Die Phase des kapitalistischen Kolonialismus

Auf der Stufe der kapitalistischen Formatiom hat die Unterdrückung und Ausbeutung in unserem Land Ausmaße angenommen, wie sie in den Phasen des Sklavenhaltertums und des Feudalismus mit ihrer Okkupation und Plünderung nicht anzutreffen waren. Die kapitalistischen Kolonialkräfte schreckten nicht davon zurück, alle ihnen zur Verfügung stehenden Vernichtungsmittel anzuwenden, welche von den subtilsten zu den brutalsten Methoden reichten, um den Namen unseres Landes und die Existenz unseres Volkes aus der Geschichte zu löschen.
Die Entwicklungen nach dem ersten weltweiten Verteilingskrieg hatten auf unser Land tiefgreifende Wirkungen. War unser Land früher zwischen den osmanischen Sultanen und dem iranischen Schah zweigeteilt worden, so wurde es nunmehr gemäß den Abkommen zwischen der türkischen Kolonialmacht und den französischen und englischen Imperialismus viergeteilt.
In der kapitalistischen Periode waren es hauptsächlich die Türken, die Kurdistan kolonialisierten. Es gestaltete sich nach dem Krieg für die auf den Resten des osmanischen Imperiums gegründete Türkische Republik nicht schwer, Kurdistan, das ja schon seit osmanischer Zeit okkupiert war, wieder dem Herrschaftsgebiet einzuverleiben. Durch den Ausbau der kapitalistischen sozioökonomischen Basis konnte die Herrschaft der Türkischen Republik im vergleich zu jener der türkischen Verwaltungen in der feudalen Periode in militärischer, politischer, ökonomischer und kultureller Hinsicht um vieles verständlicher wirken. Gesetzlich ermöglicht wurde die Einverleibung eines großen Teils von Kurdistan in die Grenzen der Türkischen Republik durch den mit den Franzosen im Jahre 1921 abgeschlossenen Vertrag von Ankara und den Vertrag von Lausanne aus dem Jahre 1923, bei dem die Engländer die Hauptrolle gespielt hatten. In den Gründungsjahren der Türkischen Republik war die Einflußnahme der türkischen Verwaltung auf Kurdistan sehr begrenzt. Demgegenüber war die Einflußnahme der kurdischen Feudal- und Stammesführer (innere Autonomie) stärker. Man trifft sogar im ersten Parlement der Türkischen Republik sehr oft auf Formulierungen wie "die Regierung der zwei Völker", "das Parlement der zwei Völker". Als sich aber die Zentralmacht verstärkte, kam es zu Auseinandersetzungen der Republik mit den lokalen Autoritäten, die natürlicherweise die Klasseninteressen der feudalen Stammesführer schützen wollten. Die Regierungen der Republik, die es zum besonderen Anliegen gemacht hatten, "innerhalb der eigenen Grenzen (Misak-i-Milli) eine einzige türkische Nation zu schaffen", konnten aus dem Konflikt mit den lokalen Autoritäten großen Nutzen ziehen.
Um die militärische Basis für die Besetzung des Landes zu schaffen, die eine Voraussetzung für eine koloniale Praxis ist, war es die Strategie dieser Regierungen, Kurdistan nicht auf einmal zu besetzen, was auch die damaligen Machtverhältnisse nicht erlaubt hätten, sondern das Land nach und nach zu okkupieren. Dafür wurde die klassische Methode der religiösen Divergenzen benutzt, um so das Volk gegeneinander aufzuhetzen. Um eine innere oder ausländische Opposition zu verhindern, wurde agitiert, imdem man verbreitete, daß die "wilden, grobschlächtigen Kurden revoltieren" würden. Für die Ausführung dieser Strategie wurde der günstigste Augenblick gewählt; daneben erschwerten die unzeitgemäßen, von Feudalherren angeführten Aufstände, die immer eine große Neigung zu Spaltungen zeigten, den Ausbruch einer Revolte. Indem diese Aufstände zum Vorwand genommen wurde, wurde das Volk massakriert, die lokalen Autoritäten vernichtet, unser Land bis in den letzten Winkel unter Zentralkontrolle gebracht, und es wurde angefangen, solche Schreckensstimmung zu schaffen, damit niemand sich mehr erheben oder revoltieren sollte.
Auf Basis der Strategie, die von den Regierungen der Türkischen Republik in den Jahren von 1925 bis 1938 tätsachlich so angewandt wurde, ist unser Land einer vollständigen militärischen Kontrolle unterworfen worden. Auf dieser Grundlage gestaltete sich dann die Entwicklung des Kolonialismus in politischer, kultureller und ökonomischer Hinsicht einfach.
Obgleich international betrachtet nach dem zweiten Weltverteilungskrieg die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Kolonialismus äußerst günstig waren, fanden in unserem Land aufgrund des Nicht-Eintritts der Türkei in den Krieg wegen der starken militärische Kontrolle über unser Land und wegen der Aufrechterhaltung der rückständigen Sozialstruktur diesbezüglich keine erwähenswerten Fortschritte statt.
Als die kollaborierende türkische Bourgeoisie mit der äußeren Unterstützung der USA und dem Rückhalt, den ihr die kurdischen Grundbesitzer boten, erstarkte, konnte ab den fünfziger Jahren in der Türkei auf wirtschaftlicher Ebene eine gewisse Entwicklung konstatiert werden. Der beginn einer kapitalistischen Entwicklung in der Landwirtschaft und die Gründung einer Montageindustrie schufen einen Impuls zur Aufhebung der isolationären Umklammerung, die über Kurdistan errichtet worden war. Auch die damalige Krise des Imperialismus, zusammen mit der Zersplitterung der Einheiten der geschlossenen Ökonomie und der Notwendigkeit einer Öffnung zum Markt, spielte dabei eine Rolle. Kurz zusammengefaßt, die Entwicklung des türkischen Kapitalismus, die Marktprobleme des Imperialismus und der Wetteifer der kurdischen Großgrundbesitzer in ihren kapitalistischen Neigungen riefen in Kurdistan ab den sechziger Jahren die Entwicklung eines kolonialistischen Kapitalismus hervor. Die räuberische Ausbeutung der Bodenschätze des Landes und die Wirkung dieses Typs von Kapitalismus, der mit einer Auflösung der Feudalismus bis zu einem gewissen Punkt einherging, waren verheerend. Das Heer der Arbeitslosen, die durch die Einführung von Maschinen in der Landwirtschaft von ihrem Grund und Boden getrennt worden waren und die als Hilfsarmee bei der türkischen Industrialisierung eingesetzt wurden, erreichte Millionenausmaße. Um eventuell Reaktionen gegen die negativen Entwicklungen zu verhindern, wurde besonders in Kurdistan gegenüber der schulischen und studentischen Jugend eine primitive Kultur- und eine intensive Assimilationspolitik angewandt. 
Die Kolonialisierung kurdischer Gebiete in der Türkei erfolgte also vor der Kolonialisierung der anderen Teile Kurdistans.
Ein kleiner Teil im Westen Südkurdistans hat eine Zeitlang unter französischen Mandat gestanden; als sich die Franzosen zurückzogen, kam es unter arabische Herrschaft. Ein großer Teil der Bevölkerung dieses Teils, der als Verlängerung der Grenze Nordwestkurdistans betrachtet werden kann, wurde von Syrien nicht als Staatsbürger anerkannt und hatte den Status von Fremden. Anfang der siebziger Jahre wurde zeitweilig versucht, Araber in den fruchtbaren kurdischer Gebieten anzusiedeln, später jedoch nahm man von der Realisierung dieser Politik wieder Abstand. Die kurdische Gesellschaft, die gemäß fester traditioneller Normen gelebt hatte, begann sich in den letzten Jahren allmählich zu änderen.
Der Großteil Südkurdistans blieb bis 1931 unter englischen Mandat. Die Engländer agierten gemeinsam mit den Arabern, um den starken kurdischen Widerstand gegen sie zu brechen, und errichten später einen von ihnen abhängigen irakisch-arabischen Staat. Die arabische Bourgeoisie erlangte in diesem Staat im Jahre 1958 die volle Souveränität und zeigte Parallelen zur Machtergreifung in der Türkei unter Mustafa Kemal. So wie die Kemalisten in der Türkei in den Jahren von 1925 bis 1938 Nordwestkurdistan besetzten, wurde nun Vergleichbares in Südkurdistan versucht. Im Jahr 1974 konnte ein Aufstand unter Führung der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), die in diesem Teil Kurdistans halbfeudale und halbbürgerliche Züge trug, zum Teil niedergeschlagen werden. Auf dieser Grundlage aufbauen, wollte man die militärische Besatzung vollenden und die Kolonisierung auch auf andere Bereiche ausdehnen.
Die Hegemonie des Schahs über Ostkurdistans reicht schon Jahrhunderte zurück. Obwohl die Schahs meist aus der persischen Nation stammten, versuchten sie stets, sich als Imperatoren der Kurden und Perser zu präsentieren und als solche akzeptiert zu werden. Sie argumentierten diesbezüglich mit dem gemeinsamen arischen Ursprung der beiden Völker. Faktisch jedoch war das persische Volk hegemonial und die anderen im Reich lebenden Völker unterstellt und unterworfen.
Das iranische Imperium, das Anfang des 20. Jahrhunderts eine englische Semikolonie war, begann sich nach dem ersten Weltverteilungskrieg und mit der Machtergreifung Riza Pehlevis zu stärken und einige bürgerliche Reformen durchzuführen. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges besetzte die sowjetische Rote Armee den Norden und englische Soldaten den Süden des Landes. Die Aserbaidschaner und die Kurden nutzten die günstigen Voraussetzungen und riefen mit Unterstützung der Roten Armee ihre eigenen Republiken aus. Als sich die Rote Armee wenig später zurückzog, wurden die beiden Republiken von den Kräften des Schahs niedergeschlagen.
Der Iran, der nach 1950 den Status einer der neuen Kolonien der USA einnahm, spielte unter der Führung des Schahs neben anderen Ländern die Rolle eines Gendarmen des Imperialismus im Mittleren Osten. Das Schahregime, das mit der Entdeckung von großen Ölreserven an Stärke gewann, regierte die Bevölkerung des Landes mit finsteren faschistischen Methoden. Obwohl sich im Iran auf Basis der beziehungen mit dem Imperialismus ein Kapitalismus entwickeln konnte, hatte dies zu jener Zeit keine Auswirkungen auf Kurdistan, das seine feudalen Strukturen beibehielt. Auf der Basis der Erstarkung der kapitalistischen Beziehungen konnte der kolonialistische Kapitalismus in Ostkurdistan eindringen.