Prozesse wegen Meinungsfreiheit in der Türkei

Innerhalb von zwei Tagen finden in der Türkei Gerichtsverfahren gegen sechs Personen aufgrund von Meinungsfreiheit statt. Die Initiative gegen Gedankenschuld ruft dazu auf, diese Prozesse zu beobachten: „Das Fest geht weiter, reservieren Sie sich Plätze!“, heißt es in dem Aufruf.

Perihan Magden: Gegen die Journalistin Perihan Magden findet am 7. Juni in Istanbul eine weitere Verhandlung statt aufgrund eines Artikels mit der Überschrift „Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist ein Menschenrecht“, der in der Zeitschrift „Yeni Aktüel“ veröffentlicht wurde. Die Anklage lautet auf „Abkühlung der Beziehung des Volkes zum Militär“ (§ 118 Türkisches Strafgesetzbuch).

Prof. Dr. Murat Belge: Das Verfahren gegen den Journalisten der Tageszeitung „Radikal“ aufgrund eines Artikels mit der Überschrift „Ein Gerichtsurteil“ findet am 8. Juni in Istanbul statt. In dem inkriminierten Artikel hatte Belge den Gerichtsbeschluss zur Annullierung der Konferenz zu osmanischen Armeniern kritisiert. Belge ist nach § 288 des türkischen Strafgesetzbuches wegen Beeinflussung der Justiz angeklagt.

Pinar Selek: Am gleichen Tag wird die Soziologin Pinar Selek, die für ihre Untersuchungen zu von der Gesellschaft verstoßenen Kindern und der kurdischen Frage bekannt ist, für die Explosion im Misir-Basar verantwortlich gemacht. Die Verhandlung beginnt um 14 Uhr vor dem Schweren Strafgericht in Istanbul-Besiktas. Nach Forderung der Staatsanwaltschaft soll Selek nach § 125 zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt werden.

Hasip Kaplan: Ebenfalls am 8. Juni findet eine Verhandlung gegen den Juristen Hasip Kaplan wegen eines Fernsehauftrittes statt. Die Anklage gegen Kaplan lautet auf „gefährliche Anstachelung zu Feindschaft“ nach § 216.

Ismail Saymaz: Ein weiterer Prozess findet am 8. Juni ebenfalls in Istanbul gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Istanbuler Vereins zeitgenössischer Journalisten (CGD) Ismail Saymaz statt. Der Korrespondent der Tageszeitung „Radikal“ ist wegen eines Artikels mit der Überschrift „Folter an elfjährigem Kind?“ wegen Beeinflussung der Justiz angeklagt.

Ahmet Önal: Nachdem der Besitzer des Verlages Peri, Ahmet Önal, bereits am 31. Mai diesen Jahres wegen eines anderes Buches zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, wird er am 9. Juni erneut wegen „Beleidigung Atatürks“ aufgrund der Veröffentlichung des Buches „Alevitentum in Dersim“ auf der Anklagebank sitzen. Gegen den Verleger wurden bis heute 27 Prozesse geführt.

Quelle: Initiative gegen Gedankenschuld, 30.05.2006, ISKU