Lösung über Neuverhandlung

In einer Pressekonferenz haben die Verteidiger Abdullah Öcalans die Schließung des Gefängnisses auf Imrali gefordert. Öcalan solle in den Selbstmord getrieben werden, die Kurden in Krieg und Vernichtung.

Imrali schließen

Auf der Pressekonferenz kündigte die Verteidigung Öcalans an, eine Neuverhandlung für ihren Mandanten beantragt zu haben. Der mittelbare Dialog zwischen Öcalan und dem Staat sei mit dem 11. September abgebrochen. Bei Öcalan handele es sich weder um einen gewöhnlichen Häftling noch sei er in der Position eines Kriegsgefangen. Der Staat betrachte ihn als eine Persönlichkeit, an der Rache genommen werden müsse. Das Gefängnis auf Imrali, in dem weiße Folter angewendet werde, müsse geschlossen werde.

Gesellschaftlicher Frieden bröckelt

Seit 80 Jahren werde die Würde der Kurden über die Verleugnung kurdischer Existenz angegriffen. Dennoch werde Öcalan als der einzige Verantwortliche dargestellt. Öcalan werde zum Selbstmord gedrängt, die Kurden in Krieg und Vernichtung getrieben. Dadurch werde der gesellschaftliche Frieden zerstört. Von kurdischer Seite werde einer Neuverhandlung die Mission einer Lösung der kurdischen Frage beigemessen. Wie Rechtsanwalt Irfan Dündar mitteilte, habe sich Öcalan mit der Forderung einer Neuverhandlung an das 11. Schwere Strafgericht in Ankara gewendet. Das Verteidigungsbüro werde den gleichen Antrag stellen.

Weiter erklärte Dündar, seit 1999 hätten zwischen Öcalan und dem Staat mittelbare Gespräche stattgefunden, die zu gegenseitigen Schritten geführt hätten. Als Beispiele nannte Dündar den Rückzug der bewaffneten Kräfte aus der Türkei, die Entsendung von Friedensgruppen aus den Bergen sowie juristische Verbesserungen wie die Aufhebung der Todesstrafe. Es hätten einige Entwicklungen stattgefunden, die bis zum Beginn des Beitrittsprozesses der Türkei in die EU reichten. In dieser Phase habe die kurdische Seite die Forderung aufgegriffen, anstelle der Gründung eines unabhängigen Staates oder einer Föderation ein Zusammenleben in einer demokratischen Republik anzustreben. In den Jahren 1999 bis 2001 sei es zu mehreren Gesprächen zwischen Öcalan und staatlichen Kräften gekommen, darunter auch mit dem MIT-Inspektor Emre Taner. Doch weder der Staat noch die kurdische Seite habe die Friedensaufrufe Öcalan wirklich genutzt. Das Friedensklima sei nach den Anschlägen vom 11. September mit dem Konzept des Antiterrorkampfes abgebrochen, so Dündar.

Die gleiche Behandlung wie Menderes

In den Jahren 2002 bis 2003 sei die Isolation zunehmend intensiviert worden. Damit sei die friedliche Atmosphäre gestört worden. Dündar erklärte, die Kurden wiesen eine besondere Sensibilität zum Thema Öcalan auf: „Die Verletzung des Rechts auf Verteidigung unseres Mandanten ähnelt der Vorgehensweise gegen Menderes. Aktuell ähneln sie auch der Situation, in der sich Mandela befand. Die Verfahrensweise in den F-Typ-Gefängnissen wurde zunächst bei Herrn Öcalan angewendet. Mit dem 1. Juni 2005 wurde diese Verfahrensweise gesetzlich festgelegt.“ Dündar bezeichnete die in den Medien erschienene Meldung, Öcalan habe den Befehl zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes gegeben, als „eine auf Propaganda basierende Lüge“. Dafür seien die Anwälte Zeuge. Außerdem werde ohnehin jedes Gespräch auf Band aufgenommen. Die Gewalthandlungen seien intensiviert worden, weil die demokratische Politik mit Bomben unterdrückt worden sei, so drückte Dündar sich aus.

Kein Häftling und kein Kriegsgefangener

„Öcalan ist weder ein gewöhnlicher Häftling, noch wird er wie ein Kriegsgefangener behandelt. Er hat keinen juristischen Status. Imrali ist militärisches Sperrgebiet. Jede Aktivität des Ministerpräsidenten unterliegt einer juristischen Kontrolle, aber auf Imrali gibt es keine juristische Kontrolle. Deshalb muss Imrali geschlossen werden. Herr Öcalan muss von der Insel in ein Gefängnis auf dem Festland verlegt werden. Die Sicherheit, die auf Imrali gewährleistet wird, kann es auch in einem anderen Gefängnis geben“, erklärte Dündar und erinnerte daran, dass für eine Neuverhandlung des Öcalan-Prozesses zunächst juristische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.

Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez wies darauf hin, dass innerhalb der letzten acht Monate lediglich zwei Verteidigergespräche stattgefunden hätten. Seit sieben Jahren werde Öcalan in einer 13 Quadratmeter großen Zelle festgehalten, in der er nichts weiter tun könne, als die Wände anzuschauen. Der juristische Ausdruck für diese Form der Isolationshaft sei „weiße Folter“.

14 Verteidigern wurde das Mandat entzogen

Im Anschluss informierte Rechtsanwalt Özcan Kilic, der die Anwälte Öcalans verteidigt, darüber, dass gegen die Verteidigung Öcalans 57 Prozesse eröffnet worden sind, in denen 25 Anwälte angeklagt sind. 14 Verteidigern sei das Mandat entzogen worden.

An der Pressekonferenz beteiligten sich Vertreter der Istanbuler Anwaltskammer, des Vereins zeitgenössischer Juristen, des Menschenrechtsvereins IHD, der Parteien ÖDP, SDP und DTP sowie weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Quelle: Ülkede Özgür Gündem, 01.02.2006, ISKU

Übersetzung aus dem Türkischen
ISKU | Informationsstelle Kurdistan