die in den 70er-Jahren in Form von Klassenkämpfen und bzw. oder auf ethnisch-nationaler oder religiöser Basis für Freiheit und Gleichheit weltweit vermehrt in Erscheinung traten.
Es wäre unverständlich, wenn die totale Leugnung einer kulturellen Identität, die noch einschneidender ist als Einschränkungen auf den Gebieten der Meinungs- und Glaubensfreiheit und Verbote, zu keinerlei Reaktionen geführt hätte.
Aus diesem Grund führt meine Analyse dazu, dass, wie groß die Schmerzen auch sein mögen, welche die PKK, deren Vorsitzender ich war, und die die Organisationsmitglieder selber erlebten oder die durch sie resultierten, die Entstehung der PKK legitim und aus dem Blickwinkel der Moral und einer Demokratischen Republik zwangsläufig und eine wissenschaftliche Notwendigkeit war, auch wenn es sich um ein radikales Erheben gegen die offizielle gesetzliche Ordnung handelte. Dies ist auch eine wichtige Schlussfolgerung in meiner Verteidigungsschrift. Und damit führe ich, wie es scheint, eine der schwerwiegendsten Handlungsformen gegen das formale Recht an. Eine derartig extreme Identitätsleugnung lässt jedoch keinen Raum für andere Ausdrucksformen.
Ich glaubte an die Legitimität von Widerstand, um unserer Achtung vor der Persönlichkeit des Menschen gerecht zu werden und in Würde zu bestehen, auch wenn wir hiermit isoliert wären. Ich war immer voller Besorgnis, dass ich auf andere Art meine Menschlichkeit nicht bewahren könnte. Nach den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft soll diese Seite unbeachtet bleiben.
Aber in Zukunft, wenn es eine Demokratische Republik und eine demokratische Verfassung geben wird, wird auch die wichtige Rolle dieses legitimen Widerstands anerkannt werden.
Niemand hat die Fehler der PKK so klar erkannt und versucht, hiergegen vorzugehen, wie ich. Aber es muss auch berücksichtigt werden, dass die PKK sich auf der Suche nach einer fundamental freien Kultur und Identität befand. Die an das formale Recht angelehnte Art der Anschuldigungen insgesamt unterscheiden sich in keiner Weise von den traditionell dogmatischen Beschuldigungen durch eine Religion.
Ein weiterer grundlegender Fehler, der in den Anklageschriften festzustellen ist, betrifft die Analyse der Aktionsstruktur. Es kommt mir, als jemandem, der dieses Geschehen am intensivsten erlebte, nicht sehr realistisch vor, die Aktivitäten während dieses Aufstands, der von Umfang und Dauer her als Krieg niederer Intensität analysiert wird, völlig einförmig zu bewerten und in ihrer Gesamtheit, auch als Resultat der in der Öffentlichkeit geschaffenen Reaktionen, mir anzulasten.
Innerhalb der Organisation habe ich fast jeden Tag einen internen Kampf geführt. Ich habe übernatürliche Anstrengungen unternommen, um den Kampf auf einer Ebene legitimer Verteidigung zu halten. Diejenigen, die sich mit der inneren Struktur der PKK etwas beschäftigen, werden meine Position gegen Personen und Aktionsverständnisse, die sich ausserhalb einer legitimen Verteidigungslinie bewegten, klar erkennen.
Im Gegensatz zur Aktionsdichte und den Verlusten, die an vielen Orten wie z.B. Algerien, Palästina, Bosnien, Kosovo u.ä. Ländern erlebt wurden, blieben derartige Folgen bei unseren Aktivitäten auf ein Minimum beschränkt und hieran wird meine Funktion und Rolle als Individuum noch deutlicher. Dieser Umstand ist nicht deswegen von Bedeutung, weil er mich vor einer strafrechtlichen Verurteilung schützen könnte, sondern da es meines Erachtens auch aus dem Blickwinkel des Rechts unerlässlich ist, die Fakten so zu sehen, wie sie sind. Wenn es im Ergebnis zu einer richtigen Lösung kommen sollte, so wird dies insbesondere Folge dieses Charakteristikums der Rechtsstruktur sein.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt meiner Verteidigungsschrift bestand in der Erklärung, dass die PKK und damit die kurdische Frage in einer sich gegen Ende des Jahrhunderts verändernden Welt und unter den Bedingungen der Türkei mit wichtigen Umwälzungen konfrontiert war und ich habe versucht, die sich hieraus ergebenden Entwicklungen zu erläutern. Auch dieser Umstand ist weder in der Anklageschrift noch im Urteil ausreichend berücksichtigt worden. Ein rechtlicher Zusammenhang der Entwicklungen wurde nicht hergestellt. Ich finde es notwendig, diesen Punkt aufgrund der Wichtigkeit, den er für die Zukunft hat, klarzustellen.
Der Zusammenbruch des sowjetischen Systems in den 90er-Jahren führte hinsichtlich der Folgen zu ähnlichen Effekten und Erschütterungen wie die Zeit nach dem II. Weltkrieg. Die Unfähigkeit des sozialistischen Systems, eine demokratische Entwicklung zu vollziehen, und die gleichzeitige Fähigkeit des Kapitalismus, eigene autoritäre faschistische Regime zu überwinden und die Demokratie auszudehnen, stellen die Hauptursachen des Zusammenbruchs dar und führten zur Entwicklung demokratischer Systeme weltweit. Hierbei spielten zweifelsohne wissenschaftlich-technische Entwicklungen eine bestimmende Rolle. So, wie mit dem Zusammenbruch die aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Polarisierung an Bedeutung verlor, begann auch das Gewaltverständnis der an diese Polarisierung angelehnten Trennung von Rechts und Links sinnlos zu werden. Die in den Vordergrund tretenden und an Wichtigkeit gewinnenden Grundwerte konzentrierten sich auf Menschenrechte, Demokratisierung, Eintreten für kulturelle Identität und ähnliche Leitthemen. Auch die Methoden der Kämpfe waren immer weniger solche der Gewalt als solche des Friedens. Die Klassen- und Nationalkämpfe bzw. -kriege der letzten ein bis zwei Jahrhunderte verloren an Gewicht und Bedeutung und an ihren Platz trat die Erlangung von Menschenrechten, Demokratisierung und hiermit kultureller Freiheiten im Innern: Werte, die im Wesentlichen die Legitimation der auf Frieden basierenden Grenzen dieses Jahrhunderts ausmachen.
Es herrscht ein generelles Einverständnis darüber, dass die Entwicklungen in diese Richtung gehen.
In der Praxis nicht weniger Länder wurden wichtige Entwicklungen durchlebt, die dies bestätigen. So, wie die Erschütterungen der auf dieser Basis stattfindenden Transformationen aktuell in der Welt anhalten, so haben diejenigen Länder, Organisationen und Individuen die größten Entfaltungsmöglichkeiten, die derartige Entwicklungen auf umfassendste Art in ihren Strukturen realisieren. Es ist auszumachen, dass auch die Türkei der 90er-Jahre sowohl von ihren eigenen historischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturell-politischen Gegebenheiten als auch von der aktuellen Weltlage und insbesondere von den im Nahen Osten stattfindenden Entwicklungen dieser Art aufs Heftigste beeinflusst wird.
Die Gründung einer Republik auf den Ruinen des Imperiums eröffnete aufgrund der inneren und äusseren Bedingungen der Zeit Atatürks keine Möglichkeit zu einer demokratischen Evolution als Lösungsmethode für die existierenden Probleme.
Unausweichlich kam es zu einer autoritären Phase. Die Bedingungen des II. Weltkriegs und die Sicherheitsbedenken führten zu einer noch stärkeren Fixierung nach innen. Aufgrund des Sieges der Demokratie über den Faschismus in der damaligen Zeit und bedingt durch den Einfluss der äusseren Ereignisse wurden zwar Anstrengungen unternommen, durch eine Demokratisierung von oben zur Problemlösung beizutragen, dies spiegelte sich jedoch in der staatlichen und gesellschaftlichen Struktur und im Rechtsgefüge nur ungenügend wider. Die Entwicklungen nahmen einen eher oligarchischen Charakter an. Die in dieser Richtung stattfindenden oligarchischen Entwicklungen ignorierten die Philosophie der Republikgründung und das Kräftegleichgewicht völlig und gingen mit dem Militärputsch vom 27. Mai 1960 in eine neue Phase über. Dieser Prozess wurde durch die Putsche vom 12. März 1971 und 12. September 1980 noch verstärkt fortgesetzt. Er hatte eine stetig zunehmende ökonomische und gesellschaftliche Krise zur Folge. Obwohl es zur Ausarbeitung neuer Verfassungen kam, führte diese Entwicklung zu einer immer stärker klaffenden Distanz zwischen dem Staat und dem ihm innewohnenden Recht und ebnete so willkürlichen Regimen den Weg. Die Gesellschaft wurde nicht dem Recht bzw. den Grundnormen einer Demokratie entsprechend regiert, sondern hinsichtlich der Vorteile und Regeln derjenigen, die Macht und Stärke auf ihrer Seite hatten. Die Republik entfernte sich zunehmend von ihrem anfänglichen Kräftegleichgewicht und ihrer anfänglichen Struktur. Die Degeneration innerhalb des Regimes nahm mit jedem Tag zu. Es fanden Entwicklungen statt, die selbst solche der wildesten Phase des Kapitalismus überboten und mit keinem anderen System vergleichbar sind. Alle versuchten, ihre eigene Haut zu retten, nach dem Motto: “Rette sich, wer kann.” Der Verschleiß grundlegender moralischer und rechtlicher Werte erreichte einen Höhepunkt.
Die Militärputsche haben mehr, als dass sie eine Lösung gebracht hätten, zu einer Vertiefung der Krise geführt. Die Funktion der jeweils hiernach etablierten Verfassungen ähnelte der eines Leichentuchs, in welches die Gesellschaft eingewickelt werden soll. Der Zustand von Gewalt zwischen Rechts und Links machte eine Lösung der Probleme noch auswegloser. Aber diese Situationen können nicht als von selbst entstandene aktuelle Entwicklungen gewertet werden.
In vielen ähnlichen Gesellschaften haben die historischen Voraussetzungen sowie die Unfähigkeit, dem Zeitalter entsprechende positive Antworten auf die Probleme der Zeit zu finden, und eine engsichtige Vorteilspolitik die Basis für die Entwicklung der anzutreffenden Oligarchien gelegt. Dies war die, wenn auch unverdiente, Realität. In der Türkei begann unter dem Eindruck der Demokratisierung weltweit in den 90er-Jahren eine intensive Diskussion dieser Lage. Die Diskussion war umfassend. Es waren manche demokratische Schritte beabsichtigt. Die vorgesehenen Schritte konnten jedoch nicht realisiert werden, da genau an diesem Punkt keine Lösung der Ursachen des Krieges niederer Intensität, der gegen den Kampf der PKK durchgeführt wurde, vorgesehen war, und darüber hinaus führte die Konfrontation mit der nach wie vor existenten und heftig diskutierten Gefahr der Bandenbildung den Staat in eine noch ausweglosere Lage. Das Insistieren auf Gewalt führte zu den meisten politischen Morden sogenannter unbekannter Täter in der Geschichte der Türkei und ebnete negativen Entwicklungen den Weg, die z.B. darin bestanden, dass das Recht fast vollständig der Willkür dieser Banden überlassen wurde, wodurch die Gefahr völliger Entstellung des Staates bestand. Ähnliche Entwicklungen fanden in der PKK statt.
Diese Situation, die ich in ihren Grundzügen darzustellen versuchte, war Grund für eine entscheidende Umwandlung der PKK seit den 90er-Jahren im Verhältnis zu der Phase, die sie seit ihrer Entstehung bis in diese Zeit durchlief. Der “Versuch des Waffenstillstands von 1993” und der Kampf, der in der PKK durch sie selber intensiviert wurde, sollten diesen gefährlichen Prozess stoppen und waren von der Überlegung geleitet, die neuen Entwicklungen in der Türkei zu verstehen und hierauf eine Antwort zu geben. Meine derartigen Bemühungen sind eindeutig und wichtig, auch wenn sie nicht genügend in die Tiefe gingen oder beherrschend waren. Auch wenn meine Bemühungen in der damaligen Zeit nicht zu den beabsichtigten Resultaten führten, so versuchte ich doch, den in dieser Richtung stattfindenden Entwicklungen noch sensibler und positiver zu begegnen. So, wie ich schon in meiner vorherigen Verteidigungsschrift erklärt habe, wurden in der damaligen Zeit, wenn auch indirekt, wichtige Botschaften des Staatspräsidenten, des Ministerpräsidenten und des Großen Generalstabs, jeweils gemäß ihrer eigenen Obliegenheiten, vermittelt. Als Erwiderung auf diese Botschaften unternahm ich zweimal den Versuch eines einseitigen Waffenstillstands. Die entscheidenden Gründe für meine damalige Haltung waren ohne Zweifel auch die Entwicklungen weltweit und in der Türkei; sie war zugleich Folge des Bedarfs nach einem neuen Verständnis und neuen Methoden, da das alte Programm der PKK und ihre Aktionsstruktur festgefahren waren, und zwar so grundlegend, dass diese Situation in eine Ausweglosigkeit führte und die PKK also ihre Fähigkeit zur Problemlösung nicht mehr aufzeigen konnte. Mit jedem Tag wurden die Auswirkungen dieser Situation spürbarer. Auch wenn in der Zeit, als ich noch in Freiheit war, eine ausgeprägte Kontrolle und Überprüfung stattfand, versuchte ich seit 1996 eine Antwort auf das zu geben, was in den Konzepten des Nationalen Sicherheitsrates als mein Teil vorgesehen war, den ich durch intensive Verfolgung ihrer TV-Programme herauszufiltern versuchte. Ich habe versucht, die Organisation in dieser Hinsicht vorzubereiten. Das gegenseitige Anziehen der Methoden, deren Eignung zur Lösung sei mal dahingestellt, vertiefte noch die Sackgasse und führte zu einer unerträglichen Dimension von Schmerz und Verlust. Als ich beim Verlassen Syriens Europa den Bergen vorzog, tat ich das in der Absicht, durch die Schaffung eines politischen Weges die Gewalt zu einem kontrollierten Ende zu bringen. Durch die Zwischenschaltung mancher Personen habe ich ein Übermittlungssystem zu betreiben versucht. Meine Übergabe an die Türkei fand unter diesen Voraussetzungen statt.
Während meiner Gefangenschaft habe ich diesen Umstand im Prozess auf Imrali deutlich zur Sprache gebracht. Meine Verteidigung habe ich versucht als ein Manifest des Inhalts zu gestalten, dass nach Beendigung einer Phase der Gewalt weltweit ein grundlegender Wandel stattfindet und auch in der Türkei nur durch eine umfassende demokratische Umwälzung sowohl für die kurdische Frage als einen Teil der demokratischen und kulturellen Umwälzung als auch allgemein eine Problemlösung gefunden werden kann.
Mit den zustimmenden Antworten der Zentrale der PKK auf meine Aufrufe in den Hauptverhandlungen, die bewaffnete Auseinandersetzung zu beenden, ist ein entscheidender Rückgang der Vorfälle zu verzeichnen. Auf meinen Aufruf hin, ab dem 1. September den bewaffneten Kampf zu beenden, ist es durch den Anschluss der Organisation sowohl zu einem Rückzug der Kräfte ausserhalb der Territorialgrenzen der Türkei als auch zu einem 90-prozentigen Rückgang der Aktionen gekommen, was selbst in den Feststellungen des Generalstabs zum Ausdruck kommt. Sowohl die strategische Entscheidung als auch deren Umsetzung in der Praxis, was seit Jahren geforderte Entwicklungen sind, haben zu positiven Eindrücken in der Öffentlichkeit geführt. Einhergehend mit diesen Entwicklungen wurden intensive Diskussionen um demokratische Schritte begonnen. Zweifelsohne war bei diesen Diskussionen die historische Ansprache des Präsidenten des Kassationsgerichtshofs zu Beginn des neuen Gerichtsjahres von der Wichtigkeit eines epochalen Meilensteins.
Die Verhandlung vor dem Kassationsgerichtshof und das letztendliche Urteil müssen im Lichte dieser Entwicklungen stattfinden. Wie auch immer das zu fällende Urteil aussehen wird, es wird in der Türkei auf der Schwelle zum Jahr 2000 wichtige Entwicklungen nach sich ziehen.
Um einer effektiven Vergangenheitsbewältigung in der Türkei und einer Klärung ihrer Zukunft willen, wird es eine große Rolle spielen, dass diesem Umstand genügend Rechnung getragen und eine über den engen Strafrechtsrahmen hinausgehende Herangehensweise gefunden wird.
Eine Einstellung gegenüber dem Gegenstand dieses Verfahrens, die einer Wiederholung derjenigen aus klassischen Aufstandsperioden gleicht, wird zu ähnlichen Aufständen führen, aber eine wissenschaftliche und problemlösende Art und Weise kann bewirken, dass der jetzige Aufstand tatsächlich als der letzte in die Geschichte eingeht.