Mehmet Ülker (FEYKA) über den Tatverdächtigen Ömer Güney

NİLAY EGELİ - Nachdem sich der zuständige französische Staatsanwalt Francois Molins in der gestrigen Pressekonferenz zum Mordfall an den drei kurdischen Aktivistinnen in Paris darüber geäußert hat, dass sich der Tatverdächtige Ömer Güney seit zwei Jahren in den kurdischen Kreisen verkehren würde, jedoch nicht genau festgestellt werden konnte, um wen es sich genau handelt, stand Mehmet Ülker, Vorsitzender der Föderation der kurdischen Vereine in Frankreich (FEYKA) zum Gespräch mit der Nachrichtenagentur Firat bereit.

Nach Mehmet Ülker hat die erste Kontaktaufnahme von Ömer Güney mit den kurdischen Vereinen in Paris vor einem Jahr und zwei Monaten stattgefunden. „Im November des Jahres 2011 kam er [Ömer Güney] in den Verein, der sich zu der Zeit noch im Pariser Stadtzentrum befand. Dem Vorsitzenden des Vereins teilte er mit, dass er Mitglied werden möchte. Auf die Nachfrage des Vereinsvorsitzenden, wo er denn leben würde, wurde ihm der Verein in Villiers-le-Bel empfohlen, da sich dieser in der Nähe seines Wohnortes Sarcel befindet. Am 18. November füllt er im Beisein eines Vorstandsmitgliedes ein Antragsformular aus und wurde so Mitglied des Vereins. Er verrichtete einen monatlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 50 Euro. Daraufhin begann er, wie ein gewöhnliches Mitglied, kontinuierlich in den Verein zu kommen. Er näherte sich der Gemeinschaft an und nahm an den Veranstaltungen und Aktivitäten des Vereins teil. Aufgrund seiner guten Französischkenntnisse half er vielen Menschen als Dolmetscher. Nach und nach fiel er deswegen vielen Menschen unserer Gemeinschaft auf. Doch hatte er keine offiziellen Funktionen in irgendeinem unserer Vereine. Es handelt sich lediglich um ein Mitglied. Das System der Mitgliedschaft in unseren Vereinen ist bekannt. Wir achten weder auf Farben, Volkszugehörigkeit oder den Ursprung. Sowohl TürkInnen, wie auch FranzösInnen können problemlos die Mitgliedschaft in unseren Vereinen erlangen. Bei unseren Vereinen handelt es sich um demokratische Bevölkerungsorganisationen. Wir verfügen über keinerlei Aufnahmebedingung.
Natürlich kann die Frage gestellt werden, wie denn eine nicht wirklich bekannte Person Sakine Cansız zum Büro bringen konnte. Dem Anschein nach handelt es sich bei ihm um eine Person, die aufgrund seiner Tätigkeiten Vertrauen aufgebaut hatte.“
Ülker wiedersprach der Behauptung, es hätte sich bei Ömer Güney um den Chauffeur von Sakine Cansız gehandelt: „Es ist klarzustellen, dass er nicht als Chauffeur für Sakine Cansız tätigt war oder sich um sonstige Angelegenheiten von ihr gekümmert hat.“
Laut Ülker soll Ömer Güney in den Vereinskreisen geäußert haben, dass die Familie seines Vaters Kurden seien und seine Mutter Türkin sei. Jedoch ergaben die Informationen der französischen Staatsanwaltschaft, dass die Angaben nicht richtig gewesen waren.
Mehmet Ülker bewertet die Erklärung des französischen Staatsanwaltes als nur technisch und daher unzureichend: „Hierbei handelt es sich um einen politischen Mord, den es aufzuklären gilt. Die Augen der KurdInnen sind auf Frankreich gerichtet.
Der Pariser Staatsanwalt hat vielmehr nur von der Verfahrensweise des Verhörs berichtet. Es ist offensichtlich, dass der Fokus auf Ömer Güney gerichtet wird. Unserem Erachten nach handelt es sich hierbei um keine Tat, die nur von einer einzelnen Person ausgeführt werden konnte. Der ermittelnde Staatsanwalt hat definitiv die Ganzheit dieser Mordtat und die sich dahinter verbergenden Kräfte zu ermitteln. Diese Tat kann nicht allein von Ömer Güney durchgeführt worden sein, dies klingt nicht glaubwürdig. Des Weiteren wird er als jemand von der Organisation bzw. als PKK-Mitglied dargestellt. Nach unseren Untersuchungen, sowie nach Aussagen institutionellen Vertreter, verfügt Güney über keinerlei Verbindung zur PKK. Remzi Kartal (Vorsitzender des Kongra-Gel) hat in einer gestrigen Fernsehsendung offen und klar erklärt, dass es sich bei Ömer Güney um kein Mitglied der PKK handelt. Zudem äußerte ebenfalls sein Onkel in einem anderen Fernsehprogramm (CNN Turk), dass die Familie über keinerlei Verbindung zur PKK verfügt.“
Ülker verweist auch auf die Aussagen der AKP-Politiker seit dem ersten Tag nach der Tat. Zudem wirft er die Frage auf, ob denn die AKP im Vorfeld davon in Kenntnis waren:
„Die Aussagen der Vertreter des türkischen Staates, sowie speziell die Äußerung von Hüseyin Celik (stellvertretender AKP-Vorsitzender) am Morgen nach der Tat, erzeugen in uns große Skepsis. Haben die etwa solch Vorbereitungen getroffen, wussten sie etwa von der geplanten Tat? Die gestrigen Aussagen von M. Ali Şahin, wonach sich ähnliche Vorfälle wie in Paris auch in Deutschland ereignen können, zeigen, dass von einer Fortsetzung auszugehen ist. In Namen von FEYKA haben wir sowohl der französischen Regierung, dem Ministerpräsidenten, dem Innenminister und dem Gouverneur von Paris Briefe geschrieben. In diesen Briefen schilderten wir die Angriffe auf unsere Institutionen und das Massaker. Frankreich trägt die Verantwortung über die in Frankreich lebende kurdische Gemeinschaft und die kurdischen Institutionen. Unsere Institutionen befinden sich eigentlich unter Beobachtung. Trotzdem passieren Angriffe. In Deutschland und in Belgien werden unsere Vereine angesteckt. Das verdeutlicht, dass es sich hierbei um keinen Zufall handelt und von solchen Taten zukünftig in ganz Europa auszugehen ist.“

Quelle: ANF, 22.01.2013, ISKU

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