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Berlin, 22. März 2002

An die Redaktionen:
In- und Ausland / USA/ Türkei / Kurdistan / Mittlerer Osten
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  • Das größte Newroz seit jeher
  • Newroz wurde zum Volksentscheid von Millionen von Kurdinnen und Kurden weltweit
  • Bilanz der Ausschreitungen: Zwei Tote, hunderte Verletzte und tausende Festnahmen

Mit jedem Jahr vergrößert sich der nationale demokratische Kampf des kurdischen Volkes. Das diesjährige Newrozfest (Neujahrsfest) wurde zum Gipfel des legitimen Kampfes der Kurdinnen und Kurden für seine Rechte. Wie schon seit Jahren wurde auch in diesem Jahr Newroz überall, wo Kurdinnen und Kurden leben, mit großer Beteiligung gefeiert. In den meisten Städten verdoppelte sich die Zahl der TeilneherInnen. Die Forderung der Teilnehmer war eindeutig: Überall, wo Newroz mit Feuern und Tänzen in kurdischen, traditionellen Kleidern und in friedlicher Stimmung gefeiert wurde, forderten Millionen von Menschen die Zulassung der kurdischen Sprache, die Abschaffung der Todesstrafe, die Anerkennung ihrer kulturellen Identität, die Anerkennung der universellen demokratischen Rechte und ein freiwilliges Zusammenleben. Im weiteren wurde überall die Verbundenheit zur ihrer nationalen Führung Abdullah Öcalan zum Ausdruck gebracht und seine sofortige Freilassung gefordert.

Auffällig war die große Beteiligung der kurdischen Frauen. Dies ist ein klarer Beweis dafür, daß der Emanzipationsprozess in der kurdischen Gesellschaft sehr weit fortgeschritten ist. Kurdische Frauen durchbrechen patriarchalische Rollenzuweisung und entwickeln sich zunehmend zur Treibkraft der Demokratisierung.

Die Newrozfeierlichkeiten von gestern haben erneut gezeigt, daß der demokratische Kampf des kurdischen Volkes von niemandem aufgehalten werden kann, denn sie umschloß alle Schichten der Gesellschaft. Auch wurde unübersehbar, daß die seit Jahrhunderten andauernde Verleumdungs- und Vernichtungspolitik ihre Niederlage erlitten hat.
Es ist eine positive Entwicklung, daß offizielle türkische Stellen Newrozveranstaltungen in vielen Städten genehmigt haben. Bei den genehmigten Veranstaltungen wurde Newroz regelrecht in Feststimmung gefeiert. In Städten wie Istanbul und Mersin hingegen, in denen Newroz verboten wurde, kam es zu blutigen Ausschreitungen. Die Bilanz: 2 Tote, mehr als tausend Festnahmen und hunderte von Verletzten. Verantwortlich für diese traurigen Zwischenfälle ist eindeutig die Logik der Verleumdung und des Verbots.

In vielen verschiedenen europäischen Städten kamen tausende Kurdinnen und Kurden anläßlich des Newrozfestes zusammen. Aber den Höhepunkt für Newroz 2002 wird in Europa die große Demonstration und Kundgebung in Düsseldorf darstellen. Auch hier wird eine größere Beteiligung als in den vorherigen Jahren erwartet. Mit einem sehr reichen Kulturprogramm und internationalen Redebeiträgen wird der Wille des kurdischen Volkes nach Frieden, Demokratie und Anerkennung ihrer nationalen und politischen Identität erneut bestätigt werden.

Das traditionelle kurdische Neujahrsfest wird seit Tagen weltweit von Kurdinnen und Kurden sowie ihren Freundinnen und Freunden gefeiert. Im folgenden geben wir eine Bilanz der diesjährigen Newrozveranstaltungen wieder:

Adana:
In Adana wurde die Newrozveranstaltung in einem Stadium gefeiert. An den Feiern nahmen etwa 40.000 Menschen teil.

Adiyaman:
Zu der Nerwrozveranstaltung, die von der Demokratischem Plattform Adiyman organisiert wurde, nahmen 8.000 Menschen teil.

Agri:
Zu der von der HADEP'er Ortsgruppe organisierten Veranstaltung nahmen 10.000 Menschen teil. Es wurde bekannt, daß die Ordner von der Polizei bedroht wurden. Einer achtköpfigen französischen Newroz-Delegation wurden die Videokassetten mit den Aufnahmen der Veranstaltung beschlagnahmt. Begründung: Für die Nutzung der Kamara sei eine Genehmigung vom Innenminister erforderlich.

Amed (Diyarbakir):
Bei der genehmigten Newrozveranstaltung in Diyarbakir nahmen mehr als 750.000 Menschen teil. Schon ab 6.00 Uhr morgens kamen die Menschen zum Veranstaltungsort. Die Sicherheitskräfte hielten die Menschen aus Dagkapi, Seyrantepe und Batikent auf und versuchten, die Teilnahme an der Newrozveranstaltung mit willkürlichen Festnahmen zu verhindern. Auch kam es zu vereinzelten Übergriffen der Polizei.

Ankara:
Unte dem Motto "Freundschaft der Völker und die Einheit der Erwerbstätigen" wurden die Nerwozfeiern gemeinsam von den Parteien HADEP und EMEP angemeldet. Etwa 5.000 Menschen kamen zum Newozfest zusammen.

Antalya:
Im Stadtzentrum von Antalya kamen etwa 10.000 Menschen zusammen und feierten Newroz. Die Polizei beschlagnahmte die offiziellen Einladungen, weil auf der Einladung "Newroz" mit "w" geschrieben war und es im Türkischen den Buchstaben "w" nicht gibt. Desweiteren wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Newroz Piroz Be" ("Es lebe Nerwoz") mit der selben Begründung beschlagnahmt. Die inhaftierten DEP-Abgeordneten schickten Grußbotschaften, welche mit großem Applaus begrüsst wurde.

Ardahan:
Nachdem die Veranstaltung verboten wurde, wurde das Newrozfest im HADEP-Parteigebäude gefeiert. Zu der Feier kamen etwa 500 Menschen zusammen.

Batman:
An der Newrozveranstaltung, die von der Demokratischen Plattform Batman organisiert wurde, nahmen über 200.000 Menschen teil.

Bingöl:
Zu der Veranstaltung kamen 10.000 Menschen zusammen. Mitglieder der italienischen Newroz-Delegation wurden daran gehindert, eine Rede zu halten. Die Menschen aus dem Umfeld Karliova, Genc und Solhan wurden ebenfalls an der Teilnahme gehindert.

Bitlis:
Bitlis gehört ebenfalls zu den Städten, in denen die diesjährigen Newrozfeiern verboten wurden. Trotz des Verbots feierten 5.000 Menschen Nerwoz. Infolge von Übergriffen seitens der Sicherheitskräfte wurden 250 Menschen festgenommen. Am Abend wurden die Wohnungen von Izzettin Basboga (Ortsvorsitzender der HADEP) und Bülent Bezirganoglu (Vorstandsmitglied der HADEP Bitlis) von der Polizei gestürmt und beide wurden festgenommen. Auch wurden die Menschen, wie zu Zeiten eines Ausnahmezustandes, daran gehindert, ihre Wohnungen zu verlassen. Das HADEP-Parteigebäude wurde umzingelt und die Menschen daran gehindert, das Gebäude zu betreten. Trotz all dieser Behinderungsversuche gelang es den Menschen in den Staßen von Bitlis, Feuer zu entfachen und Newroz zu feiern. Die Polizei griff mit Schlagstöcken an und nahm insgesamt 250 Menschen fest, darunter auch HADEP Vorstandsmitglieder.

Bursa:
Zu der HADEP-Newrozveranstaltung nahmen mehr als 2000 Menschen teil. Auch hier wurden neben Redebeiträgen von HADEPlern auch Grußbotschaften von inhaftierten DEP-Abgeordneten verlesen.

Dogubeyazit:
Vor dem Rathaus feierten 15.000 Menschen Nerwoz. In Dogubeyazit war eine sechsköpfige italienische Nerwoz-Delegation anwesend. In Patnos kamen vor dem Rathaus ebenfalls über 20.000 Personen zusammen.

Erzincan:
In Erzincan fanden Feiern in Caglayan, Ulalar, Mollköy, Gecit und Altinbasak statt. Insgesamt 5.000 Menschen nahmen an den Veranstaltungen teil.

Eskisehir:
Trotzt starkem Regen wurde auch hier von etwa 3.000 Menschen Nerwoz in Feststimmung gefeiert.

Hakkari:
Die Newrozfeier verlor trotz Regen und Schnee nicht ihre Anziehungskraft. Mehr als 15.000 Menschen nahmen an der diesjährigen Veranstaltung teil. Wegen Newroz ließen die Menschen ihre Läden geschlossen und Angestellte und Arbeiter gingen an diesem Tag nicht zur Arbeit. Die Schüler wurden daran gehindert, am Newrozfest teilzunehmen.
Eine dreizehnköpfige italienische und schweizer Newroz-Delegation war zur Beobachtung anwesend.

Igdir:
Trotzt Verbot feierten annähernd 1.000 Menschen in Igdir Newroz auf den Strassen. In einigen Stadtteilen griff die Polizei ein und nahm drei Menschen fest. Von den Menschen entfachte Feuer wurden von den Sicherheitskräften gelöscht und die Feierlichkeiten aufgelöst.

Istanbul:
Istanbul gehörte ebenfalls zu den Städten, in denen die Newozveranstaltung nicht genehmigt wurde. Wegen des Verbots erlebte gestern Istanbul einen außerordentlichen Tag. Die Polizei verriegelte schon in frühen Stunden Topkapi (ein Sammelplatz) und griff die Menschen an, die zu diesem Platz gelangen wollten. Die Angriffe der Polizei arteten zu einer regelrechten Straßenschlacht aus. Mit Panzern und Wasserwerfern ging die Polizei gegen die Menschen vor. Oft wurden Plastikgeschosse abgefeuert. Als Folge der Angriffe wurde Birhan Cengiz am Kopf angeschossen und Cicek Yorga von einer Plastikkugel am Fuß getroffen. Saibe Toptabur, Ali Cevik, Murat Celik, Faik Kisir, Muhyettin Üzümcüoglu, Abdulkadir Aksu, Hikmet Gezgin, Mehmet Yildirim, Haznegül Sincer, Kumriye Inedi, Kadriye Karaaslan, Hamise Cetin, Faik Kusur, Orahan Gergüz, Kerem Kanik, Mehmet Geyik und Hatice Toprak mußten aufgrund der Angriffe seitens der Polizei im Krankenhaus behandelt werden. Allein in Istanbul wurden gestern an die 600 Menschen festgenommen. Trotz der Angriffe waren über 10.000 Menschen wegen Newroz auf den Straßen.

Izmir:
An der Nerwozveranstaltung im Stadtteil Buca nahmen etwa 50.000 Menschen teil. Die Polizei beschlagnahmte alles, was in den kurdischen Farben Rot-Grün-Gelb war. Als der Vorsitzender der HADEP Izmir, Cemal Coskun seine Rede auf Kurdisch hielt, wurde er aufgefordert, dies zu unterbinden. Als Coskun trotzdem auf Kurdisch weitersprach, wurde die Stromzufuhr von der Polizei abgeschaltet und erst wieder eingeschaltet, als Coskun seine Rede auf Türkisch weiterführte. Daraufhin erklärte Coskun: "Türkisch ist auch eine schöne Sprache, aber Kurdisch ist unsere Muttersprache". Viele Redebeiträge gingen daraufhin auf das Verbot der kurdischen Sprache ein und forderten ihre Anerkennung. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen nahmen an den Feierlichkeiten teil.

Kayseri:
Auch in Kayseri wurden die Newrozfeiern nicht genehmigt. Daraufhin wurde auch hier in dem HADEP-Parteigebäude das kurdische Neujahrsfest mit über 500 Menschen gefeiert..

Kiziltepe:
Schon in den frühen Morgenstunden kamen die Menschen zum Veranstaltungsort. Die Veranstaltung wurde mit der Beteiligung von über 40.000 Menschen in sehr guter Stimmung gefeiert.


Kocaeli:
An der von HADEP organisierten Veranstaltung nahmen etwa 2000 Menschen teil. In Adipazar wurde Newroz im HADEP-Parteigebäude gefeiert, weil auch hier die Veranstaltung untersagt war.

Konya:
8.000 Menschen nahmen in Konya an dem kurdischen Neujahrsfest teil. Bis zur Stunde sind die 30 Personen, die zwei Tage zuvor festgenommen wurden, nicht frei gelassen.

Mardin:
Trotz großem Sicherheitsaufgebot der Polizei nahmen 2000 Menschen an der Veranstaltung teil. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.

Mersin:
Mersin verwandelte sich zu einem Kriegsschauplatz. Als die Menschen trotz Verbot auf die Straßen stürmten und Feuer entfachten, schritt die Polizei mit Panzern an. Auch hier wurden Tränengas, Handgranaten, Plastikgeschosse und Schlagstöcke eingesetzt. Infolge der Angriffe starben zwei Menschen. Ein Kind und ein 40jähriger Mann namens Mehmet Sen wurden von dem Panzer gegen die Moscheewand gequetscht.
Auch warf die Polizei eine Handgranate in eine Wohnung, weil die Bewohner sich am Newrozfest beteiligt haben. Mehrere hundert Personen wurden festgenommen. Nachdem es zu länger anhaltenden Ausschreitungen kam, kam es zu Verhandlungen und die Polizei war gezwungen, die Veranstaltung zu genehmigen. Nach der Genehmigung kamen spontan insgesamt 70.000 Menschen in Mersin zusammen.

Nusaybin:
Newroz wurde auf dem Platz gefeiert, an dem 1992 ein Massaker vollzogen wurde. 40.000 Menschen kamen zusammen.

Siirt:
Nach sehr langer Zeit wurden die Veranstaltungen in Siirt genehmigt. 30.000 Menschen feierten friedlich und in Feststimmung Newroz.

Sirnak:
In Sirnak wurde Newroz in Idil mit 2000 Menschen und in Derik mit 5.000 Menschen gefeiert. Dorfschützer haben versucht, die Feierlichkeiten anzugreifen. Mit Gewehren schossen sie auf die Menschen. Daraufhin wehrten sich die Menschen mit Steinen gegen die Dorfschützer. Es kam zu Festnahmen. Die HADEP-Parteibüros wurden von der Polizei umzingelt und der Ein- und Ausgang verhindert.

Urfa:
In Form eines Friedens- und Kulturfestivals wurde in Urfa Newroz mit der Beteiligung von etwa 40.000 Menschen gefeiert.

Van:
Van ist schon seit Monaten wegen der "mutterspachlichen Kampange" zu einem wichtigem Zentrum der politischen Entwicklung geworden. In diesem Jahr war die Beteiligung beim Newrozfest mehr als doppelt so hoch im Vergleich zum letzten Jahr. Insgesamt 250.000 Menschen begegneten dem diesjährigen Newroz.


Auch in europäischen Städten kam es zu Fackelzügen und Newrozveranstaltungen.
So nahmen in Bochum (1000), Bonn (500), Leverkusen (300), Freiburg (200), München (200), Ulm (400), Bremen (1500), Hannover (300), Hamburg (600), Strassburg (500), Nürnberg (600), Erfurt (200), Göttingen (400), Korbach (150), Holland (über 3000), Frankreich (1000), Österreich (1000), Griechenland (500), Schweiz (1500), Zypern (150), Dänemark (300), Norwegen (?), Italien (1000), Syrien (25000), Bulgarien (50), Kirgistan (1000), Moskau (2000) Menschen an den Veranstaltungen teil.