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Februar '99
  
    Köln, 27. Februar 1999

    An die Redaktionen:
    Inland/Ausland/Kurdistan/Türkei

    Seitenzahl: 3
     

    Am 25.02.99 konnten die beiden Anwälte Ahmet Zeki Okcuoglu und Hatice Korkut zum ersten Mal seit seiner Festnahme den Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans, Abdullah Öcalan, auf der Gefängnisinsel Imrali aufsuchen. Auf die Umstände der Verteidigung und die Haftbedingungen ihres Mandanten gingen die Rechtsanwälte am gestrigen Nachmittag auf einer Pressekonferenz ein. Kurz vor dieser Pressekonferenz wurde einer der Anwälte Abdullah Öcalans, RA Osman Baydemir, festgenommen. Wir dokumentieren die Erklärung der beiden Anwälte.

    Wir sind davon ausgegangen, Abdullah Öcalan entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen und Gefängnisvorschriften anzutreffen. Wir haben ihn jedoch in einem Verhörzimmer untergebracht vorgefunden.
    Aus dem Gespräch mit Abdullah Öcalan wurde ersichtlich, daß er als Gefangener nicht gemäß den gesetzlichen Bestimmungen untergebracht ist, sondern fortdauernd Verhören ausgesetzt ist. Wir konnten mit ihm gestern in diesem Verhörraum in Anwesenheit zweier maskierter Soldaten sprechen. 

    Die Außenbezirke der Gefängnisse werden gewöhnlich von der Gendarmerie gesichert. Wir gingen davon aus, in dem Trakt, in dem Abdullah Öcalan festgehalten wird, zivilen Sicherheitskräften und Justizvollzugsbeamten zu begegnen, die dem Justizministerium unterstellt sind. Gendarmerie darf nur in Begleitung eines Staatsanwaltes ein Gefängnis betreten zur Durchführung von Durchsuchungen und zur Bekämpfung von Aufständen. Sonst ist ihr das Betreten eines Gefängnisses nicht gestattet.
    Wir begegneten im Trakt jedoch maskierten Soldaten. Was die Situation noch schwieriger gestaltete, war die Anwesenheit maskierter Soldaten während unserer Begegnung mit Abdullah Öcalan, die eigentlich hätte unbeaufsichtigt stattfinden müssen. (Nur in besonderen Fällen darf der diensthabende Richter die Aufsicht führen.)

    Während der gesamten Zeit unserer Anwesenheit sind wir - zusammen mit dem ebenfalls anwesenden Strafrichter von Mudanya - von maskierten Soldaten beobachtet worden. Normalerweise hätten wir unter diesen Umständen das Gefängnis verlassen müssen. Uns lagen jedoch besorgniserregende Informationen bezüglich des Gesundheitszustandes unseres Mandanten Abdullah Öcalan vor. Nur aus diesem Grunde haben wir diesen Schritt nicht vollzogen.
    Wir begegneten Abdullah Öcalan in einem fünf bis sechs Quadratmeter großen Raum, in dem ein Bett, ein Plastiktisch und Stühle standen. Nachdem wir uns ihm vorgestellt und ihm den Grund unseres Besuches erläutert hatten, stellten wir fest, daß weiterhin zwei maskierte Soldaten anwesend waren. Wir baten den Richter, die zwei maskierten Soldaten aus dem Raum zu weisen. Als er unsere Forderung den Soldaten mitteilte, antworteten diese folgendermaßen: „Wir unterstehen dem Generalstab. Unsere Aufgabe ist es, die Sicherheit des Angeklagten zu gewährleisten. Die Befehle erhalten wir direkt vom Generalstab. Deshalb ist es uns nicht möglich, diesen Raum zu verlassen.“ Auf unsere Aufforderung hin nahm der Richter diese Aussage in das Protokoll auf.
    Einer der maskierten Soldaten stand hinter Abdullah Öcalan, der uns gegenüber saß, der andere stand hinter uns, die Hände hinter dem Rücken und unentwegt in die Augen Abdullah Öcalans starrend. Deshalb wandte dieser fortwährend den Blick von uns ab.

    Die Abdullah Öcalan betreffenden Ermittlungen sind jetzt schon in eine Sackgasse geraten. Aufgrund dieser Untersuchungsbedingungen sind die so zustande gekommenen Aussagen zur Vorbereitung der Anklageschrift nicht gerichtsverwertbar.

    Daß die Verhöre unter diesen Bedingungen stattfinden, ist in erster Linie der Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichtes in Ankara zuzuschreiben. Der Staatsanwalt hat das Verhör nicht in der Staatsanwaltschaft, sondern in jenem Vernehmungsraum durchgeführt. Die Polizei, die nach der Festnahme Abdullah Öcalans mit dem Verhör begann, führte es auch fort, was auch die Staatsanwaltschaft zu verantworten hat. Deshalb sollten baldmöglichst die Voruntersuchungen des Verfahrens dem Staatssicherheitsgericht Ankara entzogen und einer anderen Staatsanwaltschaft übertragen werden. Zudem sollten gegen dieses Gericht aufgrund der rechtswidrigen Vorbereitung eines Verfahrens und wegen der rechtswidrigen Veröffentlichung von Verfahrensunterlagen Ermittlungen eingeleitet werden. Wir konnten nicht feststellen, daß die Aussagen Abdullah Öcalans während der Verhöre protokolliert wurden. Da er fortwährend verhört wird, werden seinen bisherigen Aussagen gezwungenermaßen täglich neue hinzugefügt. Auf diese Art werden die Verhöre auch während des Prozesses fortgeführt werden. Bei Bedarf werden „neue Aussagen“ aufgetischt und gegen inländische und ausländische Kräfte, Institutionen, zivile Organisationen und Persönlichkeiten Anschuldigungen erhoben. So können sogar wir als seine Anwälte bei Bedarf beschuldigt werden.

    Der Berichterstattung der türkischen Medien zufolge gehen wir davon aus, daß auch der Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichtes Ankara sein Verhör in Anwesenheit der maskierten Soldaten durchgeführt hat.

    Eine weitere schwerwiegende Rechtswidrigkeit bestand darin, daß das Justizministerium unsere Begegnung nur in Gegenwart eines Strafrichters zubilligte. Wir haben gegen diese Entscheidung des Justizministeriums keinen Widerspruch eingelegt. Die Aufgabe des Richters besteht darin, während des Treffens etwaige rechtlich verbotene Gespräche und Übergaben zu verhindern sowie gegebenenfalls das Treffen zu beenden. Aber der Richter hat darüber hinaus in rechtswidriger Weise einen Protokollanten zur Niederschrift unserer Gespräche hinzu beordert. Im Regelfall darf der Richter nur die Dauer des Anwaltsbesuches festhalten, jedoch keine weiteren Informationen protokollieren, um das rechtlich zugesicherte Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant und das Verteidigungsrecht nicht zu beeinträchtigen.

    Wir standen einem Komplott gegenüber. Unser Mandat wird rechtswidriger Weise, obwohl er inhaftiert ist, nicht in einem Gefängnis, sondern in einem Verhörraum gefangengehalten. Es ist geplant, alle Gespräche mit unserem Mandaten protokollieren und diese Protokolle von uns unterschreiben zu lassen. Später ist dann beabsichtigt, die Aussage gegen uns zu verwenden.

    Wir haben dem Richter gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß das Protokollieren des Gespräches mit unserem Mandanten laut Gesetz unzulässig ist. Als Beweis der Rechtswidrigkeit haben wir als Verteidiger das Protokoll an uns genommen und den Ort daraufhin verlassen.

    Unseres Erachtens läuft gegenüber Abdullah Öcalan ein Komplott ab. Dabei bestehen keinerlei rechtliche Schranken. Hierzu zählen u.a. die Ankündigungen, daß Abdullah Öcalan innerhalb kurzer Zeit verurteilt und hingerichtet werden wird und daß er während der Gerichtsverhandlung in einem Sicherheitskasten aus Glas sitzen muß.

    Wir sind in Sorge um das Leben von Abdullah Öcalan aufgrund der Umstände, denen unser Mandant ausgesetzt ist. Obwohl er inhaftiert ist, befindet er sich ununterbrochen unter der Aufsicht der Verhörspezialisten des Generalstabs. Wenn ihm kein weiterer Kontakt zur Außenwelt gestattet wird, kann dies zu psychischen Störungen führen. Dies kann zu einem als Suizid deklarierten Mord führen.

    Ein weiterer besorgniserregender Umstand ist die Behinderung von uns Anwälten während des Verfahrens und der Ermittlungen. Sein Recht auf Verteidigung wird dadurch untergraben. Wir als seine Anwälte sind mitsamt unseren Verwandten Drohungen und Einschränkungen ausgesetzt. Wir haben am 22.02.99 und am 24.02.99 Besuchsanträge für Abdullah Öcalan sowohl beim Justizministerium als auch bei der Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichts Ankara und bei der Staatsanwaltschaft Mudanya gestellt. Man erteilte uns keine Besuchserlaubnis und setzte uns rechtswidrigen Schikanen aus.

    Am 22.02.99 hatten wir eine Besuchserlaubnis in Mudanya beantragt. Man beachtete unser Recht auf ein Treffen mit unserem Mandanten nicht und teilte uns mit, daß dieses Recht sie „nicht interessiere“. Unser Antrag wurde abgelehnt. Alle Beamte teilten uns mit, daß für unsere Anträge ein „Krisenstab“ zuständig sei. Sie wußten jedoch nicht, wo sich dieser „Krisenstab“ befände. Zudem wurden wir an vielen Orten von Gruppen von Menschen angegriffen, unter denen sich viele Zivilpolizisten befanden. Diese Angriffe erfolgten auch am 24.02.99. Bilder dieser Angriffe waren im Fernsehen zu sehen. Damit wird das Ziel verfolgt, uns von unserer Verteidigungsaufgabe abzubringen. Abdullah Öcalan schwebt in Lebensgefahr, und auch wir als Anwälte befinden uns aufgrund der Ausübung unserer rechtlichen Aufgabe in einer lebensbedrohlichen Situation. Wir können uns in der Öffentlichkeit nicht aufhalten. Man droht uns mit dem Tode. Nicht nur wir, sondern all diejenigen, die mit Nachnamen Okcuoglu und Korkut heißen, befinden sich in Gefahr.

    Anstatt dieser Bedrohung entgegenzuwirken, kritisierte der Staatspräsident die Verteidigung und heizt somit die Stimmung auf. Aufgrund der Zusicherung von Ministerpräsident Ecevit sind wir nach Mudanya gefahren. Wir sind dort jedoch angegriffen worden. Weder Amtspersonen noch Institutionen haben für unseren Schutz gesorgt und den Angriffen vorgebeugt. Keiner der Angreifer wurde vor Gericht gebracht. Wir können jederzeit angegriffen, ja sogar getötet werden. Das Schlimmste ist, daß wir nicht wissen, wie wir dieser Situation begegnen können. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, das Verteidigungsmandat, das wir übernommen haben, zu erfüllen.

    Zur Weiterführung der Verteidigung ist die Verwirklichung folgender Punkte nötig:

    Abdullah Öcalan ist sofort aus seiner momentanen Haftsituation in ein normales Gefängnis zu verlegen. Es müssen alle Behinderungen beseitigt werden, so daß ihm eine Verteidigung nach seinem freien Willen möglich ist. Alle Personen, die dies verhindern, müssen bestraft werden.
    Sämtliche Drohungen gegen uns, die Verteidiger von Abdullah Öcalan und gegen alle, die unseren Nachnamen tragen, müssen verhindert werden. Die Täter müssen bestraft werden.
    Die Berichterstattung in den türkischen Medien stellt eines der größten Hindernisse für ein rechtsstaatliches Verfahren dar. Diese Art der Berichterstattung muß verboten und die Verantwortlichen müssen bestraft werden. Wir rufen alle dazu auf, ihrer Verantwortung nachzukommen und alle gegen unseren Mandanten und gegen uns gewandten Drohungen unverzüglich zu unterbinden. Andernfalls könnte es morgen zu spät sein.
     

    Rechtsanwalt
    Ahmet Zeki Okcuoglu

    Rechtsanwältin
    Hatice Korkut