Mit kurdischer Einheit in Richtung Freiheit

von Amed Dicle

Der Hohe kurdische Rat bildet das höchste politische Gremium für alle Kurdinnen und Kurden in Westkurdistan. Der Rat besteht aus zehn Mitgliedern und verschiedenen Komitees. Ich möchte drei dieser Komitees exemplarisch vorstellen:
Verteidigungskomitee: Dieses Komitee wird von den Volksverteidigungseinheiten (YPG) geleitet. Die YPG ist für die Sicherheit in denjenigen Städten verantwortlich, in denen die kurdische Bevölkerung die Kontrolle erlangt hat. Zudem sorgt sie sich um die Sicherheit der kurdischen Zivilbevölkerung in umkämpften Städten wie Qamışlo und Aleppo.
Diplomatiekomitee: Dieses Komitee besteht ebenfalls aus zehn Mitgliedern. Es hat die Aufgabe, im Namen der Kurden aus Westkurdistan diplomatische Arbeit zu betreiben. So soll gewährleistet werden, dass nicht jede kurdische Gruppe oder Partei in ihrem eigenen Namen Diplomatie betreibt, sondern alle Kurden durch dieses Komitee ihre diplomatische Arbeit betreiben.
Komitee für Innere Angelegenheiten: Dieses Komitee ist verantwortlich für die alltäglichen Fragen in den kurdischen Städten. Hierzu gehören auch gesellschaftliche Fragen wie die Fragen der Lebensmittelversorgung, Gesundheit, Bildung usw.
In den verschiedenen Orten und Regionen verfügen diese und weitere Komitees nochmals über eigene Einheiten.
Mit der Gründung des Hohen Kurdischen Rates wurde zum ersten Mal seit der Vierteilung Kurdistans durch den Vertrag von Lausanne im Jahr 1923 ein Organ geschaffen, das die gemeinsame Initiative aller kurdischen Gruppen und Parteien in einem Teil Kurdistans vertritt. Somit betreiben zum ersten Mal verschiedene kurdische Parteien gemeinsam diplomatische Arbeit und kümmern sich gemeinsam um die Belange der Bevölkerung.
Welche Wirkung der Hohe kurdische Rat auf die Bevölkerung Westkurdistans macht, wurde am Abend des 29. Juli unter Beweis gestellt. Hunderttausende Kurdinnen und Kurden waren in ihren Städten auf die Straße gegangen und feierten die Gründung ihres Rates.

“Wir sind eine Einheit und fordern unsere Rechte!”
Der Sprecher des Hohen kurdischen Rates Ahmet Süleyman erklärte, dass die Bevölkerung mit den Demonstrationen eigentlich zwei Botschaften ausgesendet hat. Die erste Message geht an uns und besagt, dass von nun an keine kurdische Gruppe oder Partei außerhalb der Strukturen dieses Rates agieren sollte, weil die Freiheit nur durch die kurdische Einheit erlangt werden kann. Die zweite Message richtet sich an die ganze Welt, vor allem an diejenigen, die sich durch die kurdische Einheit gestört fühlen. Und mit dieser Message sagt das Volk voller Selbstbewusstsein: „Wir sind eine Einheit, und wir fordern unsere Rechte. Und wenn es sein muss, sind wir auch bereit hierfür Opfer zu bringen.“
Salih Müslüm, Mitglied des Hohen kurdischen Rates und Co-Vorsitzender der Partei der demokratischen Einheit PYD, formulierte die Forderungen der Bevölkerung Westkurdistans wie folgt: „Wir fordern eine demokratische Verfassung für Syrien. Und im Rahmen dieser demokratischen Verfassung muss die Identität und der Status des kurdischen Volkes anerkannt werden. Bei diesen Forderungen besteht absoluter Konsens innerhalb des Rates.“
Auf die Frage, was die dringlichsten Forderungen der Kurden seien, entgegnen sowohl Müslüm als auch Süleyman, dass zunächst Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit der Krieg sich nicht auf die kurdischen Gebiete ausweitet. Hierfür sollen auch die neu gegründeten Volksverteidigungseinheiten der YPG gestärkt werden.

Ankaras Angst vor der kurdischen Einheit
Die Vertreter des Hohen kurdischen Rates erklärten, dass sie gegenwärtig Beziehungen zu allen Gruppen haben und auch ein Dialog zu der restlichen Opposition bestehe. Allerdings gebe es auch oppositionelle Gruppen innerhalb Syriens, welche sich kategorisch gegen die Anerkennung der kurdischen Identität wehren. Diese seien dieselben Gruppen, die Unterstützung aus Ankara genießen. Gleichzeitig versuche Ankara mit aller Kraft gegen die kurdische Einheit vorzugehen. Aus diesem Grund sei der türkische Außenminister Davutoğlu eigens nach Hewler gereist. Aber die Kurden haben mit der Gründung des Hohen kurdischen Rates einen Schritt getätigt, der nicht mehr rückgängig zu machen sei. Deswegen laufen die Bemühungen Ankaras zwangsläufig ins Leere, so Müslüm.
Auf die Frage, was denn der richtige Weg sei, den Ankara einschlagen müsse, antwortete Müslüm: „Die AKP-Regierung sollte ihre ‚Kurdenphobie‘ überwinden. Und um dies zu tun, muss sie die kurdische Frage in ihrem eigenen Land lösen. Daran führt kein Weg vorbei.“

Quelle: ANF, 02.08.2012, ISKU

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