Die Aufgaben der Revolution in Kurdistan

Unsere Revolution ist notwendig, um durch den Sozialismus zu unserem Endziel, der klassenlosen Gesellschaft zu gelangen. Die Revolution wird folgende Aufgaben realisieren:
A) Das Beenden des türkischen Kolonialismus und aller Herrschaftsformen des Imperialismus über Kurdistan. Dafür muß folgendes realisiert werden:
1) Die nationale, vereinte Front, die Arbeiter, Bauern, Intel-lektuele und andere Klassen und Schichten umfaßt, muß noch weiter verbreitet und entwickelt werden.
2) Um die vollständige Organisierung der Bevölkerung zu si-chern, müssen Vereinigungen wie jene der Arbeiter, der Bauern, der Jugend, der Frauen und anderer noch weiter ausgebaut werden.
3) Der Volkskrieg, der die grundsätzliche Kampfesform gegen den Kolonialismus verkörpert, muß auf dem Weg des Sieges weitergeführt, und seine Basisorganisation, die Volksbefrei-ungsarmee, noch weiterentwickelt werden.
4) Den Auseinadersetzungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen, die von den Kolonialisten und den lokalen Agenten permanent angestachelt werden, muß ein Ende gesetzt werden, und die Reste des ausschließlich lokal orientierten und eng nationalistischen Verständnisses müssen beseitigt werden.
5) Jene Ansätze wie des `regionalen Sonderstatus' oder der `Autonomie' u.a., die nicht darauf abzielen, das Joch des Kolonialismus der Türkischen Republik zu brechen und eigent-lich nur auf eine Aussöhnung mit dem Kolonialismus hinarbei-ten, müssen bloßgestellt und der entschiedene Kampf gegen sie muß weitergeführt werden.
6) Die Besitztümmer jener, die im Verlauf des Kriegs mit den Kolonialisten kollaborierten und dem Volk gegenüber Feind-schaft hegten, müssen beschlagnahmt und an die arme, notlei-dende Bevölkerung verteilt werden.
7) Um gegen die verschiedenen Verwüstungen, die der Kolonia-lismus der Natur und dem Volk zufügt, und gegen die Infekti-onskrankheiten anzukämpfen, müssen von uns selbst wirtschaftli-che, kulturelle und die Bildung und Gesundheit betreffende Institutionen geschaffen werden.
B) Eine nationale, unabhängige und demokratische Gesellschaft, die unter der Herrschaft des Vokes steht, muß eingerichtet werden. Dafür sind folgende Maßnahmen zu treffen:
8) Die Vergesellschaftung aller von den Kolonialisten betrie-benen Abbaustätten, ebenso wie aller Fabrieken, landwirt-schaftlicher und andere Betriebe.
9) Das kolonialistische Finanz- und Kreditsystem muß beseitigt und an seiner Stelle ein unabhängiges Finanz- und Kreditsystem aufgebaut werden.
10) Im ganzen Land dürfen einer ausländischen Macht keine militärischen Basen oder sonstige Privilegien zugestanden werden.
11) Eine für den Nutzen der werktätigen Schichten gerechte Bodenreform muß durchgeführt werden.
12) Alle Schulden der verarmten Bauern an Zinswucherer und an Banken müssen annulliert werden.
13) Als Teil einer Demokratisierung der Gesellschaft müssen die Hindernisse für eine Organisierung der werktätigen Bevölkerung auf ökonomischem, politischem und kulturellem Gebiet beseitigt werden, und solche Organisationsformen müssen einen gesetzlichen Status erhalten.
14) Die Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeiter ist notwendig, außerdem wird auch der körperlichen und geistigen Entwicklung der Arbeiter große Bedeutung zugemessen. Ferner soll ein 8-Stundentag eingerichtet werden.
15) Das kolonialistische Rechtssystem soll aufgelöst und an seiner Stelle ein demokratisches Rechtssystem geschaffen werden.
16) Jedweder Unterdrückung der Frauen soll Einhalt geboten werden, auf jedem Gebiet des gesellschaftlichen und politischen Lebens soll die Gleichberechtigung von Mann und Frau realisiert werden. Die Frauen, die eine enorme gesellschaftlich revolutionäre Dynamik besitzen, sollen diesbezüglich mobilisiert werden.
17) Jeder Unterdrückung von Minderheitsgruppen, seien sie national oder religiös, soll ein Ende gesetzt werden; ohne in Nationalismus zu verfallen, soll jeder Kultur ihre kulturelle Freiheit zugesichert werden; die ver-schiedenen Kulturen sollen als Reichtum erachtet werden.
C) Eine unabhängige ökonomische Struktur muß aufgebaut werden. Dafür muß folgendes realisiert werden:
18) Die Wirtschaft soll in einer zentralen Planung verwaltet werden.
19) Gesellschaftliches Eigentum muß vom Staatskapitalismus unterschieden und dieser bekämpft werden. Als prinzip muß der Grund-satz gelten und reali-siert werden, daß man in der Bereichen der Wissenschaft, der Politik und der Produktion der Gesellschaft so viel nimmt, wie man gibt.
20) Im Bereich des gesellschaftlichen Eigentums soll der Entwicklung der Schwerindustrie Priorität zugewiesen werden.
21) Einrichtungen wie die des Abbaus von Bodenschätzen, des Verkehrs, des Handels, des bankwesens und der Massenkommunikationsmittel sollen im Be-reich des gesellschaftlichen Eigentums betrieben werden.
22) Die Bauern sollen zur Bildung von Kollektiven ermuntert und dabei unterstützt werden.
D) Anstelle des kolonialistischen Bildungs- und Kulturwesens sollen natio-nale Einrichtungen der Bildung und Kultur entstehen. Allen Dialekten des Kurdischen soll es ermöglicht werden, sich zu entwickeln, und einer davon soll zu einer Nationalsprache werden. Bezüglich der kurdischen Sprache, Literatur und Geschichte sollen intensive Forschungen durchgeführt und damit im Zusammenhang auch Forschungseinrichtungen aufgebaut werden. Der gesamten Bevölkerung soll es ermöglicht werden, lesen und schreiben zu lernen.
E) Für die Revolution und Einheit in Kurdistan:
24) Die Revolution in jedem der Teile Kurdistans ist grundsätzlich als Werk der in diesem Teil lebenden Bevölkerung zu sehen.
25) Bemühungen, mit den Mitteln des kolonialistischen Staates unter dem Titel der `Autonomie' einige Reformen durchzuführen, ist in jedem Teil entgegenzutreten.
26) Es soll daran gearbeitet werden, zwischen den revolutionären Kräfte in jedem Teil Kurdistans eine starke gegenseitige Unterstützung und Solida-rität sicherzustellen.
27) Bemühungen, den Erfolg der revolutionären Linie in jedem Teil durch-zu-set-zen, sollen gelten.
28) Für die Einheit soll die Selbstbestimmung der Bevölkerung jedes ein-zelnen Teils als Grundlage herangezogen werden.
29) Die demokratischen Rechte der in den verschiedenen Ländern der Welt zerstreuten Kurden sollen verteidigt werden. Die im Ausland lebenden Kurden sollen mit der fortschrittlichen Menschheit und dem Kampf in Kurdistan vereint werden. Außerdem sollen für sie Voraussetzungen für eine Rückkehr nach Kurdistan geschaffen werden.
F) Bezüglich des Verhaltnisses zu den Nachbarvölkern und der Stellung zu internationalen Fragen sollen die Prinzipien des proletarischen Internati-onalismus angewandt werden. Dafür muß folgendes realisiert werden:
30) Bei den Beziehungen zu den revolutionären Kräften der Nachbarvölker soll aufgrund der Teilung in verschiedene Länder das Prinzip gelten, daß jede revolutionäre Bewegung für die Revolution in ihrem eigenen Land selbst verantwortlich ist; auf dieser Basis sollen auf verschiedenen Ebenen ge-meinsame Kampfesformen entwickelt werden.
31) Eine Einheit mit den Nachbarvölkern ist davon abhängig, daß jedes Volk unabhängig und frei ist. Alle erzwungenen Einheiten, die nicht auf dieser Grundlage beruhen, sollen bekämpft werden. Die Beziehungen zu den Nachbarvölkern und vor allem zu der Bevölkerung der Türkei sollen im Rahmen des Ansatzes einer `Föderation des Mittleren Ostens' entwickelt werden.
32) Beziehungen mit unabhängigen Ländern und mit ihren nationalen Befrei-ungsbewegungen, Zusammenarbeit mit Bewegungen der Arbeiterklasse in der ganzen Welt und mit revolutionären Kräften, und Solidarität mit demokrati-schen, antifaschistischen, umweltschützenden und humanistischen Kreisen sollen verwirklicht werden.

24 Januar 1995
5. Kongreß der PKK