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Gründung des Volkskongresses - KONGREYA GEL A KURDÎSTANE

Niemand kann dem kurdischen Volk ein Leben ohne Freiheit aufzwingen

Eröffnungsrede des "Demokratischen Gründungskongresses" von Cemil Bayik
 

Der Gründungskongress des Volkskongresses - Kongra-Gel - fand zwischen dem 27. Oktober und dem 6. November 2003 in den Kandilbergen in Südkurdistan statt. Es nahmen 360 Delegierte aus vielen Ländern teil. Unter dem Vorsitz von Zübeyir Aydar wurden 41 Personen in den Exekutivrat, in den Disziplinarausschuss 11 Personen gewählt. Abdullah Öcalan wurde im Volkskongress zur Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes ernannt. Unter den Vizepräsident(inn)en des Kongresses befinden sich Remzi Kartal, Abdullah Hicap, Mizgin Sen, Riza Altun, Rengin Muhamed und Osman Öcalan.

Im Folgenden die Rede, mit der Cemil Bayik den Kongress einleitete.


Sehr geehrte Delegierte, verehrte Freundinnen und Freunde,

ich begrüße Sie recht herzlich zu unserem demokratischen Gründungskongress. Gleichzeitig möchte ich unserer Gefallenen gedenken, die den kurdischen Freiheitskampf mit ihrem selbstlosen Einsatz und ihrem Leben auf das heutige Niveau gehoben haben. Dafür gilt ihnen mein Dank. Sie werden auf unserem Weg stets eine Quelle der Kraft und Inspiration bleiben.
Gleichfalls möchte ich unseren Vorsitzenden Apo grüßen, den Architekten und Führer des Freiheitskampfes in Kurdistan. Trotz seiner schweren Isolationshaftbedingungen nahm er alle Widrigkeiten auf sich, um uns einen neuen Weg in eine demokratisch-ökologische Gesellschaft zu weisen. Seine Bemühungen und Perspektiven haben bei den Vorbereitungen zu unserem demokratischen Gründungskongress eine herausragende Rolle gespielt. Ich möchte deswegen erneut meine Verbundenheit mit dem Vorsitzenden Apo ausdrücken.

Verehrte Genossinnen und Genossen,

seit der Neuorganisierung unseres Freiheitskampfes in Form des KADEK sind nahezu zwei Jahre vergangen. Trotz dieses kurzen Zeitraumes halten wir nun erneut einen Kongress ab, bei dem eine Reihe von wichtigen Tagesordnungspunkten zur Diskussion stehen. Dies ist der dritte Kongress der kurdischen Freiheits- und Demokratiebewegung innerhalb von vier Jahren, die allesamt einen außenordentlichen Charakter aufweisen. Bisher hat noch keine andere politische Bewegung in einem so kurzen Zeitraum derart oft einen Kongress durchgeführt. Ohne Zweifel ist dies dem Charakter der jetzigen Phase und unseren organisatorischen Bedürfnissen geschuldet. Denn wir durchleben einen Prozess, der für unsere Organisation und unser Volk außerordentliche Herausforderungen bereithält. So beschleunigen außerordentliche Entwicklungen auch das Tempo der Praxis, weshalb man sich dieser Herausforderungen stellen muss. Aus diesen Gründen haben wir uns außerordentlich zusammengefunden, um unsere organisatorischen Bedürfnisse auf die veränderte Situation abzustimmen und Veränderungen vorzunehmen, die den Entwicklungen eine neue Richtung geben können.

Jeder Kongress ist von Besonderheiten geprägt, die ihn unverwechselbar machen, weshalb sie auch in die Geschichte eingehen. Die unverwechselbare Besonderheit des jetzigen Kongresses macht seine Zielsetzung aus: die demokratische Öffnung im organisatorischen, politischen und sozialen Bereich. Deshalb haben wir diesem Kongress den Namen "Demokratischer Gründungskongress" gegeben. Als Freiheits- und Demokratiebewegung Kurdistans werden wir uns gemäß eines demokratisch-ökologischen Verständnisses und gemäß demokratischer Kriterien der Überprüfung unterziehen, um uns neu zu formieren. Seit vier Jahren durchlaufen wir einen Prozess des Wandels. Ohne einen grundlegenden Wandel und die Feststellung der Gründe, die uns zu einer demokratischen Öffnung drängen, werden wir das Ziel dieses Kongresses nicht erreichen. Aus diesem Grund werde ich mich in meiner Rede mit den Hintergründen dieses Kongresses beschäftigen und dazu meine Sicht der Dinge vortragen.

Ich möchte betonen, dass es die demokratische Epoche und ihre immer mehr hervortretenden Charaktereigenschaften selbst sind, die einen neuen Kongress notwendig machen. Diese Epoche drängt uns, wie auch andere Organisationen und Bewegungen, zu demokratischen Reformen. Denn die heutige Zeit ist kein normaler Zeitabschnitt. Vielmehr stellt sie einen Wendepunkt dar, der sich durch den modernen Wandel bemerkbar macht. Demzufolge ist der Übergang vom 20. Jahrhundert zum 21. Jahrhundert kein routinierter Übergang von einem Jahrhundert in das andere. Vielmehr ist dies der Übergang der kapitalistischen zur demokratischen Zivilisation. Restaurationsbemühungen zur Überwindung der permanenten Krise, wie es der Faschismus war, aber auch die Bemühungen um die Entwicklung einer Alternative, wie im realexistierenden Sozialismus geschehen, sind gescheitert. Kurz gesagt, unsere Welt ist im Begriff zu einer neuen Epoche überzugehen. Deshalb beabsichtigen wir als Volk und Bewegung eine dynamische Kraft zu werden, welche diese Epoche maßgeblich gestaltet. So haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Mittleren Osten zu einem führenden Vertreter dieser Epoche zu machen. Somit erfordert dies von uns eine noch größere Verantwortung und Sensibilität gegenüber den Eigenschaften und Werten dieses Zeitabschmitts.

In den letzten 50 Jahren haben die wissenschaftlich-technische Revolution und die immensen Fortschritte auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik ein neues technisches Niveau hervorgebracht, das die Grundlage für die demokratische Zivilisation bildet. Die Ergebnisse dieser Revolution und ihre Auswirkungen haben im sozialen, politischen, ökonomischen und militärischen Bereich zu großen Veränderungen geführt. Diese wiederum haben die bestehenden Formen zerschlagen, weshalb sich die alten Formationen ihrer Überwindung gegenüber sehen. Wissen ist nunmehr kein Privileg einer Elite. Vielmehr bestehen zahlreiche Möglichkeiten zu seiner Verbreitung innerhalb einer Gesellschaft. Dies hat wiederum dazu geführt, dass sich vor allem die Denkstruktur und das Verhalten der Menschheit verändert hat. Die Denk-, Führungs- und Lebensformen des 20. Jahrhunderts sind zur Disposition gestellt. Die Gesellschaftsanalysen des 20. Jahrhunderts und die Theorien und politischen Institutionen, die ihnen zugrunde liegen, können auf die neue Epoche keine Antwort mehr geben. Nationalismus und Nationalstaat haben an Bedeutung verloren, weshalb supranationale Institutionen und Organisationen ihren Platz einnehmen. Die vorherrschende Globalisierung nimmt immer mehr den Charakter eines hegemonialen Systems an. Der klassische Einfluss von Klassen verliert zunehmend an Bedeutung. Demgegenüber treten soziale Kategorien wie Frauen, Jugend und Berufsgruppen hervor, die im gesellschaftlichen Leben noch mehr an Einfluss gewinnen. Zeitgenössische Demokratie, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten gehen zunehmend ineinander über und werden immer mehr Allgemeingut der Menschheit. Dies findet immer mehr Eingang in Lebens- und Führungsformen. Die Freiheit der Frau ist die herausragende Eigenschaft dieser Epoche, weshalb von den freien Frauenbewegungen eine Führungsrolle ausgeht. Zusammen mit der Jugend bildet sie eine strategische und dynamische Kraft. Die sich entwickelnde Kraft der Zivilgesellschaft bildet die Grundlage für eine demokratische Institutionalisierung, die den Staat immer mehr zum demokratischen Wandel drängt. So besteht Anlass zur Annahme, dass dies den Staat zunehmend eingrenzt und ihn in ein Werkzeug zur Koordination rein gesellschaftlicher Belange verwandelt. Ein sich merklich besser artikulierendes freies Individuum und eine bewusste Gesellschaft zeigen, dass für autoritäre, despotische und auf Gewalt basierende Regierungsformen die Zeit abläuft und die Demokratie an ihre Stelle tritt. Die Fähigkeit der Gesellschaft, sich selbst zu regieren, nimmt stetig zu. So tritt immer mehr das Interesse an der Ökologie, als ein wesentliches Merkmal des zeitgenössischen Bewusstseins, in den Vordergrund. Die Gesellschaft will nunmehr in einer sicheren und sauberen sowie in einer lebensfreundlichen Umgebung leben. Der Kampf gegen die Ausbeutung der Natur bzw. gegen ihre Zerstörung sowie ein immer mehr steigendes ökologisches Bewusstsein sind dafür der Beweis. Diese Entwicklungen, die das Wesen der demokratischen Zivilisation charakterisieren, hat die Suche der freiheitsbewussten Kräfte, die nach dem Zerfall des realexistierenden Sozialismus in ein Vakuum fielen, nach einer Alternative konkretisiert. Gleichfalls bieten diese die Grundlage zur Formulierung neuer Paradigmen. Die Auswirkungen der wissenschaftlichen und technischen Revolution auf den sozialen, politischen, ökonomischen und militärischen Bereich sind derart umfassend und rasant, dass sie nicht mit denen in einer anderen Epoche vergleichbar sind. Kurzum, obwohl wir erst am Anfang dieser Epoche stehen, ist schon jetzt ihr immenses Potenzial an Auswirkungen für das Leben in der Gesellschaft ersichtlich.

Die überzeugendsten Ergebnisse auf der Suche nach neuen Paradigmen für die Überwindung des alten Systems hat bisher unser Vorsitzender Apo erzielt. So hinterfragte er die geschichtliche und gegenwärtige Dimension des bankrotten Systems und fasste in einem intellektuellen Kraftakt die Suche nach Alternativen in einer Synthese zusammen, die er als "demokratisch-ökologische Gesellschaft" bezeichnet. Das demokratisch-ökologische Gesellschaftssystem ist das System der neuen Epoche. Dieses Paradigma, welches auf moderner Demokratie, Revolution der Geschlechter und Ökologie basiert, ist ein unter schwersten Bedingungen entstandenes Produkt der Bemühungen des Vorsitzenden Apo zur Überwindung des zerrütteten Systems. Dieser intellektuelle Kraftakt ist somit mit einer Explosion vergleichbar, die als Gewinn für die Menschheit zu betrachten ist. Dieser Kraftakt hat uns Kraft und Moral gegeben und uns die geistigen, politischen und organisatorischen Möglichkeiten eröffnet, die zu einer demokratischen Öffnung notwendig sind.

Jedes Paradigma bedarf eines entsprechenden organisatorischen Aufbaus, das seiner Politik und seinem Verständnis vom Kampf entspricht. Eine demokratisch-ökologische Gesellschaft kann jedoch nicht unter der Führung von zentralistischen Parteien aufgebaut werden, die, wie im Realsozialismus geschehen, voneinander abweichende Vorstellungen negieren. Die Beschränkung auf eine einzige Klasse ist kontraproduktiv. Vielmehr muss in einem solchen System die gesamte Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Die demokratisch-ökologische Gesellschaft ist ein System, in dem sich sämtliche gesellschaftlichen Kräfte frei artikulieren können, ohne dass diese an ihrer Stärke oder Schwäche gemessen werden. So muss diesen die uneingeschränkte Möglichkeit zur angemessenen Vertretung ihrer Interessen gegeben sein, um mit der Allgemeinheit korrespondieren zu können. Folglich sieht ein solches System eine mehrheitliche und demokratische Institutionalisierung vor, die auf eine Demokratisierung von Politik, Gesellschaft und Staat ausgerichtet ist. Demzufolge sind demokratische gesellschaftliche Koordinationskomitees, die für eine Harmonisierung der gemeinsamen Interessen der verschiedenen Gesellschaftsschichten sorgen, das adäquate Modell für eine demokratisch-ökologische Gesellschaft. Hiervon ausgehend hat der Vorsitzende Apo dem kurdischen Volk und seinen freiheitlichen Kräften die Bildung eines Volkskongresses vorgeschlagen, unter dessen Dach sich die kurdische Freiheitsbewegung zusammen mit dem Volk organisiert, indem sich der KADEK und der KNK vereinigen. Dieser Aufruf war letztendlich für die Einberufung dieses Kongresses ausschlaggebend. Somit ist unser demokratischer Kongress ein Ausdruck für die Entschlossenheit, gemäß dem Paradigma einer ökologisch-demokratischen Gesellschaft die demokratische Öffnung zu vollziehen.

Unser momentaner organisatorischer Aufbau und seine organisatorischen Mechanismen sowie unser Führungsverständnis entsprechen jedoch nicht diesem Modell. Demzufolge liegt vor uns noch ein weiter Weg. Somit bleibt uns noch viel Arbeit, um ein solches Modell zu schaffen. Dies ist jedoch den Bedingungen unseres Entstehens und denen unserer Entwicklung geschuldet. Unsere Freiheitsbewegung ist als ein Ergebnis von objektiven Bedingungen entstanden. Demzufolge wurde sie von den damaligen ideologischen und politischen Realitäten beeinflusst. Das war auch nicht anders möglich. Obwohl unsere Befreiungsbewegung, die sich in Form der PKK ausdrückte, ein kritisches Verhältnis zum Realsozialismus pflegte, wurde sie von ihm dennoch ernsthaft beeinflusst. So konnte sie sich trotz des Bekenntnisses zur Wissenschaft nicht vom Dogmatismus des Mittleren Ostens befreien. Hierfür war auch der eigene gesellschaftliche und kulturelle Hintergrund ausschlaggebend. Da sie sich dem Sozialismus wie einer Religion annäherte, konnte sie kein eigenes System entwickeln. Uns ist heute mehr oder weniger klar geworden, dass diese Haltung uns in die Gefahr gebracht hat, in eine wurzellose Glaubensrichtung verwandelt zu werden, welche sich in einer Sackgasse befindet. Dies ist jedoch nur eine der rückständigen Seiten, die wir überwinden müssen.

Wir besitzen auch eine andere Seite, die uns zu dem gemacht hat, was wir sind. So trug die PKK stets ein revolutionäres Wesen in sich. Aufrichtigkeit, Treue zum Volk und zum Kampf, Aufopferungsgeist und Heldentum waren die Werte, welche die PKK zur PKK machten. Diesen Werten war es geschuldet, dass die Freiheitsbewegung Kurdistans binnen kurzer Zeit mit der Bevölkerung verschmolz und den Sieg in der Revolution des nationalen Erwachens errang. Ich möchte hier nochmals betonen, dass sämtliche freiheitlichen Errungenschaften unseres Volkes das Werk in der Zeit der PKK waren. Auch unter den veränderten Bedingungen müssen diese Werte weiterhin die Grundlage unserer Praxis bilden.

Die innere Realität unserer Organisation hat einen zeitgemäßen Wandel verhindert, weshalb sich die Praxis unseres Kampfes nach 1993 ständig wiederholte. Dies allein mit inneren Provokationen und dem Vernichtungskonzept des türkischen Staates zu entschuldigen, wäre unvollständig und würde bedeuten, sich aus der Affäre zu winden. Eine solche Analyse verdeckt unsere eigenen Unzulänglichkeiten und würde nur zu einer Fortsetzung des genannten Zustandes führen. Vielmehr müssen wir akzeptieren, dass unsere Unfähigkeit zu Reformen als einer Notwendigkeit unserer Zeit einen hohen Anteil daran hatte. So hätten wir unsere heutige Tagesordnung, welche eine demokratische Öffnung zum Ziel hat, schon seit 1993 bzw. auf dem 5. Kongress umsetzen müssen. Da wir dies unterließen und uns nur mit oberflächlichen Modifizierungen begnügten, haben wir eigenhändig unsere Stagnation verschuldet. Die Gefangenschaft unseres Vorsitzenden Apo war hierfür der hohe Preis. Nur weil wir versäumten, rechtzeitig demokratische Reformen durchzuführen, wurden wir mit dem internationalen Komplott konfrontiert. Heute stehen wir wieder einer vergleichbaren Situation gegenüber. Der Weg zur endgültigen Niederlage des Komplotts und der Befreiung unseres Vorsitzenden führt nur über eine demokratische Öffnung und demokratische Reformen, die wir damals umzusetzen nicht imstande waren. Das Beharren auf dem Alten würde uns nur in die Marginalisierung führen, die uns von der Bevölkerung und von jeglichen politischen Prozessen abschneiden würde. Das Ergebnis wäre nichts als eine Sekte. Deshalb wird unser Kongress die notwendige Antwort geben.

Auch wenn es seit dem Waffenstillstand von 1993 immer wieder Bemühungen um eine Öffnung und einen Wandel gab, so gingen diese nicht über taktische Vorstöße hinaus. Demzufolge zwang uns erst das internationale Komplott zu einem strategischen Wechsel. Zwar leitete unser Vorsitzender Apo mit seinem Konzept einer "Demokratischen Zivilisation", das er unter den schweren Haftbedingungen auf Imrali entwarf, den strategischen Wechsel und die Neuorganisierung der Freiheitsbewegung Kurdistans ein; aufgrund der angespannten Atmosphäre nach dem 15. Februar 1999, die vom Konzept einer Liquidierung der Freiheitsbewegung bestimmt wurde, war eine vorsichtige Umsetzung nur allzu verständlich. Um das Risiko eines Auflösungsprozesses bzw. der eigenen Vernichtung zu vermeiden, war die Umsetzung eines strategischen Wechsels nur kontrolliert möglich. Dem versuchten wir gerecht zu werden. So kann ich sagen, dass im Hinblick auf die massiven Angriffe, denen wir ausgesetzt waren, unser vorsichtiges Vorgehen die Wahrung unserer organisatorischen Handlungsfähigkeit gesichert hat. Auch wenn diese Haltung als positiv zu bewerten ist, hat sie dennoch dazu beigetragen, dass wir uns mittel- und langfristig in einer reinen Selbstverteidigungsposition wiederfinden. Ja, sie bestärkte unsere konservative Haltung gegenüber demokratischen Reformen und einer demokratischen Öffnung. Dies führte wiederum dazu, dass die Gründung des KADEK 2001 nicht den Anforderungen einer demokratischen Neustrukturierung gerecht wurde. Die Erfüllung dieser Aufgabe wurde auf heute verschoben. Eine wesentliche Eigenschaft des Konservatismus ist, dass er die Stagnation verstärkt und die Probleme weiter verschärft. Eine Niederlage in diesem Zusammenhang bedeutet nur, dass ein Mangel an Problembewältigung und Mut besteht. Trotzdem lässt sich auf dem Weg zu einer demokratischen Öffnung die Gründung des KADEK als positiver Schritt bewerten. Dieser Schritt war zumindest Ausdruck der Entschlossenheit, das Konzept einer "demokratischen Zivilisation" umzusetzen. War dies genug? Zweifellos nicht! Das Programm des KADEK ließ die Vergangenheit hinter sich. Sein organisatorischer Aufbau, seine organisatorischen Mechanismen und sein Führungsstil waren jedoch eine Wiederholung des Alten. So gab es eine Kontinuität in der Logik einer Parteiführung leninistischer Prägung. Anstatt der Gesellschaft auf demokratische Weise die Politik zugänglich zu machen, wurde der zentralistische Stil unverändert weiter gepflegt. Auch in sozialer Hinsicht haben wir in einer kurzsichtigen und rückständigen Sichtweise verharrt, die weder im Einklang mit unserer Epoche noch mit der von uns vertretenen Philosophie und unserem Verständnis von einem freien Leben in Einklang stand, was uns letztendlich immer weiter in eine marginalisierte Position drängte. Auch die ernsthaften Probleme mit der Umsetzung gefasster Beschlüsse, wie sie nach der Gründung des KADEK auftraten, stehen mit der fehlenden demokratischen Öffnung in Verbindung. Somit wird klar, dass sich eine demokratische Öffnung nicht mehr länger aufschieben lässt. Andernfalls würde unsere Organisation geschwächt und ihre Verankerung in der Bevölkerung schwinden. Dazu hat aber niemand ein Recht. Niemand könnte dies verantworten.

Natürlich sind die Gründe, weshalb wir uns erneut zu einem außerordentlichen Kongress eingefunden haben, nicht nur im Wechsel unserer Epoche verborgen. Auch die veränderte politische Lage in unserer Region hat daran wichtigen Anteil. Demzufolge muss die Intervention der USA richtig interpretiert und verständlich gemacht werden. Die amerikanische Intervention lässt sich nicht nur mit ökonomischen Interessen, Sicherung des Zugriffs auf das Erdöl oder mit dem Streben nach Vorherrschaft erklären. Dies bleibt weiterhin Bestandteil amerikanischer Politik, wenn auch in modifizierter Form. Die Intervention ist hauptsächlich als Vorstoß zu verstehen, um das stagnierende System zu überwinden. Sie hat die Überwindung des Status quo im Mittleren Osten eingeläutet. Mit dieser Intervention soll der Mittlere Osten neu geordnet werden. Diese Realität wird auch nicht dadurch widerlegt, dass die USA nach einem globalen imperialen Reich streben. Vielmehr stehen die autoritären, oligarchischen und theokratischen Regime im Widerspruch zu den Zielen der USA. Diese Entwicklung betrifft auch die Zukunft unseres Volkes, weshalb wir uns dazu verhalten müssen. Die jetzige Phase drängt uns zur erfolgreichen Bewältigung einiger Aufgaben. Wesentlich dabei ist, diesem Prozess der Neuordnung die Freiheit der Völker und die Demokratie voranzustellen sowie den Nutzen aus den sich verändernden Bedingungen zu ziehen, um ihn unumkehrbar zu machen. Die dreißigjährige Erfahrung aus unserem Freiheitskampf und seine Errungenschaften haben zu dem jetzigen Prozess beigetragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das so bleibt. Das dabei entstandene Vakuum auszufüllen und die Initiative wiederzuerlangen machten einen außerordentlichen Kongress notwendig. Der Sturz des Saddam-Regimes durch die USA hat, abgesehen von seinem hegemonialen Charakter und den amerikanischen Eigeninteressen, die Möglichkeit zu einer Demokratisierung unserer Region eröffnet. Auch wenn die Anhänger des alten Regimes, nationalistische und religiöse Kräfte gegen die Koalitionskräfte Widerstand leisten, hat dieser nur wenig Aussicht auf Erfolg. Trotz der momentanen chaotischen Situation schreitet die Neuordnung unserer Region voran. In diesem Zusammenhang gewinnt der kurdische Faktor an strategischer Bedeutung. Dies bietet der Befreiungsbewegung Kurdistans einen größeren Handlungsspielraum zur Demokratisierung der Region und zur demokratischen Lösung der kurdischen Frage. Unser Kongress hat nun die Aufgabe, diese Möglichkeiten zu bewerten, die Freiheitsbewegung Kurdistans zu einem neuen politischen Vorstoß zu führen, um sie so zur dynamischsten Kraft der Region zu machen.

Regionale Regime wie Iran und Syrien kämpfen ums Überleben, indem sie am Status quo festhalten. Dabei werden sie im Inneren von demokratischen Kräften, von außen durch die USA unter starken Druck gesetzt, was wiederum diese Staaten in eine reine Verteidigungsposition drängt. Ihre einzige Sorge beschränkt sich auf die eigene Existenz und Sicherheit. So sehen diese einen Ausweg in dem anti-kurdischen Bündnis mit der Türkei. Aus diesem Grund versuchen die Türkei, Iran und Syrien, das gemeinsam geschlossene Sicherheitsabkommen, das auf Feindschaft zu den Kurd(inn)en beruht, in die Tat umzusetzen. Die zunehmenden, gemeinsam ausgeführten Angriffe auf unsere Freiheitsbewegung sind hierfür der beste Beweis. Die Türkei führt den Widerstand der Kräfte an, die für einen Erhalt des Status quo einstehen. Sämtliche reaktionären Kräfte und Regime sehen ihre Zukunft an die Entwicklungen in der Türkei gebunden. Auch wenn ihr Bündnis reaktionär erscheint, ist es dennoch nur der Ausdruck von Solidarität unter Schwachen. Die Politik des türkischen Staates ist auf die Sabotage der oben beschriebenen Intervention ausgerichtet. Dieser hatte im Vorfeld alles unternommen, um eine Intervention zu verhindern. Nachdem diese dennoch stattgefunden hatte, ging die Türkei zu einer Politik der Destabilisierung über, um so den USA einen Misserfolg beizubringen. Mit dieser Politik nahmen nicht nur die Beziehungen zu den USA Schaden, vielmehr verlor die Türkei an strategischer Bedeutung. So war der Beschluss, türkische Soldaten in den Irak zu entsenden, mit der Absicht verbunden, wieder die Initiative zu gewinnen. Der Vorgehensweise der beteiligten Seiten lagen jeweils unterschiedliche politische Erwägungen zugrunde. Die USA verfolgten mit diesem Schritt die Spaltung des Bündnisses zwischen der Türkei, Iran und Syrien, um so den Widerstand der Kräfte zu brechen, die am Status quo festhalten. Die Türkei hingegen beabsichtigte so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ob sie mit dieser Politik erfolgreich war, sei dahingestellt. In den vergangen zwanzig Jahren sprach die Türkei oft davon, hinsichtlich ihrer regionalen Politik zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Fakt ist jedoch, dass sie sich aufgrund ihres Kurdistansyndroms immer wieder zu unbedachten Zugeständnissen hat hinreißen lassen, weshalb sie sich überwiegend selbst schadete. Mit der Entsendung von Soldaten beabsichtigt die Türkei ein Mitspracherecht im Irak zu erreichen, um einen föderalen Aufbau zu verhindern und ein Regime zu errichten, das unter ihrem Einfluss steht. Dabei verspricht sie sich auch ökonomische Vorteile. Die Türkei spricht von dem Bestreben, die Bildung eines unabhängigen Staates verhindern zu wollen. Ein solches Ziel jedoch ist für die kurdische Seite in naher Zukunft nicht zu erreichen. Vielmehr geht es der Türkei darum, das de facto staatliche föderale Gebilde in Süd-Kurdistan - dessen offizielle Anerkennung sich abzeichnet - zu zerstören. Der wichtigste Grund für ihren Beschluss, Truppen in den Irak zu entsenden, ist allerdings die Vernichtung des KADEK. So richten sich alle Pläne der Türkei auf die Beseitigung der demokratischen und nationalen Errungenschaften des kurdischen Volkes. Sämtliche Aufrufe des KADEK zum Dialog werden ignoriert. Die vom KADEK unterbreitete Roadmap für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage ist bisher unbeantwortet geblieben. Die Isolation unseres Vorsitzenden Apo wurde verschärft und im politischen Bereich der Druck auf die demokratischen Kräfte verstärkt. Die Angriffe auf unsere Volksverteidigungskräfte haben zugenommen. Auf internationaler Ebene setzt die Türkei alle ihre diplomatischen Möglichkeiten ein, um den KADEK zu vernichten. Sie versucht die USA dahingehend zu bewegen, die kurdische Freiheitsbewegung anzugreifen, um so eine Konfrontation zwischen den USA und uns herbeizuführen. Auf diese Weise wird versucht, erneut das Netz des Komplotts gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans zu knüpfen. Wie schon erwähnt, das erklärte Ziel des von der Türkei angeführten Blocks ist es, die Überwindung des Status quo zu verhindern. Bleibt der Erfolg aus, soll zumindest eine aktive kurdische Rolle innerhalb der Neuordnung und die Erlangung eines Status für sie verhindert werden. Hierfür mobilisiert die Türkei auch das nationale Kapital, das sich nach wie vor unter der Kontrolle des Militärs befindet. Diese Politik vertieft die Instabilität des Iraks und erschwert das Vorgehen der USA. Sie ist eine Gefahr, da sie jede Form von Krieg bzw. Konfrontation begünstigt.

Außer den USA kann sich kein Land und keine Kraft mit der Entsendung türkischer Soldaten in den Irak anfreunden. Die Gründe der USA sind bekannt. Die im Irak heftige Opposition gegen dieses Vorhaben drängt die USA zu anderweitigen Überlegungen. Auch wenn das Zustandekommen eines Abkommens zwischen der Türkei und den USA, das unsere Vernichtung zum Ziel hat, wenig wahrscheinlich ist, müssen wir dennoch diese Möglichkeit in Betracht ziehen, da sich ihre Gespräche und Verhandlungen im Geheimen abspielen. In der Türkei hingegen versucht das Militär die AKP gegen uns auszuspielen. Auf diese Weise sollen gleichermaßen die AKP und wir geschwächt werden. Die AKP versucht wiederum das Militär gegen die Kurd(inn)en auszuspielen, um sich so vom Druck der Militärs zu befreien und ungestörter ihre islamistisch motivierte Politik umsetzen zu können. Die kurdischen Organisationen in Süd-Kurdistan, die Schiiten und sunnitischen Araber als auch der provisorische Regierungsrat im Irak haben ihre Ablehnung einer Entsendung von türkischen Soldaten deutlich gemacht. Wenn man sich die Gründe der Türkei für eine solche Entsendung vor Augen führt, wird diese Haltung verständlich. Somit ist es durchaus wahrscheinlich, dass der Beschluss zur Entsendung von Soldaten nicht in die Praxis umgesetzt werden kann.

Aus diesem Grund ist unsere zukünftige politische Haltung sehr wichtig. Wir müssen diese kritische Phase, die voller Unbekannter ist, zu unseren Gunsten entscheiden, indem wir, ohne Fehler zu machen, eine lösungsorientierte Politik verfolgen. Um einen erneuten Angriff auf die Freiheitsbewegung Kurdistans abzuwenden, ist eine Politik notwendig, die wieder die Initiative ergreift. Dies wiederum lässt sich nur mit einer verstärkten demokratischen Öffnung erreichen, die einer Ausweitung der demokratischen Serhildans (Aufständen) zugute kommt. Wiederum müssen wir uns auf den ungünstigsten Fall einstellen und unsere Vorkehrungen zur legitimen Selbstverteidigung vervollständigen. Das heißt, dass wir in jeglicher Hinsicht zur Verteidigung bzw. zu einem würdevollen Krieg bereit sein müssen. Die Türkei hat weder die von uns unterbreitete Roadmap für eine Lösung noch den Aufruf zu einem bilateralen Waffenstillstand beantwortet. Im Gegenteil. Sie hat sogar ihren Konfrontationskurs verstärkt, indem sie unvermindert ihre Vernichtungspolitik fortsetzt. Dabei verfolgen sowohl die AKP als auch das Militär eine gefährliche Politik. Diese Politik kann uns dazu zwingen, unsere nationalen demokratischen Werte und Errungenschaften erneut zu verteidigen. An diesem Punkt betonen wir nochmals, dass wir auch weiterhin an eine Lösung der kurdischen Frage mit friedlichen und demokratischen Mitteln glauben, die wir allem anderen vorziehen.

Sehr verehrte Delegierte,

die jetzige Phase macht in jeglicher Hinsicht eine demokratische Initiative notwendig. Die Realität unserer Organisation und unseres Kampfes zeigt jedoch, dass das Niveau unserer Politik nicht zu einem solchen Vorstoß ausreicht. Unsere demokratische Serhildan-Bewegung, der wir eine strategische Rolle beimessen, hat nur begrenzt zu einer Weiterentwicklung beigetragen. Seit zwei Jahren wiederholt sie sich ständig. Wenn wir also im Verlauf dieses Kongresses keine Politik entwerfen, die zu der gewünschten Wirkung führt, wird ähnlich wie im Guerillakrieg eine Stagnation eintreten, die eine Marginalisierung der Serhildan-Bewegung unabwendbar macht.

Unsere Garantie für einen erfolgreichen Fortgang auf dem Weg zur Lösung ist es, all diese Fragen tiefgreifend zu behandeln, Beschlüsse zu fassen, mit denen wir in allen Bereichen vorstoßen, um die notwendigen Öffnungen vorzunehmen. Darin soll die Schaffung eines Ansprechpartners, der den Willen des kurdischen Volkes regional und international vertritt, an erster Stelle stehen, was wir zwar mit dem KADEK erreichen wollten, aber nicht verwirklichen konnten. Einen solchen Ansprechpartner müssen wir unbedingt schaffen. Dafür ist es vordergründig unumgänglich, das noch immer bestehende Vernichtungskonzept gegen uns zu durchbrechen. Es erscheint kaum möglich, dass wir als die eine Seite zum anerkannten Gesprächspartner avancieren, solange wir die Konzeption, welche uns zum "Terroristen" abstempelt und uns aus der politischen Phase herausdrängt, nicht aufbrechen. Es liegt auf der Hand, dass die US-Intervention in den Irak uns hierbei beachtliche Möglichkeiten bietet. Weil wir die notwendigen diplomatischen Vorstöße nicht mutig genug unternommen haben, zurückhaltend und unentschlossen waren, haben wir den sich entwickelnden USA-Türkei-Widerspruch nicht ausreichend genutzt, dieses Konzept zu durchbrechen. Aber die Chancen hierfür sind nicht vollständig verbaut. Neben den diplomatischen Offensiven, die uns die Initiative verschaffen, werden die demokratischen Öffnungen im organisatorischen, politischen und sozialen Bereich dazu beitragen, dass wir die Phase mit Erfolg abschließen. Meine feste Überzeugung davon möchte ich unterstreichen.

Sowohl die Charakteristika der Epoche als auch die uns aufgrund der regionalen politischen Entwicklungen auferlegten Aufgaben, wie auch unsere organisatorischen Bedürfnisse machen es unabdingbar, in vielen Punkten unsere Situation erneut zu überdenken und neue Öffnungen zu wagen. Aber meiner Meinung nach sind drei Punkte am wichtigsten. Der erste betrifft unsere organisatorische Restrukturierung nach demokratischen Kriterien, sodass ein Modell geschaffen werden kann, das der Philosophie einer demokratisch-ökologischen Gesellschaft entspricht. Auch wenn wir uns mit dem 7. Parteikongress der PKK und mit der anschließenden Gründung des KADEK in diese Umwandlungsphase begeben haben, so stehen unser Organisationsaufbau, unser Führungs- und Arbeitsstil sowie unser organisatorischer Ablauf unter dem Einfluss leninistischer Organisationsprinzipien und der Kultur des Mittleren Ostens. Obwohl wir eine Organisation sind, die Millionen von Menschen beeinflusst und ihre Sympathie weckt, so durchleben wir organisatorisch eine marginalisierte Situation. Die Gesamtzahl unserer Aktivist(inn)en übersteigt nicht einige Zehntausend. Aus diesem Grunde können wir den begrenzten Anteil der Bevölkerung, der sich an Serhildans (Volksaufständen) beteiligt, nicht steigern, obwohl wir ständig Kampagnen realisieren und appellieren. Unser Organisationsmodell und die Mitgliedschafts- und Arbeitsbedingungen sind nicht in der Lage, Hunderttausende zu erfassen und eine Massenorganisation erwachsen zu lassen. Es herrschen eine alles vereinnahmende Hierarchie, die der Bevölkerung keine Initiative einräumt, und ein egozentrisches Verständnis vor. Die Egozentrik bildet den Kern aller organisatorischen und politischen Krankheiten. Aus diesem Grunde ist es wichtig, nicht nur einige formale Änderungen durchzuführen, sondern die Logik der egozentrischen Haltung zu überwinden. Weil unsere Mitgliedschafts- und Arbeitsbedingungen sehr schwierig und hart sind, schrecken die patriotisch-demokratischen Kreise vor der Organisationsarbeit zurück und bleiben dieser fern - außer den Führungskadern. In einer Epoche, in der die Phase der Avantgardeparteien beendet und die Institutionalisierung zivilgesellschaftlicher Organisationen und demokratischer Institutionen in den Vordergrund getreten ist, auf veralteten Modellen und Maßstäben zu beharren, wird uns außer in die Erstarrung sehr rasch in eine marginalisierte Lage manövrieren. Um diese Beschränkung zu überwinden, ist es notwendig, die Mitgliedschaftsbedingungen und den Ein- und Austritt nach rechtsverbindlichen Kriterien demokratisch neu zu gestalten. Kurzum: Eine organisatorische Reform, welche ihren Ausdruck in einer neuen Satzung findet, ist erforderlich.

Der zweite Punkt betrifft die Neugestaltung des sozialen Lebens, in einer Form, mit der unser Kampf gestärkt und die organisatorische und politische Öffnung unterstützt wird. Man muss wissen, dass wir ein gewisses Verständnis von der Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens und den Projekten dazu haben. Unser Kampf selbst ist die Antwort, die wir der Frage "Wie leben?" gegeben haben. Der Vorsitzende Abdullah Öcalan hat viele Analysen über das soziale Leben und dessen Beziehungen entwickelt und uns wichtige Perspektiven gegeben. Diese bewegen sich auf einem fortschrittlichen theoretischen Niveau. Die Entwicklung konkreter Projekte hierzu, die der gegenwärtigen Situation und ihren Bedürfnissen entsprechen, stand bis heute aus unterschiedlichen Gründen nicht auf unserer Tagesordnung. Nun stehen sie an. Die Demokratisierung der Gesellschaft wird als Resultat bedeutender revolutionärer Entwicklungen auf politischer, sozialer und kultureller Ebene umzusetzen sein. Mit der Zerschlagung der feudalen Beziehungen und Lebensart in Kurdistan wird ersichtlich, dass unser Kampf an diesem Punkt gewichtige Ergebnisse erreicht hat. Ein weiterer Schritt ist es, durch Bildung, Aufklärung und demokratische Institutionalisierung die demokratische soziale Entwicklung der Gesellschaft zu fördern. Die Demokratisierung der Familie, als Kern, wird die Grundlage für die Demokratisierung der Gesellschaft bilden. Die Aufklärung, Willensbildung und Befreiung der Frau sowie das Ziel, den Mann auf dieser Grundlage ebenfalls auf die Ebene der Gleichheit und Freiheit zu bringen, stellen den Schwerpunkt der Demokratisierung des sozialen Lebens dar. Ist dies erreicht, werden auch die anderen Bereiche des sozialen Lebens demokratisiert werden können. Langsam schreitet diese Phase fort, wir werden sie mit bewusster Beteiligung und Lenkung beschleunigen. Denn wie in anderen Bereichen auch beabsichtigen wir, durch die Demokratisierung des sozialen Lebens eine demokratisch-ökologische Gesellschaft zu entwickeln. Aktuelles Thema ist für uns heute aber die Neuordnung des innerorganisatorischen Lebens und seiner sozialen Beziehungen. Auf der letzten KADEK-Vorstandssitzung wurde dieses Thema vorgebracht, diskutiert und beschlossen, dazu ein Projekt auszuarbeiten und dem Kongress vorzulegen. Zweifellos wird dieses Thema auf unserer Kongressplattform in einer wissenschaftlichen Diskussion zielgerecht und dem freiheitlichen Leben entsprechend zu einem Ergebnis gebracht werden.
Der dritte Punkt umfasst insbesondere die innerkurdischen Beziehungen sowie die Beziehungen zu den Völkern, mit denen sie zusammenleben, bzw. zu den Staaten, in denen sie leben. Die angestrebte demokratische Öffnung beinhaltet eine Demokratisierung dieser Beziehungen nach modernen Kriterien. Unser Kongress muss sich deshalb dieses Themas annehmen, das die Grundlage für eine demokratische kurdische Verfassung darstellt. Dem Kongress stellt sich also die Aufgabe, die innerkurdischen Beziehungen und die Beziehungen zu den Staaten, in deren Grenzen die Kurd(inn)en leben, gemäß demokratischer Prinzipien neu zu ordnen. Eine Verfassung ist ein Gesellschaftsvertrag, der im Konsens mit allen Gesellschaftsschichten, ihren Institutionen und Organisationen formuliert wird. Verfassungen stützen sich im Allgemeinen auf ein Gebilde, das ihre Umsetzung auch gewährleisten kann, wie es bei Staaten der Fall ist. Kurzum, sie genießen den Schutz des Staates. In unserem Fall, bzw. hinsichtlich einer kurdischen Verfassung, ist dies wenig realistisch. Wir sind zwar eine Kraft, die versucht die Welt zu verändern; aber weder besitzen wir einen Staat noch befinden wir uns in einer Machtposition. Doch eine sich auf die Kraft von Wirkung und Akzeptanz stützende funktionierende Verfassung, welche die innerkurdischen Beziehungen sowie die kurdischen Beziehungen mit den Ländern und Staaten, in denen sie leben, auf demokratischer Grundlage regelt, ist möglich und sollte auch existieren. Als Grundlage hierfür sollte unser Kongress eine "Deklaration Demokratischer Völker" vorbereiten und der Öffentlichkeit vorlegen. In dem Maße, in dem kurdischerseits ein Konsens über diese Deklaration erzielt wird, werden deren Kriterien von der Gesellschaft angenommen und umgesetzt. Dies wird dazu führen, dass die innerkurdischen Probleme auf demokratischem Wege gelöst und somit die nationale Einheit und Solidarität gewährleistet werden. Weiterhin wird die Deklaration zum Erreichen der sprachlichen, kulturellen und Identitätsrechte beitragen, gestützt auf die kurdischen Beziehungen - auf Grundlage der verfassungsmäßigen Staatsbürgerschaft - zu den Staaten, in denen die Kurdinnen und Kurden leben.

Sehr geehrte Genossinnen und Genossen! Es hängt allein von Eurer Vorstellungskraft und Beteiligung ab, inwieweit unser Kongress seine historische Rolle spielen wird und die ihm bevorstehenden Aufgaben erhobenen Hauptes erfolgreich erfüllen wird. Das Ergebnis wird bestimmt sein durch Eure Konzentration, Diskussion und Entschlusskraft. Ich zweifle nicht daran, dass die Kongressplattform erfolgreich ihre angenommene historische Aufgabe bewältigen wird. Sie wird mit der Ernsthaftigkeit und Verantwortung einer demokratischen Gründungsorganisation die notwendige Verbundenheit zum Vorsitzenden Apo und unseren Märtyrerinnen und Märtyrern zu erfüllen wissen. Unser Kongress bietet eine freie und demokratische Diskussionsatmosphäre. Ich bin davon überzeugt, dass alle Delegierten sich im Bewusstsein dieser Verantwortung wirksam beteiligen, mutig diskutieren und ihren Beitrag leisten zu Beschlüssen, die unsere Zukunft bestimmen werden. Ich möchte an dieser Stelle auch ganz offen erklären, dass dies gewissermaßen ein Kongress sein wird, in dem wir dem Volk die von ihm verliehene Kraft und Macht wiedergeben. Alle Delegierten sollten mit diesen Gefühlen und Gedanken den Kongress und durch ihn die Errungenschaften der kurdischen Freiheit annehmen und verteidigen. Niemand kann dem kurdischen Volk ein Leben ohne Freiheit aufzwingen. Der Sieg wird dem Volk gehören, das auf dem Weg der Befreiung und Demokratie mit entschlossenen Schritten voranschreitet. Unser Kongress ist dessen Ausdruck.

Es lebe unsere Führung Apo!
Es lebe unser Kongress, der gemäß der Linie unseres Vorsitzenden Apo realisiert wird!
Es leben unsere heldenhaften Märtyrerinnen und Märtyrer, die unsere ständige Kraftquelle sind!

Ich grüße Euch alle erneut voller Respekt und wünsche Euch Erfolg.


 
 
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