Demirtaş: Dialog und Verhandlung werden durch Widerstand erreicht

Trotz des Verbots des Newrozfest entgegneten die kurdischen PolitikerInnen, dass es „die Entscheidung der Bevölkerung sei“. Mit der Entscheidung für das Newrozfest haben hunderttausende Menschen aus Amed (Diyarbakir) eine klare Botschaft ausgerufen.
Die Forderungen nach der Anerkennung der Identität, das Recht auf muttersprachlichen Unterricht, politischen Status und das Organisationsrecht für KurdInnen wurden mit den Parolen „Es reicht, Freiheit oder Freiheit“ und „Freiheit für Öcalan, Status für das kurdische Volk“ erbracht. Nach der Rede von Zübeyde Zümrüt, Co-Vorsitzende der BDP-Amed sprach der Oberbürgermeister Osman Baydemir wie folgt zu der Menschenmenge: „Hewlêr, Afrîn und Qamişlo, ein frohes Newroz-Fest für alle vier Teile Kurdistans. Die Welt soll Zeuge sein, keine Macht kann sich gegen unsere Einheit stellen.“
Außerdem erklärte Baydemir: „Diejenigen die das kurdische Volk nicht anerkennen, sollen auf das heute statuierte Exempel schauen. Dieses Volk hat nunmehr die Angst vor dem Tod überwunden. Freiheit oder Freiheit. Die gesamte Welt und Ankara sollen wissen, dass das kurdische Volk und Kurdistan die Statuslosigkeit nicht mehr akzeptieren werden. Wenn ihr unsere Sprache verbietet, werden wir eben sämtliche Barrikaden brechen und auf diesen Platz hier kommen. Wir hatten euch schon vorher gesagt, lasst die Zucchini-Politik [kurd. Sprichwort, etwa: eine Politik, die nach außen gut verpackt, aber innen inhaltslos ist] sein. Ich wiederhole es noch einmal. Ihr habt zwar die Zucchini-Politik sein gelassen, aber die Mentalität, mit welcher Ankara agiert, ist die Zucchini-Mentalität. Kommt und werdet Menschen.“
In der Rede des DTK-Co-Vorsitzenden Ahmet Türk erklärte er: „Heute habt ihr [die Bevölkerung] die Politik des Staates gebrochen. Auch mit gewaltigen Einschüchterungsversuchen kann die Bevölkerung Kurdistans nicht zum Schweigen gebracht werden. Die Politik und der Despotismus des Staates sind heute wirkungslos geblieben. Das kurdische Volk wird bis zum Schluss Widerstand leisten. Ihr müsst die Rechte unseres Volkes anerkennen. Herr Öcalan hat für die Lösung mehrere Schritte getan. Wir sagten Frieden, sie haben Öcalan in die Isolierung getan. Wir sprachen von Geschwisterlichkeit, über 7000 kurdische PolitikerInnen wurden in die Gefängnisse gesteckt.“
Aysel Tuğluk, ebenfalls DTK-Co-Vorsitzende, richtete ihre Worte an die Menschenmenge und an die Regierung: „Amed hat heute Geschichte geschrieben. Gegen die Gewaltherrschaft und Unterdrückung habt ihr Widerstand geleistet. Diesen Platz habt ihr gefüllt. Ihr habt Geschichte geschrieben. Mit Panzern und Geschützen haben sie Amed besetzt. Gehört dieses Volk irgendwelchen feindlichen Kräften, dass ihr es besetzt. Wir laden den Ministerpräsidenten nach Amed ein. Wir laden Idris Naim Şahin nach Amed ein. Sie sollen kommen und sehen. Ihr könnt den Friedensmarsch dieses Volkes nicht stoppen. Heute habt ihr am Newroztag einen Neuanfang gemacht.“
Tuğluk nahm zudem Bezug auf die vollkommene Isolation des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und zu den politischen Operationen: „Was dieser Staat dem kurdischen Volk zufügt ist entweder der Tod oder das Gefängnis. Gegen diesen Despotismus werden wir bis zum Schluss Widerstand leisten. Wenn Opfer gebracht werden müssen, wir werden sie erbringen.“ Mit den Forderungen auf Anerkennung der Identität, das Recht auf muttersprachlichen Unterricht, politischen Status und das Recht auf Organisierung von KurdInnen, beendete Tuğluk ihre Rede.
Anschließend bekam der BDP-Co-Vorsitzender Selahattin Demirtaş das Wort. „Ihr habt denjenigen, die Newroz nicht kennen, nicht wissen was Newroz ist, eine Newroz-Lehrstunde erteilt“, begann Demirtaş seine Rede und führte wie folgt fort: „Schau AKP, schau genau hin! Genau das ist Newroz. Ihr könnt es nicht verhindern, könnt es nicht verbieten. Trotz Drohungen und Operationen ist das Volk auf dem Platz der Freiheit. Wir haben uns nicht ergeben. Ein Volk mit einem riesengroßen Herzen steht auf dem Newrozgelänge.
Auf die Übergriffe in Kazlıçeşme reagierte Demirtaş empört und grüßte die Bevölkerung in Istanbul. „Sie sagen uns, dass wir außer am 21. März kein Newroz feiern können. Schaut, wir haben heute den 18. Können wir es feiern oder nicht? Schaut hin. Das Volk erkennt irrsinnige Dekrete nicht an. Ihr werdet das Volk anerkennen. Wir wollen nicht mehr ohne Status in Kurdistan leben. Wir wollen in unserem Heimatland frei leben. Derzeit gibt es keinerlei Gespräche mit der Regierung. Dialog und Verhandlung werden durch Widerstand erreicht. Auf diesem Weg hat sich das Volk an seine eigene Repräsentanz und Partei geklammert. Solange Öcalan in einem 10 Meter kleinem Loch steckt, ist keine Lösung zu erwarten. Widerstand wir diesem Volk die Freiheit bringen.“
Nach der Rede von Demirtaş wurden die Newroz-Botschaften von den inhaftierten Gefangenen der PKK und PAJK vorgelesen.
Anschließend lud Ibrahim Binici, BDP Parlamentarier von Riha (Urfa), das Volk zum Friedensmarsch ein. Daraufhin machten sich Hunderttausende, welche trotz dutzender Verhinderung seit den Morgenstunden den Platz gefüllt haben, auf dem Weg zum BDP-Gebäude.

Quelle: ANF, 18.03.2012, ISKU

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