hib-Meldung 197/2008

heute im Bundestag - 26.06.2008

Deutschland beteiligt sich am Ilisu-Staudamm nur bei Auflagenerfüllung

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe/

Berlin: (hib/BES) Die Auflagen für den Bau des Ilisu-Staudamms in der Türkei sind aus Sicht der Bundesregierung nicht verhandelbar. Internationale Standards auf dem Gebiet der Umwelt, der Menschenrechte und des Denkmalschutzes müssten eingehalten werden, sagte eine Vertreterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am Mittwochabend im Menschenrechtsausschuss. Deutschland ist zusammen mit Österreich und der Schweiz mit Exportkreditbürgschaften an dem insgesamt rund 2 Milliarden Euro teuren Projekt mit 450 Millionen Euro beteiligt. Die Vereinbarung vom März 2007 ist an 153 Auflagen gebunden, darunter sozial verträgliche Umsiedlungen, moderne Kläranlagen und die Errichtung eines "Kulturparks" für die Monumente der 10.000 Jahre alten Felsenstadt Hasankeyf. Sollte die Türkei ihre Zusagen nicht erfüllen, hätte dies ernsthafte Konsequenzen bis hin zum Ausstieg Deutschlands aus dem Projekt, so das BMZ. Der Ausschuss verlangte Auskunft über den Stand der Verhandlungen, nachdem eine internationale Expertenkommission festgestellt hatte, dass die Türkei die Auflagen ignoriere. Der Staudamm ist ein Prestigeprojekt der türkischen Regierung. Er soll rund drei Prozent des Energiebedarfs der Türkei decken. Erste Pläne für den Bau gab es bereits in den 1960er-Jahren. In den 1980er-Jahren ist auf dieser Grundlage das so genannte Südostanatolien-Projekt (GAP) entstanden, das den Bau von insgesamt 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken umfasst. Das Programm hat eine starke politische Komponente: Die Projekte sollen wirtschaftlichen Schwung in die vorwiegend von Kurden besiedelte Region bringen. Dass der Ilisu-Staudamm aus Sicht der türkischen Regierung eine enorme politische und wirtschaftliche Bedeutung für die Region hat, bestätigte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA) in der Ausschusssitzung. Ankara habe am 27. Mai ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von 12 Milliarden US-Dollar angekündigt, darin seien auch die Ausgaben für das Ilisu-Projekt enthalten. Die Tatsache, dass die Türkei sich über die Vereinbarungen bislang hinwegsetze, machte Union und SPD "nachdenklich". Die SPD fragte zudem nach dem Problem der möglichen regionalen Konflikte wegen Wasserknappheit. Alle Fraktionen erkundigten sich nach Fristen für die Einhaltung der Auflagen und dem möglichen Ausstieg Deutschlands aus dem Projekt bei Nichterfüllung. Die Türkei dürfe sich nicht "durchmogeln", so die FDP, die zudem nach den Auswirkungen des bisherigen Verhaltens der Türkei auf den angestrebten EU-Beitritt fragte. Auch die Umsiedlungen und die Informationspolitik der türkischen Regierung gegenüber der betroffenen Bevölkerung interessierten die Abgeordneten. Nach Auskunft des AA seien zwar erste Enteignungen in dem Gebiet bereits eingeleitet. Doch sei noch niemand umgesiedelt worden. Zeitungsberichte, wonach 55.000 Menschen umgesiedelt werden sollten, seien nicht präzise. Diese Zahl umfasse alle Betroffenen, die etwa Grundstücke auf dem Baugebiet besitzen. "Physisch" umgesiedelt werden sollten hingegen 11.000 Personen. Entgegen einigen Medienberichten habe der Bau am eigentlichen Staudamm noch nicht begonnen. Zurzeit würden lediglich Vorbereitungsarbeiten wie der Bau von Zufahrtsstraßen verrichtet. "Energisch verwahrt" hat sich die Bundesregierung gegen Behauptungen, Arbeitsplätze in Deutschland wären für die deutsche Beteiligung an dem Ilisu-Projekt entscheidend. Zu den möglichen Wasserkonflikten in der Region infolge des Staudammbaus sagte das AA, die Türkei habe ihren Nachbarn entsprechende Wassergarantien zugesichert. Die internationale Beteiligung an dem Projekt bezeichnete die Bundesregierung als Durchbruch. Damit würden entsprechende Standards auch beim Bau weiterer Staudämme in der Türkei eingeführt. "Wenn wir dabei sind, ist es für die Betroffenen besser, als wenn wir nicht dabei wären", so das Fazit des AA.