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Berlin, 8. September 1999

An die Redaktionen:
Aktuelles / Ausland / Inland / Mittlerer Osten / Türkei / Kurdistan


Der Präsidialrat der Arbeiterpartei Kurdistans PKK gab bezüglich wichtiger politischer Entwicklungen in der Türkei eine Erklärung ab. Sie bezieht sich auf die Rede des Vorsitzenden des obersten Berufunsgerichts, Sami Selcuk, die er zu Beginn des neuen juristischen Jahres gehalten hat, sowie auf das Ereignis in Gürpinar und auf den Rückzugsprozeß der Guerillaeinheiten aus der Türkei.

Am 6. September besuchten die Anwälte ihren Mandanten, den Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Er ließ über die Anwälte seine Stellungnahme sowohl zu den Äußerungen von dem Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu, zum Amnestiegesetz als auch zu dem Angriff in Van.

Diese Erklärungen dokumentieren wir nachfolgend:

Präsidialrat der PKK:
"An die Presse und die Öffentlichkeit

Wir halten es für sinnvoll, zu den großen historischen Entwicklungen des letzen Monats folgendes zu erklären.

Zu Recht wird die Rede des Vorsitzenden des obersten Berufunsgerichts, Sami Selcuk, die er am 6. September zum Beginn des neuen juristischen Jahres gehalten hat, als ein Manifest der Demokratie bewertet. Wir teilen den Inhalt dieser Rede größtenteils mit.

Wie auch diese Rede deutlich macht, befindet sich die Türkei jetzt in einem wirklichen Erneuerungsprozeß.

Die historische Verteidigung des Vorsitzenden Abdullah Öcalan auf Imrali war das demokratische Lösungsmanifest der kurdischen Frage. Die historische Rede des obersten Berufungsrates ist ein Manifest der Demokratie und sie erfüllt den juristischen Inhalt der demokratischen Republik. Diese beiden Manifeste basieren auf dem selben Kern und ergänzen sich gegenseitig. Sie geben ein fundamentales demokratisches Lösungskonzept für die schweren Probleme der Türkei und den juristischen und politischen Rahmen der neuen Türkei im kommenden Jahrhundert. Die Bemühungen zur Erneuerung der Türkei durch diese konkreten und tiefgreifenden Lösungsvorschläge, beeindrucken jeden. Diese Situation schafft bei unseren Völkern und unseren Menschen einen großen Enthusiasmus, Optimismus und macht sie äußerst dynamisch.

Als Partei und Volk sind wir bereit, in einer Türkei, deren Grundprinzipien von dem Vorsitzenden des obersten Berufungsgerichts zum Ausdruck gebracht wurde, unsere Dienste zu erweisen und in Würde zu leben. Wir möchten uns an allen Bemühungen dieser Richtung aktiv beteiligen und sie unterstützen.

Wie man sieht, die Grundprobleme der Türkei und ihre Lösungswege wurden mit aller Deutlichkeit dargestellt. Nun ist es die Aufgabe eines jeden Menschen mit Verantwortungsgefühl in diese Richtung zu arbeiten, und Schritte für die praktische Lösung der Probleme zu unternehmen. Wir hoffen und erwarten, daß die türkische Regierung und andere regierende Organe auf dieser Grundlage die erforderlichen Aufgaben mit großem Mut erfüllen. Wir rufen alle demokratischen Parteien wie HADEP, CHP, ÖDP und die demokratischen und zivilen Kräfte, Menschenrechtsvereine, demokratische Arbeiter- und Arbeitgeberverbände, Frauen- und Jugendorganisationen auf, ihre Kräfte für den Frieden im Rahmen einer demokratischen Republik zu vereinigen und eine Plattform für eine (die) demokratische Republik zu gründen.

Um in der Türkei die Demokratie zu verwirklichen, ist es nötig, den Frieden zu gewinnen. Daher sind die Äußerungen des Vorsitzenden Genossen Abdullah Öcalan vom 2. August 1999 und die Friedensbemühungen unserer Partei in dieser Hinsicht eine wichtige Entwicklung.

Um die Friedensinitiative zu untermauern hat unsere Partei bereits am 25. August begonnen, ihre Kräfte zurückzuziehen und intensivierte dies ab dem 1. September. Doch wie wir das auch zuvor erwähnt haben, wird der Rückzug unserer Kräfte hier und da durch die türkischen Sicherheitskräfte behindert. Die bewaffnete Auseinandersetzung, zuletzt am 4. September bei Gürpinar, ist auf solch eine Behinderung zurückzuführen. Einer türkischen Militäroperation fielen beim Rückzug vier unserer Kämpfer zum Opfer. Nach Berichten des Ausnahmezustandsgouverneurs liegen die Verluste der türkischen Seite offiziell bei sieben, doch die tatsächliche Zahl könnte dreimal so hoch sein. Doch es sind nicht die Zahlen, die wichtig sind, sondern vielmehr, daß unnötige Verluste hingenommen werden, ein Krieg uns aufgedrängt und unser Rückzug sabotiert wird. Bereits zuvor hat es mehrere Gefechte gegeben, bei denen insgesamt 20 unserer Kämpfer und zahlreiche Soldaten umgekommen sind.

Wir hatten bereits zuvor darauf hingewiesen, daß wir keinerlei Verantwortung für diese Gefechte tragen, und diese uns von Kreisen, die die Fortführung des Krieges wollen, davon profitieren und die Friedensinitiative unserer Partei sabotieren möchten, aufgedrängt werden. Der stellvertretende Ausnahmezustandsgouverneur sowie Gouverneur der Stadt Diyarbakir, Herr Nafiz Kayali hat erklärt, daß die bewaffnete Auseinandersetzung von Gürpinar von ihnen geplant worden sei, und sie noch weitere militärische Operationen geplant hätten.

Es liegt auf der Hand, daß diese Annäherungsweise für die Friedensperiode sehr schädlich ist, und die unseren Kräften aufgezwungenen Gefechte den Rückzug erschweren und sabotieren. Es ist zu beobachten, daß die militärische und die zivile Führung der Türkei zu dieser Friedensinitiative widersprüchliche Aussagen machen.

Wir arbeiten intensiv an der Umsetzung der von uns gefaßten Beschlüsse und sind gewillt, alle Hürden zu nehmen um die Friedensperiode zu einem Erfolg zu verhelfen. Wir hoffen jedoch auch, daß die türkische Führung versuchen wird, diese schmerzvollen Leiden und unnötigen Verluste zu verhindern. Um diese Schmerzen und unnötigen Verluste zu verhindern, rufen wird die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA dazu auf, die Phase des Rückzug näher zu beobachten und die Verantwortung, die ihnen zukommt wahrzunehmen. "


Öcalan:
· Wir nehmen die Aussagen des türkischen Generalstabschefs Hüseyin Kivrikoglu ernst und messen ihnen großen Wert bei.

· Wenn eine Amnestie zustande kommt und dies mit einer politischen Garantie bestätigt wird, wir die PKK ihre Kräfte in der politischen Phase einbringen, statt sie außerhalb der Grenzen zurückzuziehen.

· Die Verantwortlichen für die Auseinandersetzung in Van sollten unbedingt ermittelt und festgesetzt werden.

Am 6. September 1999 besuchten die Anwälte Aysel Tuglu, Ahmet Avsar und Dogan Erbas ihren Mandanten, den Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali

Öcalan ließ durch seine Anwälte übermitteln, daß er den Aussagen des türkischen Generalstabschefs Hüseyin Kivrikoglu vom 5. September 1999 großen Wert beimesse und sie überaus ernst nehme. Öcalan erkannte den Willen des türkischen Generalstabschefs zu kultureller Freiheit und Demokratisierung als einen positiven Schritt an und betonte dessen Wichtigkeit.

Öcalan ist der Überzeugung, daß eine Annäherung nur in echtem Frieden und in Geschwisterlichkeit möglich ist, und eine erfolgreiche Weiterführung des Friedensprozesses Taten verlangt. Der Parteivorsitzende Öcalan nahm auch Stellung zum Veto des türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel gegen den vom Parlament eingebrachten Beschluß auf Amnestie, und betonte die Notwendigkeit einer Erweiterung der Verfassung nach den Prinzipien der Gleichberechtigung und Allgemeingültigkeit.

Öcalan weiter: "Wenn eine Generalamnestie zustande kommt und dies mit einer politischen Garantie bestätigt wird, wir die PKK ihre Kräfte, statt sie außerhalb der Grenzen zurückzuziehen, in die politische Phase einbringen und sich aktiv beteiligen."

Öcalan nahm Stellung zu den Auseinandersetzungen in Van, bei der 20 Soldaten ums Leben kamen und meinte, daß in einer Phase, in der sich der Friedensprozeß etablieren soll, solche Taten nicht zu akzeptieren wären. In einer derartig sensiblen Phase sei extreme Vorsicht geboten und Provokationen seien weder gerechtfertigt noch dürfe man sich darauf einlassen. Die Verantwortlichen an dieser Auseinandersetzung müssen unbedingt ermittelt und sichergestellt (??) werden. Es müsse im weiteren erklärt werden, von welcher Seite der Angriff erfolgte.
Er bedauerte, daß junge Menschen bei diesem Zwischenfall und auf diese Weise ihr Leben verlieren mußten.