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Regeln für die Kriegsführung

 

Die kurdische Frage bleibt als ein ungelöstes Problem weiter auf der Tagesordnung. Sie stellt ein wichtiges Kriterium dar, an welchem sich das politische und juristische Niveau der Menschheit zeigt. Die Kurden sind ein Volk, dessen Existenz geleugnet wurde. International akzeptierte Rechte gelten nicht für Kurden, Abkommen werden im Falle der Kurden nicht umgesetzt. Die Rechte der Kurden wurden nicht nur verleugnet, sondern auch im Interesse von fremden Mächten benutzt und in eine Falle verwandelt. Sie wurden daran gehindert, auch nur die selbstverständlichsten kulturellen und individuellen Rechte inklusive der Sprache zu gebrauchen. Daher sind die Kurdinnen und Kurden Opfer eines schweren Verbrechens gegen die Menschlichkeit.
Die Bilanz des Krieges der letzten 20 Jahre zeigt das Ausmaß der Zerstörung auf kurdischer Seite: mehr als 5000 Menschen wurden außergerichtlich hingerichtet („Morde unbekannter Täter“), 4000 Dörfer wurden niedergebrannt, ca. 5 Millionen Menschen sind zur Migration gezwungen worden und mehr als 15.000 Guerillakämpferinnen und –kämpfer sind gefallen. Dies ist die Bilanz des Staatsterrorismus in Nordkurdistan (Türkei). In Südwestkurdistan (Syrien) werden die Kurden als Ausländer behandelt, sie haben keine staatsbürgerlichen oder kulturellen Rechte. Im Iran ist die Existenz der Kurden zwar anerkannt, aber ihre politische Identität und ihre Rechte werden ihnen verweigert, kulturelle Entfaltung wird behindert. Im Irak gibt es eine Tendenz hin zu einer Lösung, trotzdem ist eine verfassungsmäßige Verankerung der kurdischen Errungenschaften weiterhin gefährdet. In einer solch ausweglosen Bedrängnis wird wohl verständlich, warum Kurden zur Gewalt greifen. Die Staaten, die das internationale Recht konstituiert haben, haben aus nationalen und regionalen Eigeninteressen heraus die Interessen des kurdischen Volks ignoriert. Das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Selbstverteidigung, die in internationalen Dokumenten garantiert sind, sind für die Kurden nicht in die Praxis umgesetzt worden.
Die kurdische Seite hat eine Bilanz ihres 30jährigen Kampfes gezogen und sich das Prinzip zu eigen gemacht, Gewalt nicht zur Zerstörung oder Gründung eines Staates anzuwenden, sondern lediglich zur legitimen Selbstverteidigung. Um eine friedliche und demokratische Lösung im Rahmen der Genfer Konvention zu ermöglichen, erklärte die PKK im Jahre 1998 einen einseitigen Waffenstillstand. Dieser Waffenstillstand wurde bis vor kurzem (1. Juni 2004) fortgeführt. Von der Türkei und den Staaten der Region gab es keine positive Reaktion darauf. Für ein Volk, dessen Existenz und kulturellen Rechte geleugnet werden, ist ein Verteidigungskrieg keine Option, sondern eine Pflicht, um die eigene Existenz, Würde und ein freies Leben zu schützen.
So wird im internationalen Recht der Kampf für Unabhängigkeit gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker unter kolonialistischer Herrschaft nicht als Problem der inneren Sicherheit eines Staates betrachtet, sondern im Rahmen des Gewaltverbots in internationalen Beziehungen. Die UN-Vollversammlung hat dies in ihrer Resolution 2625 vom 24.10.1970 bestätigt. Im 1. Zusatzprotokoll Artikel 1 Absatz 4 von 1977 zur Genfer Konvention vom 12.08.1949 werden
„bewaffnete Konflikte, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen“
mit bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten gleichgestellt. Zu den Mitteln, zu denen Völker und Gruppen gemäß einer Reihe von international akzeptierten Abkommen greifen können, wenn sie ihrer Rechte beraubt werden, gehört auch die bewaffnete Verteidigung. Jedoch wählt niemand den Krieg, wenn es nicht zwangsläufig notwendig ist.
Ein Krieg darf nur im Rahmen des von den Vereinten Nationen akzeptierten Rechts auf legitime Selbstverteidigung erwogen werden. Das Recht auf Selbstverteidigung gilt für jeden lebenden Organismus genauso wie für Nationen, Klassen, Geschlechter, ethnische, religiöse und kulturelle Gruppen. Selbstverteidigung ist ein juristisch garantiertes Recht. Der juristische Kampf gewinnt in unserer Zeit immer mehr an Bedeutung. Individuen, Nationen, Klassen, Geschlechter und religiöse und andere Gruppen können sich auf juristische Errungenschaften berufen. Jedoch ist eines der grundlegenden Probleme der Welt, dass die natürlichen demokratischen Rechte beschränkt werden und dass auf die Forderungen nach Anwendung dieser Rechte mit Gewalt reagiert wird. Auch in Staaten, die die internationalen Abkommen unterzeichnet haben, gibt es Probleme mit der Umsetzung. Diese Normen werden politischen Interessen untergeordnet, sie spielen so keine aktive Rolle bei der Lösung der Probleme der Völker. Für diese Situation sind die Interessenbeziehungen der Staaten und ihre Umsetzung verantwortlich. Daher werden im Mittleren Osten und in der ganzen Welt viele Probleme nicht gelöst. Aus dem gleichen Grunde wird auch die kurdische Frage nicht gelöst. Gegen die Regime, die Kurdistan besetzt halten, die die Anwendung der natürlichsten Rechte wie dem Recht auf Sprache, Kultur und Identität verhindern, die jede Forderung nach demokratischen Rechten mit Gewalt unterbinden, ist es unvermeidlich, das Recht auf Selbstverteidigung anzuwenden.
Die kurdische Seite hat eine tiefgreifende Analyse vorgenommen und aus den Fehlern gelernt, die der Menschheit und der Natur sehr geschadet haben. Wir sind auch überzeugt, dass die Schäden, die in der zurückliegenden Kriegsphase sowohl von unserer Seite als auch von staatlicher Seite durch über das Ziel hinausgehenden Gewalteinsatz verursacht worden sind, in Zukunft verhindert werden müssen. Wir als kurdische Freiheitsbewegung verpflichten uns, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, die Genfer Konvention einzuhalten und den Entscheidungen des internationalen Gerichtshofs in Den Haag Folge zu leisten. Wir fordern auch die Staaten auf, die von der kurdischen Frage betroffen sind, allen voran die Türkei, dem zu entsprechen.

a) Allgemeine Bestimmungen

1. Der legitime Verteidigungskampf ist im Wesen ein Kampf für eine Lösung durch Anwendung der natürlichen, demokratischen Menschenrechte. Zum Krieg greift man nur, um zur Lösung von Problemen beizutragen, die in eine Sackgasse geraten sind, und um politische Stagnation zu überwinden. In der Strategie der legitimen Verteidigung ist kein Platz für ein zielloses, fetischisierendes Gewaltverständnis. Im Gegenteil handelt es sich um die Strategie eines aufgenötigten Kampfes, die eine politische Lösung vorantreiben wird und die sich an internationales Recht hält. Sie berücksichtigt das Lebensrecht aller Lebewesen. Das Ziel ist nicht, zu töten.
2. Ziele im legitimen Verteidigungskampf sind die Repressionsorgane von Staaten, die Kriegsinstitutionen und bewaffneten Kräfte und die sie unterstützenden Kontra-Organisationen sowie Institutionen, die sich aktiv am Krieg beteiligen, ihren Profit aus dem Krieg schlagen oder sich gegen Zivilisten richten.
3. Im Rahmen der legitimen Verteidigung gibt es das Recht auf Vergeltung. Jedes Volk hat das Recht, sich gegen Angriffe auf seine kulturellen Werte und die Gefahr der Vernichtung zu verteidigen. Solange die Wahrnehmung des Rechts auf Vergeltung von Angriffen Zweck und Umfang nicht überschreitet und nicht gegen internationale Abkommen verstößt, ist sie legitim.
4. Es wird dafür gesorgt, dass im legitimen Verteidigungskampf Zivilisten und schutzlose Gruppen nicht zum Ziel gemacht werden, sie geschützt werden und ihr Leben garantiert wird, dass kampfunfähige Verletzte und Gefangene medizinisch behandelt werden und ihr Leben garantiert wird und dass diesbezüglich internationale Organisationen wie das Rote Kreuz und der Rote Halbmond Arbeits- und Überwachungsmöglichkeiten erhalten.
5. Im Krieg werden internationale juristische Inspektionen akzeptiert werden. Die Arbeit der Presse wird gewährleistet.
6. Es wird im Rahmen des Kriegsrechts, an das sich beide Seiten halten müssen, die Bildung einer alle Seiten bindenden Kommission zur Feststellung von Kriegsverbrechen ermöglicht.
7. Zivilen, demokratischen Institutionen wird auf der Grundlage verbindlichen internationalen Rechts bezüglich Kriegsverbrechen die Möglichkeit zu Untersuchungen gewährt. Darüber hinaus werden auch zivilgesellschaftlichen Institutionen Möglichkeiten zu Nachforschungen gegeben. Während und nach den Untersuchungen werden Leben und Eigentum der zivildemokratischen Institutionen geschützt.
8. Die Konfliktparteien bilden Kommissionen, die die eigenen Rechtsverletzungen untersuchen.
9. Der Staat und die Politik sind für die Aktivitäten der irregulären Streitkräfte innerhalb der Staatgrenzen verantwortlich.

b) Bezüglich Zivilisten und Gefangener

1. Die Konfliktparteien schützen die Zivilbevölkerung und ihr Eigentum. Es wird immer zwischen Zivilbevölkerung und bewaffneten Kräften unterschieden. Die Zivilbevölkerung ist kein Ziel von Angriffen.
2. Unter keinem Vorwand wird die Zivilbevölkerung zur Migration gezwungen und ihr der Zugang zu Grundstücken, Weiden und Feldern verwehrt.
3. Die Persönlichkeit, Würde, religiöse Überzeugung und religiöse Praxis jeder Person, ob an Kampfhandlungen beteiligt oder nicht, wird respektiert.
4. Die für den Lebensunterhalt der Zivilbevölkerung notwendigen Geräte werden nicht angegriffen, Lebensmittelembargos werden nicht verhängt und Vorräte nicht zerstört.
5. Das Leben und die körperliche und geistige Unversehrtheit von Personen, die im Krieg kampfunfähig werden oder nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt sind, werden geschützt. Sie genießen Schutz unabhängig von Nation, Religion, Kultur und Geschlecht und werden ohne Unterschied human behandelt.
6. Der Schutz von Kindern, Frauen und Alten hat besondere Priorität. Das Recht der Kinder auf Bildung wird nicht beschnitten.
7. Jugendliche unter 16 Jahren tragen keine Waffen, Jugendliche unter 18 Jahren werden nicht an Kampfhandlungen beteiligt.
8. Leben, Würde, individuelle Rechte und Religion von gefangenen Kämpferinnen und Kämpfern sowie Zivilisten, die sich unter der Kontrolle der Gegenseite befinden, werden respektiert. Diese Personen werden gegen jede Art von Gewalt geschützt. Sie haben das Recht, mit ihren Familien zu kommunizieren, Besuch und von ihnen Zuwendungen zu erhalten.
9. Jeder hat das Recht, von juristischen Garantien zu profitieren. Keine Person kann für Taten belangt werden, die sie nicht begangen hat. Niemand wird körperlicher oder seelischer Misshandlung oder Folter unterzogen. Niemand wird rassistischen oder diskriminierenden Praktiken ausgesetzt.
10. Unter keinen Umständen werden Bestrafungen ohne Gerichtsurteil durchgeführt. Hinrichtungen ohne Urteil werden untersucht und Rechenschaft gefordert.
11. Leben und körperliche Unversehrtheit der Individuen wird respektiert. (Mord, Vergewaltigung, Verstümmelung, Folter und Misshandlung werden nicht angewandt.)
12. Es werden keine Geiseln genommen.
13. Verbrechen wie Folter, Vergewaltigung, Zwangsprostitution werden gerichtlich geahndet.

c) Bezüglich bewaffneter Auseinandersetzungen:

1. Waffen und Kriegsgerät werden nicht exzessiv eingesetzt. Kriegsgeräte, die zu unnötigen Verlusten führen können, werden nicht eingesetzt.
2. Personen, die sich ergeben oder aus anderen Gründen nicht mehr am Gefecht teilnehmen, werden nicht getötet oder verletzt.
3. Im Kampf verwundete, verletzte und kranke Personen werden von der Seite, unter deren Kontrolle sie sich befinden, in Sicherheit gebracht und behandelt. Die Symbole des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds werden als schützende Symbole anerkannt.
4. Im Kampf getötete Personen werden respektiert. Ihre Leichname werden nicht verstümmelt, sie werden weder vor der Presse noch vor der Öffentlichkeit zur Schau gestellt.
5. Die Leichname der im Kampf getöteten Personen werden ihren Familien übergeben. Die Familien werden nicht gehindert, die Leichnahme in Empfang zu nehmen.
6. Dorfschützer und Agenten werden grundsätzlich zur Aufgabe und zur Neutralität bewegt, es besteht nicht die Absicht, sie zu töten.
7. Es werden keine Selbstmordaktionen durchgeführt.
8. In Gefechten wird grundsätzlich auf Kapitulation und außer Gefecht setzen gedrängt anstatt unmittelbar zu töten.
9. Wälder werden nicht verbrannt oder zerstört.

d) Bezüglich des Einsatzes von Waffen

1. Keinerlei nukleare, biologische oder chemische Waffen (erstickend, brennend, Nervengase etc.) werden eingesetzt.
2. Brandstoffe (Napalm, Phosphor etc.) und Waffen, die bleibende Schäden an Menschen, Tieren, Pflanzen und dem ökologischen Gleichgewicht hinterlassen, werden nicht eingesetzt.
3. Minen und Sprengfallen werden ausschließlich gegen militärische Ziele eingesetzt. Jede Art des Einsatzes von Minen und Fallen, die das Leben der Zivilbevölkerung bedrohen könnten, wird unterlassen.
4. Clusterbomben (Streubomben) werden nicht eingesetzt

II. Generalversammlung des Volkskongress Kurdistan (KONGRA GEL)
19.Mai 2004


 
 
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