Muslim: Sieg in Kobane ist nah

Der Co-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), Salih Muslim, sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ANF, dass die Türkei weiterhin Kobanê schikaniert, aber dass die Kräfte der YPG dem IS schwere Verluste zufügen. Muslim betonte auch die Wichtigkeit der Dohuk Übereinkunft und vertrat die Einschätzung: „In Kobanê sind wir Sieg und Freiheit nah.“

Er erklärte weiterhin, dass die Möglichkeit des IS, das türkische Staatsgebiet für Verstärkung und militärische Hilfe nutzen zu dürfen, eine wichtige Rolle dabei spielen, dass die Kämpfe in Kobanê so lange dauern. Die Türkei wolle zudem eine Pufferzone an der Grenze zwischen Nordkurdistan und Rojava etablieren, aber dies werde nicht zugelassen werden.

„Wir haben im Rahmen der Dohuk Übereinkunft ernsthafte Gespräche mit Südkurdistan geführt und sind wichtige Schritte in Richtung kurdischer Einheit eingegangen“ ergänzte Muslim. Zudem wurde Rojava von Südkurdistan mit Waffenlieferungen unterstützt und es wurde entschieden, dass Peschmerga Kräfte nach Kobanê gehen würden. Muslim erläuterte: „eine Entscheidung wurde getroffen, aber bisher sind keine Peschmerga unterwegs. Es gibt noch weiteren Gesprächsbedarf zwischen YPG und den Peschmerga.“ Muslim sagte zudem, dass es notwendig sei, das internationale Interesse an Kobanê in echte Praxis zu verwandeln.

Was ist die aktuelle Lage in Kobanê?
„Jeden Tag schließen sich neue Leute dem IS an, sie reisen via Tel Abyad und der Türkei. Außerdem erhalten sie militärische Ausrüstung. Das ist der Grund wieso die Angriffe andauern. Aktuell gibt es heftige Zusammenstöße an der östlichen und südlichen Front in Kobanê. Gestern hat die YPG in Tel Shair, etwa vier bis fünf Kilometer von Kobanê Stadt entfernt, dem IS schwere Schläge versetzt. Außerdem gehen die Luftangriffe weiter.“

Wie ist die Lage im Vergleich zu den letzten Tagen?
Die Intensität der Zusammenstöße hält an und die YPG hat die Initiative übernommen. Manchmal ziehen sie sich zurück, manchmal gehen sie in die Offensive, es ist gerade schwer, definitive Angaben zu machen.

Gestern Nacht machte die Behauptung die Runde, dass die Freie Syrische Armee in Kobanê gegen den IS kämpfen wird. Können Sie dies bestätigen?
Das ist so nicht wahr, keine derartige Erklärung wurde von uns ausgegeben. Aber einige Einheiten der FSA kämpfen bereits Seite an Seite mit uns. Nachrichten wie diese haben den Zweck zu verwirren uns basieren nicht auf Fakten.

Wer würde so etwas tun?
Die Türkei. Sie wollen Verwirrung stiften.

Bis vor Kurzem schwiegen die internationalen Stimmen, aber jetzt gibt es ein zunehmendes internationales Interesse an und große Unterstützung für Kobanê. Wie entstand dieser Wandel?
Der anhaltende Widerstand in Kobanê hat das Interesse geweckt. Wir kämpfen gegen einen grausamen Gegner der Menschlichkeit. Menschen identifizieren sich mit diesem Kampf, was großartig ist, aber nicht ausreicht. Wir wünschen uns, dass dieses Gefühl sich in einer Praxis niederschlägt, da wir noch immer keinerlei Unterstützung auf dem Landweg erhalten. Die Türkei unterstützt weiterhin den IS. Erst gestern haben wieder 70 Menschen die Grenze bei Akçakele überquert, sich dem IS angeschlossen und kämpfen nun in Kobanê. Die internationalen Mächte müssen den Druck auf die Türkei erhöhen und dieses Vorgehen verdammen.

Türkische Beamte veröffentlichen inzwischen Erklärung die eine Änderung dieser Praxis andeuten. Haben Sie davon etwas bemerkt?
Noch nicht. Die ganze Welt ist auf einer Seite und die Türkei steht auf der anderen. Der Druck muss weiter erhöht werden, damit die Türkei sich authentisch vom IS distanziert, etwas was sie bisher nicht getan hat.

Es gibt Nachrichten aus Südkurdistan, dass sich Peschmerga auf den Weg gemacht haben um in Kobanê zu kämpfen. Sind sie schon angekommen?
Eine Entscheidung wurde getroffen, die Peschmerga hierhin zu senden, aber die Gespräche zwischen YPG und dem Peschmerga Kommando laufen noch in Bezug auf Anzahl und Bewaffnung die benötigt wird.

Sie sprechen auch mit der Regierung Südkurdistan. Was sind Ihre Forderungen?
Wir haben Kämpferinnen und Kämpfer, was wir brauchen sind schwere Waffen wie Panzer und Besatzungen die sie bedienen können. Unsere Gespräche verlaufen entlang dieser Linien.

Wird die Türkei einen Korridor einrichten?
Die Türkei hat sich auf Anfrage Südkurdistans und der USA verpflichtet einen Korridor einzurichten. Über die Details wird noch verhandelt.

Welche Details?
Die Türkei möchte eine 10 Kilometer breite Sicherheitszone einrichten. Sie verfolgen dabei keine gute Absicht.

Die YPG erklärte, sie habe 26 Pakete mit militärischen Hilfsgütern von den Koalitionstruppen erhalten. Reicht das aus?
Die YPG hat effektive Waffensysteme erhalten. Wir hoffen die Hilfslieferungen werden fortgesetzt, aber ich möchte nochmal betonen, dass darunter bisher keine schweren Waffen waren. Die brauchen wir aber.

Sie waren für einige Tage in Südkurdistan. Vorgestern wurde ein Abkommen mit dem kurdischen Nationalrat (ENKS) erreicht. Können Sie uns erzählen was dieses Abkommen beinhaltet?
Wir haben das Abkommen nach acht-tägigen Verhandlungen unterschrieben. Es beinhaltet drei Artikel: „Gemeinsame Verwaltung, gemeinsames Militär und Politische Union“. Nach zwei Monaten sollen die Entscheidungen umgesetzt werden, kurz darauf folgen Wahlen.

Was bedeutet die „Dohuk Übereinkunft“ für Rojava?
Sie wird die Einheit der Kurden und den inneren Frieden bringen. Sie wird auch Freiheit für die Araber und Assyrisch-syrischen Gemeinschaften bringen. Dies ist ein wichtiger Schritt für die Kurdinnen und Kurden, da sie zuallererst das System Rojavas konsolidieren wird.

In den Medien Südkurdistan wird die militärische Unterstützung Rojavas heiß debattiert. Was können Sie dazu sagen?
Einige Kreise versuchen dies zu verhindern. Alle Kurdinnen und Kurden sollten sich dessen bewusst sein. Beide Parteien haben Waffen geliefert, einige gingen ins Kanton Cizîrê, andere nach Kobanê. Wir danken sowohl der PUK, der KDP als auch der Regierung für ihre Unterstützung.

Das Parlament Südkurdistans stimmte kürzlich für die Aufnahme von Beziehungen mit den Kantonen Rojavas. Ihr Kommentar dazu?
Diese Abstimmung war ein wichtiger Schritt in Richtung kurdische Einheit. Wir haben uns mit dem Sprecher des Parlaments und mit den Parteien getroffen und ihnen gedankt.

Der IS möchte erneut Massaker in Sinjar verüben. Die Gegend wird belagert, aber es dringen keine Nachrichten nach außen…
IS möchte das vollenden, was er am 3. August gestartet hat. Darüber hinaus ist ihr Wunsch alle Kurdinnen und Kurden zu massakrieren, nicht nur die aus Sinjar. Dem IS zu Folge sind Kurdinnen und Kurden entweder Christen oder religionslos, also sehen sie uns alle als Feind an. Außerdem sind es nur Kurdinnen und Kurden die sich ihm in den Weg stellen, niemand hat sie in Mosul oder Rakka bekämpft. Die staatlichen Armeen sind geflohen. Die Kurdinnen und Kurden leisten Widerstand in Kobane, in Sinjar und in Südkurdistan. IS möchte alle Kurdinnen und Kurden auslöschen und wird dann zu einem Problem für die gesamte Welt werden. Deshalb rufen wir alle Menschen weltweit dazu auf, in den Kampf gegen den IS einzutreten.

Menschen aus vielen verschiedenen Ländern gehen nach Kobanê um sich dem Widerstand anzuschließen. Suphi Nejat Ağırnaslı (Paramaz Kızılbaş) ist kürzlich gefallen. Auch an den Mahnwachen an der Grenze beteiligen sich Menschen aus aller Welt. Am 1. November wird weltweit für Kobanê demonstriert werden. Wie ordnen Sie dieses Interesse der Welt ein?
Durch den Widerstand der Menschen in Kobanê entstand weltweite Solidarität, die hoffentlich auch praktische Resultate hervorbringen wird, da Kobanê direkte Unterstützung braucht. Die Stadt wurde zerstört, die Zivilbevölkerung ist im Sterben begriffen. Das Blut von Menschen wie Paramaz Kızılbaş ist mit unserem Blut vermischt. Für uns ist das heilig. Menschen aus Europa und Amerika kommen hierher um Seite an Seite mit uns zu kämpfen. Niemand sollte den Lügen der Feinde Kobanês Glauben schenken. Kobanê ist dem Sieg und der Freiheit nah.

ANF, 24.10.2014, ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan