Nicht Schweigen!
Den Krieg in Kurdistan beenden!

Der 24. April ist ein dunkler Tag in der Geschichte der Völker des Mittleren Ostens. Es ist der Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern, des ersten Genozids in diesem Jahrhundert. Ausgeführt von den Truppen des Osmanischen Reiches, aus dem die Türkei hervorging.
Die türkischen Militärs, die eigentlichen Machthaber in der Türkei, stellen sich immer wieder als die Träger von Traditionen dar. Das haben sie erst vor wenigen Tagen erneut und grausam bewiesen. Am 24. April 1998 haben sie mit dem totalen Krieg gegen das kurdische Volk begonnen, dessen Existenz der offiziellen kemalistischen Ideologie zufolge bis heute geleugnet wird. Mit einer Armee von über 100 000 Soldaten, ausgestattet mit den modernsten Waffen, wurde in Kurdistan eine „Säuberungsoperation“ gestartet. Der Umfang dieser breit angelegten Operation macht deutlich, daß es sich dabei nicht um eine Aktion gegen ein paar Guerillakämpfer handelt. Das Angriffsziel ist der Befreiungskampf des kurdischen Volkes; es sind die Kinder, Frauen und Männer und – soweit sie auf dem Lande leben – sogar ihr Vieh und ihre Felder. Nach Ansicht von Fachkundigen handelt es sich bei diesem massiven Angriff um das letzte Glied eines ethnischen Säuberungsplans.
Dabei werden alle Mittel und Methoden zur Einschüchterung der Gesellschaft eingesetzt. So werden beispielsweise Leichen gefallener Befreiungskämpfer geschändet; darüber hinaus wurden zum Beispiel die Leichen getöteter ARGK-Kämpfer mehrmals unter dem Vorwand, die Bevölkerung sei gegen diese Gräber, unter Einsatz von Bulldozern aus ihren Gräbern herausgeholt. Dies wurde gar als rassistisch-chauvinistisches Medienspektakel vor laufenden Kameras inszeniert. Sämtliche Regeln der Kriegführung und Ethik werden von der türkischen Seite mit Füßen getreten.
Gleichzeitig sind Organisationen, die sich auf legaler Ebene für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einsetzen, jeden nur erdenklichen Repressionen ausgesetzt. Ihre Mitarbeiter leben mit der ständigen Drohung von Folter und Mißhandlungen.
Da sämtliche Bemühungen gescheitert sind, die Demokratiepartei des Volkes HADEP, welche sich unter anderem für eine politische Lösung des Krieges in Kurdistan einsetzt, in ihrer Funktion zu schwächen, wurden neben dem Vorsitzenden dieser Partei, Murat Bozlak, sieben führende Parteifunktionäre verhaftet und in türkische Gefängnisse geworfen. Zudem droht die türkische Regierung mit dem Verbot dieser Partei.
Der international renommierte türkische Menschenrechtsverein (IHD) ist aufgrund seines Engagements zur Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen – begangen vor allem an der kurdischen Bevölkerung – und seiner diesbezüglichen Öffentlichkeitsarbeit massivsten Repressionen des türkischen Staates ausgesetzt. Neuerdings werden gezielt unwahre Behauptungen und falsche Gerüchte durch die Propagandisten des Staates in der Öffentlichkeit verbreitet. Dies ist Teil des Versuchs, den IHD als unabhängige Organisation außer Funktion zu setzen. Doch den bislang traurigsten Höhepunkt stellte am 12. Mai das abscheuliche Attentat auf den IHD-Vorsitzenden Akin Birdal dar. Der IHD soll als Zeuge und Dokumentator willkürlicher Vorgehensweisen des Staates zum Schweigen gebracht werden.
Ferner wurde die unabhängige Tageszeitung ‘Ülkede Gündem’ vorübergehend geschlossen, die für sich die objektive Berichterstattung zum Grundsatz erhoben hat. Der türkische Staat versucht jede ihm nicht ergebene Stimme zum Schweigen zu bringen. Das müssen auch die Samstagsmütter erfahren. Sie, die Angehörigen der „Verschwundenen“, die sich jeden Samstag in Istanbul versammeln, um auf das Schicksal ihrer verschleppten Angehörigen aufmerksam zu machen, wurden Anfang Mai von den Sicherheitskräften angegriffen. Ihr Protest wurde in der 155. Woche verboten. Der türkische Staat ist derzeit dabei, jegliche Stimme zu ersticken, die sich gegen die Grausamkeit richtet und die Unterdrückung anprangert.
Die europäischen Länder ziehen es vor, dieser tragischen Inszenierung, der die kurdische Bevölkerung ausgesetzt ist, tatenlos zuzusehen. Weder die Regierungen setzen sich in Bewegung noch unternehmen die Medien bzw. die Presse den Versuch, die Öffentlichkeit zu informieren. Es stellt sich folgende Frage: Stimmen diese Länder etwa dem grausamen Vorgehen der Türkei zu? Passen die Kurdinnen und Kurden nicht in das Kalkül dieser Länder?
Einerseits sind Bemühungen der westlichen Länder zu beobachten, an verschiedensten Orten der Welt Lösungen für Konflikte zu finden, die längst nicht die Dimension angenommen haben wie in Kurdistan. Allerdings ist ihre Haltung gegenüber der kurdischen Frage sehr interessant.
Die USA und Israel gehen sogar einen Schritt weiter, indem sie die Türkei technologisch und wirtschaftlich unterstützen. Ohne diese Hilfe wäre der türkische Staat nicht in der Lage, seine Politik der Massaker und der ethnischen Säuberung sowie jegliche Repression weiterzuführen. Der israelische Staat, der auf der einen Seite von dem Holocaust an den Juden redet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wissen will, leistet dem türkischen Staat jede nur erdenkliche aktive Unterstützung bei seinem Vorgehen gegen das kurdische Volk. Die USA entsenden einerseits ihren Vermittler Denis Ross in den Nahen Osten, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen, und machen sich gleichzeitig für die Lösung der Zypernfrage unter der Vermittlung des Diplomaten Halbrook stark, – gleichzeitig bringen sie tagtäglich die Menschenrechtsverletzungen in China zur Sprache – sehen andererseits über den Terror des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung hinweg.
Der türkische Staat hat bislang bei dem schmutzigen Vernichtungskrieg gegen das kurdische Volk sowohl die politische und wirtschaftliche als auch die moralische Unterstützung europäischer Länder und in erster Linie der USA in Anspruch genommen und genutzt.
Die Regierung der USA, die bezüglich der Aufnahme der Türkei in die EU enorme Lobby-Arbeit leistet, stellt die kurdische Frage als ein Terrorismusproblem dar, gegen das die Türkei kämpft, und verdreht somit die Realität.
Diese beiden Länder sind ganz unverhüllt für die kurdische Tragödie verantwortlich. Aufgrund ihrer politischen als auch wirtschaftlichen Interessen nehmen sie die Vernichtung des kurdischen Volkes in Kauf. Diese Haltung stellt ein ernsthaftes Risiko gegenüber den menschlichen Wertvorstellungen dar. Niemandem ist damit gedient, daß der türkische Chauvinismus wieder aufersteht. Im Gegenteil, dieser ist eine Bedrohung für die Völker der Region und wird die dort ohnehin vorhandene Instabilität weiter wachsen lassen. Es sieht ganz danach aus, daß die Türkei dieses Jahrhundert, welches sie mit dem Genozid am armenischen Volk begonnen hat, mit dem Völkermord an dem kurdischen Volk abschließen möchte.

Repression gegen die HADEP
Seit ihrer Gründung ist die Demokratiepartei des Volkes HADEP intensiv mit Unterdrückungsmaßnahmen und Angriffen des Staates konfrontiert. Vor kurzem wurden 31 führende Mitglieder der HADEP durch das Staatsicherheitsgericht zu Gefängnisstrafen zwischen vier und sechseinhalb Jahren verurteilt. Der türkische Gerichtshof wird über diese Urteile am 18. Juni 1998 in einer Revisionsverhandlung befinden. Sollten diese Urteile bestätigt werden, droht dem Parteivorsitzenden Murat Bozlak und seinem Stellvertreter Hikmet Fidan eine Gefängnisstrafe von sechseinhalb Jahren. Gemäß Artikel 31 des türkischen Strafgesetzbuches würden sie zudem lebenslang von jeglichen politischen Aktivitäten ausgeschlossen sein. Die anderen 29 Führungsmitglieder wurden zu vier Jahren Haftstrafe verurteilt und sollen für drei Jahre von jeglichen politischen Aktivitäten ausgeschlossen sein. Nach der Bestätigung des Urteils droht der HADEP das Verbot.
Außerdem wurden drei Delegierte aus der Provinz Maras unmittelbar nach dem letzten Kongreß der HADEP auf dem Rückweg von sogenannten „unbekannten Tätern“ erschossen. Bis heute sind die Täter – wie bei zahllosen gleichen Morden – nicht gefaßt.
Vor der HADEP wurden drei prokurdische Parteien – die HEP, die ÖZDEP und die DEP – massiv verfolgt und verboten. 168 Mitglieder dieser Parteien, unter ihnen auch der Parlamentsabgeordnete Mehmet Sincar, wurden von „unbekannten Tätern“ ermordet. Hinter diesen „unbekannten Tätern“ verbergen sich staatliche Todesschwadrone. Die Immunität der DEP-Parlamentarier wurde aufgehoben und die Abgeordneten inhaftiert. Vier von ihnen – Leyla Zana (u.a. Trägerin des Sacharov-Friedenspreises des Europäischen Parlamentes und des Aachener Friedenspreises), Hatip Dicle, Orhan Dogan und Selim Sadak – wurden zu jeweils zu 15 Jahren Haft verurteilt und sitzen in den berüchtigten türkischen Gefängnissen. Neun Abgeordnete flüchteten ins Ausland und der Rest wurde aus dem Parlament herausgedrängt.
Wenn der Gerichtshof die Haftstrafen von vier bis sechseinhalb Jahren gegen die HADEP-Führung bestätigt, dann wird diese Partei automatisch verboten. Weitere Verfahren gegen die HADEP – unter anderem wegen ‘Separatismus’ und aufgrund des berüchtigten Artikel 8 des „Anti-Teror-Gesetzes“, durch den die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt wird, läuft bereits. Die nächste Verhandlung soll am 28. Mai 1998 stattfinden.

Repressalien gegen den
türkischen Menschenrechtsverein IHD
Der 1986 gegründete türkische Menschenrechtsverein IHD ist bemüht, Menschenrechts-verletzungen in der Türkei zu dokumentieren. Es gelang dem Verein bislang trotz der bekannten anti-demokratischen Haltung des türkischen Staates und finanzieller Not, seine Aktivitäten fortzusetzen. Der IHD ist die einzige unabhängige Institution, die die türkische und kurdische, aber auch die Weltöffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei systematisch informiert. Hierzu gibt der IHD ein regelmäßiges Bulletin heraus. Dem türkischen Staat ist die Arbeit des IHD ein Dorn im Auge; zahlreiche Provinzvertretungen des IHD wurden verboten und eine Reihe IHD-Aktive durch sogenannte „unbekannte Täter“ vor allem in den kurdischen Provinzen ermordet. So sollte die Arbeit und der Informationsfluß verhindert werden.
Das Vorgehen gegen den IHD seitens des türkischen Staates wurde in den letzten zwei Jahren intensiviert. Das Verbot des IHD steht wurde in die Diskussion gebracht, nachdem sich der Vorsitzende des IHD, Akin Birdal, auf Bitten der Mütter erfolgreich für die Freilassung von türkischen Soldaten einsetzt hatte, die in Kriegsgefangenschaft der Guerillakräfte der Arbeiterpartei Kurdistans geraten waren. Die derart initiierte Vorbereitung eines Verbotes ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, daß der türkische Staat keine Interesse an Öffentlichkeit über das Geschehen in den kurdischen Gebieten hat.
Das oberste militärisch-politische Gremium in der Türkei, der von den Generälen dominierte Nationale Sicherheitsrat, hat im vergangenen Jahr auch den IHD ins Visier genommen. Das Attentat auf den Vorsitzenden Akin Birdal ist der vorläufige Höhepunkt der Angriffe. Verantwortlich für diesen Angriff sind unter anderem die Redakteure der Zeitung ‘Hürriyet’ Oktay Eksi, Emin Cölasan und Fatih Altayli, die in ihren Kommentaren Birdal zur Zielscheibe erklärt haben.

Repressionen gegen das
Mesopotamische
Kulturzentrum MKM
Kurdische Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller haben sich in der Türkei unter dem Verband des Mesopotamischen Kulturzentrums MKM zusammengeschlossen. Ziel war die Pflege und Erforschung kurdischer Geschichte, Kultur, Kunst, Literatur, Folklore und Musik. Hauptsitz des MKM ist Istanbul, in zahlreichen Städten existieren regionale Vereinsräumlichkeiten. Um das MKM haben sich zahlreiche künstlerisch Tätige und Intellektuelle versammelt. Der türkische Staat reagierte auch auf diese Entwicklung mit intensiver polizeilicher Repression. Außer der Sektion in Istanbul sind alle Zweigstellen des MKM geschlossen. Die Vorstandsmitglieder sitzen wegen ‘Separatismus’ im Gefängnis.
Das extrem gewalttätige Vorgehen des türkischen Staates ist zurückzuführen auf die kemalistische Ideologie und zugleich deren Ausdruck. Diese Ideologie basiert auf der nationalistischen Logik „eine Sprache – eine Nation“. Der kemalistische Nationalchauvinismus bestimmt seit 70 Jahren die Politik der Türkei.
Im April wurde die letzte Niederlassung des MKM in Istanbul von der Polizei überfallen. Einschließlich der Vorsitzenden Nuray Sen wurden alle Vorstandsmitglieder festgenommen und gefoltert. Auch alle Besucher des Kulturzentrums wurden festgenommen und waren Repressalien ausgesetzt. Kurze Zeit zuvor sind die regionalen Vereine in Urfa und in Diyarbakir verboten worden.
Das Vorgehen gegen die Konföderation der Gewerkschaften der Werktätigen im öffentlichen Dienst KESK
Die Konföderation der Gewerkschaften der Werktätigen im öffentlichen Dienst, KESK, ist in der Türkei ein Zusammenschluß von Gewerkschaften. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse verfügt KESK über eine beachtliche Basis und konnte das Parlament dazu bewegen, die Gewerkschaftsgesetze neu zu formulieren. So wurde vor kurzem nach Warnstreiks und Protesten im öffentlichen Dienst ein Gesetzesantrag von der Regierungskoalition zurückgezogen, der weder Streiks erlauben sollte noch allgemeine Tarife vorsah.
Mittlerweile hat die Regierung einen neuen Gesetzesantrag eingebracht, der vorsieht, streikende Angestellten mit Geldstrafen zu belegen. Sollte dieser Antrag angenommen und in die Tat umgesetzt werden, droht den Angestellten eine Strafe, die das Mehrfache ihres Einkommens beträgt.

Repression gegen die
demokratische Presse
Die Tageszeitung ‘Ülkede Gündem’ erscheint seit dem 7. Juli 1997. Aufgrund eines am 4. August 1997 veröffentlichten Artikels wurde nun ein zehntägiges Erscheinungsverbot verfügt. Der inkriminierte Artikel „Das Drama von Dersim“ stammte aus der Feder des inhaftierten DEP-Abgeordneten Hatip Dicle. Der verantwortliche Redakteur wurde zudem zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt, welche jedoch in eine Geldstrafe umgewandelt wurde.
Auch wenn dieses Erscheinungsverbot juristisch begründet wird, so ist dies nur ein Vorwand. In Wirklichkeit werden politische Ziele verfolgt. Da ‘Ülkede Gündem’ unter anderem Öffentlichkeit herstellt bezüglich der von der Türkei begangenen Menschenrechtsverletzungen, ist das Blatt systematischer staatlicher Unterdrückung ausgesetzt. Mit Verfügung des Ausnahmezustandsgouverneurs vom dritten Dezember 1997 ist die Verbreitung der Tageszeitung ‘Ülkede Gündem’ in den kurdischen Provinzen verboten. Hinzu kommt, daß zur Zeit 248 Gerichtsverfahren gegen die Zeitung anhängig sind.
Das jüngste Verbot trifft zeitlich mit militärischen Operationen der türkischen Armee gegen das kurdische Volk zusammen. Hier soll kritische Öffentlichkeit verhindert werden. Da auch die Repressionen und die Unterdrückung gegen die politischen Häftlinge fortgesetzt werden, soll in diesem Bereich ebenfalls Aufklärung der Öffentlichkeit unterbunden werden. ‘Ülkede Gündem’ ist nicht die erste Tageszeitung, die mit Unterdrückung und Schließung konfrontiert wird. Seit 1991 wurden wiederholt prokurdische Zeitungen verboten. Über zwanzig Journalisten wurden von „unbekannten Tätern“ ermordet, wobei die Journalistin Aysel Malkac sowie ihr Kollege Nazim Babaoglu immer noch vermißt sind. Außerdem wurde die Zentrale der 1994 verbotenen Zeitung ‘Özgür Ülke’ in Istanbul durch einen Bombenanschlag völlig zerstört.

Die Samstagsmütter
und die Verschwundenen
Die Angehörigen der Verschwundenen treffen sich seit drei Jahren jeden Samstag vor dem Galatasaray-Gymnasium in Istanbul, um mit einer Sitzblockade auf das Verschwinden ihrer Kinder aufmerksam zu machen Aufklärung über deren Schicksal zu fordern. Trotz ständiger Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften lassen sich Mütter und Verwandte nicht einschüchtern. Vielmehr erlangte die Aktion in der Öffentlichkeit immer größeres Aufsehen, was den Staat beunruhigt. Am 9. Mai wurde dieser Protest unter dem Vorwand angegriffen und verboten, daß diese Art von Aktionen illegitim sei. Zwanzig Mütter von Verschwundenen wurden festgenommen und gefoltert. Dennoch betonen die Mütter der Verschwundenen ihre Entschlossenheit, die Aktion fortzuführen. Ohne internationale Unterstützung würden sie sich in einer schwierigen Lage befinden.

Die Repressionen
gegen die Gefangenen
Im öffentlichen Leben ist die brutale und terroristische Politik des türkischen Staates gegen demokratische Institutionen und die unabhängige Presse gerichtet. Dieselbe Politik wird den politischen Häftlingen gegenüber verfolgt. Alljährlich tragen Hunderte von Gefangene bleibende Schäden durch brutale Angriffe davon. Auch kamen dabei wiederholt etliche Gefangene zu Tode. Beispielsweise wurde 1996 aus Protest gegen die terroristische und brutale Politik des türkischen Staates in den Gefängnissen ein Hungerstreik begonnen, bei dem zwölf Inhaftierte ihr Leben verloren und etliche Gefangene Gesundheitsschäden davontrugen. 1996 wurden außerdem bei einem Angriff von Gefängniswärtern und Soldaten auf die Gefangenen des Gefängnisses in Diyarbakir zehn politische Gefangene brutal erschlagen.
Parallel zu den jüngst gestarteten militärischen Operationen in Kurdistan erfolgten auch Angriffe in den Gefängnissen. So kam es beispielsweise im Gefängnis von Amasya am 5. Mai zu Übergriffen auf die Gefangenen, wobei etliche von ihnen verletzt wurden. Anschließend wurden die Gefangenen in Einzelhaft gesteckt, dazu nahm außerhalb der Gefängnisse die Repression gegenüber den Familien der Gefangenen zu. In den anderen Gefängnissen ist die Situation hochgradig angespannt und besorgniserregend.
Die westlichen Staaten dürfen nicht zu Komplizen der Türkei bei den Massakern in Kurdistan werden. Den zwanzig Millionen in der Türkei lebenden Kurdinnen und Kurden werden ihre Rechte verweigert und ihre Identität wird geleugnet. Um diese zu wahren und sich gegen die Vernichtung zu wehren, mußten sie zwangsläufig zu den Waffen greifen. So führen sie seit vierzehn Jahren einen Kampf um die Wahrung ihrer kulturellen und politischen Rechte.
Der türkische Staat geht insbesondere gegen die kurdische Zivilbevölkerung mit allen nur erdenklichen Mitteln vor. In den letzten anderthalb Jahrzehnten hat die türkische Soldateska das kurdische Gebiet in ein Trümmerfeld verwandelt. Ihr Ziel ist es, den Menschen in Kurdistan die Luft zum atmen zu nehmen.
Europa und die USA greifen in anderen Konfliktregionen der Welt ein, gegenüber ihrem Verbündeten in Ankara wird keine Kritik geübt. Im Gegenteil, sie verkaufen Kriegsmaterial und ihre Technologie. In Bosnien und Tschetschenien sowie jüngst im Kosovo-Konflikt wurden die westlichen Staaten initiativ, um die Kriege zu beenden bzw. zu verhindern. Im Falle der Türkei herrscht Schweigen.
Obwohl die Türkei im Europäischen Rat, in der OSZE und in der Zollunion vertreten ist, verletzt sie schamlos die Abkommen und die Regeln in den jeweiligen Gremien. Europa und die USA drücken eine Auge zu, wenn die Türkei ihre Regeln mit Füßen tritt.
Ohne Hilfe des Westens wäre es der Türkei auch nicht möglich gewesen, über vierzehn Jahre hinweg den Krieg in Kurdistan zu führen. Geld für den Krieg wird sogar durch den Drogenhandel nach Europa verdient, in den höchste Politiker verstrickt sind. Schamlos verlangt die Türkei für die in Europa lebenden Türken grenzenlose Rechte, während sie auf der anderen Seite den Kurden in der Türkei nicht einmal elementarste Rechte gewährt. Die blutbefleckte Türkei macht auch vor anderen Minderheiten nicht halt. Sie erhöht ihren Druck gegenüber den in der Türkei lebenden Christen und anderen Minderheiten. Vergessen darf man auch nicht, daß sie bis auf den heutigen Tag den Norden von Zypern militärisch besetzt hält.
In anderen Regionen der Welt ergreifen Europa und die USA sofort Maßnahmen, aber im Falle der Türkei bleiben diese aus, ja sie wird sogar weiterhin unterstützt. Wenn Europa und die USA für die Verwirklichung der Menschenrechte eintreten, müssen sie ihre Beziehungen zur Türkei, die die Menschenrechte massiv verletzt und die Demokratie mißachtet, an Bedingungen knüpfen und Maßnahmen ergreifen, die zu einer Beendigung des Krieges führen.
Die Menschen in Europa und in Amerika rufen wir auf, den Urlaub in der Türkei zu boykottieren. Denn der terroristische Staat Türkei finanziert seinen schmutzigen Krieg mit aus den Tourismus-Einnahmen.

Kurdistan Informations-Zentrum im Mai 1998