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    PRESSEERKLÄRUNGEN 
  
 
März '99
  
    Köln, den 1. März 1999

    An die Redaktionen: 

    Inland/Ausland/Türkei/Kurdistan

    Gesamtseitenzahl: 2 

    Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung des stellvertretenden Generalvorsitzenden der HADEP vom 27. Februar 1999 zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Verbot der HADEP:

    Am 25. Februar 1999 hat die Generalstaatsanwaltschaft beim Kassationsgericht einen Antrag beim Verfassungsgericht zur Verhinderung der Teilnahme der HADEP an den Wahlen gestellt.

    Wie bereits bekannt, hat der Generalstaatsanwalt am 03. Februar 1999 eine Klage zur Schließung der HADEP beim Verfassungsgericht eingereicht.

    Die Anklageschrift für das Verbot unserer Partei stützt sich auf Anzeigen, die der Staatsanwaltschaft bereits seit drei Jahren vorliegen. Aber genau dieser Staatsanwalt hatte damals erklärt, daß keine Partei nur aufgrund der vorliegenden Anzeigen in ihren politischen Aktivitäten behindert werden kann und daß er aus diesem Grund keine weiteren rechtlichen Schritte einleiten werde. 

    Die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute zu den bevorstehenden Wahlen und ihre Prognosen, die HADEP habe einen „unerwartet“ hohen Stimmenanteil bei den Wahlen zu erwarten, versetzte manche Machtkreise in Panik.
    Die HADEP hat trotz der rechtswidrigen Repressionen und Behinderungen, denen sie ständig ausgesetzt ist, die breite Masse der Bevölkerung für sich gewonnen. Sie haben Angst davor, daß unsere Partei, die HADEP, die bestehenden und fest verwurzelten Wertestrukturen ins Schwanken bringt, da sie sich gegen die Verleugnungs-, Assimilations- und Ausbeutungsmentalität der Banden im Staate stellt, und sich somit zu einer treibenden Kraft einer zivilisierten, modernen und demokratischen Gesellschaft auf der Basis gesellschaftlichen Friedens entwickelt.

    Der Generalvorsitzende der HADEP, Murat Bozlak, mußte zwei Jahre der vergangenen zweieinhalb Jahre im Gefängnis verbringen. Noch immer sind unser Generalvorsitzender, unser Generalsekretär und viele hochrangige Parteifunktionäre in Haft. In der Vergangenheit wurden wir, die Angehörigen der obersten Führungsebene der Partei, mehrmals verhaftet und in die Gefängnisse gesperrt. Tausende unserer Mitglieder sowie Bezirks- und Landkreisvorstände wurden festgenommen und inhaftiert. Noch immer sind ca. hundert unserer Führungsmitglieder aus den verschiedensten Führungsebenen inhaftiert. 

    Die Verleumdungskampagnen, die gegen unsere Partei geführt werden, haben eine erschreckende Dimension der psychologischen Kriegsführung angenommen. Mit Bedauern müssen wir anmerken, daß die Medien in dieser Hinsicht eine Sonderrolle eingenommen haben. Unser entschlossener Kampf hat ein scheindemokratisches Verständnis der systemtreuen politischen Parteien sowie mancher Machtkreise deutlich zum Vorschein gebracht. Dies ist auch der Grund dafür, warum sie in angesichts der Behinderungen, denen unsere Partei während ihrer Wahlvorbereitung ausgesetzt ist, in tiefes Schweigen verfallen.

    Politische Parteien sind unabkömmliche Bestandteile einer Demokratie. Wahlen dagegen sind die wichtigsten Instrumente denen sich die politischen Parteien bedienen; sie stellen ihre Existenzgrundlage dar. Dort, wo es keine pluralistische Demokratie gibt, herrscht eine offene oder verdeckte Diktatur. Die HADEP glaubt an das demokratisch parlamentarische System und setzt sich für eine Lösung der gesellschaftlichen Probleme innerhalb des demokratisch parlamentarischen Systems ein. Aus diesem Grund messen wir den Wahlen eine wichtige Bedeutung bei und wollen auf diesem Wege zu einer Regierungspartei werden. Die Behinderung der HADEP kommt deshalb einer Behinderung der Demokratie gleich.

    Der Generalstaatsanwalt beim Kassationsgericht hat in seiner Klage vor dem Verfassungsgericht hinsichtlich des Verbots der HADEP bei den Wahlen zwei Gründe aufgeführt:

    Der erste Grund ist, daß PKK-Militante die Dorfbevölkerung unter Druck setzen würden, der HADEP ihre Stimme zu geben.

    Dieser Vorwurf entspricht nicht der Realität.. Im Gegenteil. Wie bei den Wahlen von 1995 setzen auch dieses Mal die Sicherheitskräfte die Bevölkerung in der Region unter Druck, ihre Stimmen nicht der HADEP zu geben. Die Kandidaten der HADEP werden massivst bedroht. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ein aktuelles Ereignis eingehen.
    Der stellvertretende Vorsitzende der HADEP in der Provinz Siirt, Mahmut Yildiz, wurde bei der Übergabe der Kandidatenliste für die Kommunalwahlen im Landkreis Siirt-Pervari vom Landrat und einem Militärangehörigen festgenommen und bedroht. Die Einreichung der Kandidatenliste bei der Wahlkommission wurde somit verhindert. Durch diese Vorgehensweise wird die HADEP an den Kommunalwahlen in Pervari nicht teilnehmen können. Aufgrund ähnlicher Drohungen wird die HADEP ebenfalls weder in der Provinz Sirnak noch in den Landkreisen dieser Provinz an den Wahlen teilnehmen können, und das obwohl die HADEP aus den Wahlen von 1995 als stärkste Partei hervorgegangen war.
    Abgesehen davon ist anzumerken, daß hier ein ernsthaftes Sicherheitsproblem vorläge, wenn die Wähler tatsächlich von der PKK bedroht werden würden. Aufgabe des Staates ist, für die Sicherheit der Wähler und der politischen Parteien zu sorgen und eine sichere Wahlatmosphäre zu schaffen. Die Bedrohung von Wählerinnen und Wählern bedeutet, daß auch die politischen Parteien dieser Bedrohung unterliegen. Die Lösung kann nicht der Ausschluß politischer Parteien von den Wahlen sein, sondern sie liegt vielmehr in der Gewährleistung der Sicherheit für die politischen Parteien. 

    Der zweite Grund für das Verbot der Teilnahme der HADEP an den Wahlen ist, daß die HADEP während ihres Wahlkampfes eventuell separatistische Propaganda über Radio oder Fernsehen verbreiten könnte. 
    Daß ein Staatsanwalt in einem Rechtsstaat den Ausschluß einer politischen Partei aufgrund der zuvor vorgetragenen Gründe fordert, kann nur als sehr peinlich bezeichnet werden. 

    Wenn in einem demokratischen Rechtssystem eine frei geäußerte Meinung bestraft wird, gilt diese Vorgehensweise als eine grundlegende Schande. 

    Der Generalstaatsanwalt begeht jedoch eine weitergehendere Rechtswidrigkeit, indem er eine „eventuell zu erwartende Meinung“ bereits im Vorfeld bestrafen lassen will. Eine noch nicht geäußerte Meinung schon im voraus als Straftat zu behandeln, war nicht einmal in Zeiten der dunklen Diktaturen anzutreffen.
    Daß der Staatsanwalt ausgerechnet den 25. Februar ausgewählt hat, ist ein Ergebnis einer feindseligen Haltung. Denn es wurde erst der 24. Februar abgewartet, an dem wir die Mitteilung machten, daß wir an den Wahlen landesweit sowie in 84 verschiedenen Wahlregionen kandidieren würden, und unsere Kandidatenliste mit Tausenden von Kandidaten der Wahlkommission überreicht hatten.

    Bestraft werden soll nicht nur die HADEP als Person öffentlichen Rechts und ihre Funktionäre, sondern die Tausenden Kandidaten unserer legalen Partei und ihr millionenfaches Wählerpotential. Auf diese Art und Weise soll ein grundlegendes Menschenrecht, nämlich das Recht zu wählen und gewählt zu werden, beschnitten werden. 

    Der Generalstaatsanwalt fand keinerlei rechtlichen Tatbestände für den Ausschluß unserer Partei von den Wahlen. Deshalb forderte er vom Verfassungsgericht „in wessen Auftrag auch immer“ die Behinderung unserer Partei bei den Wahlen. Das Verfassungsgericht wird nun aufgefordert, Tatbestände und Gründe für das Verbot zu finden, die der Staatsanwalt selbst nicht liefern konnte. 

    Die Juristen unserer Partei werden alle rechtlichen Schritte vor dem Verfassungsgericht unternehmen, um das Verbot unserer Partei zu verhindern. Wir hoffen, daß das Verfassungsgericht sich nicht für diese Rechtswidrigkeit instrumentalisieren läßt und uns somit die Möglichkeit geben wird, unsere Friedensbemühungen auf parlamentarischer Ebene fortzuführen.